Süddeutsche Zeitung - 20.02.2020

(Sean Pound) #1
von dominik prantl

D


as fünfte Element“! Das war es,
klar, in dem Film hat man diese
Schlafkapseln oder zumindest
deren Vorläufer schon einmal ge-
sehen, und zwar in jener Sequenz, als der
ewig unterhemdsärmelige Raufbold Bruce
Willis und die umwerfend orangehaarige
Milla Jovovich in einem Kreuzfahrt-Raum-
schiff auf dem Weg nach Fhloston Paradise
ein kleines Nickerchen einlegen. Wobei sie
in guter Science-Fiction-Tradition in einen
künstlichen Schönheitskälteschlaf oder so
etwas Ähnliches versetzt wurden.


Aber dies ist kein Kreuzfahrt-Raum-
schiff. Dies ist Karlsruhe. Ja, genau jenes
Karlsruhe, das als barocke Reißbrettstadt
bislang eher nicht für interstellare Flüge
bekannt war, sondern vor allem für ehr-
würdige Einrichtungen wie das Bundesver-
fassungsgericht. Es ist auch nicht Milla
Jovovich, sondern Elena Rozhkova, eine ge-
bürtige Russin, die in fließendem Englisch
durch das erste Kapselhotel Deutschlands
namens Area 24/7 führt. Das ist – sofern
man den versteckten Eingang zwischen
türkischen Restaurants gefunden hat – re-
lativ schnell passiert. Denn obwohl sich
das Area 24/7 seit einer Erweiterung im
Dezember nun auf zwei Adressen in der in-
nenstädtischen Kaiserstraße verteilt und
es damit insgesamt immerhin 42 Kapseln
mit 42 Betten zählt, fällt der Futurismus
gewohnt minimalistisch und platzsparend
aus.
Der ältere, im Mai vergangenen Jahres
eröffnete Teil bietet 16 Schlafmöglich-
keiten auf 100 Quadratmetern im vierten
Stock eines schmucklosen Gebäudes. In
manchen Suiten großer Hotels hat eine ein-
zige Person so viel Platz. Die mit weißem
Kunststoff verkleideten Kapseln sind wie
Stockbetten in Zweierreihen angeordnet,
was ein wenig an eine Bienenwabe erin-
nert; darüber verläuft eine Galerie mit Sitz-


gelegenheiten und Küche. Zu den 16 Kap-
seln gibt es genau 16 Küchenschränke,
16 Spinde und 16 Stühle. Wenn es still ist,
hört man beim Kaffeetrinken, wie jemand
unten im Unisex-Sanitärbereich duscht.
Davor war er auf dem Klo. Auch das hat
man gehört.
Abgesehen von derartigen Kleinigkei-
ten lässt sich hier durchaus augenreibend
registrieren, mit welch einfachen Mitteln
heutzutage jede noch so schlichte Immobi-
lie zum Gastbetrieb umfunktioniert wer-
den kann. „War mal ein Kino“, sagt Taimu-
raz Chanansvi über sein erstes Kapselho-
tel. Wahrscheinlich ist es auch kein Zufall,
dass ausgerechnet ein Quereinsteiger wie
Chanansvi, Israeli mit Wohnsitz in Heiden-
heim und Geschäftsführer der Space De-
velopment Group, die Grundidee der klein-
räumigen Schlafstätten aus Japan für den
deutschen Markt adaptiert hat und diese
Hotelform nach der Testphase in Karlsru-
he nun schon Ende 2020 in Großstädte wie
Hamburg und München tragen möchte. Es
hört sich auch gar nicht einmal nur nach
dem geschäftlichen Kalkül eines professio-
nellen Immobilienentwicklers an, wenn
Chanansvi sagt: „Wir geben alten Gebäu-
den neues Leben.“

Tatsächlich weist das Area 24/7 jenseits
des sterilen Designs auch insofern in die
Zukunft, als es dem verzopften Konzept
des Schlafsaals eine im Herbergswesen im-
mer wichtiger werdende Komponente hin-
zufügt: die Intimsphäre. Wer von Dusch-
geräuschen oder vom Kaffeetrinken mit
wildfremden Millennials die Nase voll hat,
krabbelt einfach in die vier Wände seines
kleinen Raumschiffs, schließt per Knopf-
druck die Schiebetür und gewöhnt die Au-
gen an das blaue Licht. Für ein Zimmer mit
einem Meter Höhe und der Grundfläche ei-
ner Doppelbettmatratze wirkt es erstaun-
lich geräumig, was wohl vor allem mit dem

Spiegel an der Wand zu tun hat. Kurzer
Sicherheitscheck: Feuerlöscher, Feuermel-
der, Lüftungsschächte, alles da. Ein Blick
auf die Temperaturanzeige: 25,9 Grad Cel-
sius, aber das lässt sich regeln.
Natürlich ist selbst auf diesem kleinen
Raum alles auf die Social-Media-Generati-
on abgestimmt. In der Kapsel befinden
sich unter anderem zwei USB-Anschlüsse,
ein Kopfhörer, der passende Kopfhörer-
anschluss, zwei Fernbedienungen, ein
Flachbildschirm, Gratis-Wifi. Rozhkova
hat beim kurzen Rundgang erzählt, dass
sich hier auch schon eine Gruppe Gamer,

also Computerspieler, einquartiert habe.
Irgendwann hätten sie sich alle in ihre Kap-
seln zum Daddeln verzogen, was man bei
zielgruppengerechten Preisen ab rund 30
Euro pro Nacht schon mal machen kann.
Womöglich steht der Kapsel an sich ohne-
hin noch eine große Karriere als vielseitige
Option zur dezenten Abschottung bevor.
In Nachtzügen etwa. Für Studentenbuden
auf dem überhitzten Münchner Immobili-
enmarkt. Oder als schalldichte Powernap-
Station im Hochhausbüro, womit wir
wieder beim Schönheitskälteschlaf wären.
Denn sehr bald legt sich der Nicht-Gamer

hin. Man fährt das Blaulicht an einer Kon-
sole herunter, als wäre man Scotty am
Warp-Antrieb, und fragt sich kurz vorm
Einschlafen, wo man wieder aufwachen
wird: Alpha Centauri? Fhloston Paradise?
Oder auf dem Apfelstern der Augsburger
Puppenkiste? Am nächsten Morgen ist es
dann aber doch wieder nur Downtown
Karlsruhe.

Area 24/7, The Space Hotels GmbH, Kaiserstraße
170, 76133 Karlsruhe, Übernachtung pro Person ab
ca. 30 Euro, Tel.: 07214 / 7004 365, http://www.area247.de

FRISCH BEZOGEN


Wie im


Raumschiff


Das Kapselhotel Area 24/7 in Karlsruhe ist


das erste seiner Art in Deutschland.


Und es gibt schon Expansionspläne


Was gibt es Schöneres, als dem eigenen
Chef – gerne auch der Chefin – mal eins
auf die Klappe geben zu dürfen, ohne da-
für zur Rechenschaft gezogen zu wer-
den? Der Tausch der Rollen zwischen
Herr und Knecht, zwischen Frau und
Mann, zwischen Mensch und Tier wird
nun wieder in aller Welt zelebriert.
Verkehrte Welt – dieser Grundgedan-
ke des Karnevals, der ja durchaus eine
wichtige Ventilfunktion erfüllt, scheint
sich in dieser Saison irgendwie in das rea-
le Leben geschlichen zu haben. Insbeson-
dere, was viel besuchte, manche sagen
auch: heimgesuchte Städte betrifft. Ve-
nedig zum Beispiel. Die Serenissima
ächzt seit Jahren unter der Last von Milli-
onen von Tagestouristen. Aus diesem
Grund soll nun, nach Jahren der Ankün-
digung, ab dem Sommer eine Art Ein-
trittsgeld für Tagesbesucher erhoben
werden: günstige sechs Euro. Dafür
gibt’s noch keinen Cappuccino am Mar-
kusplatz. Doch derselbe Bürgermeister,
der dies mit Vehemenz gefordert hat und
vom drohenden Untergang der Stadt
durch die vielen Besucher sprach, schlug
kurz vor Beginn des Karnevals ganz an-
dere Töne an: Gäste sollten doch bitte
nach Venedig kommen, es gebe noch ge-
nügend freie Hotelzimmer. „Ohne Tou-
risten stirbt die Stadt.“ Der Grund: Nach
dem extremen Hochwasser im Novem-
ber und den Bildern davon war die Zahl
der Touristen rapide zurückgegangen.
Zurzeit, so der Bürgermeister, sei Vene-
dig noch schöner als sonst.
Ein anderer Bürgermeister, der von
Hallstatt im Salzkammergut, hatte noch
Mitte Januar gesagt: „Wir halten das
nicht mehr aus. Die vielen Touristen
sind eine enorme Belastung für die Be-
völkerung.“ Nun bleiben wegen des Coro-
na-Reiseverbots die chinesischen Gäste
aus, und der Bürgermeister lässt sich
vom Radiosender Ö3 zitieren mit den
Worten: „Es sind sehr wenig unterwegs.
Das gefällt uns nicht, weil wir den
Grund, diese Viruserkrankung, nicht mö-
gen.“ Er fügte dann aber ehrlicherweise
hinzu: „Für die Hallstätter ist es aber ei-
ne kleine Entspannung, weil nicht so gro-
ße Massen an chinesischen Touristen
kommen.“
Von solchen, den Overtourismus limi-
tierenden Naturereignissen wurde Ams-
terdam bisher verschont, weshalb die
Bürgermeisterin nun zu anderen Mit-
teln greifen will: Der Zugang zu den Cof-
feeshops – und damit der Kauf von Can-
nabis – soll Ausländern verwehrt wer-
den. Bei einer Befragung von 18- bis
35-jährigen Touristen sei nämlich her-
ausgekommen, dass für 57 Prozent Cof-
feeshops einer der wichtigsten Gründe
seien, weshalb sie nach Amsterdam reis-
ten. Jetzt folgert die schlaue Bürgermeis-
terin, dass ein nicht unbeträchtlicher
Teil der 17 Millionen Touristen jährlich
dann nicht mehr in ihre Stadt kommen
würde, wenn es kein Dope mehr für sie
gibt. Falls das wirklich beschlossen wird,
sollte man den Karneval in einem Jahr
abwarten, bevor man Bilanz zieht. Wenn
es dann heißt: Bürgermeisterin gibt Gra-
tis-Joints an bis zu 35-jährige Ausländer,
dann werden wir wissen, dass die Maß-
nahme gut, etwas zu gut funktioniert
hat. hans gasser

Kopfhörer, USB-Anschlüsse,
Gratis-Wifi: Die Kapsel ist bereit
für die Social-Media-Generation

Ein bisschen steril, aber womöglich zukunftsweisend: Das
Kapselhotel fügt dem Herbergswesen eine immer wichtiger werdende
Komponente hinzu: Intimsphäre.FOTOS: AREA247

30 REISE Donnerstag, 20. Februar 2020, Nr. 42DEFGH


Hinweis der Redaktion:Die Recherchereisen für
diese Ausgabe wurden zum Teil unterstützt von
Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Touris-
mus-Agenturen.

ENDE DER REISE


Verkehrte Welt


des Tourismus


Foto: Adobe Stock/A.Jedynak

Foto: Sea Could Cruises

SZL200220

Ein Angebot der Hanseat Reisen GmbH, präsentiert von der Süddeutsche Zeitung GmbH, Hultschiner Straße 8, 81677 München

Süddeutsche Zeitung Leserreisen


Ein Hauch von Abenteuer,
gepaart mit dem Gefühl von
Freiheit, macht aus diesem oh-
nehin spektakulären Segeltörn ein buchstäblich einzigartiges Reiseerleb-
nis. Es ist ein faszinierendes Schauspiel, wenn an Bord der komfortablen
Dreimastbark SEA CLOUD II die Segel gehisst werden, um vom südfranzö-
sischen Nizza aus in See zu stechen. Auf dem Weg nach Italien macht Ihr
Schiff immer wieder halt in bezaubernden Küstenorten am Mittelmeer, so
etwa in Sanary-sur-Mer. In Ligurien werden Imperia und Portovenere ange-
steuert, bevor es über Livorno zur Insel Elba und weiter nach Civitavecchia
unweit Roms geht, das Sie zum krönenden Abschluss entdecken.

Eingeschlossene Leistungen:
· Flug von München nach Nizza und zurück von Rom
· Alle erforderlichen Transfers
· Segelkreuzfahrt mit der SEA CLOUD II von Nizza nach Civitavecchia mit
7 Übernachtungen an Bord
· Umfangreiche Vollpension an Bord u. Trinkgelder für das Bordpersonal
· Nachprogramm in Rom: 2 Ü/F im Hotel dei Mellini (Landeskat.: 4 Ster-
ne) in Rom, Panorama-Stadtrundfahrt, Führung Vatikanische Museen u.
Besuch Petersdom, Stadtrundfahrt/-gang „Antikes und barockes Rom“
· Deutsch sprechende Reiseleitung vor Ort und an Bord
· Zusätzliche Reisebegleitung

Civitavecchia

Lucca

Aix-en-Provence

Rom

Elba

Livorno

ImperiaPortovenere
Sanary-sur-Mer

FRANKREICH
Nizza

Von Nizza nach Rom mit der SEA CLOUD II Korfu – Paradies in der Adria


Reisetermin: 25. April bis 4. Mai 2020

Veranstalter: Hanseat Reisen GmbH, Langenstraße 20, 28195 Bremen

Reisepreis pro Person:

2-Bett-Kab. außen, Garantie (limit. Kontingent) 5.399 €

2-Bett-Kabine außen de luxe 6.299 €

Hinweis zur Barrierefreiheit: Unser Angebot ist für Reisende mit eingeschränkter Mobilität nur
bedingt geeignet. Bitte kontaktieren Sie uns bezüglich Ihrer individuellen Bedürfnisse.

Reisetermin: 3. bis 10. Oktober 2020

Veranstalter: DERTOUR – Eine Marke der DER Touristik Deutschland GmbH,
Emil-von-Behring-Straße 6, 60439 Frankfurt

Reisepreis pro Person:

im Doppelzimmer 1.229 €

im Einzelzimmer 1.499 €

Die unzähligen Olivenhaine, hoch aufragenden Zypressen am Wegesrand
und violett leuchtenden Orchideen oder die romantischen Buchten gepaart
mit imposanten Steilküsten lassen auf den ersten Blick nicht erahnen, dass
Korfu im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Zankapfel europäischer
Mächte war. Die architektonischen Zeugnisse bilden auf der paradiesi-
schen Adriainsel einen heutzutage einzigartigen Kulturreichtum, darunter
die Alte Festung in der Hauptstadt Korfu-Stadt oder der Palast Achilleion,
den einst die österreichische Kaiserin Elisabeth, genannt „Sisi“, auf ihrer
erklärten Lieblingsinsel erbauen ließ. Bekannt ist die von Hügeln und Ber-
gen geprägte Insel auch für ihre vielen beeindruckenden Aussichtspunkte,
verträumten Weindörfer und die Gastfreundlichkeit ihrer Bewohner.

Eingeschlossene Leistungen:
· Direktfl ug mit Condor von München nach Korfu und zurück
· 7 Übernachtungen im Elea Beach Hotel (Landeskategorie: 4 Sterne) in
Dassia Beach mit Halbpension
· Begrüßungsgetränk im Hotel
· Ausfl ug Paleokastritsa, Aussichtspunkt Bella Vista und Kassiopi
· Ausfl ug Sisi-Schloss Achilleion und die traditionelle Seite Korfus
· Ausfl ug Aussichtspunkt Kanoni und Korfu-Stadt
· Alle Transfers, Ausfl üge, Eintrittsgelder und Mahlzeiten laut Programm
· Deutsch sprechende Reiseleitung vor Ort
· Zusätzliche Reisebegleitung

Pro Person
ab 5.399 € inkl.
Nachprogramm
in Rom sowie
Flug ab/bis
München

Mehr unter: sz.de/leserreisen

Informationen, Beratung und Buchungsanfragen:

040 / 710 091 18 (Mo. – Fr. 9 – 18 Uhr)
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