Süddeutsche Zeitung - 20.02.2020

(Sean Pound) #1

Vor einigen Jahren wurden in der Schweiz
junge Chinesen unter lautem medialen
Echo zu Skilehrern ausgebildet. Sie soll-
ten ihren in großer Zahl auf den Schweizer
Pisten erwarteten Landsleuten das Skifah-
ren beibringen. Das Programm wurde wie-
der eingestellt: Die Nachfrage nach Skiun-
terricht war einfach nicht groß genug.
Ganz anders sieht es bei Rund- und
Städtereisen aus, da ist die Zahl der chine-
sischen Gäste in den vergangenen Jahren
enorm gestiegen, und die Auswirkungen
der Coronakrise sind deutlich spürbar. Al-
lein in Luzern am Vierwaldstättersee hat
sich die Zahl chinesischer Touristen zwi-
schen 2008 und 2018 verfünffacht, zehn
Prozent aller Übernachtungen werden
dort von Chinesen gebucht. In der Schweiz
insgesamt stiegen die chinesischen Über-
nachtungen innerhalb von fünf Jahren
um 50 Prozent auf 1,7 Millionen (2018).
Das Reiseverbot für Gruppen, das we-
gen des Coronavirus Ende Januar in China
verhängt und nun bis Ende März ver-
längert wurde, trifft die Schweizer Touris-
musbranche deshalb stark: „Im ersten
Quartal rechnen wir mit einem Rückgang
der chinesischen Gäste von 50 Prozent“,
sagt Markus Berger, Sprecher von
Schweiz Tourismus. Gerade sei zwar keine
Hauptsaison, wie sich das Reiseverbot
aber auf die sonst starken Monate April,
Mai und Juni auswirke, sei noch schwierig
einzuschätzen. „Wir hoffen, dass sich das
Problem bald löst und nicht bis in den
Sommer zieht“, so Berger.
Dabei ist interessant, dass mittlerweile
mehr als 40 Prozent der chinesischen
Gäste als Individualreisende kommen. Sie
sind vom Reiseverbot nicht betroffen und
stornieren auch nicht, so Berger. „Ganz im
Gegenteil. Die buchen ihre Reisen jetzt
mit russischen Fluglinien oder solchen
aus den Golfstaaten, um der schwierigen
Situation zu Hause zu entkommen.“ Orte
wie Interlaken oder Luzern, die viel mit


Gruppentouristen arbeiten, leiden mehr
als solche, die individuelle Gäste anspre-
chen. Souvenir- und Uhrenverkäufer spü-
ren den Rückgang in jedem Fall, da die Chi-
nesen mit durchschnittlich 380 Franken
(360 Euro) täglichen Ausgaben zu den aus-
gabefreudigsten Touristen gehören. „Wir
rechnen durch Corona im ersten Quartal
mit Einnahmeausfällen von etwa 19 Millio-
nen Franken pro Monat“, so Berger.
Die Situation in Deutschland und ande-
ren europäischen Ländern ist ähnlich. So
hat Caissa Touristic aus Hamburg, eine
der größten Incoming-Reiseagenturen,
die jährlich 100000 chinesische Gäste
nach Deutschland und Europa bringt, sei-
ne Mitarbeiter vergangene Woche in Kurz-
arbeit geschickt. Mehr als 30 Reisegrup-

pen sind durch das Gruppenreiseverbot
bis Ende März weggebrochen, wie sich die
Lage weiter entwickelt, weiß auch Caissa-
Managerin Zhu Xiaohui nicht: „Wir sind
gerade viel mit Umbuchungen und Ver-
schiebungen nach hinten beschäftigt.
Wenn das Reiseverbot noch länger anhält,
wird es ein großes Problem“, so Zhou.
Burkhard Kieker, Geschäftsführer von
Visit Berlin, rechnet damit, dass man „in
der ersten Jahreshälfte die chinesischen
Gäste in der Statistik kaum mehr finden“
werde. Man habe noch keine Zahlen, aber
er höre von vielen Stornierungen, was
Gruppen, Incentives und Messe- sowie
Kongressbesucher anbelange. „Wir rech-
nen mit sehr starken Rückgängen.“ Wie
sich die Krise auf die Individualreisenden
auswirke, sei noch nicht abzuschätzen.
300000 Übernachtungen chinesischer
Gäste verzeichnet Berlin jährlich, das ist
weniger als ein Prozent des Gesamt-
aufkommens.
Auch in Italien, dem von Chinesen am
meisten besuchten Land in Europa, ist
man besorgt. Städte wie Rom, Florenz und
Venedig werden von vielen chinesischen
Touristen besucht, insgesamt waren es zu-
letzt laut UNWTO pro Jahr drei Millionen
Ankünfte und fünf Millionen Übernach-
tungen. Italien hat Anfang Februar als ers-
tes Land alle Flüge von und nach China
blockiert. Dem italienischen Tourismus
könnten nach Berechnungen des Markt-
forschungsinstituts Demoskopika wegen
Corona in diesem Jahr Verluste in Höhe
von fünf Milliarden Dollar drohen. In die-
se Zahl sind aber nicht nur Chinesen, son-
dern auch Deutsche und Amerikaner ein-
gerechnet, die aus Angst vor Ansteckun-
gen eventuell ihre Reise ausfallen lassen
könnten. Im ersten Quartal, so der Han-
delsverband Confcommercio, werden al-
lein durch ausbleibende Chinesen 200 Mil-
lionen Euro fehlen – „sehr konservativ
geschätzt“. hans gasser

Zwei Wochen lang mussten die rund 3000
Passagiere und mehr als 1000 Crewmit-
glieder derDiamond Princess, die im Ha-
fen von Yokohama unter Quarantäne
stand, auf dem Schiff ausharren. Am Mitt-
woch nun konnten die ersten Menschen
das Kreuzfahrtschiff verlassen. Ein Gast
aus Hongkong hatte den Erreger an Bord
getragen, er verbreitete sich zunächst un-
erkannt. Die Zahl der positiv getesteten
Menschen lag zuletzt bei 542. Wer sich
nicht angesteckt hat und negativ auf den
Erreger getestet wurde, darf nun von Bord
gehen. DieDiamond Princessaber könnte
einmal als Lehrbeispiel dafür gelten, wie
sich das Virus in einer besonderen Situati-
on verhält: Auf Kreuzfahrtschiffen ver-
bringen nun mal viele Menschen in räum-

lich abgeschlossener Umgebung viel Zeit
miteinander. Deshalb fordert Peter Wal-
ger von der Deutschen Gesellschaft für
Krankenhaushygiene „eine gute Aufarbei-
tung“. Die Passagiere seien offenbar ei-
nem erhöhten Ansteckungsrisiko ausge-
setzt gewesen. Experten müssten nun prü-
fen, inwieweit möglicherweise Fehlverhal-
ten von Passagieren und Crew, beengte
Verhältnisse sowie Klima- und Sanitäran-
lagen das Infektionsgeschehen beein-
flusst haben.
Um die Gefahr einer Ausbreitung so
klein wie möglich zu halten, läuft bislang
an Bord eines Kreuzfahrtschiffes bei Be-
kanntwerden einer Virusinfektion eine
eingeübte Routine ab. In der Regel ist es
der Kapitän, der in Abstimmung mit dem

Bordarzt die Hygienemaßnahmen hoch-
fahren lässt. Der nächstliegende Hafen
und Behörden werden informiert. Viele
Schiffe arbeiten mit Krankenhäusern an
Land zusammen, übertragen Krankenda-
ten per Video und Internet und beraten
sich mit Spezialisten an Land. Erkrankte
Personen werden isoliert und wenn mög-
lich in Kabinen verlegt, die entfernt liegen
von den anderen Reisenden. Sie werden
dort medizinisch versorgt. Das Personal
bringt das Essen: Es wird vor die Tür ge-
stellt oder in die Kabine gebracht, dann
aber muss das Personal Schutzkleidung
tragen. Unterhaltungsprogramm und Ga-
ladiners werden ausgesetzt. „Die Küchen
stellen auf Tellergerichte um, Büffetessen
gibt es nicht mehr“, sagt Helge Grammers-
torf, Deutschlandchef der Clia. So wird ver-
mieden, dass Zangen und Gabeln an den
Büffets durch viele Hände gehen – ein
Übertragungsweg weniger. Zugleich be-
ginnt an Bord eine Detektivarbeit. Kon-
taktpersonen werden ermittelt, deren Rei-
seweg nachvollzogen und somit mögliche
weitere Infizierte ausfindig gemacht. Pas-
sagiere, die Kontakt mit positiv getesteten
Personen hatten, müssen ebenfalls auf
der Kabine bleiben. Wie sich das Bordle-
ben gestaltet, wie freizügig sich nicht infi-
zierte Passagiere auf dem Schiff bewegen
dürfen, entscheidet der Kapitän. Bislang
hat man wenig Erfahrung mit solchen Si-
tuationen – geübt ist man nur im Umgang
mit Norovirusinfektionen.
Auf derDiamond Princessdurften die
Passagiere nur nach Plan täglich für 1,5
Stunden mit Mundschutz aufs Sonnen-
deck. Es liegt auf der Hand, dass bei länger
anhaltender Isolation die Stimmung kip-
pen kann. „Darauf sind die Mitarbeiter ge-
schult, es werden vorher festgelegte, dees-
kalierende Verfahrensweisen strikt einge-
halten, um ein Risiko für die Menschen an
Bord möglichst auszuschließen“, sagt
Grammerstorf. ingrid brunner

Wie kann man sich
auf Reisen schützen?
Ankunft am Flughafen, und schon denkt
man: So viele Menschen aus so vielen Län-
dern, ist das jetzt eine bedrohliche Situati-
on? Nein, sagt René Gottschalk, Leiter des
Gesundheitsamtes der Stadt Frankfurt am
Main und damit zuständig für medizini-
sche Maßnahmen am Frankfurter Flugha-
fen. Am Flughafen per se seien Reisende
keinem höheren Corona-Risiko ausgesetzt
als an anderen Orten. Denn das Virus wird
nach allem, was bislang bestätigt ist, durch
direkten Kontakt von Mensch zu Mensch
übertragen. „Der typische Übertragungs-
weg der Covid-19 genannten Erkrankung
ist nicht der über eine Türklinke wie beim
Norovirus“, sagt Gottschalk. „Eintrittspfor-
ten“ seien beispielsweise die Bindehaut
des Auges oder die Mundschleimhaut.
Zu einem direktem Kontakt könne es
kommen, wenn ein Erkrankter im Warte-
bereich etwa am Flughafen oder im Flug-
zeug, aber auch im Bus oder im Zug neben
einem sitze. „Wenn man lange mit ihm
sprechen würde, wenn man angehustet,
angeniest wird“, so Gottschalk, sei eine
Übertragung möglich. Der Schutz durch
einfache Papier- und Stoffmasken ist laut
WHO eher ungewiss. Die Wahrscheinlich-
keit, dass man neben einem Erkrankten zu
sitzen kommt, sei momentan gering. Au-
ßerhalb Chinas gab es bis Mitte dieser Wo-
che rund 800 Fälle, „das ist eine Pandemie,
aber eine lokal begrenzte“, so Gottschalk.
Und die chinesische Regierung untersagt
ihren Bürgern momentan Gruppenreisen
ins Ausland(siehe Text unten),umdie
Verbreitung von Covid-19 einzudämmen.
Was generell wichtig sei zur Vorbeugung
gegen virale Erkrankungen: „Händewa-
schen, Händewaschen, Händewaschen!“
Das empfiehlt auch das für den Münchner
Flughafen zuständige bayerische Gesund-
heitsministerium. Zudem wird geraten:
Abstand halten und engen Kontakt mit
Personen, die an einer Atemwegsinfektion
erkrankt sind, meiden. Beim Niesen und
Husten Mund und Nase mit der Armbeuge
abdecken.
Allerdings halten es Experten wie Cle-
mens Wendtner, Chefarzt der Infektiolo-
gie an der Münchner Klinik Schwabing,
auch für möglich, dass eine Übertragung
ohne direkten Kontakt – etwa über Klima-
anlagen oder gemeinsam benutzte Toilet-
ten erfolgen kann. Mangels spezieller Fil-
ter in den Klimaanlagen könnten deshalb
Infektionen womöglich gerade auf Schif-
fen selbst in geschlossenen Räume erfol-
gen.

Was wird an Flughäfen
unternommen?
An allen Flughäfen bundesweit steht nach
Angaben des bayerischen Gesundheitsmi-
nisteriums mittlerweile Informationsma-
terial zu Covid-19 auf Deutsch, Englisch
und Mandarin zur Verfügung. Die Fluggäs-
te sollen erfahren, wie sie sich bei einer
Ein- oder Ausreise zu verhalten haben; die
Flyer informieren über Inkubationszeit
und Symptome und geben Verhaltens-
regeln für Reisen in Risikogebiete. Wer in
China war, muss eine Selbstauskunft aus-
füllen, in der seine Kontaktdaten und mög-

liche Krankheitssymptome abgefragt wer-
den. Erkrankt ein Passagier im Flugzeug
oder zeigt jemand dort Anzeichen einer In-
fektionserkrankung, ist der Pilot zur Mel-
dung an den Zielflughafen verpflichtet.
Der Zielflughafen – so beschreibt das
Ministerium das weitere Vorgehen – mel-
de den Vorfall dann dem Medizinischen
Dienst. Ein Mitarbeiter des Medizinischen
Dienstes gehe nach der Landung an Bord
und prüfe, ob der Patient medizinische Hil-
fe benötigt oder ob es sich um eine mögli-
che Infektion handeln könnte. Sei der Ver-
dacht einer Infektionserkrankung nicht
auszuschließen, erhebe das medizinische
Fachpersonal eine sogenannte Reiseana-
mnese entsprechend den Vorgaben des Ro-
bert-Koch-Instituts. Danach werde zusam-
men mit einer sogenannten „Taskforce In-
fektiologie Flughafen“ des Bayerischen
Landesamt für Gesundheit und Lebensmit-
telsicherheit (LGL) entschieden, ob der Pa-
tient ins Krankenhaus kommt oder ob der
Medizinische Dienst oder die Taskforce ei-
nen Abstrich beim Patienten entnimmt.
Fluggäste, die im Radius von zwei bis drei
Metern des potenziell Erkrankten saßen,
würden ausführlicher über weitere Maß-
nahmen aufgeklärt. Von Fiebermessun-
gen an Flughäfen in Deutschland sieht das

Bundesgesundheitsministerium bislang
ab, das wäre „unverhältnismäßig“, so ein
Sprecher.
Generell werde an deutschen Flughäfen
sehr auf die Reinlichkeit geachtet, sagt Re-
né Gottschalk. Am Frankfurter Flughafen
wurde die Taktung, mit der gesäubert
wird, bislang nicht erhöht. Für die Mitar-
beiter am Flughafen München wurden Des-
infektionsmittelspender aufgestellt.

Wie reagieren die Reedereien?


Das Coronavirus verändert derzeit das Le-
ben an Bord aller Kreuzfahrtschiffe. Damit
sich erst gar keine Infektionen ausbreiten
können, würden „die Hygienemaßnah-
men hochgefahren“, sagt Helge Grammers-
torf, Deutschlandchef der Clia, des Weltver-
bands der Kreuzfahrtindustrie. Bedienste-
te reinigen nun noch öfter, als es ohnehin
schon vorgesehen ist, Handläufe, Treppen-
geländer, Druckknöpfe in Aufzügen, Tür-
klinken und Oberflächen in öffentlichen
Räumen. An den Eingängen in die Restau-
rants sind Mitarbeiter postiert, die noch
nachdrücklicher zur Handdesinfektion
auffordern. An Büfetts stehen Servicekräf-
te, um dem Gast die gewünschten Speisen
auf den Teller zu legen. So wird vermieden,

dass Zangen und Gabeln an den Büfetts
durch viele Hände gehen – ein Übertra-
gungsweg weniger.

Was machen die Häfen?


Ein ganzes Kreuzfahrtschiff unter Quaran-
täne wie dieDiamond Princessin Yokoha-
ma – das gab es im Hamburger Hafen noch
nicht. Lediglich während der Ebola-Krise
waren jeweils für wenige Stunden Fracht-
schiffe aus Westafrika isoliert, sagt Martin
Dirksen-Fischer, Arzt und Leiter des Ham-
burg Port Health Centers. Um für den
Ernstfall vorbereitet zu sein, hat diese städ-
tische Einrichtung vor zwei Jahren das Pro-
jekt „Armihn“ auf den Weg gebracht –
adaptives Risikomanagement im Hafen.
Immerhin legten in der Hansestadt vergan-
genes Jahr 210 Kreuzfahrtschiffe mit
810 000 Passagieren an. Doch auch falls
der Ernstfall eher eintritt, wissen Häfen,
Reedereien und Behörden, was zu tun ist:
Das regeln die derzeit gültigen Internatio-
nalen Gesundheitsvorschriften (IGV) der
Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die-
se Standards gelten in allen Ländern, die
Mitglied in der WHO sind.
So hätte es einen Fall wie den des Kreuz-
fahrtschiffesMS Westerdam, dem in meh-

reren thailändischen Häfen aus Furcht vor
dem Coronavirus die Einfahrt verweigert
wurde, in Deutschland sicher nicht gege-
ben. „Nicht anlegen lassen, das geht gar
nicht“, sagt Dirksen-Fischer. In Deutsch-
land gibt es fünf Häfen, die Schiffe mit Er-
krankten an Bord anlegen lassen müssen:
Wilhelmshaven, Bremen, Bremerhaven,
Hamburg und Kiel – jeden Tag, rund um
die Uhr. Laut IVG-Durchführungsgesetz
gibt es klare Regeln: Kommt ein solches
Schiff in einen deutschen Hafen, muss es
sich per Funk anmelden. Der Funkspruch,
so Dirksen-Fischer, setze eine Kette von
Maßnahmen in Gang, in die die Hafenge-
sellschaft, die Gesundheitsbehörden, Klini-
ken, die Reederei sowie das Robert-Koch-
Institut eingebunden sind. In einer akuten
Infektionssituation dürfen nur Ärzte des
Hafenärztlichen Dienstes an Bord, und
von Bord dürfen nur Patienten, die in Klini-
ken versorgt werden müssen. Was an Bord
geschieht – etwa wer auf der Kabine blei-
ben muss, wer sich frei auf dem Schiff be-
wegen darf, bestimmt der Kapitän. Er hat
auf dem Schiff die Gesamtverantwortung,
wird sich aber im Zweifel von Medizinern
beraten lassen.
Zum Krisenmanagement gehört auch,
dass das Schiff am Ende desinfiziert wird.

So können Crew und Passagiere, die da-
nach an Bord gehen, dies ohne Bedenken
tun. „Bei einer amtlich angeordneten Des-
infektion ist es mit einem unspezifischen
Putzmittel nicht getan“, sagt Dirksen-Fi-
scher. Professionelle, speziell für die Aufga-
be trainierte Hafeninspekteure reinigen
mit einem Desinfektionsmittel, das auf
den jeweiligen Erreger abzielt. „Da gibt es
Standardverfahren, die wir zum Teil von
der Luftfahrtindustrie übernommen ha-
ben.“ Die Mittel werden gesprüht, Wäsche
wird entsprechend gekocht, Teppichbö-
den werden mit Schäumen gereinigt. Die
Notfallszenarien sehen auch eine psycholo-
gische Betreuung der Patienten und Passa-
giere vor, um das Erlebte an Bord verarbei-
ten zu können.

Welche Folgen gibt es für Reisen
auch außerhalb Chinas?
Zahlreiche Kreuzfahrten werden in nächs-
ter Zeit nicht wie geplant stattfinden(siehe
Kreuzfahrten-Spezial, Seite 31). Noch we-
sentlich mehr Reisende bekommen die
Auswirkungen in Form veränderter Flug-
pläne zu spüren. Die Lufthansa etwa hat
inzwischen den Stopp aller Flüge auf das
chinesische Festland bis Ende März verlän-
gert. Der Internationalen Zivilluftfahrtor-
ganisation Icao zufolge findet derzeit nur
noch ein Fünftel der Flüge internationaler
Airlines nach China statt. Fluglinien wie
Thai Airways lassen aber auch viele inner-
asiatische Flüge ausfallen. Neben Japan
und Südkorea ist das Drehkreuz Singapur
besonders betroffen. Während der Stadt-
staat für 2020 mit einem Rückgang der
Besucherzahlen um 25 bis 30 Prozent rech-
net, hat Singapore Airlines angekündigt,
wegen geringerer Nachfrage noch bis Mai
internationale Verbindungen zu streichen


  • darunter mehrere von und nach Frank-
    furt und Düsseldorf, aber auch in Richtung
    Australien und Neuseeland, was wieder-
    um Pläne deutscher Fernreisender stören
    kann.
    Wer aus Angst vor einer Infektion von ei-
    ner Asienreise zurücktreten möchte, hat
    rechtlich derzeit keinen Anspruch auf kos-
    tenlose Stornierung. Ein solcher besteht
    nur bei einer offiziellen Reisewarnung des
    Auswärtigen Amtes. Manche Veranstalter
    wie Tui, DER Touristik und Gebeco versu-
    chen aber, die Sorgen ihrer Kunden zu zer-
    streuen, indem sie spezielle Kündigungs-
    und Umbuchungsrechte für Ziele in ganz
    Asien anbieten. Studiosus und Marco Polo
    hingegen gehen weiterhin davon aus, ihre
    Reisen in Südostasien wie geplant durch-
    führen zu können und sehen deshalb – mit
    Ausnahme von Reisen nach China – keine
    Sonderstornierungsmöglichkeiten vor.
    Die Maßnahmen einzelner Staaten im
    Kampf gegen die weitere Ausbreitung des
    Virus bleiben derweil sehr unterschied-
    lich. Das zentralasiatische Turkmenistan
    etwa behält sich inzwischen vor, an den
    Flughäfen Besucher aus Ländern mit Coro-
    navirus-Fällen sogar ohne Symptome in
    Quarantäne zu nehmen – also gegebenen-
    falls auch Deutsche. Das Auswärtige Amt
    rät deshalb, nicht notwendige Reisen in
    das Land zu verschieben.


ingrid brunner, irene helmes,
monika maier-albang

Noch unbeschwert: Chinesische Touris-
tinnen 2019 am Jungfraujoch. FOTO: IMAGO

Es tut schon richtig weh


Der Tourismus in Europa leidet unter dem Ausbleiben der Chinesen


Zwei Wochen lang lag dieDiamond Princessim Hafen von Yokohama in Quarantä-
ne, die Passagiere durften die Kabinen nur selten verlassen. FOTO: REUTERS

Kabinenarrest


Was unternommen wird, wenn auf einem Schiff eine Virusinfektion ausbricht


Unterwegs in Corona-Zeiten


Viele Reisende sind momentan verunsichert: Wie hoch ist das Risiko, sich anzustecken, wenn man in Europa oder in Asien
unterwegs ist? Welche Notfallpläne haben die Behörden? Wie gefährdet sind Gäste von Kreuzfahrtschiffen?

Geübt im Masketragen: Für viele Passagiere an asiatischen Flughäfen – wie hier in Bangkok – gehört der Gesichtsschutz zur Reiseausstattung. FOTO: AFP

28 REISE Donnerstag, 20. Februar 2020, Nr. 42DEFGH

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