issue_gartenbuch_2021

(Susanne Mueller3Bw72N) #1

Freude auf. Schnell ist etwas für ein Picknick
besorgt und ein lauschiges Plätzchen im Garten
gefunden. Egal ob zwischen den Beeten, in den
grünen Hängematten im kleinen Wäldchen
oder an den Tischen in der Sonne, jede:r findet
hier seinen Lieblingsort.


Neue ökologische und soziale Beziehungen


Im Garten gibt es keinen Müll. „Reste” müssen
beim Verlassen des Gartens wieder mitgenommen
werden. Biogut aus der Nachbarschaft nimmt der
Garten hingegen gerne an, um durch Kompostierung
(Bokashi und Wurmkompost) den Boden wieder
aufzubauen. Da der Untergrund vor allem aus dem
Schutt des im Krieg zerstörten Wertheim-Kauf-
hauses besteht, betreibt der Garten ohne Zweifel
eine bessere „Bodenaufwertung” als seine
beton- und damit hochgradig CO2-lastigen Nach-
bar-Neubauten. Neben der Entsiegelung und dem
Aufbau des Bodens, dem Aufbau von Bezie -
h ungen sowie der Beobachtung und permakulturel-
len Entwicklung der Fläche gehört zu den aktuell
bestimmenden Themen auch der Aufbau einer
neuen Infrastruktur. Geplant sind unter anderem
der Bau eines Brunnens für eigenes Wasser,
einer Solaranlage für eigenen Strom und eines
Gewächshauses. Des Weiteren werden heimische,
insektenfreundliche und bodenverbessernde
Stauden gepflanzt. Die Planung und Umsetzung
der Infrastruktur projekte hat im September
begonnen. Immer ist dabei ausschlaggebend, was
der Garten wirklich braucht. Angestrebt werden
zukunftsweisende, dauerhafte, kostengünstige
Lösungen, denen das Prinzip der Kreislaufwirtschaft
zugrunde liegt. Neben Einzelpersonen und kleinen
Grüppchen, die ihre Mittagspause hier verbringen,
sich auf einen Schwatz treffen oder mit ihren Kindern
spielen, nutzen politische und andere Gruppen
den Garten. Es gibt Küfas (Küche für alle), die
Kiezkantine kocht, Selbsthilfegruppen treffen sich
regelmäßig, Gruppenplena werden abgehalten,
Kitagruppen gärtnern, Geflüchtete aus der nahen
Notunterkunft Stallschreiberstraße verbringen hier
ihre Nach mittage. Die Lebenshilfe bietet regelmäßig
dienstags um 14 Uhr eine Suppenküche nicht
nur für Obdachlose an und führt regelmäßig künst-
ler ische Workshops durch.
Das „Parkraumgetier”, das im öffentlichen Raum
auf das Parkblech-Problem aufmerksam macht
und bei Aktionen als Tribüne genutzt werden kann,
teilt sich den Garten mit der örtlichen Fauna als
Rückzugsraum. Vereine wie Wildwasser und United
Action sowie Selbsthilfegruppen halten zwischen
den Beeten regelmäßig ihre Treffen ab. Es gibt
Kindertheater, Lesungen und vieles mehr. Die
„Nutzer:innen” wandeln sich nach und nach auch
zu Gartenkümmer:innen und bauen eine dauerhafte
Beziehung zum Ort auf, den sie gemeinsam mit allen
als Allmende erhalten wollen.


Alle können mitmachen


Jeden Sonntag um 12 Uhr findet ein für alle offenes
Plenum statt, bei Regen im Zirkuszelt. Hier wird
über alle wichtigen Belange des Gartens beraten und
es werden gemeinsam Beschlüsse gefasst. Gleich
zu Beginn werden die täglichen Öffnungszeiten
für die kommende Woche organisiert. Es gibt
Berichte aus dem Garten, aus den Arbeitsgruppen,
die sich um ständige Aufgaben und Bereiche küm-
mern, sowie aus Kleingruppen, die sich vorüber-
gehenden Fragen widmen. Externe Anfragen werden
am Ende des Plenums besprochen. Für einmalige
oder externe Veranstaltungen ist es notwendig, dass
sich eine „Patin” bereit erklärt, die Betreuung des
jeweiligen Projekts zu übernehmen. Wenn Gruppen,
die sich regelmäßig treffen, im Garten Veranstaltun-
gen abhalten, übernehmen sie die Patinnenschaft
selbst. Dazu gehört es zum Beispiel, die Kommuni-
kationsstrukturen des Gartens zu nutzen, um die
Veranstaltung nach außen zu vermitteln, vor Ort
den Garten für die Allgemeinheit zu öffnen, das Kom-
postklo zu reinigen und Ansprechperson zu sein.
Für Menschen, die Lust am Gärtnern haben, gibt es
feste Gartenarbeitstage, an denen einfach mit ange-
packt werden kann. Fast alle Beete sind Gemeingut,
nur wenige Beete sind an feste Gruppen vergeben.
Es gibt zahlreiche Aufgaben und Projekte, die auf
viele Schultern verteilt werden wollen, denn alle
Tätigkeiten im Garten sind ehrenamtlich. Der Garten
braucht beständig viele helfende Hände – ob für
ein paar Stunden oder regelmäßig. Jede:r kann mit-
machen, jede Hilfe ist willkommen! Besonders für
die Infrastrukturprojekte braucht der Garten jetzt jede
Hilfe. Vorkenntnisse sind nicht nötig. Alle bringen
ihr vorhandenes Wissen ein und teilen es, lernen von-
und miteinander.
Jeder und jede ist auf irgendeinem Gebiet Expert:in.
Um das Basiswissen zu vertiefen, werden Workshops
zu den unterschiedlichsten Themen selbst organi-
siert. Immer nach der Devise: Alle gemeinsam sind
wir der Garten.

Traut euch!


Langfristig geht es darum, den Garten am Moritz-
platz dauerhaft als Gemeingut zu erhalten. Der Garten
soll sich selbst tragen können und strebt eine
Kosten minimierung an. Im September wurde dazu
ein offener Brief an die Politik formuliert.
Wer mehr wissen will, findet viele Informationen
auf der Internetseite. Man kann auch einfach vor-
beikommen und die Leute ansprechen.
Außerdem wird jeden Sonntag um 12 Uhr zum offenen
Gartenplenum eingeladen.

Die Garten-Aktiven
zuerst erschienen in DER RABE RALF
Oktober/November 2021 (Seite 13)

Viele werden!
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