Der Stern - 13.02.2020

(singke) #1

MET CITY


Atmosphärenballon Hubschrauber

Eisdickensensor

Riss im Eis

meteorologischer
Messturm
(30 m)

meteorologischer
Messturm
(11 m)

Entnahme von
Eisbohrkernen

Schneemessgeräte

Schneemobil mit
„Nansenschlitten“

Met City, die meteorolog-
siche Forschungsstation,
ist die größte Messstation
auf dem Eis. Dutzende
Instrumente schauen hier
in die Luft, aufs Eis und
ins Meer. Sie liefern zum
Beispiel Daten über
Schneefall und -verwe-
hung, Energieaustausch
und Aufbau der unteren
stabilen Atmosphären-
schicht. Die Ausrüstung
muss von Schneemobilen
mit „Nansenschlitten“ zur
Station gezogen werden.
Solche bootsähnlichen
Anhänger hatte der nor-
wegische Polarfahrer
Fridtjof Nansen schon vor
über 120 Jahren genutzt.

Marlene Göring-Kruse (l.) mag weder Kälte noch
Dunkelheit, aber das Eis der Arktis hat ihr Herz gestohlen.
Die Fotografin Esther Horvath begleitet
die Expedition insgesamt sieben Monate lang

GEO-INFOGRAFIK: TIM WEHRMANN; PIKTOGRAMME: ANN-MARIE ARING

„Der ist auf dem Eis angekommen“, sagt ein älterer Kollege spä-

ter über Wagner. Es klingt nach echter Bewunderung. Das Eis beun-


ruhigt Wagner nicht mehr. Nicht mal, als es in der Nacht explodiert.


Als draußen die Scholle tost und bebt, liegt Wagner wie die meis-

ten schlafend in seiner Kammer, die er sich mit einem Schweizer


teilt. Vage kann er sich am nächsten Tag an das Kreischen und


Schieben erinnern. Die Scholle liegt danach völlig verändert. Am


Heck hat sich ein Fluss geöffnet. Auf Steuerbord geht quer vom


Schiff ein Riss mitten durchs Eiscamp. Die Gangway reicht kaum


bis über die Trümmer. Wagner ist fasziniert, aber gelassen. Mit


großen, braunen Augen steht er auf der Brücke und schaut vor


den Bug. Dort wälzt sich ein Eisrücken in Zeitlupe über die Kabel,


die zum Zelt des Unterwasserroboters führen. „Auf dem Eis fühlt


es sich an, als hätte man festen Boden unter den Füßen“, sagt er.


„Jetzt merkt man erst: So ist das nicht.“ Wagner denkt kurz nach,


dann fügt er hinzu: „Das wird noch eine Menge Arbeit.“


Damit wird Wagner recht behalten. Immer wieder werden die
Forscher das Camp umbauen müssen, weil die Scholle bricht. Nach
einem Sturm wird sich sogar ein Teil lösen und 700 Meter weit
vom Schiff wegdriften – inklusive der Forschungsstationen da-
rauf. Der 30-Meter-Turm wird umkippen und seine Spitze verlie-
ren. Bis Mitte Dezember, wenn die erste Besatzung ausgetauscht
wird, sind noch nicht einmal alle Instrumente aufgebaut.
Die neuen Forscher haben die Scholle nie bei Tageslicht gese-
hen. Sie kämpfen jetzt mit kompletter Dunkelheit und extremer
Kälte auf einem fragilen Untergrund. Das Meereis wehrt sich wei-
ter. Und die Forscher geben trotzdem nicht auf. 2

13.2.2020 83
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