Die Welt - 20.02.2020

(avery) #1

D


ie Zahlen zu den größten
Ängsten der Deutschen
beim Zahnarzt sprechen
für sich. In der Umfrage
eines großen Versiche-
rungsunternehmens erklärte mehr als
jeder Dritte, sehr große Angst vor einer
Wurzelbehandlung oder Wurzelspit-
zenresektion zu haben. 30 Prozent der
Befragten ängstigten sich sehr vorm
Zähneziehen. Vor einer Spritze oder
Narkose hatte die Mehrheit dagegen
kaum Angst – oder gar nicht. Kein Wun-
der, erscheint doch vielen Patienten die
Vorstellung ziemlich verlockend, gar
nicht so genau mitzubekommen, was da
auf dem Zahnarztstuhl mit ihnen pas-
siert. Was man bei Vollnarkose, Sedie-
rung oder Hypnose beachten sollte und
warum eine lokale Betäubung oft die
bessere Wahl ist, erklärt Dietmar Oes-
terreich, Vizepräsident der Bundes-
zahnärztekammer.

VON CÉLINE LAUER

WELT:WWWenn eine schmerzhafte Be-enn eine schmerzhafte Be-
handlung ansteht, greifen Zahnärzte
zur lokalen Betäubung – sie verhin-
dert, dass man während der Prozedur
etwas spürt. Warum möchten Patien-
ten trotzdem noch umfassender se-
diert werden, wenn der Schmerz doch
ausgeschaltet wird?

DIETMAR OESTERREICH:Natürlich
spielt dabei die Angst vor dem Eingriff
eine Rolle. Der Mund-Kiefer-Gesichts-
Bereich ist einer der sensibelsten Berei-
che des ganzen Körpers. Schmerzen
oder Veränderungen nimmt man dort
deutlich intensiver wahr als an anderen
Stellen. Wenn Sie zum Beispiel ein Haar
in der Mundhöhle haben, merken Sie
das sofort, und es stört Sie fürchterlich


  • weil das taktile Empfinden dort sehr
    ausgeprägt ist. Insofern ist die Wahr-
    nehmung von Schmerz und Manipulati-
    on in der Mundhöhle für viele Men-
    schen ein unerfreuliches Thema; aus
    Umfragen wissen wir, dass ungefähr je-
    der Zweite ein ungutes Gefühl oder Be-
    fürchtungen hat, wenn es um zahn-
    ärztliche Behandlungen geht. Manch-
    mal liegt sogar eine echte Angsterkran-
    kung vor: Fünf Prozent leiden an einer
    Zahnarztphobie.


Kommt es in Ihrer Praxis oft vor, dass
Sie mehr als eine örtliche Betäubung
vornehmen?
Nein. Die lokale Anästhesie reicht in der
Regel für das zahnmedizinische Leis-
tungsspektrum – bis auf einige Ausnah-
men.

Welche Ausnahmen sind das?
Es gibt drei Gruppen von Patienten, de-
ren Kooperationsfähigkeit stark einge-
schränkt sein kann. Das sind erstens
Kleinkinder bis zu einem Alter von
sechs Jahren – sie sind einfach noch
nicht in der Lage, sich über längere Zeit
auf die zahnärztliche Behandlung ein-
zulassen. Gerade bei umfangreichen
Eingriffen, zum Beispiel infolge um-
fffangreicher Zerstörung der Milchzähneangreicher Zerstörung der Milchzähne
durch frühkindliche Karies, wird des-
halb eine Intubationsnarkose notwen-
dig. Zweitens gibt es Menschen mit
geistiger Behinderung, bei denen unter
Umständen auch eine Narkose notwen-
dig wird. Und drittens gibt es die be-
reits erwähnten Angstpatienten – wo-
bei die „Zahnarztphobie“ nicht vom Pa-
tienten selbst oder vom behandelnden
Zahnarzt diagnostiziert worden sein
darf, sondern von einem medizinischen
Fachkollegen wie dem Hausarzt in Zu-
sammenarbeit mit beispielsweise ei-
nem Psychologen oder Psychothera-
peuten.

Was, wenn ich keiner dieser drei
Gruppen angehöre, aber einen größe-
ren Eingriff vor mir habe – zum Bei-
spiel eine Wurzelbehandlung oder die
Entfernung der Weisheitszähne?
In erster Linie therapieren Zahnärzte
Beschwerden, die meist unmittelbar
mit den Zähnen, dem Zahnbett bezie-
hungsweise dem Zahnknochen oder den
Schleimhäuten in Zusammenhang ste-
hen. Aus rein zahnmedizinischer Sicht
reicht in der Regel bei solchen Eingrif-
fen eine lokale Betäubung völlig aus. Die
Entfernung von Weisheitszähnen wird
heute sehr viel vorsichtiger angegangen,
und es wird vorher genau überlegt, ob
es Gründe für solch einen Eingriff gibt.

Aber wenn die Weisheitszähne nun
wirklich rausmüssen?
Dann hängt die Wahl der Betäubung
von individuellen Faktoren ab, also von
der Schwere und dem Umfang des Ein-
griffs – zum Beispiel, ob der Patient ge-
sundheitlich vorbelastet ist und ob er
gleich alle vier Weisheitszähne auf ein-
mal ziehen lassen möchte oder erst mal
nur einen oder zwei. Nicht selten wol-
len die Betroffenen es möglichst schnell
hinter sich bringen und sagen: „Ich leg
mich unters Messer, aber ich will von al-
lem nix merken.“ Das ist zwar mensch-
lich verständlich, aber wir als Ärzte
müssen sehr genau abwägen, ob die In-

dikation gegeben ist – also ob die Nar-
kose wirklich angemessen ist.

Warum könnte eine Narkose nicht an-
gemessen sein?
Weil jegliche Betäubung, die über eine
lokale Sedierung hinausgeht, den Pa-
tienten sehr viel stärker belastet und
größere Risiken birgt; ich denke da an
Komplikationen des Herz-Kreislauf-
Systems, die in extremen Fällen bis hin
zum Tode des Patienten führen können.
Der Zahnarzt fällt diese Entscheidung
daher nicht leichtfertig – auch wenn die
Narkose selbst von einem Anästhesis-
ten durchgeführt wird.

Neben der Vollnarkose besteht auch
die Möglichkeit einer Sedierung. Da-
bei wird der Patient in eine Art Däm-
merzustand versetzt. Was halten Sie
von dieser Option?
Das ist quasi der Mittelweg. Die Sedie-
rung ersetzt die örtliche Betäubung oft-
mals nicht, aber sie senkt die Reaktions-
schwelle: Der Patient wird ganz ruhig
und erlebt zudem die unschönen Mo-
mente der Behandlung nicht in aller
Deutlichkeit mit. Seine Reflexmecha-
nismen bleiben allerdings erhalten. Der
Arzt muss sicherstellen, dass der Pa-
tient nichts herunterschluckt oder ein-
atmet – Zähne oder Reste von Wurzeln
oder Füllungen. Das heißt, auch diese
Sedierung ist ein Eingriff in die körper-
liche Integrität, bei dem ein Risiko be-
steht.

Zudem wird mitunter Lachgas ver-
wendet. Welche Vorteile hat dieses
Verfahren?
Lachgas wurde ursprünglich vor allem
im angloamerikanischen Raum verwen-
det und war in Deutschland viele Jahre
lang nicht zugelassen. Der Vorteil daran
ist, dass diese Sedierung den Körper we-
niger belastet als eine Vollnarkose. Zu-
dem begrenzen die heutigen Geräte au-
tomatisch den Anteil des Lachgases in
der Sauerstoff-Gas-Mischung, sodass
keine Gefahr einer Überdosis besteht.

Also ist eine Sedierung sicher und zu-
gleich sanfter?
Ja, wobei auch hier die Voraussetzun-
gen stimmen müssen und nur kleinere
und unkompliziert planbare Eingriffe

mit dieser Sedierung durchgeführt wer-
den. Auch muss der Patient kooperativ
sein, und es dürfen beispielsweisekeine
Atmungsstörungen vorliegen. Und ob-
wohl das Lachgas relativ schnell wieder
aus dem Körper verschwunden ist, gel-
ten hierbei die gleichen Vorsichtsmaß-
nahmen wie bei einer Vollnarkose. Das
heißt: Der Patient sollte in Begleitung
kommen und danach keinesfalls alleine
im Auto oder mit anderen Verkehrsmit-
teln unterwegs sein, um sich und andere
nicht zu gefährden.

Es gibt auch noch eine dritte Option:
die Hypnose. Wie verlässlich ist diese
Methode?
Hypnose ist ein anerkanntes Verfahren,
gerade auch bei der Unterstützung von
Patienten mit Angsterkrankung. Man
muss allerdings wissen, dass nicht jeder
Mensch hypnosefähig ist – bei manchen
Patienten schlägt sie also einfach nicht
an. Hinzu kommt: Das Mittel der Wahl
bei sämtlichen Angsterkrankungen ist
immer die Psychotherapie. Mit Hypno-
se bekämpfen Sie nur die Symptome,
nicht die Ursache. Zahnarztbesuche mit
Kontrolluntersuchungen und Vorbeu-
gungsmaßnahmen sind lebenslang not-
wendig, aber Menschen mit Zahnarzt-
phobie sollten nicht jedes Mal eine Voll-
narkose oder andere Anästhesieformen
verabreicht bekommen. Deswegen ist es

wichtig, dass sie ihre Angst langfristig in
den Griff bekommen.

WWWie entscheide ich, welches Betäu-ie entscheide ich, welches Betäu-
bungsverfahren am besten für mich ist?
In der Regel hat jeder Patient einen
Zahnarzt, zu dem er regelmäßig geht
und dem er vertraut. Wenn es vor einem
Eingriff Befürchtungen gibt, ist es wich-
tig, dass beide sich in Ruhe hinsetzen
und der Arzt über alle Risiken aufklärt.
Ehrlicherweise muss man sagen: Die
Entscheidung des Patienten ist für den
Zahnarzt wichtig – aber nicht immer
bindend. Von der Wunschnarkose rate
ich dringend ab. Denn eine Verantwor-
tung trägt auch immer der Zahnarzt,
auch wenn der Anästhesist die Narkose
durchführt. Der behandelnde Zahnarzt
hat immer die Pflicht, das niedrigste Ri-
siko für den Patienten zu wählen..

Wie sieht es mit den Kosten aus?
Die lokale Betäubung wird in der Regel
von den gesetzlichen Krankenkassen
übernommen, wenn der Eingriff im
Leistungsspektrum enthalten ist. Bei
manchen Wurzelbehandlungen ist das
nicht der Fall; folglich wird hier auch die
lokale Betäubung nicht bezahlt. Darü-
ber muss der Zahnarzt den Patienten
vorher aufklären. Bei der Vollnarkose
entfallen nur dann die Kosten, wenn der
Patient zu einer der drei genannten

Gruppen gehört; auch Sedierungen wer-
den nur selten, das heißt bei eindeutiger
Indikation, übernommen. Und für eine
Hypnose zahlen Krankenkassen in kei-
nem Fall.

Zu welcher Methode würden Sie per-
sönlich raten?
Gehen Sie immer im Interesse der Ge-
samtgesundheit den Weg des gerings-
ten Risikos. In den täglichen Behand-
lungen sehe ich, dass Vollnarkosen und
alternative Sedierungen die Ausnahmen
bilden – und so sollte das auch bleiben.
Zumal die Zahnmedizin sich enorm wei-
terentwickelt hat: Es gibt bessere
Spritzverfahren, präzisere Instrumente
und neue Medikamente mit Inhaltsstof-
fen, die kaum Nebenwirkungen verursa-
chen. All das ermöglicht eine sehr viel
erträglichere und schmerzärmere Be-
handlung als noch vor ein paar Jahren.

Trotzdem: Das Kreischen des Bohrers
und oder das Heraushebeln des Weis-
heitszahns bleiben extrem unange-
nehme Erfahrungen. Was raten Sie
Patienten, um diese Situation auch
ohne Sedierung besser zu überste-
hen?
Erstens: Lassen Sie sich den Eingriff
ausführlich erklären, nehmen Sie sich
Zeit, um alle Ihre Fragen zu stellen. Je
mehr Sie über die Behandlung und das,
was mit Ihnen passieren soll, Bescheid
wissen, desto besser. Zweitens: Lassen
Sie sich keine Schauergeschichten er-
zählen oder Erfahrungen aufschwatzen.
Über die Eingriffe, die gut gelaufen
sind, wird kaum geredet; in der Regel
hört man nur von den Horrorerlebnis-
sen. Dabei verläuft jede Behandlung in-
dividuell, und jeder Patient geht auf sei-
ne Weise damit um.

Und der dritte Ratschlag?
Vereinbaren Sie mit Ihrem Zahnarzt ein
Zeichen, mit dem Sie die Behandlung
gegebenenfalls unterbrechen können,
wenn Sie eine Pause brauchen. Der Auf-
enthalt im Behandlungsstuhl ist keine
angenehme Lage; man fühlt sich dort
schnell ausgeliefert und unterlegen.
Aber mit solch einer Vereinbarung ha-
ben Sie die Sicherheit, dass Sie selbst
über Ihren Körper bestimmen. Und das
halte ich für wichtig.

BOHRER


KREISCHT,


PATIENT


SCHLÄFT


Ob Wurzelbehandlung


oder Weisheitszähne:


Viele Menschen scheuen


den Besuch beim


Zahnarzt, weil sie sich


vor der unangenehmen


Prozedur und den


Schmerzen fürchten.


Ein Experte erklärt,


welche Methoden


zur Betäubung


es gibt – und warum


die Lokalanästhesie


oft überlegen ist


20



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DIE WELT DONNERSTAG,20.FEBRUAR2020 SEITE 20

WISSEN


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PFLANZENSCHUTZ

Tomaten-Virus in
Frankreich unterwegs

Französische Behörden haben we-
gen eines für Tomatenpflanzen
tödlichen Virus Alarm geschlagen.
Landwirte und Gärtner sind auf-
gerufen, nach der Bestätigung eines
ersten Falls des ToBRFV-Virus (To-
mato Brown Rugose Fruit Virus) auf
einem Bauernhof im Nordwesten
des Landes erhöhte Vorsicht walten
zu lassen. Der Betrieb im Dépar-
tement Finistère sei bis zur Ver-
nichtung der Pflanzen und der Des-
infektion des Geländes geschlossen,
teilte das französische Landwirt-
schaftsministerium mit. ToBRFV
wurde nach Angaben der Landwirt-
schaftskammer Nordrhein-West-
falen erstmals 2014 in Israel und im
folgenden Jahr in Jordanien ent-
deckt. In Deutschland trat das Virus
nach Daten der Kammer erstmals
im Herbst 2018 in Tomatenbetrie-
ben am Niederrhein auf. Der auch
Jordanvirus genannte Erreger ist für
Menschen ungefährlich. Das franzö-
sische Landwirtschaftsministerium
warnte, dass die Verbreitung des
Virus große wirtschaftliche Folgen
für den Sektor haben könnte. Ist
eine Pflanze mit dem Virus befallen,
führt das zu ihrem Absterben. Auch
befallene Tomaten können nicht
mehr verkauft werden. Die einzige
Lösung, um der Verbreitung des
Virus entgegenzuwirken, ist die
Pflanze zu zerstören. Zudem sollten
sich Gemüseproduzenten und -gärt-
ner nach dem Kontakt mit Toma-
tensamen, Früchten und Setzlingen
sofort die Hände waschen, um die
Krankheit nicht zu verbreiten. Die
französische Agentur für Lebens-
mittelsicherheit Anses warnte An-
fang Februar vor dem Virus. Dem-
nach sind neben Tomaten auch
Paprika und Chili anfällig für die
Krankheit.

RAUMFAHRT

Australien jetzt mit
Weltraumbehörde

Australien will mit einer eigenen
Weltraumbehörde Tausende Stellen
schaffen und auch sein interna-
tionales Engagement in der wach-
senden Weltraumindustrie deutlich
vergrößern. Premierminister Scott
Morrison eröffnete den Sitz der
Agentur Australian Space Agency in
Adelaide. Australien war 1967 nach
den USA und der damaligen Sowjet-
union das weltweit dritte Land, das
einen Satelliten ins All brachte. Nun
will man sich unter anderem Auf-
träge für die Mond-Mars-Mission
der US-Raumfahrtbehörde Nasa
sichern. Ziel sei es, den Weltraum-
sektor Australiens bis 2030 um das
Dreifache auf einen Umfang von
dann 12 Milliarden australische
Dollar zu steigern und 20.000 zu-
sätzliche Arbeitsplätze zu schaffen,
sagte Industrieministerin Karen
Andrews.

CHEMIE

Alpenluft nicht so rein
wie gedacht

Schwer abbaubare Schadstoffe sind
auch in entlegenen alpinen Ge-
bieten nachweisbar. Verbote zeigen
teils Wirkung, wie Luftmessungen
deutscher und österreichischer
Forscher an der Zugspitze und in
den Hohen Tauern belegen. Pestizi-
de wie etwa DDT gingen zurück,
erläuterten die Wissenschaftler bei
der Vorstellung 15-jähriger Messun-
gen. Polychlorierte Biphenyle (PCB)
dagegen nehmen nicht ab, obwohl
sie seit den 70er-Jahren nicht mehr
produziert werden. Das Insekten-
vernichtungsmittel Endosulfan sank
hingegen nach dem Verbot in der
EU und in der Stockholmkonventi-
on binnen 15 Jahren um 96 Prozent.
Bei dem Projekt PureAlps waren an
der Forschungsstation Schnee-
fernerhaus an der Zugspitze (
Meter) und am Sonnblick Obser-
vatorium (3106 Meter) in Österreich

Meter) und am Sonnblick Obser-
vatorium (3106 Meter) in Österreich

Meter) und am Sonnblick Obser-

seit 2005 rund 100 Schadstoffe un-
tersucht worden.

KOMPAKT


E


in reichhaltiges Büfett oder eine
hübsch angerichtete Mahlzeit
auf dem Teller – oft erinnert uns
schon der Anblick von schmackhaften
Speisen daran, wie gut es tut, diese zu
essen. Sind wir satt, unterdrückt ein be-
stimmter Teil unseres Gehirns – der
Hippocampus – jene Erinnerung und re-
duziert entsprechend unser Verlangen
danach. Im Fall von Junkfood wie
Pommes, Pizza oder Burgern scheint
diese neuronale Appetitregulation aller-
dings nicht richtig zu funktionieren.

VON ALICE LANZKE

Zu diesem Schluss kommen zumin-
dest Forscher um Richard Stevenson
von der Macquarie-Universität in Syd-
ney (Australien) in einer kleinen Studie.
Wie sie im Fachblatt „Royal Society
Open Science“ berichten, kann bereits
eine Woche einer an Junkfood reichen
Ernährung die Funktion des Hippocam-
pus beeinträchtigen.
Die Studie reiht sich in eine Vielzahl
von Untersuchungen ein, die Hinweise
darauf liefern, dass sich zu viel Junk-
food nicht nur ungünstig auf die Figur
auswirkt, sondern auch dem Gehirn
schadet. Beobachtet wurde unter ande-
rem, dass Zucker die Vergesslichkeit
fördern und zu viel ungesundes Essen
Aggressivität, Depressionen und Stress
steigern sowie bestimmte Hirnareale
schrumpfen lassen kann. Wie das Team
um Stevenson nun berichtet, beein-
flusst eine ungesunde Ernährungsweise
den Hippocampus und lässt das Verlan-
gen nach mehr steigen – selbst, wenn
man eigentlich schon satt ist.
In ihre Untersuchung bezogen die
Wissenschaftler 105 junge, gesunde Frei-
willige ein, die sich normalerweise ge-
sund ernährten, und teilten sie in zwei
Gruppen ein. Die eine Gruppe aß acht
Tage lang Junkfood, also Lebensmittel,
die viel Zucker und gesättigte Fette ent-
hielten. So gab es zum Frühstück etwa
getoastete Sandwiches und Milchshakes
oder belgische Waffeln sowie im weite-
ren Verlauf des Tages eine Hauptmahl-
zeit von einer Fast-Food-Kette. Die Kon-
trollgruppe aß ihre üblichen Mahlzeiten.
Am ersten und am letzten Tag des Expe-
riments wurden beiden Gruppen vor
und nach dem Frühstück unterschiedli-
che ungesunde Snacks angeboten. Die
Teilnehmer mussten angeben, wie groß
ihr Verlangen danach war und – im An-
schluss nach dem Probieren – bewerten,
wie gut ihnen diese geschmeckt hatten.
Das Ergebnis: In der Gruppe, die sich
von Waffeln, Burgern und Ähnlichem er-
nährt hatte, war die Selbstkontrolle
nach einer Woche geringer ausgeprägt
als in der Vergleichsgruppe. Der Appetit
der Teilnehmer auf ungesunde Snacks
war wesentlich größer, auch dann noch,
wenn sie schon genug gegessen hatten.
Die Wissenschaftler empfehlen nun,
die Rolle des Hippocampus genauer zu
untersuchen: Andere Forschungsarbei-
ten hätten in den letzten Jahren nahe-
gelegt, dass diese Hirnregion anfällig
für Umwelteinflüsse ist, etwa in Bezug
auf Schlaflosigkeit, Stress, Umweltgifte,
Depressionen und Diabetes Typ II – al-
les Faktoren, die gerade in der westli-
chen Welt häufig aufträten. Kombiniert
mit ungesunder Ernährung könnten
diese nicht nur akute, sondern auch
langfristige und zunehmende Schäden
für den Hippocampus bedeuten.
Doch was, wenn man dem Hirn zulie-
be nicht nur auf Junkfood verzichten,
sondern Konzentrationsfähigkeit und
Gedächtnis über die Ernährung fördern
will? Auch zu dieser Frage gibt es be-
reits mehrere Empfehlungen, was es für
Verbraucher nicht einfacher macht. So
helfen etwa langkettige, komplexe Koh-
lenhydrate, wie sie in Vollkornproduk-
ten enthalten sind, den Energiebedarf
des Hirns gleichmäßig zu stillen und
sich so besser konzentrieren zu können.
Omega-3-Fettsäuren aus fettreichem
Fisch, Nüssen sowie Raps- und Wal-
nussöl sollen sich günstig auf die Ner-
venzellen und ihr Zusammenspiel aus-
wirken, auch Proteine aus Fisch, Mee-
resfrüchten, mageren Milchprodukten,
Hülsenfrüchten und Vollkorngetreide
gelten als förderlich.
Klingt, als würden auf leistungsstar-
ke Mixer anstrengende Zeiten zukom-
men. dpa

Junkfood


verändert auch


das Gehirn


Vor allem zwei Zutaten

beeinflussen unser Denkorgan

Dietmar Oesterreich,geboren
1 956, studierte Zahnheilkunde in
Rostock. 1988 promovierte er
zum Dr. med.; drei Jahre später
eröffnete er in Stavenhagen,
Mecklenburg-Vorpommern, seine
eigene Praxis. Oesterreich ist seit
2 000 Vizepräsident der Bundes-
zahnärztekammer. 2011 wurde er
an der Universität Greifswald
zum Professor ernannt.

Zur Person

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