Die Welt - 20.02.2020

(avery) #1

D


ie Geschäfte laufen zäh
bei Real. Am Ende ist die
SB-Warenhauskette sogar
selbst zum Ladenhüter
geworden. Fast andert-
halb Jahre dauerte es, bis die Mutterfir-
ma Metro einen Käufer für die Krisen-
firma fand. Nun ist es endlich so weit:
„Die Investmentgesellschaft SCP
Group hat mit der Metro AG eine Ver-
einbarung zur 100-prozentigen Über-
nahme von Real getroffen“, teilten bei-
de Unternehmen mit.
Doch der Champagner dürfte im
Kühlschrank bleiben, bei Metro und
auch bei Real. Der Muttergesellschaft
fließen aus dem Verkauf lediglich 300
Millionen Euro zu, 200 Millionen weni-
ger als noch vor wenigen Wochen er-
wartet. Um Real loszuwerden, musste
Vorstandschef Olaf Koch offenbar nen-
nenswerte Zugeständnisse machen.
Und Real hat erst recht keinen Grund
zum Jubel. Die Kette mit 276 Filialen
und rund 34.000 Mitarbeitern steht nun
vor der Zerschlagung.

VON MICHAEL GASSMANN

In einem ersten Schritt übernimmt
SCP das Unternehmen einschließlich
aller Filialen, eines Online-Marktplat-
zes und der Real-Tochterfirmen. „Alle
Mitarbeiter werden mit ihren gültigen
Verträgen zu den bisherigen Konditio-
nen übernommen“, versichert der Käu-
fer. Dennoch fürchten die Mitarbeiter
um ihre Jobs, wie sie erst vor wenigen
Tagen mit Protesten vor der Metro-
Hauptversammlung deutlich machten.
Aus gutem Grund. Etliche Tausend Ar-
beitsplätze werden absehbar wegfallen.
Allein rund 30 Filialen von Real werden
wohl schließen müssen, teilte SCP mit.
Jede davon beschäftigt im Schnitt mehr
als hundert Mitarbeiter. Dazu kommen
Stellenstreichungen in der Düsseldorfer
Filiale.

Die Unruhe in der Belegschaft ist
nach anderthalb Jahren Ungewissheit
groß, trotz aller Versicherungen von
Metro und SCP, dass die Interessen der
Mitarbeiter so weit wie möglich berück-
sichtigt würden. „Ziel ist es, dass die
Mehrheit der Beschäftigten entweder
im Rahmen ihrer jeweiligen Tarifverträ-
ge weiterbeschäftigt wird oder die Mit-
arbeiter im Falle einer Verlagerung von
Geschäften von potenziellen neuen Be-
treibern übernommen werden“, heißt
es in einer Mitteilung. Wenn der Ar-
beitsplatz gestrichen werde, erhielten
betroffene Mitarbeiter „eine festgelegte
Abfindung“.
Die Handelsgewerkschaft Ver.di
sprach von einem „bitteren Tag für die
Real-Beschäftigten“. Bundesvorstands-
mitglied Stefanie Nutzenberger griff Me-
tro frontal an. „Das Metro-Management
mit Olaf Koch an der Spitze lässt sich für
die Vernichtung von wahrscheinlich
mehr als 10.000 Arbeitsplätzen feiern
und das Bundeswirtschaftsministerium
sieht tatenlos zu, wie Tausende Men-
schen in die Arbeitslosigkeit getrieben

und Arbeitsbedingungen im Einzelhan-
del geschliffen werden“, sagte sie. Das
war eine Retourkutsche auf jüngste Äu-
ßerungen des Metro-Chefs. Koch hatte
der Gewerkschaft vorgeworfen, mit ei-
ner hartnäckigen Verweigerung von
Lohnzugeständnissen zum Niedergang
von Real beigetragen zu haben.
Völlig sicher ist der SCP-Deal aber
noch nicht. Die Generaldirektion Wett-
bewerb der Europäischen Kommission
muss ihm noch zustimmen. Auch hat
der Aufsichtsrat der Moskauer SCP-
Obergesellschaft, Sistema PJSFC, den
Real-Kauf noch nicht abgesegnet. Aller-
dings teilte Sistema in der russischen
Hauptstadt mit, dass man plane, für die
Übernahme in Deutschland Finanzie-
rungsmittel „bis zu 263 Millionen Euro“
zur Verfügung zu stellen. „Es ist zu er-
warten, dass die Transaktion im ersten
Halbjahr 2020 abgeschlossen werden
kann“, so Sistema in einer Pflichtmel-
dung.
Sistema ist ein Mischkonzern mit ei-
nem Umsatz von umgerechnet 11,2 Mil-
liarden Euro (2018) und umfangreichen

Aktivitäten in Telekommunkation,
Pharma, Forstwirtschaft, Gesundheits-
wesen und anderen Sparten. Das Unter-
nehmen ist börsennotiert, jedoch liegen
59 Prozent der Anteile bei Wladimir
Jewtuschenkow. Der 71-Jährige hat das
Unternehmen 1993 gegründet und gilt
heute mit einem Vermögen, das Forbes
auf 2,3 Milliarden Dollar schätzt, als ei-
ner der reichsten Russen. Jewtuschen-
kow hatte bereits mehrmals vergeblich
versucht, als Investor in Deutschland
Fuß zu fassen, so etwa 2006 mit einem
Einstieg bei der Deutschen Telekom.
Beim Zusammenbruch der Sowjet-
union Anfang der 90er-Jahre war der ge-
lernte Chemiker offenbar zur rechten
Zeit am rechten Ort – zunächst als Chef
des Moskauer Stadtkomitees für Wis-
senschaft, anschließend zuständig für
die Privatisierung der Staatsfirmen in
der russischen Hauptstadt.
Die Übernahme von Real durch SCP
ist nur das erste Kapitel der Verwertung
eines der einst größten Handelsunter-
nehmen Deutschlands. Der zweite Ab-
schnitt wird in eine völlige Zerlegung
der Kette münden. Dafür hat sich SCP
mit dem Immobilienentwickler
x+Bricks zusammengeschlossen, als
„strategischer Partner“, wie es heißt.
Mit x+Bricks, spezialisiert auf Einzel-
handelsimmobilien im Lebensmittel-
segment, hatte Metro auch schon früher
verhandelt. Koch fürchtete jedoch kar-
tellrechtliche Probleme, wie er durch-
blicken ließ, denn x+Bricks gilt als ver-
bandelt mit Real-Wettbewerber Kauf-
land.
Kaufland gehört wie der Discounter
Lidl zur Schwarz-Gruppe und ist damit
neben Edeka, Rewe und Aldi einer der
vier Großen des Lebensmitteleinzel-
handels, die das Bundeskartellamt ge-
nau im Blick hat. Denn von hundert Eu-
ro, die in Deutschland für Lebensmittel
ausgegeben werden, landen schon jetzt
85 Euro in den Kassen der vier Großen.

Mit der Zerlegung von Real wird sich
die Zuspitzung verschärfen. Immerhin
setzte die Kette im abgelaufenen Ge-
schäftsjahr noch 6,7 Milliarden Euro
um, wenn auch unter Verlusten. Kauf-
land will sich nach wie vor rund 100
Real-Standorte sichern.
Wie eng die Verbindung zum Käufer
ist, zeigt auch eine Personalie: Der frü-
here Kaufland-Chef Patrick Kaudewitz
soll Vorsitzender des Verwaltungsrats
von SCP Retail Investments werden,
wie das Unternehmen ebenfalls am
Dienstag mitteilte. Er werde „seine
langjährige Erfahrung im Einzelhandel
bei der Entwicklung individueller Kon-
zepte für die Real-Standorte einbrin-
gen“. Weitere Wettbewerber sind eben-
falls an Filialpaketen interessiert. Schon
2019 hatte das Kartellamt den Erwerb
von 87 Häusern durch Edeka geprüft,
auch Tegut, Rewe und andere sollen an
Standorten interessiert sein. Sollte
Brüssel den Kauf des Gesamtunterneh-
mens Real durch SCP durchwinken,
müsste die deutsche Kartellbehörde
wohl in einem zweiten Schritt kontrol-
lieren, ob die Übernahme von Teilen
des Filialnetzes zu übermäßiger Markt-
macht auf regionaler Ebene führen
könnte. „Es ist wahrscheinlich, dass wir
das prüfen werden“, sagte ein Sprecher
des Bundeskartellamts. Konkrete An-
meldungen lägen aber noch nicht vor.
Auch wenn Real filetiert wird – der
Name bleibt erhalten. Jedenfalls vor-
erst. 50 Märkte sollten für zwei Jahre
unter dem alten Namen weitergeführt
werden, kündigte SCP an. Es sind wohl
solche Häuser, bei denen sich Wider-
stand des Kartellamts gegen einen der
großen Vier absehen lässt. Doch letzt-
lich ist es nur eine Art Galgenfrist. Man
werde „alle Optionen prüfen“, versi-
chert SCP. Wenn allerdings kein Gewinn
in Sicht komme und sich auch kein Käu-
fer finde, sei „eine Schließung des jewei-
ligen Standorts nicht ausgeschlossen.“

G
ETTY IMAGES

/ MIKHAIL SVETLOV

Die größten Supermarktketten

Quelle: Bulwiengesa/Statista

Die Märkte der einzelnen Lebensmitteleinzelhändler (im Jahr ����)
Netto (Edeka)
Edeka/E-aktiv/E-neukauf
Rewe (Rewe Group)
Lidl (Schwarz Group)
Aldi Nord
Penny (Rewe Group)
Aldi Süd
Norma

Kaufland (Schwarz Group)
E-Center (Edeka)
Real (Metro Group)
Marktkauf (Edeka)
famila Nordost (Bartels-Langness)
Globus
famila Nordwest (Bünting)


















Der Rest von Real wird RUSSISCH


Das Drama um die Warenhauskette ist beendet: Metro AG hat einen Käufer gefunden – für nur 300 Millionen Euro


PICTURE ALLIANCE/ DPA

/ROLF VENNENBERND

Metro-Vorstand Olaf
KKKoch (l.) verkauft Realoch (l.) verkauft Real
an die SCP-Group, die
zum Sistema-Konzern
von Wladimir Jewtu-
schenkow gehört

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12 WIRTSCHAFT DIE WELT DONNERSTAG,20.FEBRUAR


V


on einem Abenteuer ist die Rede.
Von Spaß und Teamgeist. Von
Erfahrungen, die den Charakter
prägen, vielleicht das ganze Leben. Mit
solchen Worten werben Amerikas Pfad-
finder, die Boy Scouts, im Internet und
im Fernsehen um neue Mitglieder.

VON STEFAN BEUTELSBACHER
AUS NEW YORK

AAAber das Abenteuer wurde in denber das Abenteuer wurde in den
vergangenen Jahrzehnten für Tausen-
de Jungen zum Albtraum. Leiter von
Zeltlagern und Wanderungen miss-
brauchten Kinder, die ihnen anver-
traut waren. Die Organisation sieht
sich überall in den USA Klagen gegen-

über – und meldet deshalb nun Insol-
venz an.
Es ist ein Versuch, den Untergang ab-
zuwenden. Die Boy Scouts beantragen
ein Verfahren nach Kapitel 11 des ameri-
kanischen Insolvenzrechts, das auf die
Sanierung von Unternehmen abzielt.
Damit werden alle Gerichtsprozesse ge-
stoppt, um den PfadfindernZeit zu ge-
ben, sich neu aufzustellen.
Später werden die Klagen gebündelt
und vor einem einzigen Gericht verhan-
delt. Das soll Geld für Anwälte sparen
und helfen, einen Fonds für die Opfer
aufzulegen. Einen solchen Weg gingen
in den USA nach Missbrauchsvorwürfen
auch der Turnverband und katholische
Bistümer.

Die Boy Scouts werden ihre Aktivitä-
ten zunächst fortführen. Wie lange
noch, ist ungewiss. Die Organisation
spielte in der Jugend von Millionen
Amerikanern eine große Rolle, galt als
Institution im Leben der Heranwach-
senden. Seit mehr als 100 Jahren sollen
junge Bürger bei ihr Selbstvertrauen
und Führungsqualitäten bekommen.
Aber nun droht den Pfadfindern das
Aus.
„Wir sind schockiert, dass einzelne
Personen unsere Angebote nutzen, um
Kindern zu schaden“, sagt Präsident
Roger Mosby. „Nichts kann den Miss-
brauch ungeschehen machen.“ Das In-
solvenzverfahren solle dazu beitragen,
die Opfer zu entschädigen und die

„wichtigen Aufgaben“ der Pfadfinder
weiterzuführen. Aber haben die Boy
Scouts noch eine Zukunft? Kritiker for-
dern ihre Auflösung. „Sie sollten einer
Organisation Platz machen, die bessere
Kontrollen besitzt“, meint zum Beispiel
der prominente US-Anwalt Tim Kos-
noff, der viele Kläger vertritt.
Weltweit gibt es laut der World Or-
ganization of the Scout Movement
mehr als 50 Millionen Pfadfinder, aufge-
teilt in 171 nationale Verbände. Sollten
die Boy Scouts tatsächlich in dem
Sumpf aus Missbrauch, Lügen und Ver-
tuschung untergehen, würden die USA
wohl zumindest vorübergehend einer
kleinen Gruppe von Ländern angehö-
ren, in denen es keine Organisation

gibt. Dazu zählen zum Beispiel der Iran,
der Kongo und Somalia. In fünf Staaten


  • Andorra, China, Kuba, Nordkorea und
    Laos – finden Kinder nicht einmal inof-
    fizielle Programme.
    AAAkten, die in der Zentrale der Boykten, die in der Zentrale der Boy
    Scouts in Texas liegen, sollen einen
    großen Teil der Missbrauchsfälle doku-
    mentieren. Sie reichen bis ins Jahr 1944
    zurück. Die Pfadfinder haben die Na-
    men aufgelistet – 7819 Täter, 12.254 Op-
    fffer –, aber geheim gehalten. Lange ver-er –, aber geheim gehalten. Lange ver-
    suchte man, die Vergehen zu verschlei-
    ern. Erst vor einigen Monaten erhiel-
    ten Ermittler Einblick in die Unterla-
    gen. Mittlerweile meldeten sich aus je-
    dem US-Bundesstaat Betroffene, sie
    sind zwischen acht und 93 Jahre alt. Es


ist ein Skandal, der ganz Amerika er-
schüttert.
AAAber auch schon vor der Klagewelleber auch schon vor der Klagewelle
hatten die Boy Scouts Probleme. Ihre Be-
deutung sank zuletzt stetig. Derzeit wan-
dern, zelten und singen 2,4 Millionen
Teenager mit den Pfadfindern – ungefähr
halb so viele wie noch in den 70er-Jahren.
Man öffnete sich deshalb. 2013 wurden
homosexuelle Jungenaufgenommen,
2 015 homosexuelle Gruppenleiter, 2017
Mädchen. Aber all das half wenig, die
Zahl der Mitglieder schrumpfte weiter.
Die Insolvenz könnte das Schicksal die-
ser alten Organisation nun besiegeln. In
den kommenden Monaten dürfte sich
entscheiden, ob es bei den Boy Scouts je-
mals wieder Spaß und Abenteuer gibt.

Missbrauchsklagen treiben Amerikas Pfadfinder in die Pleite


Nach einer Serie von Übergriffen melden die Boy Scouts of America Insolvenz an. Das Verfahren soll dazu beitragen, der Organisation eine Zukunft zu geben


D


er angeschlagene US-Luftfahrt-
konzern Boeing ist bei seinem
nach zwei Abstürzen mit Flug-
verboten belegten Krisenjet 737 Max auf
ein neues Problem gestoßen. Während
der Wartungsarbeiten seien in Treib-
stofftanks einiger Maschinen, die der-
zeit zwischengelagert werden, Fremd-
körper gefunden worden, teilte Boeing
mit. Dies habe zu einer umfassenden in-
ternen Untersuchung und sofortigen
Korrekturen im Produktionssystem ge-
führt. Alle noch nicht ausgelieferten 737
Max werden inspiziert. Das ist viel Auf-
wand: Boeing hatte rund 400 Jets auf
Halde produziert, die wegen des Flug-
verbots noch nicht zu Kunden gebracht
werden konnten. Der Konzern rechnet
aber trotz der nun angekündigten In-
spektionen weiter damit, dass die 737
Max Mitte des Jahres wieder für den
Flugbetrieb zugelassen wird.
Der bestverkaufte Flugzeugtyp des
amerikanischen Airbus-Rivalen darf seit
Mitte März 2019 wegen der Abstürze
mit insgesamt 346 Toten nicht abheben.
Als entscheidende Ursache der Unglü-
cke gilt eine fehlerhafte Steuerungsau-
tomatik der Flugzeuge. Dieses Problem
hatte Boeing eigentlich längst per Soft-
ware-Update behoben haben wollen,
doch die Freigabe durch die Aufsichts-
behörden liegt noch immer nicht vor.
Stattdessen kamen im Laufe des Wie-
derzulassungsverfahrens immer neue
Schwierigkeiten hinzu. So hatte Boeing
erst Anfang des Monats eingeräumt, die
US-Luftfahrtaufsicht FAA über ein wei-
teres Software-Problem informiert zu
haben, das ein Warnlicht in Verbindung
mit dem Trimmsystem zur Stabilisie-
rung des Flugwinkels der 737 Max be-
treffe. Das Verhältnis zwischen der Be-
hörde und dem Konzern war zwischen-
zeitlich äußerst angespannt, weil sich
die FAA von Boeing unter Druck gesetzt
fühlte. Ex-Konzernchef Dennis Muilen-
burg, der wegen seines Krisenmanage-
ments schon zuvor stark in der Kritik
stand, wurde im Dezember im Zuge des
Konflikts mit der Aufsicht gefeuert.
Muilenburgs Nachfolger Dave Cal-
houn hat versprochen, alle Missstände
entschlossen auf den Tisch zu bringen
und das Vertrauen in Boeing wiederher-
zustellen. Dabei hat er alle Hände voll
zu tun. Das 737-Max-Debakel hat Boeing
2019 den ersten Jahresverlust seit 1997
eingebrockt und in eine der tiefsten Kri-
se seiner mehr als hundertjährigen Kon-
zerngeschichte gebracht. Das US-Un-
ternehmen steht im Verdacht, die Un-
glücksflieger im scharfen Wettbewerb
mit Airbus überstürzt auf den Markt ge-
bracht und dabei Sicherheitsrisiken in
Kauf genommen zu haben. Boeing ist
deshalb mit zahlreichen Klagen sowie
zivil- und strafrechtlichen Ermittlun-
gen konfrontiert.
In einem Memo an die Mitarbeiter
bezeichnete Boeings 737-Produktions-
manager Mark Jenks den Fund der Teile
in den Treibstofftanks der zwischenge-
lagerten Flugzeuge als „absolut inak-
zeptabel“. In Boeings Werk in Renton
nahe Seattle seien bereits neue Arbeits-
abläufe mit aktualisierten Instruktio-
nen und zusätzlichen Prüfungen einge-
führt worden, um das Problem abzu-
stellen. Die gefundenen Teile wurden
als „foreign object debris“ bezeichnet –
demnach könnte es sich um Unrat wie
Reste von Bauteilen oder von Arbeitern
zurückgelassene Werkzeuge handeln.
Dieses Problem hatte Boeing auch be-
reits bei anderen Modellen wie dem
Tankflugzeug KC-46. dpa

Boeing findet


Fremdkörper in


TTTreibstofftanksreibstofftanks


Bei Krisenjet 737 Max ist
neues Problem aufgetaucht

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