Die Welt - 20.02.2020

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6 POLITIK DIE WELT DONNERSTAG,20.FEBRUAR


I


n Berlin steckt Annegret Kramp-
Karrenbauer ohnehin in der tiefs-
ten Krise ihrer Politkarriere – da
holt die CDU-Chefin auf Abrufnun
auch noch zu Hause im Saarland
ein Missbrauchsskandal aus ihrer Zeit
als Ministerpräsidentin ein. Am 28. Fe-
bruar muss die Bundesverteidigungsmi-
nisterin einem parlamentarischen Un-
tersuchungsausschuss in Saarbrücken
Rede und Antwort stehen.

VON HANNELORE CROLLY

Ein junger Assistenzarzt soll von
2010 bis 2014 in der Kinder- und Jugend-
psychiatrie der saarländischen Unikli-
nik (UKS) Dutzende von Jungen sexuell
missbrauchthaben. Über dieses Ausbil-

nik (UKS) Dutzende von
haben. Über dieses Ausbil-

nik (UKS) Dutzende von

dungskrankenhaus hat die Saarbrücker
Staatskanzlei die Rechtsaufsicht. Zum
Zeitpunkt, als der Mann angezeigt wur-
de, also die langjährige Ministerpräsi-
dentin Kramp-Karrenbauer.
Obwohl die Klinikleitung schon sehr
früh Hinweise auf eine mögliche pädo-
phile Neigung bekommen hatte, wurde
dem Mann über Jahre nicht konsequent
Einhalt geboten. Im Gegenteil: Mat-
thias S. hatte fast ungehindert weiter
Zugang zu ahnungs- und wehrlosen
Kindern – sowohl in der Klinik als auch
privat in einem Verein, in dem er kleine
Judoka trainierte.
Selbst nach dem Tod des damals 36-
Jährigen, der 2016 offenbar an Herzver-
sagen starb, dauerte es noch mehr als
zwei Jahre, bis sich die Klinik und die
Staatsanwaltschaft endlich dazu durch-
rangen, mögliche Missbrauchsopfer
und deren Eltern zu informieren. Und
wäre der Skandal nicht durch einen Zu-
fall ans Licht gekommen, wüssten die
Eltern der Betroffenen womöglich bis
heute nichts davon.
Opferanwältin Claudia Willger, die
Familien von neun ehemaligen Patien-
ten von S. vertritt, nennt das „erschüt-
ternd“: „Mit systematischer Aufklärung
und Transparenz hat der Umgang mit
diesem Skandal bis heute nichts zu tun.“
Statt den Familien die überfällige An-
erkennung ihres Leids zuzugestehen
und sie, wenn nötig, bei einer Therapie
zu unterstützen, versuche die Landes-
regierung weiter zu blockieren und sich
herauszureden, ebenso wie die Staats-
anwaltschaft und die Klinikleitung.
Kramp-Karrenbauer wird vor dem
Ausschuss im Landtag wohl wiederho-
len, was sie auch bisher stets betonte:
dass sie damals von dem, was in der Kli-
nik vorgefallen war, überhaupt nichts
erfahren habe. Sie will erst im April 2019
über die mutmaßlichen Straftaten in-
formiert worden sein; zu einer Zeit also,
als sie Saarbrücken längst den Rücken
gekehrt hatte. Der beschuldigte Medizi-
ner S. war zu diesem Zeitpunkt schon
mehr als zweieinhalb Jahre tot; die Er-
mittlungen waren eingestellt. Aktuell
wollte sich die CDU-Vorsitzende auf
Nachfrage nicht mehr äußern und ver-
wies auf frühere Aussagen.
Allerdings war das Landesjustizmi-
nisterium bereits seit Anfang 2015 über
den Verdacht gegen S. informiert. Nach
der Anzeige durch die Klinik Ende 2014
wollte die Staatsanwaltschaft Ermitt-
lungen einleiten und teilte dies der da-
maligen Staatssekretärin Anke Morsch
(SPD) mit.
Diese behauptet nun, sie habe die
Staatskanzlei nicht eingebunden, weil
„rechtliche Gründe“ dagegen gespro-
chen hätten. Doch es fällt schwer, sich

vorzustellen, dass die jahrelange Unru-
he im Klinikum nicht irgendwann bis an
die Ohren der Ministerpräsidentin vor-
gedrungen sein soll – zumal im kleinen
Saarland.
Schließlich hatte es im Sommer 2015
sogar eine Razzia im Haus des Arztes
gegeben; es wurde kinderpornografi-
sches Material sichergestellt. All das
soll die damalige Justizstaatssekretärin
Morsch – die mittlerweile auf den Pos-
ten der Präsidentin im saarländischen
Finanzgericht befördert wurde – der of-
fiziellen Rechtsaufsicht der Klinik vor-
enthalten haben?
Aber selbst wenn es so gewesen sein
sollte: Zumindest für die Opposition ist
das kein Grund, die Ex-Ministerpräsi-
dentin aus der Schusslinie zu nehmen.
„Annegret Kramp-Karrenbauer hat auf
jeden Fall versagt“, sagt Dennis Lander,
Abgeordneter der Linke-Fraktion im
Landtag und stellvertretender Vorsit-
zender im Untersuchungsausschuss.
Die sechsköpfige Fraktion der Links-
partei ist im schwarz-rot regierten Saar-
land die stärkste Oppositionskraft.
„Entweder hat die Regierungschefin
tatsächlich nichts gewusst. Dann hatte
sie ihren Laden nicht im Griff und war
außerdem ungeeignet zum Führen der
Klinikaufsicht“, so Lander. „Oder sie
wusste etwas. Dann hat sie wegge-
schaut, statt zu handeln.“
Auch jetzt gehe es der Koalition of-
fenbar darum, die frühere Ministerprä-

sidentin zu schützen. Der Ende Februar
angesetzte Auftritt von Kramp-Karren-
bauer komme „viel zu früh“, weil der
Ausschuss noch nicht weit genug ge-
kommen sei bei der Aufklärung. Ihre
Kritik an dem Zeitplan, der vom Aus-
schuss selbst festgelegt worden war, ha-
be seine Fraktion zwar vorgebracht, sei
damit aber nicht durchgedrungen. Bei
der endgültigen Abstimmung über die
Terminierung habe sich die Partei aus
Protest enthalten.
Lander wies darauf hin, dass dem
Parlament wichtige Protokolle bei-
spielsweise über die Aufsichtsratssit-
zungen der Klinik noch gar nicht zuge-
stellt worden seien. Dabei gehörte der
Chef von Kramp-Karrenbauers Staats-
kanzlei, Staatssekretär Jürgen Lennartz
(CDU), dem Aufsichtsrat an. Lennartz
wurde Ende Oktober 2019 im Alter von
62 Jahren in den einstweiligen Ruhe-
stand versetzt. Auch er will in den Sit-
zungen des Aufsichtsrats aber nichts er-
fahren haben; seine Aussage im Unter-
suchungsausschuss ist kurz vor jener
von Kramp-Karrenbauer geplant. „Es
geht hier um einen Persilschein für die
Staatskanzlei“, kritisiert Lander.
Die Klinikleitung selbst hatte sogar
schon 2011 durch einen anonymen Brief
erste Hinweise auf die potenziellen pä-
dophilen Neigungen des Assistenzarz-
tes Matthias S. erhalten. Dennoch durf-
te der Mann weiterarbeiten. Dem da-
mals 31-Jährigen wurde lediglich aufer-

legt, nicht mehr allein mit Kindern im
Behandlungsraum zu sein, die er in der
sogenannten Ausscheidungsambulanz
der Kinder- und Jugendpsychiatrie bei-
spielsweise wegen Bettnässens behan-
delte.
Überwacht wurde das aber nicht. Der
Mann hatte vor allem bei kleinen Jun-
gen zum Teil unnötige Untersuchungen
im Genital- und Analbereich durchge-
führt, oft selbst Einläufe gemacht und
die Geschlechtsteile der Kinder fotogra-
fiert. Bei einer späteren Razzia fand die
Staatsanwaltschaft manche dieser Fotos
bei S. zu Hause – ebenso wie ein Matrat-
zenlager, Spielsachen und Jungenunter-
hosen in kleinen Größen.
Ende 2013 bekam S. von ebenjenem
Vorgesetzten, an den zwei Jahre zuvor
das anonyme Schreiben gerichtet war,
ein überschwängliches Zwischenzeug-
nis. S. wollte für seine Facharztausbil-
dung einige Monate in das Krankenhaus
von Kaiserslautern wechseln.
Die dortigen Klinikbetreiber wurden
nicht informiert über den Pädophilie-
verdacht. Als S. nach Homburg zurück-
kehren wollte, gab es dann aber Protest
in der Belegschaft. Endlich wurde die
Klinikleitung aktiv, sichtete Patienten-
akten, erstattete Anzeige und entließ
den Arzt fristlos.
Mittlerweile betont die Uniklinik al-
lerdings mit Verweis auf das gerade er-
stellte Gutachten einer Kinder- und Ju-
gendpsychiaterin: Eine erneute Durch-

sicht von 34 Verdachtsfällen habe erge-
ben, dass die Behandlungsweise von S.
„ganz überwiegend den damaligen Vor-
schriften entsprechend war“. Der Lin-
ke-Abgeordnete Lander sieht hinter
dieser Darstellung aber in erster Linie
den Versuch, den Ruf der Klinik zu
schützen.
Aus demselben Grund, mutmaßt er,
seien womöglich auch die Eltern nicht
informiert worden. Das Krankenhaus
verteidigte sich in diesem Punkt stets
mit dem Hinweis, man habe zum Schutz
der Kinder so entschieden. Als Reaktion
auf eine aktuelle WELT-Anfrage verwies
das Klinikum auf frühere Pressemittei-
lungen.
Der Fall war erst im April 2019 ans
Licht gekommen, als die Eltern eines
heute 13-jährigen Jungen mit der Polizei
sprachen, weil das Kind zeitweise ver-
misst wurde. Dabei erwähnte ein Beam-
ter, dass der Name des Jungen auch bei
einem Missbrauchsverdacht in den Ak-
ten auftauche.
Die davon völlig überraschten Eltern
verlangten Informationen von Staats-
anwaltschaft und Klinik, drohten mit
der Presse und nahmen sich einen An-
walt. Erst dann soll die Rechtsaufsicht
informiert worden sein, also die Staats-
kanzlei, mittlerweile in der Hand von
Ministerpräsident Tobias Hans. Der
Chef der Saar-CDU will nun sicherstel-
len, dass sich Ähnliches nie mehr wie-
derholt.
Die Öffentlichkeit wurde allerdings
erst Ende Juni bei einer Pressekonfe-
renz von Klinikum und Staatsanwalt-
schaft unterrichtet, unmittelbar vor der
Ausstrahlung eines Berichts über den
Skandal im ARD-Magazin „Monitor“.
Zu jenem Zeitpunkt waren die Miss-
brauchsermittlungen längst eingestellt.
Der damals 36-jährige S. war im Som-
mer 2016 leblos zu Hause gefunden wor-
den. Der Arzt soll eines natürlichen To-
des gestorben sein; die Rede ist von ei-
nem Herzanfall.
Dennoch hätte der Skandal um den
Missbrauchsverdacht gegen ihn damit
auf gar keinen Fall so gehandhabt wer-
den dürfen, finden die betroffenen El-
tern. Denn noch in der Nacht seines To-
des hatte der Mann einen elfjährigen
Jungen bei sich zu Hause gehabt, den er
aus dem Sportverein kannte und dessen
Eltern ihn ahnungslos bei ihm über-
nachten ließen.
Ohne diesen Zufall wäre es wohl nie
zu dem Untersuchungsausschuss ge-
kommen, und auch nicht zu Ermittlun-
gen bei weiteren Verdachtsfällen im Kli-
nikum. Denn nun werden auch einige
seltsame Vorfälle mit genitalen Verlet-
zungen nach Aufenthalten in der Hals-
Nasen-Ohren-Abteilung durchleuchtet.
Der Untersuchungsausschuss wurde
ausgeweitet, die Staatsanwaltschaft ein-
geschaltet. Und Anwältin Claudia Will-
ger vertritt ebenfalls drei Opferfamili-
en, deren Kinder nicht von Matthias S.
in der Kinderpsychiatrie behandelt wur-
den, sondern in der HNO-Station. Die
Klinik sieht aber auch hier keine Hin-
weise auf sexuellen Missbrauch.
Der Bundestagsabgeordnete und
Chef der Saar-Grünen, Markus Tressel,
selbst Vater zweier Kinder, hält die be-
wusste Nicht-Information der Eltern
für einen großen Fehler. Sie erschüttere
das Vertrauen in die Klinik und in das
Land. Was zutage gekommen sei, findet
Tressel „unfassbar und zutiefst erschüt-
ternd“, kurzum: „eine Horrorvorstel-
lung für Kinder und Eltern.“

Ende Februar muss Annegret Kramp-Karrenbauer als ehemalige Ministerpräsidentin des Saarlands einem Untersuchungsausschuss in Saarbrücken Rede und Antwort stehen

PICTURE ALLIANCE/DPA

/MICHAEL KAPPELER

Skandal um


pädophilen


Serientäter holt


Kramp-Karrenbauer


ein


Ein Arzt im


Saarland soll


jahrelang Dutzende


Jungen sexuell


missbraucht haben



  • in einem


Krankenhaus, über


das die damalige


Ministerpräsidentin


die Rechtsaufsicht


hatte. Im Landtag


wird jetzt scharfe


Kritik an ihr laut.


Was wusste sie?


I


n der ersten Viertelstunde dieses TV-
Duells hat Peter Tschentscher keine
Chance. Steif, fast versteinert nimmt
er Frage um Frage des NDR-Moderators
zu dem Thema entgegen, das den
Schlussspurt des Wahlkampfs an der El-
be bestimmt: Die Cum-Ex-Affäre und
der Vorwurf, die Steuerbehörde der
Stadt Hamburg habe dem Traditions-
bankhaus Warburg zum Jahreswechsel
2016/2017 unter Tschentschers Augen
und Verantwortung 47 Millionen Euro
Steuerschuld quasi erlassen. Wenn es
tatsächlich so gewesen wäre, dürfte er
auch am kommenden Sonntag bei der
Hamburg-Wahl keine Chance haben.

VON ULRICH EXNER
AUS HAMBURG

Der Erste Bürgermeister der Hanse-
stadt müsste sich also eigentlich nach
Kräften wehren zu Beginn dieser Sen-
dung am Dienstagabend. Er darf es aber
nicht, weil jedes Detail, jede Erwide-
rung, die er jetzt vorbringen würde, ihn
zum Fall für den Staatsanwalt machen
könnte. Das Steuergeheimnis schützt
auch private Banken umfassend. Also
belässt es der SPD-Mann bei der steten

Wiederholung jener schmalen Sätze, die
er schon in den vergangenen Tagen zu
dem Thema gefunden hatte. Es habe
„keine politische Einflussnahme“ auf
die Steuerbehörden gegeben. Hamburgs
Finanzämter seien „hinter jedem Euro
her“. Peter Tschentscher, fahl, schmal-
lippig, defensiv. Kein Siegertyp in die-
sem Moment.
Katharina Fegebank, Tschentschers
Rivalin von den Grünen, nutzt die Chan-
ce, die sich ihr hier eröffnet, nicht. Sie
wirkt zwar fröhlicher und aufgeräumter
als ihr Kontrahent, sie fordert „Aufklä-
rung“ und „Transparenz“, sie kündigt
eine „sorgfältige Prüfung“ der Vorwürfe
an. Aber sie attackiert Tschentscher
nicht persönlich, macht sich die Vorwür-
fe, die der NDR und die „Zeit“ in der
vergangenen Woche gegen den Senat er-
hoben haben, ausdrücklich „nicht zu ei-
gen“. Wenn man so will, tritt Fegebank,
die gerne als erste Frau nach 200 Män-
nern Hamburger Bürgermeisterin wer-
den möchte, zu diesem Elfmeter einfach
nicht an. Und das hat Gründe.
Zum einen weiß Fegebank vermutlich
besser als viele andere in der Hanse-
stadt, vor allem im Rathaus, dass
Tschentscher so ziemlich der Letzte ge-

wesen wäre, der in seiner Zeit als Ham-
burger Finanzsenator die Bürger wis-
sentlich um 47 Millionen Euro gebracht
hätte. Die Beweislage für die in der ver-
gangenen Woche gegen die Finanzbe-
hörden erhobenen Vorwürfe ist unter
dem Strich eher dünn. Die Wahrschein-
lichkeit, dass Tschentscher persönlich
sich im Zuge des Cum-Ex-Skandals be-
wusst etwas zu Schulden hat kommen
lassen, tendiert gegen Null.
Zum anderen weiß Fegebank, dass sie
mit allergrößter Wahrscheinlichkeit
auch in den kommenden fünf Jahren
mit Tschentscher regieren muss. Rot-
Grün ist mit Abstand die wahrschein-
lichste Regierungskonstellation für die
kommende Legislaturperiode. Zu weit
abgeschlagen liegen CDU, FDP, Linke
und AfDan der Elbe hinter den beiden
Platzhirschen. Über eine zwischenzeit-
lich zumindest hinter vorgehaltener
Hand von manchem Sozialdemokraten
ins Auge gefasste „Deutschland-Koaliti-
on“ aus SPD, CDU und FDP wird nach
den Ereignissen von Erfurt kaum noch
gesprochen.
Wilde Attacken, ein schmutziger
Wahlkampf, bieten sich also nicht wirk-
lich an zwischen SPD und Grünen. Zu-

mal beide Parteien in den zurückliegen-
den fünf Jahren weitgehend harmo-
nisch zusammengearbeitet haben. Es ist
also – nicht nur bei diesem letzten per-
sönlichen Aufeinandertreffen der bei-
den Bürgermeister-Kandidaten vor der
Wahl – ein eher mühseliges Geschäft für
die Herausforderin, den Amtsinhaber
zu stellen, ihn irgendwie vom Stuhl zu
schubsen.
Entsprechend schleppend verlaufen
auch die drei weiteren Viertelstunden,

die die Fernsehmacher des NDR den
beiden Nicht-Rivalen zu bester Sende-
zeit spendiert haben. Ob es um die Mo-
bilität geht in der Hansestadt, die vor
allem für passionierte Autofahrer mehr
und mehr zur Herausforderung wird,
oder um die künftigen Preise im öffent-
lichen Nahverkehr. Um den Wohnungs-
bau oder um den Klimaschutz. Inhaltli-
che Kontroversen ergeben sich zwi-
schen Fegebank und Tschentscher an
diesem Abend nicht.

Ansatzweise energisch wird besten-
falls über die Urheberschaft für im
Grunde identische Zukunftspläne ge-
stritten. Das gilt für den Klimaplan, den
beide Parteien bereits gemeinsam ver-
abschiedet haben. Das gilt auch für die
Pläne zur Umgestaltung der Hamburger
Innenstadt. „Aber Peter, das kann doch
nicht dein Ernst sein“, entfährt es Fege-
bank im vielleicht emotionalsten Mo-
ment dieses ansonsten ausgesprochen
hölzernen TV-Duells. Da hatte Tschent-
scher eine ursprünglich von den Grü-
nen vorgelegte City-Skizze für die SPD
reklamiert.
Kritik wird in diesem Hamburger
Wahl-Duell ohne Beteiligung der Oppo-
sition vor allem am rot-rot-grünen Ber-
liner Senat geübt. Dessen jüngst verab-
schiedeter Mietendeckel wird sowohl
vom Sozialdemokraten Tschentscher
als auch von der Grünen Fegebank
rundweg abgelehnt. Eine solche Maß-
nahme, wettert Tschentscher, schade
am Ende den Mietern. Der Mietendec-
kel in der Hauptstadt, ergänzt Fege-
bank, schaffe „keine einzige zusätzliche
Wohnung“. Zumindest insofern müssen
sich Hamburgs Wähler am kommenden
Sonntag also keine Sorgen machen.

„Aber Peter, das kann doch nicht dein Ernst sein!“


Das TV-Duell der Hamburger Bürgermeister-Kandidaten von SPD und Grünen beweist: Es macht keinen großen Unterschied, wer am Sonntag die Nase vorn hat


KKKatharina Fegebank (Grüne) und Peter Tschentscher (SPD) im TV-Duellatharina Fegebank (Grüne) und Peter Tschentscher (SPD) im TV-Duell

GETTY IMAGES

/MORRIS MACMATZEN

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