Frankfurter Allgemeine Zeitung - 10.03.2020

(Marcin) #1

SEITE 6·DIENSTAG, 10.MÄRZ 2020·NR. 59 FPolitik RANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Vordem Hintergrund derwachsenden
Skepsis bezüglichder Bündnistreue der
VereinigtenStaaten unter DonaldTrump
und des angespannten sicherheitspoliti-
schenVerhältnisses zuRussland inklusive
konventioneller wie nuklearerAufrüstung
und Kündigung bzw.GefährdungvonAb-
rüstungsverträgen wie INF oderSTART
mag sichmanchein Beobachterheute an
die 1980er Jahre und die Nato-Nachrüs-
tungsdebatteerinnertfühlen. Nicht um-
sonstist zunehmendvom „Kalten Krieg
2.0“ dieRede, dersichnicht nurauf die Be-
ziehungen Amerikas zu China,sondern
wahlweise auchauf diejenigen derNatozu
Russland bezieht.Letzteres erscheint
umsogravierender,als Russland mitrund
6500 und die Vereinigten Saaten mit
knapp 6200 nuklearen Sprengköpfen noch
immer über mehrfacheglobale Overkill-
Kapazitätenverfügen. Angesichts der im-
mer wiedergeäußerten drohenden Hinwei-
se Russlands auf die eigenen atomarenFä-
higkeiten, der Modernisierungsanstren-
gungen praktischaller Atommächteund
des drängenderwerdenden Problems der
nuklearen Proliferationkann man behaup-
ten, dassdie nuklearstrategischeKompo-
nenteder Sicherheitspolitikauchfür
Deutschland wieder klar auf derAgenda
steht.Dies gilt, obwohl diese bis aufgele-
gentlicheProtestegegen dieverbliebenen
amerikanischen Atombombenauf deut-
schem Boden (in Büchel in der Eifel) und
sporadischen Strohfeuer-Forderungenver-
einzelterWissenschaftler nachdeutschen
Nuklearwaffen öffentlichkaumthemati-
siertwird.
Umso spannender istes, daran erinnert
zu werden, dassdie Fragenachder direk-
tenoder indirektenVerfügung über Nukle-
arwaffen für die Bundesrepublik praktisch
seit derWiedererlangung der Souveränität
durch den Deutschland-Vertragund den
damitverbundenen Beitritt zumwestli-
chen Bündnis 1955 ein zentrales Element
sicherheitspolitischer Diskussionen und
Aktivitätenwar.AndreasLutschlegthier-
zu eine opulente Dissertation vor. Die Ar-
beit versteht sichals Beitrag zur „NewIn-
ternational Nuclear History“, einemFor-
schungsfeld in der historischenForschung
zu den internationalen Beziehungen, das
seit rund einem Jahrzehnt auf der Basis
neu erschlossenenArchivmaterials, inter-
nationalerVergleichsstudien undstärke-
rerEinbeziehungtec hnologischer und so-
zialwissenschaftlicher Ansätze und Inhal-
te die nuklearstrategische und -politische
Seiteinsbesonderedes Kalten Krieges neu
beleuchtenwill.Dies i st gerade im deutsch-
sprachigenRaum vonbesonderer Bedeu-
tung, denn hierzulande istdas Feld der
Strategic History als Teil transdisziplinä-
rerStrategicStudiesbislang deutlichunter-
entwickelt.
AndreasLutschschlägt in der material-
reichenStudie den Bogenvonden grund-
sätzlichengeopolitischen Problemen der
Bundesrepublik imKalten Krieg über die
Ausgestaltung der „nuklearen Weltord-
nung“ der 1950er bis 1970er Jahrebis hin
zur evolutionärenPositionierung derwest-
deutschenRegierungen undRegierungsko-
alitionengegenüber der Nato-Nuklearstra-
tegie, der Proliferationsproblematik und
der militärischen wie politischenAbhän-
gigkeit der BRD als Nichtatomwaffenstaat
vonden drei Nuklearmächten derNato,al-
len voranden VereinigtenStaaten. Der
aus strategie- und diplomatiegeschichtli-
cher Perspektivebetrachtete Zeitraumfo-
kussiertauf der Basis einerkonzisen und
klugen Darstellung derstrategietheoreti-
schen wie militärpolitischen Grundlagen
des Kriegsbildes imNuklearzeitalter und
derNato-Abschreckungauf diePeriode
von1957 bis zumNato-Doppelbeschluss



  1. Prägend für die Sicherheitspolitik
    warindieser Phase das „nukleareDilem-
    ma der Bundesrepublik“,welches sichauf
    die durchdie militärgeographische Expo-
    niertheitverstärkte,existentielle Bedro-
    hung durch die Sowjetunion, dieAbhän-
    gigkeitvonder „e rweiter tennuklearenAb-
    schreckung“ (extended nuclear deterren-
    ce, END) derVereinigten Staaten und der
    damitverbundenen Nichtverfügung über
    eigene Atomwaffen gründete. Dieses Di-
    lemma führte dazu, „dassdie Bundesrepu-
    blik einstweilen, defactoaber dauerhaft
    auf die nationaleKernwaffenkontrollever-
    zichtethat“ undstattdessen einen–wie
    Lutschesnennt–„limitierten nuklearen
    Revisionismus“verfolgte, der darin be-
    stand, „ihrePosition und ihren Einflussin
    der nuklearenWeltordnung inkrementell
    und auf zweifachlimitierteWeise auszu-
    bauen: erstens imRahmen der Allianz mit
    den USAund derNato und zweitens ohne
    Atommacht zuwerden“. EinFazit der Ar-
    beit lautet daher,dass„weder eine Ent-
    scheidung nocheine Präferenz der Bundes-
    regierung nachweisbar[ist] ,die Abhängig-
    keit vonder US-END durch den Zusatz ei-
    ner deutschenNuklearbewaffnung zuver-
    ringern“.
    Dabei arbeitet der Verfasser gleich-
    wohl verschiedene Punkte heraus,wel-
    che, selbstwenn sie letztlichkeine wirk-
    lichfundamentaleNeuinterpretation der
    Geschichteder nuklearen Sicherheitspoli-
    tik der Bundesrepublik Deutschland in
    den 1960er und 1970er Jahren sind, durch-
    aus zu einer Differenzierung undteilwei-
    sen Korrektur diesesetabliertenBildes
    der Bundesrepublik als nichtnuklearer
    Bündnispartner in derNato beitragen. So
    erinnert Lutschdaran,dassdie bundes-
    deutscheVerfügung über Atomwaffen kei-
    neswegsvonvorneherein ausgeschlossen


war, untersagten dievölkerrechtlichen Be-
stimmungen imRahmen derPariser Ver-
träg e1955 der Bundesrepublikdochledig-
lich, „in ihrem Gebiet (...)Atomwaffen
(...)herzu stellen“. Dieseröffnete die zu-
mindesttheoretische Möglichkeit,Nukle-
arwaffen vonDritten zu erwerben oder
im Ernstfall zurVerfügunggestellt zu be-
kommen, damit sievonder Bundeswehr
eingesetztwerden könnten. Der damitkei-
neswegsvollkommeneAusschlusseiner
nuklearen Bewaffnung der Bundesrepu-

blik führte in derFolgezuverschiedenen
Versuchen, die nukleareTeilhabezuin-
tensivieren, deren Höhepunkt das Projekt
der MultilateralForce(MLF) Anfang der
1960er Jahrewar.
Dassdie Bundesregierung durchaus
ein sehrgroßes Interesse daran hatte,
wenn nicht selbstAtommacht zuwerden,
so dochein Mitspracherechtbezüglichei-
nes Nuklearwaffeneinsatzes zu haben,
zeigt sichinden 1960er Jahren immer
wieder,damals interessanterweise weni-
geraus Sorge um eine atomareVerwüs-
tung Mitteleuropas als vielmehr zur Ge-
währleistung eines „aus US-Sicht sehr
frühzeitigen–aus deutscher Sichtrecht-
zeitigen–selektiven“ Ersteinsatzestakti-
scherNuklearwaffen, um einenAggres-
sor schnell zum Einhalten zu bewegen:
Die Deutschen hielten „eisern am Prinzip
der nuklearenAbschreckung ...und an
der Androhung des defensiven selektiven
Kernwaffeneinsatzes beim Scheiternder
Abschreckung fest,anderen Exekution
auchdie Bundesrepublik imRahmen der
nuklearenTeilhabe mitwirkenwürde“.
Natürlichwurde dieses Bestreben nachau-
ßen begleitet vonder „Selbstinszenierung
der Bundesrepublik durch höchste Vertre-
ter... in der Öffentlichkeit,gegenüber
den deutschenVerbündetenund denStaa-

tendes WarschauerPakts ... eines NV
[nichtverbreitungs]-politischenVorzeige-
staates“.
Diese Haltungrelativierte sicherst, als
sichdie deutscheFührung imKontextder
Beteiligung an derNuklearen Planungs-
gruppe derNato (ab 1966)stärkerder tat-
sächlichenFolgen einestaktisch-operati-
venEinsatzes vonAtomwaffenfür
Deutschland bewusst wurde. Dennoch be-
mühtesichdie Bundesregierung auchin
der Folgeumeine möglichsteffektivenu-
kleareTeilhabe, denn es bestand weiter
die doppelteBefürchtung, Amerikaals
„Allianzvormacht könntezur Verteidi-
gung Europas und der Bundesrepublik
keine oder zu spätKernwaffen einsetzen,
oder der EinsatzvonKernwaffenkönnte
zu extensiv,quantitativ zu ausladend, zu
vernichtend und auchauf den Schlacht-
feldraumkonzentriertsein“. In derFolge
gabesbeispielsweise eine intensiveinnen-
politische Debatteumden Beitritt der
Bundesrepublik zum Nichtverbreitungs-
vertrag (NPT),getragenvonder „kriti-
schen Presseberichterstattung,vorallem
der F.A.Z., der ,Welt‘ und ,Bild‘, des ,Rhei-
nischen Merkurs‘, von,Christund Welt‘
sowie der CSU-Wochenzeitung ,Bayern-
Kurier‘“. Der NPT wurde mit seinem
grundsätzlichenVerbotder Verfügbarkeit
vonAtomwaffenals fundamentale Be-
schränkung (potentieller) deutscherAb-
schreckungs- undVerteidigungsfähigkeit
betrachtet,sogar als „neuesVersailles“.
Diese Sichtweise wurde erst durch die
engeAuslegung desVertrages, u. a. als
nichtrelevant fürTrägersysteme, sowie
die Regierungsübernahme der soziallibe-
ralen Koalition 1969 überwunden.
Letzteredefinierte die deutsche Sicher-
heitspolitikauf der Basis eines „Gleichge-
wichtsprinzipsmit Di stanz zur‚Überbe to-
nung‘ derverteidigungspolitischenKom-
ponente“ dahingehend neu, dassletztlich
„deutsche Sicherheitsinteressen...nicht
mehr ausschließlichimNato-Rahmenver-
standen,wasmit dem bundesdeutschen
Interesse anVerständigung mit der So-
wjetunion, denStaaten Osteuropas und
der DDR korrelierte“. Im Mittelpunkt
stand nun „dieStabilisierung des Ost-
West-Verhältnisses...anstatt primär...
die Stärkung derNATO-Bindung“. Dass
die resultierende Ostpolitik und diefol-

gende „Verweigerung der nuklearenTeil-
habe“ trotzkonservativer Kritik und Be-
fürchtungen der Nato-Partner letztlich
kein Appeasement war, zeigtesich
schließlich in denVerhandlungen um den
Doppelbeschluss, in dem sichHelmut
Schmidt, obwohl teilweise unter massi-
vemDruck der anderen Nato-Nuklear-
mächtestehend, am Ende durchsetzte.
Schließlichwardie Bundesrepublik auf-
grund ihres wirtschaftlichen und militäri-
schen Gewichts aus amerikanischer Sicht
mittlerweile in derNato „our mostimpor-
tant ally“.
Ausder aktuellen Perspektivesind
zwei Aspekteder Untersuchungvonbe-
sonderem Interesse: Das eine istdie Fra-
ge der Glaubwürdigkeit der amerikani-
schen nuklearenSicherheitsgarantie für
Deutschland und Europa angesichtswach-
sender nuklearstrategischer Risiken für
Amerika selbstund dertechnologischen
Möglichkeit, eine nukleareDrohung oder
garAuseinandersetzung auf Europa zu be-
schränken. Seit demAusbau der sowjeti-
schen–heuterussischen–nuklearenFä-
higkeiten aufKurz-und Mittelstrecken-
ebenestellt sichdamals wie heuteauf-
grund dergeographischen Asymmetrie
zwischen Amerikadie Grundfrage, ob die
Amerikaner „Deutschland undWesteuro-
pa im Ernstfall zuTode ...bomben und/
oder imStich...lassen,während die Su-
permächtesichgegenseitig denStatus
vonSanktuarien zusicherten“. Daraus
folgt offensichtlichdas Anliegen, dassdie
Europäer zu ihrer eigenen Sicherheit
auchdie nukleare Abschreckung in die ei-
gene Hand nehmen sollten. Emmanuel
Macron lässt grüßen. Erhellend sind je-
dochindiesemZusammenhang zweitens
die AusführungenvonAndreasLutsch
zur Ambivalenz der französischenAvan-
cen bezüglicheiner deutschenTeilhabe
am nuklearen Schutzschild derV. Repu-
blik bereits zu Beginn der 1960er Jahre.
Denn damals entstand lautLutschdurch
zweideutigeÄußerungen Charles de
Gaullesder „Mythos,...Frankreichsei
...zur Bildung einer europäischenAtom-
streitmachtdurch einewie auchimmerge-
artete Europäisierung derforcedefrappe
bei deutscher Teilhabe bereit.... Bis
‚eine wirklicheuropäischeRegierung‘eta-
bliertsei, bleibe dieforcedefrappe das
nationale französischeAbschreckungspo-
tenzial, das zurVerteidigung Europas ein-
gesetztwerde“.
Im Lichteder aktuellen Initiativen des
französischen Präsidenten zur Europäisie-
rung der Sicherheitspolitikverstärktdas
sehr lesenswerte und materialstarkeBuch
den Eindruck, dassdie sicherheitspoliti-
sche Problematik deretabliertenNuklear-
mächteeine wesentlichgrößereKonstanz
aufweist, als dies deutscherseits oftmals
wahrgenommen wird. Entsprechend sind
die gerade wieder aufbrechenden Debat-
tenzwischen„Atlantikern“ und „Gaullis-
ten“, wie sieetwabei derFragedes Nach-
folgemodellsfür denTornado und den Eu-
rofighter derLuftwaffe(auchals poten-
tiellerAtomwaffenträger) zu beobachten
sind, aus einer breiteren zeit- undstrate-
giehistorischenPerspektivealles andere
als neu.Wasnatürlichnicht bedeuten
muss, dassaus einer praktischen Identifi-
kationvonEmanuel Macron als Charles
de Gaulle 2.0 auchzwingend ein erneutes
Scheiterneiner europäisiertennuklearen
Abschreckung folgen muss.
RALPHROTTE

AndreasLutsch:
Westbindung oder
Gleichgewicht?
De Gruyter Oldenbourg
Verlag, Berlin 2019.
878 S., 79,95 €.

POLITISCHE BÜCHER


Für siewaresUnsicherheitspolitik:Heinric hBöll und Friedensbewegteprotestieren gegenMittelstreckenrak eten. FotoBarbaraKlemm

Fast alles schon einmal dagewesen


Eine wichtigeErinnerung an die nukleareSicherheitspolitik der „alten“ Bundesrepublik


Feindbild für viele:Amerikanische Mittelstreckenrak etePershing II. FotoPictureAlliance

BRIEFE AN DIE HERAUSGEBER


Eine kleine historische Ergänzung zu Ih-
rerSpalte„1945–Die letzten Kriegswo-
chen –3.Februar“ zumTodvon Roland
Freisler:DassFreisler an jenem 3.Fe-
bruar 1945 überhauptinBerlinwar, war
seinem übersteig erten Pflicht- und Sen-
dungsbewusstseingeschuldet: Aus sei-
ner Personalakte, in die ichals Staatsan-
walt in den siebziger und achtzigerJah-
rendes vorigenJahrhunderts imRah-
men dergegenRichter und Staatsanwäl-
te am VolksgerichtshofgerichtetenEr-
mittlungen Einsicht nehmenkonnte, er-
gibt sich, dasserzudiesemZeitpunkt ei-
gentlich auf einer dienstlichenVortrags-

reise in Italien hättesein sollen. Den
ihm dafürgewährtenSonderurlaub hat-
te er –der schon seinen Dienstantritt als
Präsident desVolksgerichtshofes Adolf
Hitler mit Schreibenvom15. Oktober
1942 als „Ihr politischer SoldatRoland
Freisler“gemeldethatte–indeskurz
vorgeplantemReiseantritt angesichts
der immer näher an Berlin heranrücken-
den Roten Armee mit der Begründung
zurückgegeben, erwerdejetzt eher an
der „Heimatfront“ als in Italien ge-
braucht, und hattedie Vortragsreise
nicht angetreten.
BERNHARDJAHNTZ,BERLIN

Artikel „DasVolk soll abstimmen“ in
derF.A.Z.vom5.März: DerArtikel in
den„Bildungswelten“ derF.A.Z. ent-
hält mutige,aber nicht belegteAussa-
gen. Fürdie Aussage„Weder istmit
demZertifikat fürdie ‚allgemeine
Hochschulreife‘die Studierfähigkeit ih-
rerInhaberverbürgt,nochgeht es in
DeutschlandinSachenHochschulreife
bei derenVergabegerecht zu.“Wird
als‚Medizin‘–wie im Artikel–der Ge-
danke„Gerechtigkeitkann nur ein ech-
tesDeutschland-Abiturmit bundes-
weit einheitlichenAbschlussprüfungen
bringen“ herangezogen, so lohnt auch
füreinen ehemaligenLandesbildungs-
ministerund eine nander Hochschule
im sonderpädagogischen BereichLeh-
rendenein vergleichender Blickauf die
duale Berufsbildung.
An denAbschlussprüfungen der dua-
len Berufsbildung nehmenjährlich
über 400 000 jungeLeuteteil (etwa
2016 :444 207,anden Abiturprüfun-
gendeutlichweniger,2016: 359 760).
Wasunterscheidetdie Prüfungen in
derdualen Berufsbildung unterande-
remvon den Eckpunkten derAbitur-
prüfungen:
Die Ausbildungsinhalteund dafür
vorzusehendeZeitanteile für Betrieb
undBeruf sschule, die inhaltlichenPrü-
fungsvorgaben und -strukturen sind
bundeseinheitlichseit Jahrzehnten ein-
vernehmlichvon denzuständigen Bun-
desministerienund allenKultusminis-
terien abgestimmt mitden Sozialpart-
nern auf der Grundlage desBerufsbil-
dungsgesetzes beziehungsweise der
Handwerksordnung und der Ausbil-
dungsordnungenfestgelegt undwer-
denfortlaufendaktualisiert (Basis: Ge-
meinsames Ergebnisprotokol lbetref-
fend dasVerfahrenbei derAbstim-
mungvonAusbildungsordnungen und
Rahmenlehrplänen im Bereichder be-
rufliche nBildungzwischender Bun-
desregierung und denKultusministern
derLändervom30. Mai 1972).Kam-
mern organisieren die Prüfungen und
verwenden dafür inzwischen in sehr
vielen Prüfungen bundeseinheitliche
Prüfungsaufgaben(insbesondere im
IHK-Bereich); örtlichePrüfungsaus-
schü ssebeurteilendie in den Prüfun-
generreichten Leistungen.

Vordiesem Hintergrund wurdenvon
2008bis 2017länderbezogen imZehn-
jahresdurchschnittfolgende Prüfungs-
erfolgsquoten (erste Teilnahme und
wiederholteTeilnahme)erreicht:
a) Länder insgesamt:90,3 Prozent
b) Spitzenland 94,5 Prozent (Ba-
den-Württemberg)
c) Schlussland 83,9 Prozent (Meck-
lenburg-Vorpommern)
d) drei Spitzenländerinsgesamt
92,7Prozent(Baden-Württemberg,
Hamburg, Bayern)
e) drei Schlussländer84,2 Prozent
(Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Meck-
lenburg-Vorpommern)
f) alteBundesländerinsgesamt
Prozent
g) neue Bundesländer insgesamt
85,5Prozent
Die durchschnittlichen Erfolgsquo-
teninsgesamtsind beimAbschlussder
dualen Berufsbildungalsogeringer,
die Spanne zwischen den Bundeslän-
derndeutlichhöher.Zuden Ursachen
habenweder das Bundesinstitut für Be-
rufsbildungnochirgendein Hochschul-
in stitut Forschungsergebnisse veröf-
fentlicht.Das is tinsbesonderedeshalb
bedauerlich,weil die neuen Bundeslän-
der bereitsüberein Jahrzehntimunte-
renDrittel der Bundesländer liegen,
die Rangfolgesich nurgeringfügigän-
dertund Ursachen fürdie Unterschie-
de sehr vielfältig seinkönnen.
Bezogen aufdie ThesederAutoren
ist nur sicher, dass ‚bundesweit einheit-
licheAbschlussprüfungen‘ bestenfalls
ein Baustein zu besserenVergleichs-
möglichkeiten zwischen unterschiedli-
chen Abschluss-Standortenseinkön-
nen.Vorhandener Eingangsqualifikati-
onsstand der Schüler oderAuszubilden-
den,Lehrkräfte(Ausbilder-)qualifika-
tions-und -fortbildungsstand sowiedie
Umsetzungspraxis, Ausstattungsstan-
dardund Bildungsrahmenbedingun-
genseienals Beispielefür zu differen-
zierendeund zu untersuchendeFakto-
rengenannt,wenn man mehr Ver-
gleichbarkeit beurteilenwill. DieAus-
gaben je Schülerunterricht sstundesind
übrigens nachstatistischen Verglei-
chen im berufsbildenden Bereichkeine
signifikanteUrsache.

CARL-HEINZDOOSE, MÖLLN

Zu den Leserbriefen (F.A.Z.vom25. Fe-
bruar)„Worum es Christengeht“ und
„DieAbsicht des Gründers“ und zu dem
LeserbriefvonKardinalKasper (F.A.Z.
vom21. Februar): Seltsam aus derZeit
gefallen muten die Leserbriefean, in de-
nen sichDr. AndreasKuhlmann und Dr.
BarbaraSchellenbergermit der Bericht-
erstattung derF.A.Z. zurkatholischen
Kircheauseinandersetzen. Hätteman,
so wohl die Quintessenz ihrer Anmer-
kungen,nur denKate chismusder katho-
lischen Kircheunverändertverkündigt,
so wäre heutealles besser.
Leider hinterlässt auchder Verteidi-
gungsversuchvon Kardinal Kasper zum
Papstschreiben zur Amazonassynodege-
gendie –imGanzen immer nochrecht
wohlwollende–Berichterstattung der
F.A.Z. einen schalen Beigeschmack.

Statt eines einzigenArgumentswerden
Zensurenvergeben: MatthiasRüb–we-
nig verstanden, setzen. Katholische
Frauen–selbstschuld, wenn einer alles
will, kriegt ergarnix. Geyer–na ja,
schon besser als die Synodenteilneh-
mer,aber doch den eigentlichen Punkt
verpasst.
Unddann der gedankliche Höhe-
punkt:Franziskus sei radikalevange-
lisch,wasman daran merkt, dassesihm
um das je Größereinden jesuitischen
Exerzitiengehe, ob das nunetwasmit
demNeuen Testament zu tun hat oder
nicht. Hauptsache, es wirdsichnicht der
Welt zu herabgesetzten Preisen ange-
passt.Schade, auf diesem Niveau hätte
ichden Kardinal früher nicht angesie-
delt.
WERNERSCHWENZER, KAARST

Zu der Berichterstattung in derF.A.Z.
zumUrteil des Bundesverfassungsge-
richtes zu Sterbehilfevom 26.Februar:
Allein schondas Wort „Sterbehilfe“ für
Euthanasieist verräterisch. Estaucht
erstmalsim„Gesetz überSterbehilfe“
von1940 auf undsolltedie Menschen
in Deutschland,welche eineEuthana-
sieablehnten,für eineMitleidstötung
gewinnen. Dazuheißt es in derPräam-
bel des Gesetzes: „DieVolksgemein-
scha ft istnicht so erbarmungslos, dem
unheilbar Kranken und demSterben-
densein Leben und dessen Qualgegen
seinenWillen aufzuzwingen.“ In ei-
nemKommentar zu diesemGesetz
zeigtesichder Leiter einerpsychiatri-
schenTötungsanstaltüberzeugt,dass
sich mit diesemWort die Idee der Mit-
leidstötung nicht nurbei Juristen und
Medizinern,sondernauchinder Bevöl-
kerung durchsetzenwürde.
Hitlerstoppt edas Inkrafttrete ndes
Gesetzesüberraschend.Aber wieder-
um nicht überraschend in der Logik

des Systems,wie manesden Gesprä-
chen Görings mit seinemNürnberger
Verteidiger OttoStahmer entnehmen
kann, die dieser 1950veröffentlichte.
Um die Menschen fest einzubinden,
die ganze Machtüber deren Leben und
Todzuhaben, muss einDiktator sie
fest in seineVerbrechen einbinden. Hit-
ler wollteJuris ten undMediziner zu
Mittätern machen.Dennohne Inkraft-
treten desSterbehilfegesetzeswardie
mehrere100 000 Mal betriebene Eutha-
nasie biszum Ende des DrittenReichs
nachdem StGB einstrafrechtlich be-
wehrtes Tötungsdelikt, dessen sichalle
Beteiligten schuldigmachten.
Kant lehnteden Suizid mit schlüssi-
genArgumentenunterVerweis auf die
Menschenwürde ab.Das oberflächli-
cheWort„Sterbehilfe“atmetden Geist
des Nationalsozialismus.Ähnlichober-
flächlicherscheintauf den ersten Blick
auchdas aktuelleUrteil des Bundesver-
fassungsgerichtes.

DR.ROLF KLIMM, BADENDORF

Politischer SoldatFreisler


NurZensurenvergeben


Die Idee der Mitleidstötung


Bestenfalls ein Baustein

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