Das Gespräch ist die gekürzte und bearbeitete
Version der Diskussion, die Grau und Metz in
der DISKUTHEK, dem Debattenformat des
stern auf Youtube, geführt haben. Die ganze
Sendung können Sie ab Donnerstag, 17 Uhr,
auf stern.de/diskuthek und auf youtube.com/
stern sehen. Moderation: Aimen Abdulaziz-Said FOTO: EDGARS NOSKOVS/STERN, REDAKTIONELLE MITARBEIT: HENDRIK HOLDMANN, KARIN STAWSKI, WYN MATTHIESEN, SVENJA NAPP
Barbara Metz, 38,
Politologin, arbeitet seit
2007 für die Deutsche
Umwelthilfe und ist
stellvertretende Bundes-
geschäftsführerin. Ein
Schwerpunkt ihrer Arbeit
ist die CO²-Reduk tion im
Straßenverkehr
Christopher Grau, 36,
hat bei Facebook die
Gruppe „Fridays for
Hubraum“ mitgegründet,
die über eine halbe
Million Mitglieder hat. Er
betreibt in Nordkirchen
die Tuningwerkstatt
„Beast Factory“
Das Tempolimit wird immer wieder disku-
tiert und abgelehnt, zuletzt im Bundestag
im vergangenen Oktober. Eine knappe
Mehrheit der Bevölkerung ist jetzt dafür.
Der ADAC will sich nun raushalten aus
der Debatte. Dreht sich der Wind gerade
zugunsten der Befürworter?
METZ: Ja, wenn wir in eineinhalb Jahren
eine andere Regierung bekommen, even-
tuell mit grüner Beteiligung. Da bin ich
mir ziemlich sicher, dass wir eine mit mehr
Vernunft gesteuerte Verkehrspolitik und
ein Tempolimit kriegen werden.
GRAU: Ich war erst richtig angepisst, als ich
das mit dem ADAC gehört habe. Aber dann
habe ich mir durchgelesen, was sie eigent-
lich sagen. Sie sagen: Beweist doch bitte
erst einmal, dass das wirklich einen po-
sitiven Einfluss hat. Ich bin nach wie vor
der Meinung, es wird keinen positiven
Einfluss haben.
Und wenn es einen hätte, wären Sie dann
für ein Tempolimit?
GRAU: Nein. Weil es viel zu wenig bringt.
In der von Ihnen gegründeten Facebook-
Gruppe hieß es anfangs, man wolle etwas
gegen die „überhandnehmende“ Debat-
te um den Klimawandel tun. Hat Klima-
schutz für Sie keine Priorität?
GRAU: Das täuscht. Wir haben den Text ge-
ändert. Aber diese ganzen Klimadebatten,
die wir momentan öffentlich haben, sind
wirklich immer so mikroskopische Dinge.
Es wird überhaupt nicht auf den Punkt ein-
gegangen, an dem man Großes umsetzen
könnte.
METZ: Man kann sagen, der Verkehr stößt
163 Millionen Tonnen CO 2 aus, was sollen
die fünf? Klar. Aber ich muss irgendwo an-
fangen. Und damit beeinflusse ich dann
zum Beispiel die Modellpolitik der Auto-
hersteller, deren große Fahrzeuge dann
nicht mehr zeitgemäß sind. Die Industrie
versucht gerade massiv, solche Fahr-
zeuge in den Markt zu drücken, jenseits
jeglicher Klimapolitik. Wenn alle langsa-
mer fahren müssten, würde der Verkehr
homogener fließen, und das käme zum
Beispiel auch der Reichweite von Elektro-
autos zugute.
Reden wir über die Sicherheit. Frau Metz,
ist es nicht eine populistische Forderung,
zu sagen, wir brauchen ein Tempolimit
auf Autobahnen, wenn es statistisch ge-
sehen die sichersten Straßen des Landes
sind?
METZ: Diese Statistik interessiert die Leu-
te nicht, die trotzdem auf diesen Straßen
sterben. Und im letzten Jahr waren es auf
Autobahnen um die 350, im Straßenverkehr
- Man kann die Zahl der Verkehrstoten
reduzieren und auch die der Schwerver-
letzten. Ich mache mir Sorgen, wenn Fami-
lienmitglieder von mir unterwegs sind. Ich
habe Kinder, da macht man sich immer
noch mehr Sorgen. Wenn ich auf der Auto-
bahn unterwegs bin, fühle ich mich zum
Beispiel in der Schweiz, wo maximal 120
erlaubt sind, deutlich sicherer.
Wenn bewiesen wäre, dass ein Tempoli-
mit auch nur ein Menschenleben rettet.
Wären Sie dann dafür, Herr Grau?
GRAU: Das ist eine sehr polarisierende
Frage. Ich sage mal so: Es wird im Verkehr
immer Tote geben. Wir können sie einfach
nicht verhindern. Und zu den Toten auf der
Autobahn: Sind die Unfälle alle wegen
überhöhter Geschwindigkeit passiert?
Nein. Bei den 30, 40 Rasern darunter muss
man leider auch sagen, sie sind gewisser-
maßen selber schuld.
METZ: Oft sterben aber gerade die anderen
Verkehrsteilnehmer bei solchen Unfällen.
GRAU: Woher weiß ich denn, dass sich die
Raser an das Tempolimit halten?
METZ: Das weiß ich nicht. Ich muss es rich-
tig kontrollieren. In der Schweiz sind die
Sanktionen deutlich höher als in Deutsch-
land, das wird teilweise mit Gefängnis
geahndet. Da ist die Zahl der Verkehr stoten
deutlich zurückgegangen.
Herr Grau, fahren Sie schnell, weil es Spaß
macht oder weil Sie schneller von A nach
B kommen wollen?
GRAU: Hierher zum Termin bin ich auch
mal 170, 180 gefahren. Es war komplett frei,
und dann will man halt auch mal schnel-
ler ankommen. Diese Höchstgeschwindig-
keit ist für mich aber überhaupt nicht
wichtig, weit über 200 fahre ich auch nicht.
Mir geht’s um die Beschleunigung.
Sie sind Tuner. Könnte Ihr Geschäft da-
runter leiden, wenn es ein Tempolimit
gäbe?
GRAU: Meine Kunden sind eher auf der
Rennstrecke unterwegs. Es gibt einfach
Leute, die lieben ihre Autos, und sie geben
ihr ganzes Monatsgehalt dafür aus, und das
wird auch so bleiben.
Frau Metz, Herr Grau, welches Argument
des anderen hat Sie am meisten über-
zeugt?
METZ: Ich bin von nichts überzeugt. Wenn
es mit dem Klima so weitergeht wie jetzt,
dann haben wir 2050 drei Grad mehr. Mein
Sohn wird 2050 so alt sein wie ich jetzt. Und
ich frage mich ernsthaft: Wird er mögli-
cherweise selbst keine Kinder in die Welt
setzen, weil die Welt eine andere ist als
heute? Wir müssen uns an eine andere Mo-
bilität gewöhnen, als wir sie heute haben.
GRAU: Ich bin immer noch vehement da-
gegen. Aber ich habe ein Modell, das ich mir
vorstellen könnte. Tagsüber ein Tempoli -
mit und nachts, wenn deutlich weniger
Verkehr ist, nicht.
Frau Metz, könnten Sie damit leben?
METZ: Das wäre zwar besser als nichts,
aber vielleicht würden viele Leute dann
nachts erst recht rasen. Ein allgemeines
Tempolimit ist viel sinnvoller. 2
Moderator Aimen Abdulaziz-Said mit seinen Gästen
„WIR SIND DAS
LETZTE INDUSTRIELAND
OHNE TEMPOLIMIT“
90 13.2.2020