Frankfurter Allgemeine Zeitung - 22.02.2020

(C. Jardin) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Finanzen SAMSTAG, 22.FEBRUAR2020·NR.45·SEITE 27


V


uca –Anleger müssen sichan
ein neues Akronymgewöhnen.
Es kommt aus dem Angelsächsi-
schen, und die vier Buchstabenstehen
für Volatilität (volatility),Unsicherheit
(uncertainty), Komplexität (complexi-
ty)undMehrdeutigkeit(ambiguity).Ge-
prägt wurde der Begriff in den 1990er
Jahrenvomamerikanischen Militär,um
die damals neue, multilateraleWeltord-
nung nach dem Ende desKalten Krie-
geszubeschreiben.Über die Manage-
mentliteratur hält der Begriff nun auch
Einzugan den Kapitalmärkten.
Warumist Vuca mittlerweile auch
für In vestoren relevant? Nun, die Unsi-
cherheit in derWirtschaftund an den
Finanzmärktenistheutzutagequasi mit
den Händen zugreifen. Sie zeigt sichin
den einschlägigen Indizes wirtschafts-
politischerUnsicherheitderverschiede-
nen Länder undRegionen. Seit dergro-
ßen Finanzkriseverzeichnen diese ei-
nen deutlichen und trendmäßigen An-
stieg. Diese Entwicklungkorreliertmit
einer sprunghaftenInflationierungvon
Nach richten,nicht zuletztgetrieben
durch soziale Medien. GängigeFinanz-
markt-Volatilitätsindizes spiegeln dies
zwarnichteins zueinswider;esist aber
davonauszugehen, dassdie Kapital-
märkt edurch die ultralaxeGeldpolitik
der Notenbanken sediertsind.
Vonmehrals semantischer Bedeu-
tung istindiesemZusammenhangdie
UnterscheidungvonUnsicherheitund
Risiko.VonRisikosprechen Ökonomen
gemeinhin,wenn Entscheidungsträgern
das Spektrum der möglichen Ereignisse
bekanntist und sie Eintrittswahrschein-
lichkeiten zuordnenkönnen.Unsicher-
heit herrscht dagegen,wenn den mögli-
chen Ereignissenkeine Wahrscheinlich-
keitenbeigemessenwerdenkönnen.Un-
sicherheitsprämien sind dahertenden-
ziell höher alsRisikoprämien. Aktuell
mussman wohl sogar nocheinendrauf-
setzen: Heutzutagesind vielfachnicht
nur die Wahrscheinlichkeiten unbe-
kannt,sondernFinanzmarktakteurewis-
sen oftmals nicht einmal,wasalles pas-
sieren kann. Diese Steigerungsform
nenntman radikal eUnsiche rheit.Vuca
istindiesemKontextsicherlichzumin-
desteine semi-radikaleVariante!
Kommen wir zurKomplexität .Ine i-
nemBeitragzumAkronymVucamages
fast schon ironisch anmuten, aber:Das
in den letzten Jahrenquasi exzessive
AufkommenvonKurzwörternspiegelt
exemplarischdie deutlicherhöhteKom-
plexität an denFinanzmärkten wider.
Eine Kostprobe bietetder Kriseninter-
ventionsmechanismus in der Eurozone,
denman durchaus wiefolgtbeschreiben
könnte: „ESM, OMT undSSMhaben
EFSF,EFSM und SMP abgelöstund bil-
denden Dreiklang der Krisen-Finanzar-
chitektur.ImRahmen des SRMgabes
fürden SRFeine Einigung. Das EDISist
inPlanung.Die EZBhat 2015mit ihrem
APP QE eingeleitet, wobei das APP aus
PSPP,CBPP3,ABSPPundCSPPbesteht.
2017 starte te QExit viaTapering.2019
verabschiedete die EZB ein neues Maß-
nahmenpaket inklusiveeinesTiering-
Systems bei der NIRP, QE2 undverlän-
gerter TLTROs III.Neuerdings beschäf-
tigt man sichimRahmen derReversal
InterestRateintensiv mit NLB und
ELB.“Noch Fragen?
UnmittelbareFolgeder unorthodo-
xenMaßnahmen derZentralbanken ist

eine Verzerrung vonMarktpreisen, al-
len vorandes Zinses. Dieser hat einen
nicht unerheblichenTeil seiner Signal-
funktion eingebüßt.Das wiederum hat
mit dazu beigetragen, dassesverstärkt
mehrdeutigeSignale an denFinanz-
märktengibt(ambiguity).Dieschonge-
nanntenVolatilitätsindizes sind ein gu-
tesBeispiel:Rein statistischbetrachtet
impl izieren deren niedrigeNiveaus
eine Ruhe an denFinanzmärkten.Aber
istdiese echt oder wirkt hier lediglich
geldpolitisches Anästhetikum? Vieles
deutet auf Letzteres hin.
VucahatmehrereUrsachen.Einegrö-
ßerenationaleUngleichverteilungvon
EinkommenundVermögeninfolgeder
Globalisierung über die vergangenen
Jahrzehn te gehörtebenso dazu wie die
multipolare Weltunordnung sowie die
große Finanz- und die Euroland-Staats-
schuldenkrise. Dies hat zum Aufkom-
men populistischerTendenzen in vielen
Ländernbeigetragenundneuegeopoliti-
sche Unsicherheitengeschürt.Auch der
politischeUmgang mit den Krisenblieb
nichtfolgenfrei. Ein übergroßerTeil der
„Aufräumarbeit“wurdedenZentralban-
kenübertragen–wobe idiese ihn aber
auchbereitwillig annahmen und dabei

mindestensandie Grenzen ihres Man-
datsbereichs gingen. Die Folgen sind
eineimmense Liquiditätsflut, diesich
auf alle Anlageklassen auswirkt.Leider
gibteskeine Anzeichen für ein baldiges
Ende. DiefinanzielleRepression, in der
dieStaatschuldenquotendurchniedrigs-
te Zinsen refinanziertund alimentiert
werden, und diefinanzielle undfiskali-
sche Dominanz, in derdas Wohl der
Staatskassen und derKapitalmärktedie
Geldpolitikbestimmt,haltenbisauf wei-
teresan. Fürdie Zinsen heißtdas mögli-
cherweise nicht nur „lowerfor lon ger“,
sondern„lowerforever“.
AusAnlegersicht hat all dieszwei be-
deutsameKonsequenzen. Erstens wer-
den in der semi-radikalenUnsicherheit
unternehmerische Investitionen und
größereKonsumausgabentendenziell
zurückgestellt.Daher steigt zwangsläu-
figdie Ersparnisbildung, nicht zuletzt
auchaufgrund vonÄngstenumdie Al-
tersvorsorge.Die ultralaxeGeldpolitik
der Notenbanken läuftdamit ins Leere,
die schädlichenNebenwirkungen kom-
men dagegen umso mehr zumTragen.
Zweitenskommt es für Privatanleger
darauf an, investiv zu sparen.Um die
Chance auf eine positiveRenditezuha-
ben, sind eine breiteDiversifizierung
der Kapitalanlageund ein Risikomana-
gement Pflicht.
Um vomSparer zum Anleger zuwer-
den,kanneinFonds-Sparplanpsycholo-
gischhelfen. Er überwindetdas Pro-
blem, möglicherweise zum falschen
Zeitpunkt einzusteigen, und hat den
wichti genAutomatismus desregelmäßi-
genSparens eingebaut.All dies macht
denSparplanzuderbestenFinanzinno-
vation des letzten Jahrhunderts–noch
vordem Geldausgabeautomaten.

Der Autorist CIO Multi AssetEurope bei
Allianz Global Investors.

Anlegen in Zeiten derUnsicherheit


VonIngo Mainert

A


ls Papa, nennen wir ihn
Kurt,eine neueFreun-
din kennenlernte, freu-
tensichseine Töchter
für ihn. Schließlich hatte
ihn die Trennung und
später die Scheidungvonihrer Mutter
schwergetrof fen. Aufsichallein gestellt,
fand Kurt nur mühsamTritt.Indieser
Zeit mussten sic hdie Töchter viel um
Kurt kümmern. Insofernwar es auchfür
sie eine Erleichterung, alsUrsula in sein
Leben trat.Dochspätes tens seitKurt und
Ursula geheirat et haben,stellensichneue
Fragen. Werwirdeines Tageseinmal er-
ben, fragen sichdie Töchter.Sie versu-
chen zwar,jede in ihnen aufkommende
Form vonNeid und Missgunstzuunter-
drücken. Dochumdas Problem an der
Wurzel zu packen, müssen sichKurtund
Ursula Gedanken machen und sollten
dann mit ihren Kindernoffen über ihre
testamentarischePlanungreden.Sonstist
Streit und Wut wie in vielen „Patchwork-
Familien“ programmiert.
Als grobe Konfliktlinie zieht Barbara
Brauc k-Hunger,Rechtsanwältin für Erb-
rechtund VermögensnachfolgeinGeisen-
heim, dieFrage: „Soll der neuePartner
abgesichertwerden oder sollen die Kin-
der aus erster Ehe denNachlasserhal-
ten?“ Beide Zielestehen miteinander im
Widerspruch.Wielässt sichder Konflikt
lösen ?Umdafür Ideenzu skizzieren,tref-
fenwir im Folgenden ein paar Annah-
men für unserenKurt-Ursula-Fall und
machenvorweg ein paargrundsätzliche
Ausführungen zum Erben inPatchwork-
Familien.
Das Erbrecht privilegiertbeim Todei-
nesEhegattendie mitdemaktuellenEhe-
partnergezeugten Kindergegenüber de-
nenaus erster Ehe.Daskann bei denKin-
dernböses Blut erzeugen und auchvon
den Elterngerade dann als ungerecht
empfundenwerden, wenn alle Kinder –
die gemeinsamen wie die mit dem frühe-
renPartner–imneuen Haushalt mit dem
neuen Ehepartner aufwachsen. Dieses
Thema haben wir schon einmal an dieser
Stelle behandelt undwollen es nun nicht
vertiefen. Wirgehen vielmehr davonaus,
dassKurtund Ursula schon älter sind und
keinegemeinsamen Kinder(mehr)haben
(werden). Schließlich haben sie sicherst
kennengelernt, als beide im Lebensalter
schon die 60 überschritten hatten.Ursula
und Kurt haben jeweils zuvorVermögen
aufgebautund wollennunalsrüstig eRent-
ner gemeinsam das Lebengenießen. Der
Kontakt zu den Kinderndes neuenPart-
ners–nicht nurKurt hat zweiTöchter,
auchUrsula hat zwei erwachsene Kinder
aus er ster Ehe–ist nicht schlecht, aber
nicht besonderseng. Er beschränkt sich
auf gelegentlichegegenseitigeBesuche.
Wenn es nun um dieFragegeht, werer-
ben soll, dannstellen sichFragenwie: Ist
es gewollt, dassVermögen an die Kinder
des neuenPartnersgelangt?
Schließlich istinder gesetzlichen Erb-
folgefür die Kinder aus erster Ehe ent-
scheidend,welcher Ehegattezuerst st irbt.
DenndasVermögen teilensichgrundsätz-
lichjezur Hälfte der aktuelle Ehepartner
und die Kinder desVerstorbenen.Wenn
etwa Kurt vorUrsula stirbt, erbt
(Neu-)EhefrauUrsula die eine Hälfte von
KurtsVermögen, die andereHälfte te ilen
sichdie Töchter.Wenn später Ursula
stirbt,landetauchderzuvoranUrsulaver-
erbteTeil vonKurts Vermögen bei ihren
Kindern, zusätzlichnatürlichzuUrsulas
gesamtem eigenenVermögen. Macht da-
gegenimumgekehrtenFall Ursula vor
Kurt den letztenAtemzug, müssen ihre
Kinder nachgesetzlicher Erbfolgemit der
Hälfte des Vermögens der Muttervorlieb-
nehmen, die andereHälfte geht an Kurt
und nachseinemTodandessen Töchter.


Die beiden Ehepartner sollten sichvor
Augenhalten,wiesichdieseFolgenderge-
setzlichen Erbfolgeanfühlen.Falls sie als
unpassendundun gerechtempfundenwer-
den, brauchen sie einTestament.Umdar-
in Regeln aufzustellen,wievonder gesetz-
lichen Erbfolgeabgewichenwerden soll,
solltendieEhepartnerwiedermitderAus-
gangsfrage beginnen.Wasist das Ziel?
Wollen sie entweder vorallem ihreeige-
nenKinderbedenkenoderdenneuenPart-
ner?Zur Verwirklichung deseinen wie
des anderen Ziels lassen sichTestamente
aufsetzen, die an den Einzelfall angepasst
werden sollten.Fürviele dürftesichdiese
Fragestellen:Wenn ic hvor alle mmeinen
Ehepartner bedenke,wie verhindereich,
dassnachdessenTod„mein“Vermögen
an dessen leibliche Kinder aus erster Ehe
geht und nicht an meine leiblichen Kin-
der?Und umgekehrt:Wieverhindereich,
dasswenn ic hvor allem meineAbkömm-
linge bedenke,dassmeine Kindermeinen
Ehepartner vielleicht aus dem derzeitge-
meinsam bewohnten Hauswerfen? Dazu
spätermehr.

Z

unächst: WerRechtsanwäl-
tin Brauck-Hunger länger
zuhört, dem wirdschnell
klar:Vollständig enterben
und der einenPartei –ent-
weder dem Ehepartner
oderdenleiblichenKindern–alles verma-
chen geht, andersals man sichdas viel-
leicht als Nichtjuristvorstellt, garnicht so
einfach. Dennfalls die Ehepartner wie
Kurt und Ursula keinen Ehevertrag ha-
ben, leben sie in der üblichenZugewinn-
gemeinschaft.DannhatdereineEhepart-
nerna ch VersterbendesanderenEhepart-
nersAnspruchauf einen Pflichtteil: Ent-
weder einVierteldes Vermögens oder
nachDurchführung des Zugewinnaus-
gleichs auf einAchtel desverbleibenden
Nach lasses, wie Brauck-Hunger nochviel
ausführlicher erklärenkann. Aber das
würde diesen Beitrag sprengen.
Klar aber ist: Zu gewinnausgleichbe-
deutet nichts anderes, als dassder wäh-
rend dergemeinsamen Ehezeit erreichte
Vermögenszuwachs („Zugewinn“) zwi-
schen beidenPartnernausgeglichen wird.
Hat also zum BeispielKurt mit seinenge-
rade auf Höchstkursstehenden Aktien
seinVermögenviel mehrgesteiger talsUr-
sula mit ihrem niedrigverzinstenGeld

auf dem Bankkonto, müssenKurtsKin-
der seinewährend der Ehezeit erzielten
Aktiengewinne mit der „vollständig ent-
erbten“Ursula teilen. Das zeigt:Vollstän-
dig enterbt bedeutet keineswegsvollstän-
digenterbt.UnddarinstecktvielKonflikt-
stoff.
Denn zu ermitteln, wie hochdas Ver-
mögen beiderPartner zu Beginn und zum
EndederEheist,kannschwierigsein.An-
wältin Brauck-Hungerweiß: „Macht der
überlebende, vollständig enterbteEhe-
partner nachdurchgeführtemZugewinn-
ausgleichauchnoch seinen Pflichtteil
voneinem Achtel auf denverbleibenden
Nach lassgeltend, wirddas Erbe der Kin-
der of terheblichgeschmälert. Zudem ist
Streit über denWert des Nach lasses pro-
grammiert.“Ihr Rat: „Der Ehegatte sollte
einenPflichtteilsverzichtabgeben.Wei-
tersollteeroder sie auf denZugewinn im
Todesfallverzichten oder der Güterstand
der Gütertrennung vereinbartwerden.
Beides mussnotariell beurkundetwer-
den, sonstsind sie nicht wirksam.“
Kommen wir zum zweiten möglichen
Ziel: Vorallem derPartner soll abgesi-
chertwerden. Auch diesem Ziel sind
Grenzengesetzt .Sicherlichsolltemanda-
für den Ehepartner imTestament als Al-
leinerbe einsetzen.„Aber dann haben na-
türlic hdie Kinder Pflichtteilsansprüche“,
sagt Brauck-Hunger.„Um im Todesfall
Streit zwischen dem neuen Ehepartner
und den Kindernaus er ster Ehe zuver-
meiden,gebendieKinder idealerweisezu-
voreinen Pflichtteilsverzicht ab,gegebe-
nenfalls gegenZahlung einer Abfin-
dung“,rätdie An wältin alsKonfliktlö-
sung. Dennwenn Pflichtteilsansprüche
der Kinder frühzeitig beglichenwerden,
kann zumindesteines vermieden werden:
Dassder Ehepartner nachdem Toddes
Ehegattengezwungen ist, illiquidesVer-
mögen wie eine Immobilie womöglich
zum schlechten Preis zuverkaufen, um
die Kinder auszahlen zukönnen.
Natürli ch sindzwischendenbeidenEx-
tremen–vollständigeEnterbung des neu-
enEhepartnersund Alleinerbe–vieleNu-
ancen imTestament denkbar.Etwakann
dieFragegelöstwerden, die wir schon an-
fangs aufgeworfenhaben: Wielässt sich
vorallem der Ehepartner bedenken, aber
nachdessen Todverhindern, dassdas ge-
meinsameVermögen allein dessen Kin-
dernaus er ster Ehe zufällt?ZurLösung
rätBrauck-Hunger zufolgendemVorge-

hen:DerEhe-Lebenspartner wirdalsVor-
erbe eingesetzt,Nach erbe sind die eige-
nen Kinder aus der ersten Ehe. DieFolge:
Der Ehepartner erhält dasgesamteVer-
mögen, nachseinemTodgeht aber der
Nach lassdes Er stversterbenden nicht auf
die Kinder der Zweitversterbenden, son-
dernauf die Kinder des Erstversterben-
den aus der ersten Ehe über.

F

ür diesevernünftig klingen-
deFalllösunghat dieAnwäl-
tin nochzweiVarianten pa-
rat. Die eine lautet:Der
überlebendePartner darfal-
les verbrauchen, aber nichts
verschenken. Die Kinder erhalten also,
wasvom Vermögen nachdem Toddes
neuenEhepartnersübrig gebliebenist. Er
oder siekann dann vielleicht mit einem
neuenPartner nochallerhand auf den
Kopf hauen, aber es bleibt sichergestellt,
dassanschließend nicht die Kinder des
Partnersalles erben, sonderneinen Teil
auchdie direkten Abkömmlinge. Die
zweit eVariant elegt dem alleinerbenden
Ehegatten imUmgang mit demVermö-
gendes Partnersenger eFesseln an.
Brauc k-Hunger würde dasin einemTesta-
ment inetwa so regeln: Der überlebende
Partner darfnur die Erträgewie Zinsen
und Mieteinnahmen für sichverwenden
und bei Immobilien diese selbstbewoh-
nen. Natürlic hdarferauchnichts ver-
schenken. DerWert des Nach lasses blie-
be so den Kinder erhalten.
Ausihrer Praxisweiß die Anwältin: Oft
gehörtdas gemeinsambewohnteHausnur
einem derPartner.Verstirbt dieser und er-
ben dann allein die Kinder, könnensie
den neuenPartner aus dem Hauswerfen.
„Das istvor allem dann ungerecht,wenn
der neuePartner seinenPartner in den
letzten Lebensjahrengepflegt hat“,findet
Brauc k-Hunger.Deshalb sei oftwichtig zu
vereinbaren, dassder Partner im Haus
wohnen bleibenkann. „Die Kinderkön-
nen als Erbeneingesetzt werden, und der
Partner erhälteinWohnungsrecht.Und
der Partner verzicht et auf Pflichtteil und
Zugewinn“, schlägt die Anwältinvor.Das
mag nicht für alleKonstellationen eine
konsensfähige Lösung sein.Aber viel-
leicht einguter Ausgangspunkt, um eine
LösungzufindenundStreit zu vermeiden.
OhneTestamentjedenfallssindinPatch-
work-Familien im ErbfallStreit und Unge-
rechtigkei tenTür undTorgeöffne t: Die
Kinde raus der ersten Ehe deserstver ster-
benden Ehegatten müssen mit demneuen
Ehepartner teilen,während sie nachdem
Toddes später versterbenden Ehepartners
leerausgehen und dasVermögen vollstän-
dig zu dessen leiblichen Kindern„abwan-
dert“.UndimTestamentmussdas Span-
nungsfeldzwischenAbsiche rungderleibli-
chen Kinder undderAbsicherungdes neu-
en Partnersgelös twerden. Dafür sollte
mansichgezielt vonAnwältenberatenlas-
sen,umfür seineVerhältnisse die passge-
naueLösung innerhalbder hieraufgezeig-
tengroben Varianten zufinden.
Denn eines solltenicht nurKurt und
Ursulaklarsein :DasErbesolltesofairge-
regelt sein, dassKurts Töchter –sollteer
vorseiner neuen Ehefrauversterben –
kein böses Blut entwickeln undUrsula
aus KurtsHaus werfen. Ohnehin sollten
die testamentarischenRegelungen soge-
trof fensein, dasssie den überlebenden
Ehegatten inkeine Bredouille bringen
können.Umgekehrtsollten die Kinder
nachdem Todvon Mutter oderVaterim
Angesicht eines eher zugunstendes neu-
en EhepartnersausfallendenTestaments
nicht vorWut ins Schäumengeraten. Gut
wäre eben, beizeiten Lösungen zufinden,
mit denen alle gut lebenkönnen.Papas
neue Ehefrau oder Mamas neuer Ehe-
mann müssenraus aus dem Haus,gehört
wohl eher nicht dazu.

STANDPUNKT


DIEVERMÖGENSFRAGE


So heil istdie Welt nicht:In Trennungs-Familienkann Streit um das Erbe besonderskompliziertwerden. FotoAction Press


ela. WIEN.UngarnsWährungForint
findetkeinen Ausweg aus ihrer Schwä-
chephase.Vorige Woche wurde mit ei-
nem Kurs gegenüber dem Eurovon 340
ein neuerTiefstand erreicht .Die Kurs-
reaktion erfolgteauf dieVeröffentli-
chung des Protokolls des geldpoliti-
schenAusschusses derNotenbank in
Budapest. Darin wurden niedrigeZin-
sen einstimmig unterstützt, obwohl die
Inflation den Zielwerterreicht hat.Die
MagyarNemzeti Bank (MNB)verfolgt
ein mittelfristiges Inflationszielvonun-
gefähr drei Prozent.Dieses Ziel istet-
washöher als dasgrundsätzlichakzep-
tierte Inflationsniveau in Europa. Dies
wirddamitbegründet, dassmanderun-
garischenWirtschaf tdie Möglichkeit
geben wolle, mit seinen Preisenauf das
europäische Niveau aufzuschließen.
Dassdie Notenbank trotzrobuster
und nunetwa sverlangsamterKonjunk-
tur eine ultralockere Geldpolitik unter-
stützt, wirdvon den Märkten schon lan-
ge skeptischbeurteilt.Seit Mai 2016
liegt der Leitzins bei 0,9 Prozent.Das
istdas niedrigste Niveau unter den
Schwellenländern.
Inzwischen hat sichder Forint etwas
erholt, nachdem dieZentralbank auf
die rasante Abwertung und die überra-
schend schnellsteigende Inflationrea-
gierte.Ineiner Sonderankündigung
gabsie bekannt, dasssie bereit sei, alle
geldpolitischen Werkzeuge, so auch
den Leitzins, zu nutzen, um die Infla-
tion in den Zielbereichzusenken. Eine

solcheReaktion beurteilen Beobachter
zwar positiv.„Wirgehen davonaus,
dasswir wohl weiterhin niedrigeZin-
sen sehen,diese aber nicht der alleinige
Indikator für die Geldpolitik sind“, sagt
Henning Eßkuchen, Analystder Er ste
GroupinWien.Insofernsei es stimmig,
wenn die ungarischeZentralbank sagt,
dasssiebereitsrestriktiver gewordenist
–eben nicht über den Zinssatz. Schon
MitteJanuarhatMNBgegendieSchwä-
chemit einerStraffung derquantitati-
venLockerung interveniert.
Dennochbleiben die Herausforde-
rungen für die nächstenMonatean-
spruchsvoll. DiesteuerbereinigteKern-
inflation legteimJanuar auf 3,7 Pro-
zent zumVorjahr zu und istnicht mehr
allz uweitvonder oberenToleranzgren-
ze von4Prozent entfernt.ImRahmen
der Ankündigung erklärte der Vizegou-
verneur der MNB, MártonNagy,dass
die Bank eine derartigeInflation ohne-
hin erwartet hatte. DieZentralbank
wird sichnunjedochunterDruckbefin-
den, falls dieTeuerung diesen Progno-
sen nichtgenau folgt.„Die MNB muss
erklären, wie ihre aktuellegeldpoliti-
sche Haltung und damit einLeitzins
vonunter ein Prozent mit einer solchen
Inflationsentwicklungvereinbarist“,ar-
gumentiertTatha Ghose, Analystder
Commerzbank.Zudem sei unklar,wie
die Änderung ausfallen wird,wenn die
MNB nachder Veröffentlichung des In-
flationsberichtsvomMärzeine gewisse
Änderung ihrer geldpolitischen Hal-
tung vornimmt.

Papas neue Frau


muss raus aus


dem Haus!


Die Folgen sind eine
immense Liquiditätsflut,
die sic hauf alle Anlage-
klassen auswirkt.

Ungarnslockere Geldpolitik


schwächt die Währung Forint


NiedrigsterLeitzins unter den Schwellenländern


Zwis chen de nKinde rn aus er ster Eheund


demneuen EhepartneristStreit um das


Erbe programmiert.Wie la ssen si ch


Auseinandersetzungen durch kluge


Testamentsgestaltungvermeiden?


VonHanno Mußler
Free download pdf