Frankfurter Allgemeine Zeitung - 22.02.2020

(C. Jardin) #1

SEITE 18·SAMSTAG, 22.FEBRUAR2020·NR. 45 Wirtschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


S


oll derStaat mehr Schulden ma-
chen? DieseFragebewegt die Ge-
müter in der öffentlichen Debatte
zur schwarzenNull und Schuldenbremse.
In seinemAbschiedsvortrag als Präsident
der American Economic Association hat
Oliver Blanchardeine einfache Antwort
gegeben: Wenn derRealzins unterhalb
dergesamtwirtschaftlichenWachstumsra-
te liegt, dann sollteder Staat mehr Schul-
den aufnehmen. In einem solchen Szena-
rioerlaubt einestaatlicheNeuverschul-
dung der heutigen und allen zukünftigen
Generationen einen höheren Konsum.
Ähnlichhaben Rüdiger Bachmann und
ChristianBayerini hremBeitrag„Her mit
den Schulden“ (F.A.Z. vom2.Februar
2020) und CarlChristianvonWeizsäcker
in seinemBuch mit Hagen Krämer argu-
mentiert.
Die makroökonomische Theorie
scheint also aktuellgegeneine Politik des
ausgeglichenen Haushalts zu sprechen,
denn viele Ökonomen erwarten, dassder
Realzins in denkommenden Jahren unter
der Wachstumsrateliegen wird. Dochwie
alletheoretischenErgebnissegiltauchdie-
ses Ergebnis nur,wenn gewisse Annah-
men erfüllt sind. Dieser Beitrag wirdzei-
gen, das sdie entsprechenden Annahmen
in derRealität nicht annähernderfüllt
sind. Das Argument fürStaatsschulden als
Selbstzwecksteht auf tönernenFüßen.
DieThese,dassStaatsschuldenalleGe-
nerationen besserstellen können, basiert
auf einervomNobelpreisträgerPeterDia-
mond entwickelten Theorie, die in der
Fachzeitschrift„QuarterlyJournal ofEco-
nomics“imJahre1965 veröffentlichtwur-
de.Diese Theoriegehtda vonaus, dassFi-
nanzmärkteannähernd perfekt sind und
Unsicherheit vernachlässigt werden

kann. Wenn dies gilt, entspricht der Zins-
satz dem Grenzprodukts desKapitals ab-
züglic hder Abschreibungsrate–der soge-
nanntenInvestitionsrendite.Waspassiert
nun, wenn derStaat zusätzliche Schulden
aufnimmt und der Zinssatz unterhalb der
Wachstumsrateliegt?
Als Folgeder staatlichenNeuverschul-
dung wirdder Zinssatz ansteigen und die
privaten Investitionen sinken. Dieser

„Crowding-out-Effekt“is teine Nebenwir-
kung derStaatsverschuldung, die übli-
cherweise negativ beurteilt wird. Doch
nichtsoineiner Situation,inderder Real-
zins und somit die Investitionsrenditeun-
terhalb derWachstumsrateliegen. In die-
sem Fall is tder „Crowding-out-Effekt“
wünschenswert, denn es gibt zuviel Sach-
kapital, und ein permanenterRückgang
der Investitionensteiger tden Konsum
der heutigen und aller zukünftigen Gene-
rationen. Die Möglichkeit derÜberakku-
mulation desKapitals wirdinder ein-
schlägigen Literatur als dynamische Inef-
fizienz bezeichnet. In einer Volkswirt-
schaf tohne Wachstum tritt sie immer
dannauf,wennder akkumulierte Kapital-
stockbereits sogroß und das Grenzpro-
dukt desKapitals entsprechend klein ist,
dassdie Renditezusätzlicher Investitions-
projekteauf einen negativenWert gesun-
kenist.Ineinem solchenFallerzeugteine
staatlicheNeuverschuldung mehrKon-

sumfüralle,weil ohneStaatsschuldenein
zu großer Teil der gesamtwirtschaftlichen
Produktion in die Investitionenfließt –es
wirdzuviel gespartund zu wenig konsu-
miert.
Nunhat es seit der PublikationvonPe-
terDiamondsFachartikel zahlreicheFor-
schungsarbeitengegeben, in denen seine
Theorie der Staatsverschuldung ausge-
baut wurde. Besonderserwähnenswert
sind zwei Erweiterungen der ursprüngli-
chen Diamond-Theorie, dieUnsicherheit
hinsichtlichder In vestitionsrenditen und
die Ungleichheit innerhalb einer Genera-
tion in den Mittelpunkt der Analyserü-
cken.
Unsicherheit treibt einen Keil zwi-
schen die durchschnittliche Investitions-
renditeund denRealzins, der als Risiko-
prämie bekannt ist. Die aktuelle For-
schung zeigt, dassdiese Risikoprämie
groß is t. Das bedeutet unter anderem,
dassdie er warteteInvestitionsrenditefür
zahlreiche Projekteüber derWachstums-
rate liegt, obwohl derRealzins niedriger
als dieWachstumsrateist. Dies hat zur
Folge, dassder „Cr owding-out-Effekt“ ei-
ner höheren Staatsverschuldung zu ei-
nemerheblichenRückgangderInvestitio-
nen und Produktion führenkann. Kom-
mende Generationenverlieren alsoKon-
summöglichkeiten, wenn eine Neuver-
schuldung ausschließlichzur Steigerung
desKonsumsderheutigenGenerationge-
nutzt wirdund positiveNachfrageeffekte
erhöhterStaatsausgaben schwachausfal-
len. In diesem Sinne istdie Frageder
Staatsverschuldung eineFrageder Gene-
rationengerechtigkeit.
Staatsschulden haben aucheinen Ef-
fekt auf dieVerteilung des Einkommens
innerhalb einer Generation. Sparer profi-

tierenvondem durch Neuverschuldung
induziertenZinsanstieg, dochfür die Ar-
beitseinkommen sind dieAuswirkungen
nicht eindeutig bestimmt.Einerseits füh-
rensteigendeZinsenzusinkendenInvesti-
tionen, sodass die Grenzproduktivität
derArbeitundsomitdieLöhnefallen.An-
dererseitskönnen durch positiveNachfra-
geimpulse die Beschäftigung und Löhne
steigen. DerNettoeffekt auf die Arbeits-
einkommen istalso theoretischnicht ein-
deutig bestimmt. Wenn der negativeEf-
fektüberwiegt,verlierenalldiejenigen
Haushalte, diekeine Ersparnisse haben.
DieseÜberlegungenzeigen,dassdiere-
levanteökonomische Theorie nicht auf
die Differenz vonRealzins undWachs-
tumsratereduziertwerdenkann. Das be-
deutet jedoch nicht, dassstaatliche Schul-
den immeretwa sSchlechtes sind. Insbe-
sonderefür Deutschland gibt es eine ein-
deutigeHandlungsempfehlung: Eine
staatliche Kreditaufnahme istökono-
mischsinnvoll, wenn die zusätzlichenFi-
nanzmittel für zielgerichteteöffentliche
Investitionengenutztwerden.
In der aktuellen Lagekönntesicheine
kreditfinanzierte öffentliche Investitions-
offensivefür alle lohnen. Eine solche In-
vestitionsoffensiveder öf fentlichen Hand
würdedieprivaten Investitionenstimulie-
renund dadurch einen „Crowding-in-Ef-
fekt“ erzeugen. Sie hättepositiveAuswir-
kungenauf dasWirtschaftswachstumund
würdesomitdieKonsummöglichkeitenal-
ler Generationen steigern. Schließlich
könnte dieStaatsschuldenquote,bedingt
durch Wachstumseffekteund Steuermehr-
einnahmen, langfristig sogar sinken.

TomKrebsistProfessor für Makroökonomik an
der Universität Mannheim undForschungspro-
fessor am Bundesministerium derFinanzen.

SindStaatsschulden Selbstzweck?


VonTom Krebs

STANDPUNKT


V


iele Leistungen des Arbeitge-
bersfür seine Mitarbeiter sind
baresGeldwert–unddochwer-
den sievomFinanzamtgerin-
gerbelastet. Einigesind sogarvöllig steu-
erfrei. Beispiele sind diekostenlose Kin-
derbetreuung und das freie Ladenvon
Elektrofahrzeugen. Jobtickets gehören
ebenfalls in diese Kategorie. Generell
sind Gutscheine und Geldkartenbis zur
Freigrenze von44Eurounbelastet. A us
sozialpolitischenGründenoderzumZwe-
ckedes Umweltschutzes gibt es einen
ziemlichdickenKatalogvonAusnahmen
imEinkommensteuergesetz,diedafür sor-
gen, das sdie geldwer te Leistung anders
behandelt wirdals das normale Gehalt.
Bedingungist,das ssiezusätzlichzumnor-
malen Lohngewährtwerden –und da be-
ginntdieKrux.Washeißtzusätzlich?Zwi-
schen den höchstenSteuerrichternund
der Finanzverwaltung istein Tauziehen
zubeobachten, das merkwürdigeWegezu
nehmen droht.
Angefangen hat alles mit einer neuen
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.
So haben dieFinanzrichter jüngstmit
drei Urteilen (AZ: VIR32/18, VIR21/
und VIR40/17) ihre Sichtweise zu den
Voraussetzungenkorrigiert, unter denen
Extraleistungen begünstigtwerden kön-

nen. Das hat einigeAufmerksamkeit er-
regt, da es im Arbeitsleben vieleFälle be-
trif ft.Langewurde die zentraleFrage,
waszusätzlichist und wasnicht, nur da-
nachbeurteilt, ob derArbeitgeber freiwil-
lig etwa sauf den ohnehingeschuldeten
Lohn gepackt hat.Nunhieß es auf ein-
mal: Über welchen Teil des Lohnskann
der Arbeitnehmer freiverfügen undwas
kommt zweckgebunden hinzu? Wie
FrankHechtnervonderTechnischenUni-
versität KaiserslauternimGespräc herläu-
tert,ist dies ein bedeutsamer Schwenkge-
wesen, denn das bedeutetenachseinen
Worten: „Lohnherabsetzungen zuguns-

tenzusätzlicher,steuerbegünstigter Leis-
tungen zurKompensationwärennun als
Steuergestaltung zulässig.“
Dochsoleicht will dieFinanzverwal-
tung Arbeitgebernund Arbeitnehmern
das Steuernsparen–und eng damitver-
bunden das Sozialabgabenvermeiden –
nicht machen. Siegriff als Er stes zu dem
berüchtigtenInstrument des Nichtanwen-
dungserlasses. Am 5.Februarveröffent-
licht edas Bundesfinanzministerium das
entsprechende Schreiben. Darin bekräf-
tigtda sMinisterium:SachbezügeoderZu-
schüsse würden nur dann „zusätzlichzum
ohnehin geschuldetenArbeitslohn“ er-

bracht,wenn er stens die Leistung nicht
auf den Anspruchauf Arbeitslohn ange-
rechnet,zweitens der Anspruchauf Ar-
beitslohn nicht zugunstender Leistung
herabgesetzt, drittens dieverwendungs-
oder zweckgebundene Leistung nicht an-
stelle einer bereitsvereinbartenkünfti-
genErhöhung des Arbeitslohnsgewährt
und viertens beiWegfall der Leistung der
Arbeitslohn nicht erhöhtwerde.
Diese mit denSteuerabteilungsleitern
der Länder abgestimmteInterpretation
bindet dieFinanzämter,lässt aberden Be-
trof fenen weiterhin die Möglichkeit, sich
mit ihren individuellenFällen bis zum
Bundesfinanzhof durchzuklagen, um
ebenfalls in den Genussseiner großzügi-
gerenRechtsprechung zukommen.
Die Finanzverwaltung will daher die
Tür, die derzeitweiterhin einen Spalt
weit of fensteht, so schnell wie möglich
abermals schließen undfest verriegeln.
Sie plant, dem Gesetzgeber eine entspre-
chende Klarstellung unterzujubeln. So
fand sic hauf einmal imReferentenent-
wurfzur Grundrenteein Passus zur Ein-
kommensteuer,der dieRolle rückwärts
gerichtsfes teinbetonierthätte–obwohl
dies so gut wie nichts mit der neuen
Grundrentezutun hat. Bundesgesund-
heitsministerJens Spahn (CDU) soll da-
für gesorgt haben, dassdiese Änderung
nicht Teil des wenigeTagezurückliegen-
denKabinettsbeschlusseswurde.Dochge-
henBeobachterdavonaus, dassBundes fi-
nanzministerOlaf Scholz (SPD) die Sa-
chenicht auf sichberuhen lässt und bei
nächs terGelegenheit einenneuenAnlauf
unternehmen wird.
Gerüchteweise könntedas mit dem
Kohleausstiegsgesetz geschehen. Wenn
die Union diese sachfremdeAufladung
der Gesetzgebung abermals blockieren
sollte, dürftespätes tens mit dem nächs-
tenJahress teuergesetz dievomBundesfi-
nanzhofgeöffne te Türwieder geschlos-
sen werden. Dies hältSteuerfachmann
Hechtner ohnehin für den besserenWeg:
„Eine solchegesetzgeberische Maßnah-
megehörttransparentineinJahressteuer-
gesetz und nichtverstecktinein themen-
fremdes Gesetzgebungsverfahren.“

ami. WIEN.Inder politischen Debatte
um denAußenhandel spielenPräsident
Donald Trumps Amerika, China mit
und ohne Coronavirus sowie der Brexit
die er steGeige. In der wirtschaftlichen
Realität sind die osteuropäischenNach-
barnbedeutsamer.Allein mit Polen,
Tschechien,Ungarn und der Slowakei
haben deutsche Betriebe 2019 Geschäf-
te übermehrals300MilliardenEuroab-
gewickelt, nach 294 Milliarden Euroim
Vorjahr.„Da können weder China noch
Amerikamithalten“, sagt derVorsitzen-
de des Ost-Ausschussder Deutschen
Wirtschaft, Oliver Hermes.Das Verei-
nigteKönigreichsei vonPolen abge-
hängtworden. DerNachbar im Osten
habe sichauf Rang sechs der deutschen
Handelspartnervorgerobbt.
Polen sei das Zugpferd im Osthandel.
Im- und Exporte stiegen um 4,2 Prozent
auf123MilliardenEuro.Anzweiter Stel-
le lag das vielkleine re Tschechien mit
93 Milliarden Euro. Esverwies Russ-
landaufdendrittenRang,dessenExpor-

te unter sinkenden PreisenfürGas und
Öl litten und derUnterbrechung der Öl-
pipeline.Trotzsteigender Exporte sank
das Handelsvolumen um 13 Prozent auf
58 Milliarden Euro. Mit 55 Milliarden
Eurofällt der deutscheHandelmit Un-
garn fastebenso hoch aus.Rumänien
unddieSlowakeifolgenmiteinigemAb-
stand.
Die guteEntwicklungvorallem in
Mittelosteuropa habe der deutschen
Wirtschaf tdie Exportbilanz gerettet.
„DasExportwachstum in unsrerRegion
fiel dreimalhöheraus alsdasWachstum
der deutschen Exporte insgesamt“, ana-
lysiertHermes. Dassesauchdort, ge-
messen an den Vorjahren,Abschwä-
chungstendenzen gab, schreckt ihn
nicht. In Mittelosteuropa könnten die
EU-InitiativenzurStärkungderIT-Wirt-
schaf tund zumUmbau der Energiever-
sorgung einen Schub auslösen. „Mit der
Umsetzung desGreen DealderEU wird
gerade in Mittelosteuropa der Moderni-
sierungsdrucksteigen.

maj. KIEL. Kunstund Wissenschaft,For-
schung undLehre sind frei. Sosteht es in
Arti kel5des deutschen Grundgesetzes.
Undglücklicherweisefühlensich diemeis-
tenHochschullehrer in Deutschland in ih-
rerForschung frei,wie eineUmfrag edes
Allensbach-Institutsgerade zeigte .93Pro-
zent der Befragten geben an,dasssie die
Freiheit derWissenschaftinDeutschland
als hochoder sehr hocheinschätzen.
Aber wie sicher istdiese Freiheit?Und
welche VerantwortungtragendieWissen-
schaftler selbst, damit das so bleibt? Ga-
briel Felbermayr,Präsident des Instituts
für Weltwirtschaft(IfW) in Kiel, bezog
dazu klarStellung. Seit einem Jahr leitet
dergebürtig eÖsterreicherdas IfW.Davor
warerneun JahreamIfo-Institut in Mün-
chen. „Als Wissenschaftler mussman
sichdie Fragestellen, obAufträge, die an

einen herangetragenwerden, den eige-
nen Ansprüchengenügen, ob man unab-
hängig und ergebnisoffenarbeitenkann“,
sagteeramDonnerstagabend auf einer
Podiumsdiskussion an seinem Institut.
Ausseiner MünchenerZeit berichtet er
voneinem Auftrag der EU-Kommission,
in dem er dazu aufgefordertworden sei,
bereitsvonder Kommission angestellte
Berechnungen zu übernehmen. „Wozu
brauchen die michdaeigentlichnoch?“,
sagteer. Obwohl EU-Gelder in derWis-
senschafthochangesehen seien, nehme
er keine Kommissionsaufträgemehr an.
In Kielgabesn un einenkonkreten An-
lass, das aktuelleVerhältnis des Instituts
zurPolitik zuhinterfragen. Ineinergerade
erschienenenStudieuntersuchtederWirt-
schaftshistoriker GunnarTake die Funk-
tion des IfW in derZeit des Nationalsozia-

lismus. Darinkommt er zu einemvernich-
tenden Urteil: Ein Großteil derForscher
hätteander Etablierung des DrittenRei-
ches mitgewirkt und dieAusbeutungen
undErmordungen und seineKriegspolitik
zumindest„mittelbar legitimiert“, wie
Take am Donnerstag ebenfallsschilderte.
Nicht nur an derFördewirddie Rolle
der Ökonomen im Nationalsozialismus
derzeit neu evaluiert. Erst letztes Jahr
stritt die Fachwelt darüber,obLudwig Er-
hardimDritten ReichMithelfer oderWi-
derstandskämpferwar. Debatten wie die-
se strahlen indie Gegenwart aus, gibt es
dochauchheute, vordem Hintergrund
der nationalistischen und protektionisti-
schen Bestrebungen in vielen Ländern,
AnlasszurSor ge.DieGutachten,dieAme-
rikasPräsidentTrump in Auftrag gibt,um
seineSchlägeimHandelskonfliktzurecht-

fertigen, sind nur ein Beispiel. Gleichwohl
betonteFelbermayr den finanziellen
Druc kaneinemInstitut wie dem IfW.
Auch in der Zwischenkriegszeit habe man
die Erfahrunggemacht, dassdie Töpfe
leerwaren. „Dakamman mit dem NS-Re-
gimezur Möglichkeit, gut Geld zu ma-
chen“, sagteer. Auchwenn es manchmal
nichtleichtsei,müssemansichdavonfrei-
machen. „Diegebotene Unabhängigkeit
istdawahnsinnig vielwert.“
F.A.Z.-Herausgeber Gerald Braunber-
gererinnerte aufdemPodiumMedien und
Wissenschaftgleichermaßen an ihre
„staatsbürgerliche Verantwortung“: Gera-
de in schwierigenZeiten, in denen Institu-
tionenschwächeln,diemanfürstarke Fes-
tungengehalten habe,komme es darauf
an, „dassman selbstWerte hat, zu denen
man steht“.

MillionenvonPendlernnutzen ein Jobticket. Fotodpa

bee. FRANKFURT. Das Baugewerbe
in Deutschlandsteuertauf eine schwie-
rige Tarifrunde zu. Die Gewerkschaft
Bauen,Agrar,Umwelt (IG Bau) will für
dierund 850 000BeschäftigtenGehalts-
steigerungenvon6,8Prozent,mindes-
tens aber230 Eurodurchsetzen.Zudem
fordertsie einenAusgleic hfürdie Fahr-
tenzuden Baustellen und wieder zu-
rück–finanziell oder inForm vonfrei-
er Zeit.Das hat die zuständigeTarif-
kommission beschlossen.
Es gebe einen ungebrochenen Bau-
boom, und dieAuftragsbücher seien
voll, sagteBundesvorstandsmitglied
undVerhandlungsführerCarstenBurck-
hardt .Wenn der Bau nachvielen Kri-
senjahren wiederKonjunkturlokomoti-
ve sei, sei es nicht zu vielverlangt, dass
dieBauarbeiterdieseEntwicklunginih-
renPortemonnaiesspürten.DieArbeit-
geber erklärtenhingegen, dieForde-
rung der Gewerkschaf tstehe „inkei-
nem Verhältnis zurtatsächlichen Lage
vieler Betriebe“. Dievermeintlichho-
hen Umsatzzuwächse würden durch ge-
stiegeneKosten weitgehend aufgefres-
sen, sagteUwe Nostitz, derVerhand-
lungsführer undVizepräsident desZen-
tralverbands Deutsches Baugewerbe.

Noch wichtigerscheint der IG Bau
aberder Ausgleichfür dieWege zu den
Baustellenzusein.DieseForderun ghat-
te sieschonindervergangenenTarifrun-
de im Jahr 2018 aufgestellt,sichjedoch
nicht durchsetzenkönnen. Bauarbeiter
hättenkeinen Einflussdarauf ,obsie 10,
100 oder 200 Kilometerfahren müssen,
bekräftigteBurckhardt nun.„Bisher er-
haltensie dafür aber keinenmüden
Centoder einen anderenAusgleich.“
Die Arbeitgeber sehen nacheigener
Aussagehingegen „keinen Anlass“,
über dieses Thema zuverhandeln. Sie
argumentieren, hierzu existier ten
schontarifliche Regelungen. Gemeint
istder im TarifvertraggeregelteBauzu-
schlag: Bauarbeiternwirddurch den
ständigen Wechsel der Baustelle ein
Aufschlag von2,5Prozent auf dentarif-
lichenStundenlohngewährt. Zu dem ha-
ben Bau-Beschäftigteunter bestimm-
tenVoraussetzungen Anspruchauf
eine Unterkunftund einen Verpfle-
gungszuschuss.EinGewerkschaftsspre-
cher entgegnete,diese Regelungen lös-
tennicht das Problem dertägl ichen An-
fahrten. Auftakt derVerhandlungen ist
am 19. MärzinBerlin.

enn. BERLIN.AnfangFebruar durfte
Bundesfinanzminister Olaf Scholz
(SPD) nochfrohloc ken. Für2019 konn-
te er einen unerwarteten Überschussim
Bundeshaushaltvoninsgesamt 17 Milli-
ardenEurovorweisen.DerMinisterlieb-
äugelt deshalb mit derVorstellung,die
eigentlich 2021vorgesehene Abschaf-
fungdes Solidarzuschlagesfürdenüber-
wiegendenTeil der Steuerzahler um ein
halbes Jahrvorzuziehen. Dochdie Er-
nüchterungfolgt auf demFuß: In der
Haushaltsplanung des Bundes für das
nächste Jahr zeigen sicherheblicheFi-
nanzierungslücken.
Nach derzeitigemStand rechnen die
Haushälter des Ministeriums für 2021
mit einemFehlbetragvonrund 15 Milli-
arden Euro. Allein um den Anteil der
WehrausgabenundderEntwicklungshil-
fe am Bruttoinlandsproduktkonstant zu
halten, würden4,1 Milliarden Eurobe-
nötigt, schreibt das Magazin „Der Spie-
gel“ unter Berufung auf eineVorlage
des Finanzministeriums. Fürdiesen Be-
trag sei nochkeine Vorsorge ge trof fen.
Ebenfalls nochnicht finanziert sei die
nächs teStufezumAbbauderkaltenPro-
gression,diefür2021vorgesehenist.Da-
für würden im Bundeshaushalt allein

drei Milliarden Eurogebraucht.Auch
höher eAbführungen an den EU-Haus-
haltmüssten nochfinanziertwerden.
Das is teinerder Unterschiede zu 2019:
Als Gründefür den unerwartet guten
Haushaltsabschlussimvergangenen
Jahr werden in Regierungskreisen nicht
abgeflossene Haushaltsmittel,geringe-
re Zinsausgaben und nicht abgeführte
Mittelandie EuropäischeUnion (EU)
genannt,die der Bund für einen harten
Brexit zurückgestellt hatte.
Die Eckwerte für den Etatentwurf
2021und denFinanzplan bis 2024 sol-
len am 11. MärzimKabinett beschlos-
senwerden.ScholzwilldabeieineIn ves-
titionsoffensivestarten. Nach seiner
Vorstellung sollen die Investitionen in
den nächsten vier Jahren um insgesamt
12,3 Milliarden EuroimVergleichzur
bisherigen Planungsteigen. DieFinan-
zierung der Investitionsoffensivekönn-
te nun in Gefahrgeraten. Fürdie mittel-
fristig eFinanzplanung bis2024rech nen
die Beamten des Ministeriums angeb-
lichsogar mit einerLückevon bis zu 60
Milliarden Euro. Offiziell betontedas
Minis terium amFreitag, man erwarte,
auchfür 2021wieder einen soliden
Haushalt aufstellen zukönnen.

loe.BERLIN.Der amerikanischeElek-
troautohersteller Tesla darfdie Rodung
eines Kiefernwalds im brandenburgi-
schen Grünheidefortsetzen. Das Ober-
verwaltungsgericht Berlin-Branden-
burgwies am späten Donnerstagabend
die Eilanträgezweier Umweltverbände
gegendie Baumfällarbeiten zurück.Die
Entscheidungstieß in Politik undWirt-
schaf tauf große Erleichterung. „Das ist
ein gutesUrteil für denUmweltschutz,
Arbeitsplätze und Zukunfts technol o-
gien“, sagteBundeswirtschaftsminister
PeterAltmaier (CDU). Brandenburgs
Ministerpräsident Dietmar Woidke
(SPD) siehtTesla immer nochimZeit-
plan. „Ichbin froh, dassmit der Ent-
scheidung desOVGdie Rodungsarbei-
tenweiter vorangehenkönnen, und ich
denke, dasssie in der nächstenWoche
abgeschlossenwerden können“, sagte
er in Potsdam. Der Bundesverband der
Deutschen Industrie (BDI) bezeichnete
denGerichtsbeschlussals „wichtigesSi-
gnal für den Investitionsstandort
Deutschland“.Auch die Grünen äußer-
tensichauf dem Kurznachrichten-
dienstTwitter erfreut.

Die Proteste der Umweltschützerge-
hendennochweiter .AmFreitagkletter-
tenwie schon am Montag zwei Aktivis-
tinnen auf Bäume in demWaldstück
am Rand derAutobahn A10, dasTesla
vonMärzanbebauen will. Im Sommer
2021 soll nachden Plänen desUnter-
nehmens die Produktion beginnen.Für
diesenSamstaghat dieGrünheiderBür-
gerinitiativegegen Tesla zu einer neuen
Kundgebung aufgerufen. Die Men-
schen sorgensichnicht nur um die Bäu-
me,sondernauchumdieWasserversor-
gung in derRegion. Der örtlicheWas-
serverband hatteimJanuargewarnt,
der Bedarfvon Tesla könne nichtge-
deckt werden.
In Berlingeht unterdessen die Dis-
kussion weiter ,obdas Klagerechtvon
Umweltverbänden eingeschränktwer-
densollte.Der BDIsiehtdas so.Altmai-
erwil lüberneueMöglichkeiten zurPla-
nungsbeschleunigung diskutieren. Der
Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland(BUND)zeigtesichzu-
rückhaltend.„Wirwerden weiterhinkri-
tischbegleiten, obTesla zum Gelingen
einer echtenVerkehrswende beiträgt.“

Wirtschaftsforsch er pochenauf Unabhängigkeit


Am Kieler Institut fürWeltwirtschaftwirddie Rolle derWis senschaf tneuvermessen


Ste uersparenmit dem Arbeitgeber


Osteurop arettetExportbilanz


Rege Geschäfte mit Polen, aberRusslandschwächelt


IG Baufordert6,8 Prozent mehr


FahrtenzuBaustellen sollen ausgeglichen werden


DemBunddroht eine


Milliardenlücke im Haushalt


Die Zeitder großen Überschüsse istvorbei


Teslas Triumph


Neben denProtestengehen nun dieRodungenweiter


DerTrick:Weniger


Lohngegen begünstigte


Sachleistungen. Mit der


Grundrentesollt ediese


Möglichkeit beseitigt


werden.Dochdas ging


schief.


VonManfred Schäfers,


Berlin


Das Argument für Schulden
als Selbstzwecksteht auf
tönernenFüßen. Esruht auf
unvollständigen Annahmen.
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