Frankfurter Allgemeine Zeitung - 10.03.2020

(Marcin) #1

SEITE 4·DIENSTAG, 10.MÄRZ 2020·NR. 59 FPolitik RANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


„Faschistische


Organisation“ aufgedeckt


Die Polizei inRommeldetdie Aufde-
ckung einerfaschistischen Geheim-
organisation im Land.Diese soll
20 000 Mitgliedergehabt haben.
35 Personen seienverhaftetworden.
Der alliierte Mili tärkommandant in
Romsagt, alliierte Sicherheitsdienste
hätten an derAufdeckung der Organi-
sation mitgewirkt .Der Offizier stellt
einenZusammenhangzum Fall des
Generals MarioRoattaher,der seit
einigerZeit fürAufregunginItalien
sorgt.Roatta, ein ehemaliger Chef
des militärischenNachrichtendiens-
tes, waraus dem Gewahrsam entkom-
men. Deswegenwarschon derKom-
mandant des Carabinieri-Korps ent-
lassenworden. LinkeParteien und
Gewerkschaftenwerfender Regie-
rung vonMinisterpräsident Bonomi
mangelnden Eifer bei der Bekämp-
fung desFaschismusvor. Auchder
König wirdindiesemZusammen-
hang hartkritisiert. Roattasetzt sich
nachSpanien ab,vonwoererst
zurückkehren wird.


BotschaftanÖsterreich


Den siebten Jahrestagdes „Anschlus-
ses“ nimmt die amerikanischeRegie-
rung zum Anlassfür eine Botschaft
an das österreichischeVolk.Nach
dem Krieg solle Österreichals freie
und unabhängigeNation wiedererste-
hen, sagt derstellvertretende Außen-
ministerJoseph Grew. Das könne al-
lerdings nicht durch Anstrengungen
vonaußengeschehen.Vielmehr sei
es „nötig, dassdas österreichische
Volk selbstfür dieVerwirklichung
dieses Idealskämpft“. DerZeitpunkt
sei nahe,wo die österreichischenPa-
trio tenvor dieser Entscheidungstün-
den. Die Wiederherstellung Öster-
reichs alsStaat istzwarschon seit ei-
nigerZeit of fiziellePolitik der Alliier-
ten. Aber unvergessen sind eben
auchdie Jubelszenen, mit denen Hit-
ler 1938 in seinem Geburtsland be-
grüßt worden war. Die Amerikaner
sprechen1945zwarvom Jahrestag
der „Annexion“ Österreichs. Der
deutsche Begriff „Anschluss“kommt
der Realität des Jahres 1938 aller-
dings näher.


„Alles für dieFront“


Der neue jugoslawischeRegierungs-
chef Josip Broz Tito erläutertim
Rundfunk das Programm seinerRe-
gierung.Zuerst gehe es darum, das
Landkomplett zu befreien. Deshalb
gelteder Grundsatz:„Alles für die
Front.“ DieRegierung werdesichdar-
über hinaus besondersumdie Bestra-
fung vonKriegsverbrechernund
„Volksverrätern“kümmern. In der
Wirtschaftspolitik sichertTitoder
Privatindustrie freie Entfaltungsmög-
lichkeiten zu,weil es ohne sie nicht
gehe. Von„hervorragenderWichtig-
keit“ sei derAufbau vonGewerk-
schaftenund bäuerlichen Genossen-
schaften. Ziel sei eingeeintes,födera-
listisches Jugoslawien.Tito sagt das
vordem Hintergrund der Spaltung
des Landes während des Krieges.
Welche Sprengkraftdem Staatsgebil-
de Jugoslawien innewohnte, zeigte
sichvierzig Jahrespäter. pes.


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S


tephan Brandner mussmit Fol-
genrechnen. Der AfD-Abgeord-
nete handeltesichineiner Aktuel-
len Stunde des Bundestags am
Freitag in einerRede gleichdrei Ord-
nungsrufeein. Für den ersten brauchteer
nur vierWorte: „Meine Damen und Her-
ren!“ Da unterbrachihn Vizepräsident
WolfgangKubicki (FDP) und erteilteihm
einen Ordnungsruf „wegen der Missach-
tung des sitzungsleitenden Präsidenten“.
DennAbgeordnete sindgehalten, ihreRe-
den mit „HerrPräsident!“ beziehungswei-
se „FrauPräsidentin!“ zu beginnen.
Brandner holtedie Anrede nichtetwa
nach, sondernsagte: „Ichdachte, bei Män-
nernund Frauen und Damen und Herren
wärenSie einbezogen, HerrKubicki.“
Daraufhin erhielt er den zweiten Ord-
nungsruf. Denn sitzungsleitende Maßnah-
men, zu denen der Ordnungsrufgehört,
dürfenvon Abgeordnetennicht kommen-
tiertwerden.Kubicki wies Brandner dar-
auf hin, dasserbei einem dritten Ord-
nungsruf „dasPodiumverlassen“ müsse.
So will es die Geschäftsordnung des Bun-
destags. Wenn einRedner dreimal zur
Ordnunggerufenund beim zweiten Mal
verwarnt wurde, „so mussihm der Präsi-
dent dasWort entziehen“, heißt es inPa-
ragraph 36.
Brandnerschaffteauchnochden drit-
tenOrdnungsruf. Die AktuelleStundewar
zumThema„DieLinkeundihrVerhältnis
zur freiheitlich-demokratischen Grundord-
nung“vonder FDP beantragtworden. An-
lasswar dieÄußerung einerTeilnehmerin
der Strategiekonferenz derLinken inKas-
sel. Sie hatte davongesprochen, nachder
Revolution „ein Prozent derReichen“ zu
erschießen. Der Linken-Vorsitzende
Bernd Riexinger hattedazugesagt, man
wolle sienicht erschießen, sondernlieber
„nützliche Arbeit“verrichten lassen. Als
Brandner die Linkspartei„Nationalsozia-

listenauf der linken Seite“nannte, erteilte
Kubicki den dritten Ordnungsruf. Aller-
dings mussteder AfD-Mann dasRedner-
pult nichtvorzeitigverlassen,weil die Be-
merkung wohl ni chtzufälligzum Ende der
Rede gefallen war. Kubicki sagte, er behal-
te sich weiter eOrdnungsmaßnahmenvor.
„Ihre st ändigeProvokation des Präsidiums
bei der Anrede, auf die Siemehrfac hhinge-
wiesenworden sind, wirdweiter eMaßnah-
men nachsichziehen.“
HatteKubicki überreagiert?Tatsäch-
lichgibt es eineVorgeschichte. DerVize-
präsident hatteschon MitteNovember
den AfD-AbgeordnetenMartin Sichert,
der auf die Präsidenten-Anredeverzicht et
hatte, darauf hingewiesen, dassdas inZu-
kunftmit einem Ordnungsrufgeahndet
werde. Kubicki hatteauchBrandner
schon einmal auf diefehlende Anrede an-
gesprochen und ihm eine Entscheidung
des Landesverfassungsgerichts Mecklen-
burg-Vorpommern vomJanuar 2011zuge-
schickt.Dorthatteder Abgeordnete der
rechtsextremen NPD,RaimundF. Borr-
mann, dagegengeklagt, dassereinen Ord-
nungsruf dafür erhalten hatte, dasserdie
korrekteAnrede des Präsidiumsverwei-
gerte. Das Gericht wies die Klagezurück.
Der Ordnungsruf sei „alsReaktion auf
eineVerletzung derWürde und Ordnung

des Landtags nicht unverhältnismäßig“
gewesen. DasParl ament sei berechtigt,
Regeln zurWahrung seiner Würdefestzu-
legen undVerstöße dagegen zu sanktio-
nieren,etwa wenn dasVerhalteneines Ab-
geordnetenden notwendigenRespektge-
genüber „der Sitzungsleitungvermissen
lässt“. Zudemstützt sichKubicki auf den
Parteienrechtler Martin Morlok.Nach
dessen Ansicht wirddie parlamentari-
sche Ordnung auchdurch „die Missach-
tung der äußerenFormen des parlamenta-
rischen Verfahrens“verletzt, waseine
Ordnungsmaßnahmerechtfertige.
Brandner bestätigtegegenüberdieser
Zeitung, dasservon Kubicki zuvor schon
ermahntworden und ihm das entsprechen-
de Urteil zugeschicktworden sei. „Das hat
michnicht überzeugt“,sagteer. Die Anre-
de „Meine Damen und Herren!“ betrachte
er als „vollkommen ausreichend“.Brand-
ner waralso keineswegs überraschtvon
Kubickis Ordnungsruf, sondernprovozier-
te bewusst.Das passt zu seinenvonVerbal-
radikalität und Provokationengeprägten
Auftr itten. Im Thüringer Landtag hatte
Brandner es in drei Jahren auf 32 Ord-
nungsrufegebracht. ImNovemberwarer
als Vorsitzender desRechtsausschussesab-
gewählt worden, weil er dafür „weder
menschlichnochpolitischdie notwendige

Eignung“ besitze, so die Begründung der
anderenFraktionen.
Womit hat Brandner nun zurechnen?
Die Geschäftsordnung des Bundestags
siehtgestufte Sanktionenvor. Die nächs-
te St ufewäredie Verhängung eines Ord-
nungsgeldes in Höhevon1000, imWie-
derholungsfall 2000 Euro. DieseRege-
lung wurde 2011 in die Geschäftsordnung
eingefügt, nachdem Linken-Abgeordnete
mit Transparenten und bedruckten
T-Shirts im Plenum erschienenwaren.
Ein Ordnungsgeldvon1000 Eurowurde
vorzweiJahrengegenden AfD-Abgeord-
netenPetrBystronverhängt, nachdem er
seinen ausgefülltenWahlzettel bei der
Wahl derKanzlerinfotografiertund das
FotoüberTwitterverbreitethatte.Erver-
stieß damitgegendie vorgeschriebene Ge-
heimhaltung derWahl.
Das Präsidium des Bundestags wird
sichvoraussichtlichamMittwochmit
demFall Brandner beschäftigen.Nachei-
nem Ordnungsgeldkönnenweiter eSank-
tionen wie derAusschlussvon Sitzungen
folgen. EinAusschlussist für bis zu 30 Sit-
zungstage möglich. Harmlos istauchein
Ordnungsgeld nicht.Denn die 1000 Euro
werden vonder steuerfreienKostenpau-
schale derAbgeordneten, die monatlich
4500 Eurobeträgt, direkt abgezogen.

reb. DÜSSELDORF. Der Bund der
Historischen Deutschen Schützenbru-
derschaften(BHDS) hat in denvergan-
genen JahrenstetsWertdaraufgelegt,
sichklar vonder AfD abzugrenzen.Auf
der Jahresmitgliederversammlung des
Dachverbands, der die 400 000katholi-
schen Schützen der insgesamt 1,4 Mil-
lionen Schützen in Deutschlandver-
tritt,fand BundesschützenmeisterEmil
Vogt amWochenende in Leverkusen
abermals deutlicheWorte–aus zweifa-
chem Anlass. Eindringlichwarnt eVogt
seine SchützenbrüdervorVereinnah-
mungsversuchen durch die AfD. Ende
2019, als in Berlin über dieVerschär-
fung desWaffenrechts beraten wurde,
habe diePartei den BHDS und zahlrei-
cheseiner Bruderschaftenzielgerichtet
angeschrieben, um sichals angeblich
einzigepolitischeWahrerin der Schüt-
zen-Interessen anzudienen.Undinden
vergangenenWochen seien dem BHDS
dann hohe Geldspenden angeboten
worden. „Wir haben die Annahmever-
weigert,weil unsereRecherchen erga-
ben, dasshier offensichtlichüber AfD-
Kanäle ein für den BHDSkompromit-
tierender Sachverhaltkonstruiertwer-
den sollte“, sagt BHDS-SprecherRolf
NieborgdieserZeitung. Das Mottoder
Aktion sei offensichtlichgewesen:
„Seht her,die Schützenwollen nichts
mit uns zu tun haben, aber unser Geld
nehmen sie.“
Stutzig wurde man in derZentrale
der SchützenbruderschaftinLeverku-
sen, weil die Offerteaus Schleswig-Hol-
stein kam, wo es garkeine BHDS-Bru-

derschaftgibt.Erkundigungen ergaben
dann, dassessichbei dem angeblichen
Freund derkatholischen Schützen aus
dem protestantischenNorden um einen
früheren AfD-Wahlkampfmanager han-
delt.„Dieskann auchauf allen Ebenen
des BHDS eintreten“, mahnteVogt auf
der Jahresmitgliederversammlung. „Da-
her bitteich bei unbekannten Spendern
um erhöhteAufmerksamkeit.“ Offen-
sichtlichverfolgedie AfD mit solchen
Aktionen eine politischeAgenda.
Tatsächlichwirdineinem internen
Papier der AfD mit dem hochtrabenden
Titel„Strategie 2019 bis 2025: Die AfD
auf demWegzur Volkspartei“ Partei-
mitgliedernausdrücklichdas Anban-
deln mit Vereinen, Verbänden und
Gruppen empfohlen, „dieTraditionen
pflegen“.Konkretgenanntwerden ne-
ben Jägernund Sportschützen auch
Schützenvereine. Der BHDS istsichsi-
cher:Die AfDversucht Brauchtumsver-
einegezielt zu unterwandern, um sich
ein volkstümliches Mäntelchen umzu-
hängen. Dochdie Schützen hätten ei-
nen gänzlichanderen Heimatbegriff als
die AfD, sagteVogt in Leverkusen.
„WährendrechtePopulistenunter dem
Deckmantel der Heimatverbundenheit
Grenzen abschottenwollen undFrem-
denhassschüren, zeigen wir,dassunser
Heimatbegriff auf Miteinander setzt
und nicht aufAbgrenzung.“Wertewie
Respekt, Ehrlichkeit undToleranz gin-
gen„fest einher“ mit dem Schützenmot-
to „Für Glaube, Sitte, Heimat“. Schüt-
zen seien „heimatverbunden,weltof fen
und zukunftsorientiert“.

1945


GezielteProvokation:Der AfD-Abgeordnete Brandner und BundestagsvizepräsidentKubicki amFreitag im Bundestag FotoEPA

oll. BERLIN.Der Lehrerberuf istinden
vergangenen Jahren auchamGymnasi-
um mit nochgrößeren Belastungenver-
bunden. Zwar istesnicht ungewöhnlich,
dassdas wöchentlicheStundenpensum
vonLehrern45Stunden übersteigt, doch
die Heteroge nität der Klassen hat auch
am Gymnasium erheblichzugenommen.
DasstresstLehrer nacheigenem Bekun-
den zusätzlich. 95 Prozent der Lehrer
empfinden die Leistungsunterschiede un-
terden Schülernals Hauptproblem. An
zweiterStelle stehen der Lärmpegel und
verhaltensauffälligeSchüler im Unter-
richt. Zwei Drittel der mehr als 176000
Gymnasiallehrer in Deutschland erleben
in ihrem Schulalltag deshalb hohe bis
sehr hohe berufliche Belastungen. Das
geht aus der am Montag in Berlinvorge-
stelltenStudie „Lehrerarbeit imWandel“
hervor, die der Deutsche Philologenver-
band mitUnterstützung derDAK-Gesund-
heit beim Institut für Präventivmedizin
derUniversitätsmedizinRostockdurchge-
führthat. Mit über 16000 ausgewerteten
Datensätzen einer Online-Befragung ist
sie die bisher umfassendste Erhebung
zum Thema Lehrergesundheit.Trotz ho-
her Belastungen empfinden die meisten
Gymnasiallehrer in ihrem Beruf hoheZu-
friedenheit durch die Arbeit mit den Schü-
lern.Auch die flexible Zeiteinteilungge-
hörezuden Faktoren, die Gymnasialleh-
rerzufriedenstimmt.Die meistenvon ih-
nen sind enormmotiviertund leistungs-
willig, dieFolgen einesStundenausfalls
durch Krankheit sind ihnen sehr bewusst.
Neun vonzehn Gymnasiallehrerngehen

arbeiten, auchwenn sie sichkrank füh-
len, ein Drittel auchgegen den ärztlichen
Rat. Häufigversuchen Lehrer,die Gene-
sung bis zumWochenende odergarbis zu
Feiertagenaufzuschieben. 51 Prozent der
Lehrerfallen nur ein bis neunTage im
Jahr aus, 27 Prozentfielen ankeinemTag
aus.Viele Lehrer hätten eine Sieben-
Tage-Woche. Häufiggelingekeine klare
Trennung zwischen Arbeit undFreizeit,
wodurch es für die Betroffenen schwer
sei, sicheffektiv zu erholen.
Die große Mehrheit der Gymnasialleh-
rervermisst Ruhezonen und eigene Ar-
beitsplätze, die infast allen Schulen zu
knapp sind. Etwadie Hälfte leidetunter
einem hohen Lärmpegel im Klassenzim-
mer,und mehr als ein Drittelkann sich
nicht ausreichend erholen,fast die Hälfte
schläftschlecht.Das seienFrühindikato-
renfür ein mögliches späteres Erschöp-
fungssyndrom, sagtedie wissenschaftli-
cheProjektleiterinReingardSeibt.„Wir
können nichtstillschweigend inKauf neh-
men, dassunsereGymnasien nur noch
durch einechronischeÜberlastung der
Lehrkräfte funktionieren“, sagtedie Vor-
sitzende des Philologenverbandes, Susan-
ne Lin-Klitzing. Der Philologenverband
fordertdeshalb, Lehrer auchfür außerun-
terrichtlicheTätigkeiten durch mehr An-
rechnungsstunden zu entlasten, dieRegel-
stundenzahl deutlichzusenken,Verwal-
tungsaufgaben zureduzieren und für jede
Zusatzaufgabe eine andereentfallen zu
lassen. Die Leistungsheterogenität müsse
sinken, es bedürfe kleinerer Klassen, und
den Umgang mit verhaltensauffälligen
Schülernmüssegestärkt werden.

Aufden Einwand, dassdies inZeiten
vonLehrermangel schwer zuverwirkli-
chen sei, hieß es in Berlin am Montag, es
gebe im Gymnasium nicht nur Lehrer-
mangel in den Mint-Fächern, sondern
aucheinen Lehrerüberhang, der Entlas-
tung möglichmache.Außerdemfordert
der Verband Schulpsychologen an jeder
Schule, professionelle Unterstützung
durch spezielle Verwaltungskräfte und
mehrFörderlehrer.Die Schulen müssten
materiell besser ausgestattetwerden,
wozu auchmehr Arbeitsplätze für Lehrer
zur Verfügunggestellt werden müssten.
Außerdem müsse esruhigeRückzugsorte
in der Schulegeben und mehr präventive
Maßnahmen. NurinSachsen werden
GymnasiallehrernjährlichPräventivkon-
zepte für die Gesunderhaltung angebo-
ten, in anderen Ländernist die Präventi-
on längst nicht ausgebaut.
DieDAK-Gesundheit empfiehlt, eine
differenzierte Diagnose zum Gesundheits-
status ihrer Lehrer durchzuführen. Ge-
sundheitsförderung müsse alsgemeinsa-
me AufgabevonLehrernund Schullei-
tung begriff en werden. Politik,Ministe-
rien, Sozialversicherungsträger und priva-
te Krankenversicherungen müssten zu-
sammen daran arbeiten.Notwendig sei
aucheine Sondersitzung derKultus- und
Gesundheitsminister. „DieStudie zeigt,
dassLehrer dringendUnterstützung beim
Gesundbleiben brauchen.Nurwenn sie
selbstfit sind,können sie den Schülernei-
nen gesunden Lebensstil vermitteln“,sag-
te der Vorstandsvorsitzende derDAK, An-
dreasStorm.

rso. STUTTGART. Der Vorstand
der baden-württembergischen SPD
hat gegenden 30 Jahrealten Marian
Schreier einParteiausschlussverfah-
reneingeleitet,weil er als Sozialde-
mokrat parallel zum offiziellenKan-
didaten MartinKörner zurStuttgar-
terOberbürgermeisterwahl antreten
will .Schreiersoll seine Mitgliedsrech-
te drei Monatenicht nutzen dürfen;
er darfauchanSitzungen des Landes-
vorstands nicht mehrteilnehmen.


Das OberlandesgerichtKarlsruhe hat
einen polnischenStaatsbürgeraus
der Auslieferungshaftentlassen,weil
es erhebliche Zweifel an derUnab-
hängigkeit der polnischen Justiz hat.
WieamMontag bekanntwurde, ha-
ben die Richter einen entsprechen-
den Haftbefehl schon MitteFebruar
aufgehoben. Sie bezweifeln, dassdie
Unabhängigkeit der Justiz und der
Anspruchauf einfairesVerfahren
nachder JustizreforminPolen noch
gewährleistetsind. DerVerdächtige
wirddortwegen Betrugesverfolgt.
Die Richter inKarlsruhe berufen
sichauf den Europäischen Gerichts-
hof. Im Juli 2018 hatten dessen Rich-
terentschieden, dassEU-Staaten ei-
nen europäischen Haftbefehl ausPo-
len nichtvollstrecken dürfen, wenn
dorteine Verletzung desRechts auf
eine unabhängigeJustiz droht.Sie
verhängtenkeinen allgemeinenAus-
lieferungsstopp, riefen die nationa-
len Behörden aber auf, bei entspre-
chenden Beschlüssen sowohl diege-
nerelle Lageder polnischen Justiz als
auchdie Bedrohung imkonkreten
Fall zu berücksichtigen.
Das OLGKarlsruhe befürchtet,
dassdie polnischen Richteretwaauf-
grund ihrer Artder Beweiswürdigung
mit disziplinarischen Sanktionen
rechnen müssen. Sie haben ihreKol-
legen deshalb um entsprechendeAus-
künfte gebeten, wie der Sprecher des
OLGdieserZeitung am Montag mit-
teilte. Die deutschen Richterwollen
vonden polnischenStellen auchwis-
sen, ob mit demkonkreten Strafver-
fahren Richter befasst sind, die nur
aufgrund der zwischenzeitlichdurch-
gesetzten Zwangspensionierung an-
dererKollegen ins Amtkamen.
Die Aufhebung derAbschiebehaft
beruht auf einervorläufigen Bewer-
tung; eine endgültigeEntscheidung
über dieAuslieferung istnoch nicht
gefallen.NachAngaben des Deut-
schen Richterbundes handelt es sich
um den ersten Fall dieser Artin
Deutschland. Bundesgeschäftsführer
SvenRebehn erklärte,Polen drohe,
sich„in der europäischenRechtsge-
meinschaftzuisolieren“. Die ande-
renMitgliedstaatentätensichschwer
damit, ein Land bei derStrafverfol-
gung zu unterstützen, das sichimmer
weiter vomgemeinsamen Rechts-
staatsverständnis der EU entferne.
Wenn die Integritätdes polnischen
Rechtsstaats zunehmend inFrageste-
he,„entziehtdas einerrecht lichenZu-
sammenarbeit mit der JustizPolens
den Boden“. mgt.

Stä ndigePro vokationen


Hohe Arbeitsbelastung fürLehrer


Studie: 95 Prozent empfindenLeistungsunterschiede der Schüler alsgrößtes Problem


Anbandelnunge wollt


Ein Schützenverbandwehrtsichgegen die AfD


DIE LETZTEN
KRIEGSWOCHEN


  1. März


Schreier droht


SPD- Ausschluss


Auslieferung


nachPolen?


DerAfD-Abgeordnete


Brandner legt sich im


Bundestag mit dem


Präsidium an–und


sammelt Ordnungsrufe.


Washat e rnochzu


erwarten?


VonMarkusWehner


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