Der Stern - 13.02.2020

(singke) #1

F


rau Geipel, Angela Merkel hat
ge fordert, das Ergebnis der Mi-
nisterpräsidentenwahl in Erfurt
„rückgängig“ zu machen. Was
löst das in Ostdeutschland aus?
Formal kann man diesen Coup
rückgängig machen, aber der
politische Dammbruch bleibt.
Sehenden Auges wird in Thürin-
gen Demokratie verhökert oder auch „ver-
höckt“. Diese Mischung aus Politkalkül
und rechtem Machismo galt auf einer Ebe-

ne auch den Frauen im Geschäft wie An-
gela Merkel und Annegret Kramp-Karren-
bauer. Ein Coup, der aus dem Hinterhalt
die Demokratie und schon auch weibliche
Macht treffen sollte. Wie man sieht, hat es
funktioniert. Für viele ein weiterer Grund,
gegen das bestehende System zu sein.
Eine hochgradig dysfunktionale Politik
ist nicht gerade ein Lockvogel. Skepsis,
Schadenfreude, Desillusionierung und das
Gefühl der Kränkung dominieren immer
deutlicher in Ostdeutschland.

Lassen sich ostdeutsche Landespolitiker
weniger aus den Parteizentralen in Ber-
lin sagen als Westdeutsche?
Ostdeutsche Landespolitiker suchen stär-
ker denn je die Abgrenzung zur Bundespoli-
tik. Das ist in erster Linie eine Aussage über
das politische Klima im Osten. Der demo-
kratische Konsens scheint immer schwerer
durchsetzbar. Wir brauchen eine echte Ana-
lyse und ein anderes politisches Krisen-
management. Sonst läuft die Bundespoli-
tik diesen Dynamiken nur noch hinterher.

„DIE AFD


HAT EIN


NEUES ,WIR‘


GESCHAFFEN“


Die Autorin Ines


Geipel über den


Erfolg der Rechten


und das Nachwirken


der SED-Diktatur


Geipel, 1960 in Dresden geboren, war Spitzensportlerin in der DDR.
Heute ist sie Professorin an der Schauspielschule „Ernst Busch“ in Berlin

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POLITIK

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