Frankfurter Allgemeine Zeitung - 10.03.2020

(Marcin) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Wirtschaft DIENSTAG, 10.MÄRZ 2020·NR.59·SEITE 17


D


eutschlandbiegt nacheinem zä-
hen Ringen, so wie es scheint, end-
lichauf die Zielgerade in dem end-
los anmutendenRennen um eine europa-
rech tskonforme und zeitgemäße „Glücks-
spiel-Regulierung“ ein.Auf der Minister-
präsidenten-Konferenz am 12. Märzsol-
len die entscheidendenWeiche ngestellt
werden. Die Gräbenwarentief, und die
Lager,Befürworter eines staatlichen Mo-
nopols sowie Anhänger einerkonsequen-
tenMarktöffnung für privateUnterneh-
men,standen sichlangeZeit unversöhn-
lichgegenüber.Ineiner wahren Herkules-
aufgabe istesden beidenVerhandlungs-
führern und Chefsder Staatskanzleien,
Nathanael Liminski ausNordrhein-Westfa-
len (CDU)und Christian Gaebleraus Ber-
lin (SPD),gelungen, einenKompromiss-
entwurfzwischen den 16 Bundesländern
auszuhandeln–einen neuen „Glücksspiel-
staatsvertrag“.Expertengehen davonaus,
dassbei einer strengenRegulierung wie in
Dänemarkpraktiziertdieser Glücksspiel-
markt entlangeiner langenWertschöp-
fungskette innerhalbvonfünf Jahren um
37,5Milliarden Eurowüchse, gleichzeitig
Werbung in Höhevon3,5 Milliarden Euro
umgesetztwerden würde und Bund sowie
Länderetwa 1,6 bis 1,8 Milliarden Euro
proJahr zusätzlicheSteuereinnahmenrea-
lisierenkönnten.

Die obersteZielsetzung des sogenann-
tenGlücksspiel-Neuregelungs-Staatsver-
tragsvorallem zumUmgang im Internet
mit Sportwetten,Poker -und Casinospie-
len sollteeine OptimierungvonJugend-,
Verbraucher-und Datenschutz inVerbin-
dung mit einer effizienten Suchtpräventi-
on undSuchthilfesein. Eine effizienteKa-
nalisierungvonanzustrebenden 85 Pro-
zent oder mehr mit dem Ziel, Spielervom

Graumarkt in den legalen Markt zu über-
führen, funktioniertnur,wenn es zwar
einestrengeRegulierung gibt,gleichzei-
tig aber derrechtlicheRahmengerade in
unserem digitalenZeitalter so ausgestal-
tetist,dassdie Angebote für die Spieler at-
traktiv sind und diese nicht mit einem
„Mouse-Click“ auf attraktivere, aber ille-
gale Angebote ausweichenkönnen. Es
gibt Hunderte illegaler Seiten im Inter-
net, die sichandeutscheKonsumenten
wenden. „OttoNormalspieler“kann den
Unterschied zwischen legal und illegal

nicht erkennen.Viele dieser Schwarz-
marktanbieteragieren aus Asien,Russ-
land oder derKaribik und zahlenweder
SteuerninDeutschland, nochkümmert
sie die europäische oder nationale Gesetz-
gebung zum Thema Jugend-, Spieler-und
Datenschutz als Basis für eine effektive
Suchtprävention sowie Suchthilfe.
DieSorge istdeshalb,dassbei demvor-
liegenden Gesetzentwurfdie angestrebte
Kanalisierungsquote,also das Ziel,Spie-
ler vonder Nutzung illegaler Angebote
zu legalenAngebotenzubewegen, so
nicht erzielt wird. Der Grundhierfür ist
nicht eine einzelneRegelung, sondern
die Summeder Regelungen, die insbeson-
dereauf starre Vorgaben, zumTeil ein Er-
gebnisvonLänderkompromissen, beru-
hen. Eine sehr einfache, pragmatische
Lösungwäre hierbei eine Ausgestaltung
der geplanten Anstalt des öffentlichen
Rechts (AoR) für dieÜberwachung des
Glücksspielmarktes mit mehr Befugnis-
sen, ohne dasshierdurch die erzielte Ver-
einbarung der Länder nachträglichum-
gangen oder ausgehöhlt wird. Derrenom-
mierteStaatsrechtler Professor C.Koe-
nig hat hierzu im Auftrag des Deutschen
Verbands für Telekommunikation und
Medien (DVTM) ein Gutachten erstellt,
das diesesVorgehendringend empfiehlt
und entsprechende Lösungsansätze ent-

wickelt hat.Vorbild für diesen innovati-
venAnsatz einerFlexibilisierung der
AöR-Behördewardas erfolgreicheKon-
zeptder Bundesnetzagentur–allerdings
auf ein Ländermodelladaptiert. Die Netz-
agentur hat häufiggesetzlicheRahmen-
vorgaben in marktgerechteAusführungs-
bestimmungen umgesetzt und dieseim
Laufeder Zeit immer wieder den Markt-
gegebenheiten angepasst;zuletzt prakti-
ziertinder 5G-Lizenzvergabe.
Die geplantenerheblichen Werbebe-
schränkungen und Werbeverbote für
Glücksspiel im Entwurfkönnen einen mit
Sorge erfüllen.Statt einer Verbotspolitik,
die historischgesehen meistweder im pri-
vatennochimstaatlichenUmfeld funktio-
nierthat, wirdzuklaren Erlaubnismodel-
len geraten. So sieht derfinale Entwurf
des Glücksspielstaatsvertrages einVerbot
der Werbung in den beliebten „Live-Ti-
ckern“vonWebsitesvor. Ebenfallsverbo-
tenwerden sollen alle Artenvon Wer-
bung, für die eine Bezahlung amUmsatz
orientiertvereinbartworden ist, soge-
nannteAffiliate-Werbung. Der DVTM
empfiehlt, dassauf willkürlicheVerbote
verzicht et undstattdessen diese Arten
der Werbungexplizit für legale und in
Deutschland lizensierte Angebote erlaubt
werden sollten. ImUmkehrschlussmüss-
tenSchw arzmarktangebote vonGlücks-

spielen in einem Erlaubnismodell aktiv
im Internetgeblockt und damit unterbun-
denwerden. Dies hat schon in anderen
Länderneine höhereKanalisierungsquo-
te bewirkt.Eine Bewerbung legaler Ange-
bote überreichweiten- und aufmerksam-
keitsstarke Medien wieFernsehen und In-
ternet dient derKanalisierungvonSpie-
lernineinenreguliertenund geschützten
Markt.
Abschließendwäre eineÜbergangsre-
gulierung im Sinne einer„White-List-Lö-
sung“ bis zum Inkrafttreten des neuen
„Glücksspielstaatsvertrags“ zum 1. Juli
2021 für dieregulierungswilligen Anbie-
termit europäischer Lizenz dringend er-
forderlich.Wenn die seriösen Anbieter
bis dahin ihr Geschäfteinstellen müss-
ten, wäre mit einer „feindlichen Markt-
übernahme“ durch illegale Anbieteraus
Asien undRussland sowie einem mögli-
chen irreparablen Schaden im Markt zu
rechnen.Verbotene Anbietervon außen
warten nur darauf, den deutschen Glücks-
spielmarkt besetzen zukönnen. Dies gilt
es, um jeden Preis zuverhindern!

Renatus Zillesist Vorstandsvorsitzender des
DeutschenVerbandesfürTelekommunikation
und Medien sowie Geschäftsführer der
ConvergeConsulting.

Mitattraktiven Glücksspielangeboten illegale Anbieter verdrängen


VonRenatus Zilles

STANDPUNKT


D


ie Organisation fürWirtschaftli-
cheZusammenarbeit und Ent-
wicklung (OECD) hat soeben ei-
nen Wohlstandsberichtvorge-
legt. „How's life“ heißt derund vergleicht,
wie sichdas Leben in OECD-Ländern seit
2010veränderthat.Generell lebe es sich
in Skandinavien,den Niederlanden,Neu-
seeland undder Schweiz am besten. Wäh-
rend DeutschlandimMittelfeld liegt,
schneidenOsteuropa,Griechenland und
die Türkei schlechter ab. Dortseien dieUn-
sicherheitengrößer.
Die Türkenhabendas besonders zu spü-
renbekommen.Wieauf einerAchterbahn
fuhrenPreise,Zinsen undder Außenwert
der Landeswährung Liraauf und ab, die Ar-
beitslosigkeit liegt bei mehr als 13 Prozent,
die Jugendarbeitslosigkeit darüber,das
Wirtscha ftswachstumstürzt eab. Gerade
nochum0,9 Prozentstieg das Bruttoin-
landsprodukt laut türkischemStatistikamt


  1. Schonfür einereifeVolkswirtschaft
    sei daswenig, sagten Bankökonomen in Is-
    tanbul.Fürein Schwellenland mit Ambitio-
    nen sei es viel zuwenig.
    Die Messlatteliegt höher,viel höher:
    Von2002 bis2017 betrug dasWachstum
    im Durchschnitt jeweils 5,9Prozent. Für
    das laufendeJahr bleiben selbstoffizielle
    Prognosenmit 5Prozent darunter.Die da-
    tierenaus derZeit, bevorneue Krisen wie
    der Krieg in Syrien, derStreit mitder EU
    um Flüchtlinge und dieFolgen desCorona-
    virus dieanges chlagene Wirtschaftdes
    Landes infizierten –selbstwenn dort bis-
    her kaum Infektionen bekannt sind.
    Statt um4Prozentnachoben könntees
    mit dem Bruttoinlandsprodukt derTürkei
    nun sogar um2Prozent nachuntengehen,
    sagtder Türkeispezialist RichardGrieve-
    son vomWiener Institut fürInternationale
    Wirtscha ftsver gleiche. Niemandwisse,


wasdas Coronavirusfür deninder Türkei
überauswichti genTourismusbedeuten
werde. Anderseits, sagtGrieveson, „kann
die Türkei alsNettoimporteur vonÖlsogar
ein bisschen vomAbsturzdes Ölpreises
profitieren“.Noch gebe es vieleUnsicher-
heiten, doch zeigten die Indikatoren für
die Weltwirtschaftdeutli ch nachunten.
Das gilt auchfür die EU,den mitAb-
stand wichtigsten Kunden der türkischen
Wirtschaft. Rund dieHälfte aller türki-
sche nExporte fließtindie Gemeinschaft.
Im vorletzten Jahr, 2018, summierte sich
das laut EU-Kommissionauf 76,1 Milliar-
den Euro, währen ddie Türkei aus der EU

Warenund DienstleistungenimWertvon
77,3 Milliarden Eurobezog. Dabeistanden
Maschinen,Fahrzeuge, Chemikalien und
Kleidung oben an.
Deutschland spielt fürdie Türkeieine
wichtigeRolle –als In vestor vonlautAu-
ßenhandelskammer10Millia rden Euroin
6500 Betrieben mit130 000 Arbeitsplät-
zenwie auchals Käufer undLieferant.Un-
terden wichtigstendeutschen Handelspart-
nern steht dasLand indes aktuell nurauf
Rang 17. In der türkischen Importstatistik
sind Russland undChina bedeutender.
Russlandstehtander Spitze,weil es viel
Gasandie Türkei verkauft. Währen ddie

EU dergrößte Handelspartner derTürkei
ist, giltdas andersherumnicht .Dakommt
die Türkei nur aufPlatz fünf.
Vordem Hintergrundsolcher Daten ver-
mag das politischeAgierenvon Präsident
Recep TayyipErdoganverwundern,ausge-
rechnetdie EU immer wieder unter Druck
zu setzen.Aktuellgeht es ihm in dervon
ihm inszenierten neuerlichen Flüchtlings-
kris eander griechischen Grenzeumdirek-
teÜberweisungenderEUandendefizitä-
rentürkischenStaatshaushaltzur Versor-
gungder mehr als4Millionen Flüchtlinge
im Land. Bisherhattedie EU6Millia rden
EuroFlüchtlingshilfe zugesagt,zahltdie
aberüberHilfsorganisationen im Land
aus.
DochauchanandererStelle löckt Erdo-
gan, dersichseinerseits über mangelndes
Entgegenkommen der EU beiVisageneh-
migungen und Handelsvorteilen beklagt,
wirtschaftspolitischwider denStachel.
Der eskalierendeStreit um die Suche nach
Gasvorkommenimöstlichen Mittelmeer
vorZypernist ein herausragendes Beispiel
dafür.Unter Juristensinddie Argumente,
die der Präsident für dieAusdehnungder
türkischen EinflusszoneimMittelmeer bis
nach Libyenhervorbringt,zumindeststrit-
tig. Erst rechtgiltdas für dieWahl seiner
militärischen Mittel in Libyenzur Absiche-
rung solcherPolitik.
Auch mit AmerikahatteErdogan sich
zwischenzeitlichangelegt. Dorthattenicht
zul etzt derKauf russischerLuftabwehrsys-
teme durch den Nato-Partner fürZornge-
sorg tund PräsidentDonaldTrumpper
Tweetmit de r„Zerstörung“ der türkischen
Wirtscha ft gedroht.Das warder Auslöser
derletztenWirtschaftskrise. Die ging nach
Ansicht vielerÖkonomennur deshalb
glimpflich aus,weil NotenbankeninAme-
rika undEuropa 2019 wiederdie Zinsen
senkten. Sie undnicht Erdogans Druckauf
die eigeneNotenbank,die Leitzinsen zu
senken, hätten denDruck aufdie Lirage-
nommen undder Wirtscha ft mehrLuft
zumAtmengegeben.Vorallem türkische
Unternehmenfinanzierten ihrWachstum
schon seit Jahrenmit geliehenen Dollars
undEuros.
InternationaleInvestorengehengleich-
wohl wiederauf Abstand.Mit fast 7Liraje
Euro notiertdie LandeswährungamMon-
tagsoschwach wienur in derKrise 2018.
Das macht es deninländischenBetrieben
abe rmals schwerer,Geld zur Bedienung ih-
rerFremdwährungsschulden zuverdienen.
Dieausländischen Direktinvestitionenwa-
ren2019 schongeschrumpft–bevordie
Debatteumdas 1,5-Milliarden-Euro-In-
vestmentvonVWinIzmir überhaupt be-
gonnen hatte.

Präsident Erdogan im Januar auf der Baustelle des neuen Flughafens Istanbul FotoGetty

itz. BERLIN.Das Gesetz zumKohle-
ausstieg, das der Bundestagbis Ende
Aprilverabschieden will,könntekom-
munale Kraftwerksbetreiber in Exis-
tenznöte bringen. Davorwarnt ein
nochunveröf fentlichtes Gutachten der
BeratungsgesellschaftFrontier Econo-
mics, das derF.A.Z. vorliegt. Entstan-
den istesimAuftrag des Energieversor-
gungsunternehmens Trianel aus Aa-
chen, das dieNovelle scharfkritisiert.
Der unterFederführungvonBundes-
wirtschaftsministerPeter Altmaier
(CDU) entstandene Gesetzentwurfver-
hindereeine „faireKompensation“ für
moderne Kraftwerksbetreiber,die ihre
Anlagen in denkommenden Jahren ab-
schalten müssten, schreiben dieAuto-
render Studie: „Dies hat erhebliche
Auswirkungen auf die Eigentümer der
betroffenenSteinkohlekraftwerke,die
insbesonderefür kleinereStadtwerke
kritischwerdenkönnten.“
Die Untersuchung bemängeltvoral-
lem, dassdie vonAltmaiergeplanten
Änderungen nicht im Einklang mit den
Empfehlungen derKommissionWachs-
tum, Strukturwandel und Beschäfti-
gungvomFebruar 2019 (KWSB)stün-
den: „Der Gesetzentwurfverlässt den
Konsens der KWSB und istökonomisch

und ordnungsrechtlichmit hohen Risi-
kenverbunden.“ Sokönnten, entgegen
den Empfehlungen, nachdem Jahr
2027 Kraftwerksstilllegungen ohne Ent-
schädigungen angeordnetwerden. Das
trif ft vorallem moderne Anlagen, die
einerseitsrelativ klimaschonend, ande-
rerseits aber noch garnicht bezahlt
sind,etwaein Werk vonTrianel inLü-
nen. „Die jüngstenund modernsten
Kraftwerke werden also absehbar nicht
entschädigt“, moniertFrontier.
Falschkonzipiertseien auchdie ge-
plantenAuktionen für die Entschädi-
gungenvor2027. Sie seien viel zuge-
ring und deckten imFalle Lünens nicht
einmal 10 Prozent der Investitionskos-
ten. Betreiber wieTrianel würden für
entgangene Deckungsbeiträgedaher
auf mehrfacheWeise nicht angemessen
entschädigt. „Ihnen bleibt nur der
Rechtsweg“, empfiehlt das Gutachten.
DiesesVorgehen sei jedoch„mit lang-
wierigen undkostspieligenVerfahren
verbunden undkann vonkeiner Seite
erwünscht sein“. Andersals bei der
Steinkohle hat sichdie Bundesregie-
rung bei der Braunkohle mitUnterneh-
men, Bundesländernund Revierregio-
nen auf festgelegteEntschädigungen
und Strukturhilfengeeinigt.

ufe. FRANKFURT. Vonwachsenden
Wehretats in Europa und imNahen Osten
profitieren die MilitärausrüsterinÜber-
see. Mit einem Anteilvon36Prozent an
den GesamtausfuhrenvonGroßwaffen
sind dieVereinigtenStaaten der mitAb-
stand größteRüstungsexporteur der
Erde. Allein zwischen 2015 und 2019
habe dieRegierung inWashington ihre
Waffenexporte im Vergleichzur vorheri-
genFünfjahresperiode umfast ein Viertel
gesteigert, heißt es im aktuellen Bericht
des Friedensforschungsinstituts Sipri.
Treiber für dieflorierenden Geschäfte
der amerikanischenWaffenhersteller ist
die starke Nachfrag eaus demNahen Os-
ten, in dem mehrerepolitischeKonflikte
schwelen. In dieserRegion legten dieWaf-
fenimporte binnen fünf Jahren um 61 Pro-

zent zu.Darüber hinaus zieht dieNachfra-
ge nachMilitärjets aus der Produktion der
nationalen Branchenführer Lockheed-
Martin und Boeingvorallem in Europa,
Australien, Japan undTaiwan an.
WieerbittertamerikanischeAusrüster
um neueKunden in Europaringen, be-
legt die aktuelleVergabe eines Großauf-
trages für den Ersatz derveralteten Torna-
do-Jets der deutschenLuftwaffe. Bis zu
90 FlugzeugediesesTyps mussdie Luft-
waffevon 2025 an austauschen.Fürden
Großauftrag mit einem Volumen von
rund 10 Milliarden Eurostehen zwei Her-
steller zurWahl: der deutsch-französische
Airbus-Konzernmit seinem Eurofighter
sowie Boeing mit seinemF-18-Kampfjet.
Noch im MärzwollteVerteidigungsmi-
nisterinAnnegretKramp-Karrenbauer

(CDU) entscheiden, ob für den Ersatz der
Tornado-Flottenur die europäische Lö-
sung oderteilweise auchder amerikani-
sche Mitbieterzum Zuge kommt.
Für Bayerns Ministerpräsident Markus
Söder (CSU), in dessen Bundesland sich
die meistenProduktionsstätten für den
Eurofighter befinden, istdie Antwortauf
dieseFrageeindeutig:„Wenn wir für die
Bundeswehr neue Flugzeugebrauchen,
sollten wir sie auchselbstproduzieren
können. Denn dageht es auchdarum,
Technologiekompetenz im Land zu behal-
ten“, stellteervor Wochen klar.
Noch mischenRüstungshersteller aus
Frankreich und Deutschland im interna-
tionalen Geschäftkräftig mit.Vor allem
Frankreichexportierte in denvergange-
nen fünf Jahren so vieleRüstungsgüter
wie seit 1990 nicht mehr,heißt es im Si-

pri-Bericht. Die französischenAusfuhren
stiegen in dieserZeitspanne um 72 Pro-
zent imVergleichzu2010 bis 2014,was
mit größerenWaffenlieferungen anÄgyp-
ten, Katarund Indien begründetwird.
Deutschland bleibt mit einerZunahme
von17Prozent und einem Anteilvon5,
Prozent an den Gesamtexporten–noch
vorChina–auf Platz vier derRangliste
der größtenRüstungsexporteure.
Trotzdes Exportstopps an Saudi-Ara-
bien habe Deutschland in jüngster Vergan-
genheit fragwürdigeGeschäfte mit den
MilitärsinAlgerien undÄgyptenabgewi-
ckelt.Hauptabnehmer deutscher Rüs-
tungsgüter sind zudem Südkorea, dessen
Marine seit 2015 mit vier U-Bootendes
deutschen HerstellersThyssen Krupp Ma-
rine Systems beliefertwurde, sowie Grie-
chenland und Algerien.

dpa.WIESBADEN.Der Immobi-
lienboom hat Deutschlands Bauunter-
nehmen das siebteWachstumsjahr in
Folgebeschert. Der Jahresumsatz im
Bauhauptgewerbe legte2019 imVer-
gleichzum Vorjahr um 5,1 Prozent
zu, wie dasStatistischeBundesamt er-
rechnet hat.NachvorläufigenZahlen
der Wiesbadener BehördevomMon-
tagkonnte alle Wirtschaftszweige
des Bauhauptgewerbes einUmsatz-
plus verbuchen.Auch die Zahl der Be-
schäftigtenstieg: um 1,9 Prozent im
Vergleichzum Vorjahr.
Große Nachfrag enachHäusern
und Wohnungen sowiestaatliche In-
vestitionenetwaim Straßenbau sor-
genseit längerem für guteGeschäfte
der Baubranche. EinTeil desUmsatz-
wachstums erklärtsichjedochauch
damit, dassFirmen höherePreise für
ihreLeistungenveranschlagen. Der
Hauptverband der Deutschen Bauin-
dustrie hatteschon imFebruar eine
positiveBilanzfür das Jahr 2019gezo-
gen. Nachdamaligen Angaben des
Verbandes erwirtschaftete ndie Be-
triebe des Bauhauptgewerbes in
Deutschland im vergangenen Jahr
135 Milliarden EuroUmsatz. Für
2020 erwartet die Branche ein nomi-
nalesUmsatzwachstumvon5,5 Pro-
zent.Das Bauhauptgewerbe umfasst
die ErrichtungvonGebäuden (Hoch-
bau) ebenso wievonStraßen, Bahn-
streckenund Leitungen (Tiefbau).

Handelspartner und Lieblingsfeind


itz. BERLIN.Die deutsche Chemiein-
dustrie will im Einklang mit den politi-
schen Klimazielen bis 2050 treibhaus-
gasneutralwerden. Dochder Wegdort-
hin iststeinig–und sehrteuer.Damit
die Ums tellung dennochgelingt, hat
der Chemieverband VCIgemeinsam
mit demVerein Deutscher Ingenieure
VDI ein neues Großprojekt namens
Chemistry-4-Climateins Leben geru-
fen. Nach Informationen derF.A.Z .wol-
len dieVerbände die Gründung in die-
ser Woche bekanntgeben. Die Platt-
form wäre die erstevon derWirtschaft
getriebene Klimaallianz für eineganze
Branche.
Ihr Ziel istes, die nationalen deut-
schen Klima- und Energievorgaben
ebenso zu erreichen wie jene des
„Green Deal“ der EuropäischenKom-
mission unterKommissionspräsidentin
Ursulavonder Leyen. Dazu sollenUn-
ternehmen,Umweltverbände, die Ge-
werkschaftIGBCE, Verbraucherschüt-
zer,die Politik,die Energieerzeuger
und Netzbetreiber sowie andereAkteu-
re gemeinsam die Grundsteine für die
Dekarbonisierung desriesigen Indus-
triezweigs legen. DerVCIvertritt 1700
Chemieunternehmen mitfast 465 000
Mitarbeiternund einem Jahresumsatz
von193 Milliarden Euro.
Manstehe voreiner Herkulesaufga-
be, die sichnur imVerbund und imKon-
sens bewältigen lasse, sagtVCI-Haupt-
geschäftsführerWolfgang Große En-
trup und nennt ein Beispiel:„Wenn wir
die Energienutzung der Chemiekom-
plett aufCO 2 -freie Elektrizität umstel-
len wollen, brauchen wir dazu diege-
samteheutigeStromerzeugung in
Deutschland.“Wiediese gewaltigen Ka-
pazitäten für erneuerbareEnergien auf-
gebaut und wiegleichzeitig dieStro mer-
zeugung zu bezahlbaren Preisen sicher-
gestellt werden könnten, sei eine offene
politische, wirtschaftliche und soziale
Frage. Dieser soll sichdie neue Klimaal-
lianz annahmen.
Im Oktober hatteder VCIeine Studie
vorgelegt,wonachesverfahrenstech-

nischmöglichist,dassdie Branche bis
Mittedes Jahrtausends denAusstoß
vonTreibhausgasfast vollständig auf-
gibt.Dazu müsstendie Unternehmen
aber 45 Milliarden Eurozusätzlichin-
vestieren. DerStrombedarfwürde auf
628 Terrawattstundensteigen undwäre
fürdieUnternehmennurbeiTarifen
von4Cent je Kilowattstunde wirt-
schaftlich. Derzeit sind es6bis 15 Cent.
Um Lösungen für derlei Schwierigkei-
tenzufinden, soll ein breiter Kreisvon
20 Fachleuten in der Chemistry-4-Cli-
mate-PlattformzunächstunstrittigeKli-
ma- und Energiedaten zusammentra-
gen. Damit lägedann eineverbindliche
Informationsgrundlagevor.
Diese Analysewerde bis Ende Juni
fertig sein, heißt es. In einer zweiten
Phase sollen unterschiedliche Arbeits-
gruppenFahrpläne und Handlungsemp-
fehlungenausarbeiten unddie zuständi-
genBundesministerien einbeziehen.
Schonwährend des Prozesseswerdees
Reformvorschlägegeben, um möglichst
bald zugreifbaren Ergebnissen zukom-
men,versichertGroße Entrup. „Das ist
der Vorteil industriegeführterProjekte:
Wirarbeiten aufResultatehin undwol-
len keine ewigenRound-Table-Gesprä-
che.“ Sokönnteschon rechtbald her-
ausgefunden werden, ob Grenzaus-
gleichsabgaben (CO2-Zölle) für den
Klimaschutz sinnvoll seien oder nicht.
Der Ingenieursverband VDI unter-
stützt die Plattform, dievonder Boston
Consulting Group begleitet wird, aus
technischer Sicht. „Früher hätteein In-
dustrieverbandgesagt, die politischen
Klimavorstellungen lassen sichnicht
verwirklichen, oder er hättedie Lösung
derPolitik überlassen“, sagt VDI-Direk-
torRalph Appel. „Jetztkümmernwir
uns selbst um die Lösung,das is tein völ-
lig neuer Ansatz.“Wenn man in einer
Kernbranche wie der Chemie erfolg-
reichsei, könnte dasVorbildcharakter
auchfür andereWirtschaftszweigeent-
wickeln. Mit 145 000 Mitgliedernist
der VDI dergrößtetechnisch-wissen-
schaftlicheVerein Deutschlands.

Amerikas Waffenherstellerbauen Dominanz aus


Das Geschäftvon Lockheed-Martin, Boeing&Co. floriert/Söderwill Kampfflugzeugeaus Europa


Baubranche


legt zu


Niemandemverkauft die


Türkei soviele Güter


wie der EU.Dennoch


legt sichPräsident


Erdogan immer wieder


mit ihr an.Wem hilft


diesesVerhalten?


VonAndreas Mihm,Wien


Wiedie Chemieindustrie


klimaneutralwerden will


Allianz für die Dekarbonisierung bis zum Jahr 2050


Existenzgefahr fürStadtwerke?


„Kohleausstieg widerspricht Geistder Kommission“


Statt einerVerbotspolitik
solltedie neueRegulierung
sichfürsInternetan
Erlaubnissen orientieren.
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