Neue Zürcher Zeitung - 02.03.2020

(avery) #1

2 INTERNATIONAL Montag, 2. März 2020


Demonstration vor der serbisch-orthodoxen Auferstehungskathedrale. RISTO BOZOVIC/ AP

Orthodoxe gegenKirchengesetz


(dpa)· Tausende Gläubige haben am
Samstag inPodgorica unter derFührung
des serbisch-orthodoxen Metropoli-
ten Amfilohihje gegen das neue monte-
negrinische Kirchengesetz demonstriert.
In einerlangen Prozession zogen sie vor
die serbisch-orthodoxeAuferstehungs-
kathedrale.
Das neueKirchengesetz ist seit dem
Jahreswechsel in Kraft. Es sieht vor,
dass die Kirchen einen Besitznachweis
für Kirchen, Klöster und Grundstücke
erbringen müssen, die ihnen bereits vor
1918 gehört hatten, also noch vor der
Eingliederung Montenegros in das da-
mals gegründeteKönigreichJugosla-
wien. Die serbisch-orthodoxe Kirche,
die demPatriarchat im Nachbarland

Serbien untersteht und die 2006 wie-
dererrungene Unabhängigkeit Monte-
negros nicht anerkennen will, befürch-
tet, dass ihr dieRegierung die Besitz-
tümer wegnehmen möchte.
Deren tiefere Absicht ist es, die nach
der Unabhängigkeit gegründete eigene
montenegrinisch-orthodoxeKirche zu
stärken. Deren Existenzberechtigung
lehnt die serbisch-orthodoxe Kirche
vehement ab. Präsident Milo Djukano-
vic beschuldigte am Samstag Serbien
und Russland, die serbisch-orthodoxe
Kirche dazu zu nutzen, die prowestliche
Regierung inPodgorica zu untergraben.
Er warf Serbien zudem vor, die natio-
nalistische Grossserbien-Idee wieder-
belebt zu haben.

Das Virus bringt


Italiens Spitäler


an ihre Grenzen


awy. · Massimo Galli,Chefarzt derAb-
teilung für Infektionskrankheiten an der
Sacchi-Klinik in Mailand, schlägtAlarm:
Das Coronavirus bringe die Intensiv-
stationen in Norditalien an ihre Leis-
tungsgrenze und die Zahl der schwer-
krankenPatienten drohe zuzunehmen,
sagt er in einem Interview mit der Zei-
tung «Corriere della Sera». Bisher wur-
den in Italien über 1100Personenposi-
tiv auf dasVirus getestet. Nach den bis-
herigen Erfahrungen erleiden 10 Pro-
zent derTräger desVirus eine schwere
Erkrankung, meist mit Lungenentzün-
dung, und kommen auf die Intensiv-
station.Die schwere Phase beginnterst
7 bis 10Tage nach der Ansteckung oder
noch später. Laut demFacharzt wurde
das Virus wahrscheinlich schon im
Januar in Italien eingeschleppt, früher
als bisher angenommen.
Auf die italienischen Spitäler – und
auch auf die Spitäler in andernLändern–
könnte also noch einiges zukommen, zu-
mal die Coronavirus-Patienten wegen
der hohen Ansteckungsgefahr beson-
dere Anforderungen an das Pflegeperso-
nal stellen. Man verschiebt jetzt nicht
dringende Operationen, um Betten für
Coronavirus-Patienten freizuhalten.
Galli fordert, dieVorsichtsmassnahmen
im Grossraum Mailand sollten in Kraft
bleiben, um dieAusbreitung desVirus
und damit den Andrang in denSpitä lern
zu bremsen.
Zahlen des öffentlichenVerkehrs
zeigen drastische Auswirkungen des
Coronavirus in Mailand. Die S-Bahn
(Trenord) hatte 60 Prozent wenigerPas-
sagiere als in derVergleichswoche des
letztenJahrs,U-Bahn,TramundBusver-
zeichneten 40 Prozent weniger, dieTaxis
50 Prozent weniger.Arbeitspendler fuh-
ren nicht zur Arbeit, Schüler nicht zur
Schule, Kunden fuhren nicht zum Ein-
kaufen,GeschäftsleutestrichenTermine,
RestaurantsundKinosbliebenleer,auch
wegen verordneter Schliessungen.
Doch das Coronavirus bremst die
Wirtschaft in ganz Italien, zuerst im
Tourismus. Laut dem Branchenverband
Confturismo verzeichneten Hotels,
Ferienwohnungen undReisebüros Ab-
buchungen in der Höhe von200 Mil-
lionen Euro allein für den Monat März.
Für das kommende Quartalrechnet
man mit 22 MillionenTouristen weni-
ger, das würdeVerluste von 2,7 Milliar-
den Euro in der gesamten Branche be-
deuten,die etwa 12 Prozent zum Brutto-
inlandprodukt beisteuert.
Auch andere Branchen sehen sich
bedrängt: die Landwirtschaft, weil jetzt
italienisches Gemüse von hysterischen
Konsumenten als «gefährlich» ein ge-
stuft werdenkönnte, die Industrie, weil
Kunden meinen, italienische Lieferan-
ten könnten nicht rechtzeitig liefern.
Das MarktforschungsinstitutRef Ricer-
che sagt einenRückgang des italieni-
schen Bruttoinlandprodukts um 1 bis 3
Prozent im ersten Halbjahr voraus.

In Luxemburg ist Bus-


und Bahnfahren gratis


(dpa)· Luxemburg macht das Bus- und
Bahnfahren gratis. Das Grossherzog-
tum mit rund 620000 Einwohnern ist
seit dem vergangenen Samstag das erste
Land derWelt, in dem alle öffentlichen
Verkehrsmittel kostenlos sind. Bus-
und Bahnlinien werden massiv ausge-
baut.Alleinauf der Schiene investiert
Luxemburg von 2018 bis 2027 rund vier
Milliarden Euro.


IN KÜRZE


Puigdemont versammelt


Anhänger in Südfrankreich


(afp)· Der frühere katalanischeRegio-
nalpräsident Carles Puigdemont hat
am Samstag zehntausende Anhän-
ger in Südfrankreich um sich geschart.
In der StadtPerpignan nahe der spa-
nischen Grenze kamen mindestens


Präsidentvon Guinea
verschiebt Referendum
(dpa)· Der Präsident des westafrikani-
schen Guinea,Alpha Condé, hat das für
Sonntag geplanteVerfassungsreferen-
dum und dieParlamentswahl um zwei
Wochen verschoben. Zuvor hatte es Be-
denken wegen der geplantenWahl und
des Referendums gegeben. Die Afrika-
nische Union (AU) erklärte amFreitag,
sie werde die Beobachtermission für die
Parlamentswahl auch wegen einerKon-
troverse um dasWählerverzeichnis zu-
rückziehen. Auch die EU drückte am
Freitagihre Sorge aus. Der EU-Aussen-
beauftragteJosep Borrell teilte mit,«der
Mangel an Inklusivität undTransparenz
wirft Zweifel auf über die Glaubwürdig-
keit der geplantenWahlen».

Tausendedemonstrierenin
PraggegenRegierungschef
(dpa)· UnterRufen wie«Wir haben
genug» sindTausende Menschen in Prag
für den Schutz der demokratischen Insti-
tutionen und gegenRegierungschefAn-
drej Babis auf die Strasse gegangen.Die
Veranstalter vom Oppositionsnetzwerk
«EineMillionAugenblicke für Demo-
kratie» warfen dem Ministerpräsidenten
und Multimilliardär in ihrenReden vor,
er versuche, politischen Druck aufJus-
tiz, staatlicheVerwaltung und öffentlich-
rechtliche Medien auszuüben.

AUFGEFALLEN


Livisch – eine Sprache


auf der Intensivstation


Rudolf Hermann,Ventspils· Kann man eine Sprache, deren mut-
masslich letzter muttersprachlicherRepräsentant dieseWelt
vor siebenJahren verlassen hat,noch als lebendig bezeichnen?
Die Frage ist berechtigt. Zwar war das Livische (oder Livlän-
dische) im Mittelalter in weitenTeilen der heutigen baltischen
Staaten Lettland und Estland verbreitet. Doch schon am An-
fang des 20.Jahrhunderts war die mitFinnisch und Estnisch
verwandte Sprache praktisch verschwunden. Und dann gab
ihr die Sowjetmacht noch denRest.
Denn die Liven,die zuletzt vor allem alsFischer in ein paar
Dörfern an der Ostseeküste von Lettisch-Kurland lebten, fan-
den sich nun unter der Moskauer Herrschaft am äussersten
Westrand des Sowjetstaats wieder und damit in einer militäri-
schen Sperrzone. Mit Booten aufs Meer hinauszufahren, ging
nicht mehr – man hätte ja in den feindlichen Kapitalismus ab-
hauenkönnen.Weil die traditionelleFischerei jedoch nicht
nur dem Erwerb diente, sondern auchKulturträger war, ging
die Sprache zunehmend verloren. Ein bildlichesSymbol dafür
ist der melancholisch-poetischeFriedhof hölzerner Boote, die
nordöstlich der HafenstadtVentspils beim einstigenFischer-
dorf Mazirbe in einemWald beim Strand allmählich verrotten.
Als Lettland nach dem Zerfall der UdSSR die Selbstän-
digkeit wiedererlangte, erlebten traditionelleWerte zwar eine
Wiedergeburt.Für das Livische war es aber schon fast zu spät.
Es wurde nur noch von ein paarDutzend Leuten gesprochen,
die versprengt entlang eines rund fünfzig Kilometer langen
Küstenstreifens lebten, oder vonPersonen livländischer Ab-
stammung in der Emigration.Wie die 2013 verstorbene Kana-
dierin, die als die letzte Muttersprachlerin gilt.
Derzeit wird die eigentlich ausgestorbene Sprache jedoch
gerade neu entdeckt.Kulturvereine bemühen sich um ihre Er-
haltung, auch mit einer Sommerschule für Kinder. Linguisten
studieren sie, drei Poeten schreiben in ihr, altes Liedergut wird
aufgespürt.Es mag die vielleicht kleinste Literatursprache der
Welt sein mit geschätzt zwanzig aktiven Sprechern. Doch sie
lebt noch, wenn auch quasi auf der Intensivstation.

100 000 Menschen zu seinemAuftritt,
wie die Präfektur mitteilte. Die Organi-
satoren sprachen sogar von150000An-
hängern der katalanischen Unabhängig-
keitsbewegung. Die meistenTeilnehmer
schwenktenFahnen der Bewegung und
hieltenPorträts von Puigdemont hoch.
«Wir müssen uns für den abschliessen-
den Kampf vorbereiten und dieFehler,
Zweifel und Schwächen hinter uns las-
sen», rief Puigdemont seinenAnhängern
zu. Puigdemont hatte 2017 gegen den
Willen der spanischen Zentralregierung
die Unabhängigkeit Kataloniens aus-
gerufen. Nach seiner Absetzung durch
Madrid ging er nach Belgien ins Exil,um
der spanischen Strafverfolgung zu ent-
gehen. Heute sitzt er im EU-Parlament.
Als Abgeordneter geniesst Puigde-
mont Immunität. DieRegion umPerpi-
gnan ist ebenfalls katalanisch, liegt aber
im französischenTeil des historischen
Kat aloniens. Von radikalen Unabhän-
gi gkeitsbefürwortern wird dieRegion
als «Nordkatalonien» bezeichnet. Dort
gibt es aber nur sehr vereinzelt Bestre-
bungen nach einer Unabhängigkeit von
Frankreich.

24 Tote bei Rebellenangriff
in Kongo-Kinshasa

(dpa)· In Kongo-Kinshasa sind 24 Men-
schen mutmasslich vonRebellen ge-
tötet worden. Die Zivilisten seien durch
Schusswaffen und Macheten getötet
worden,sagte der Gouverneur der Pro-
vinz Ituri im Nordosten desLandes, Jean
Bamanitsa, am Samstag. Soldaten seien
in dieRegion beordert worden, um das

Gebiet zu sichern. Bewaffnete hätten in
der Nacht zum Samstag das Dorf Digeni
angegriffen, sagte Innoncent Madu Ka-
dala, ein für das Gebiet zuständiger Be-
amter. Er machte die Miliz Codeco da-
für verantwortlich.

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