Süddeutsche Zeitung - 20.02.2020

(Sean Pound) #1
interview: michael zirnstein

D


ie Antilopen Gang brachte den
Punk in den Hip-Hop: Die drei Düs-
seldorfer stänkerten 2009 im Inter-
net-Hit „Fick die Uni“ gegen Studenten,
mit „Beate Zschäpe hört U2“ entlarvten sie
den Extremismus in der Gesellschaftsmit-
te, mit dem Album „Anarchie und Alltag“
landeten sie auf Platz 1. Auf „Abbruch, Ab-
bruch“ befassen sich die Brüder Tobias
und Daniel Pongratz alias Panik Panzer
und Danger Dan, die zu zweit zum Inter-
view kamen, und Koljah Podkowik nun mit
ihrem Werdegang von Außenseiter-Hel-
den hin zur Pop-Band, die sich nicht damit
anfreunden will, Pop-Band zu sein.


SZ: „Die Idylle stinkt nach Gülle“ – Sie zie-
hen auf der CD übers Landleben her. Mün-
chen gilt als Millionendorf, ist die Welt-
stadt mit Herz für Sie auch provinziell?
Danger Dan:Ich finde die Frage gut, weil
es in dem Lied eben nicht um die Einwoh-
nerzahl geht, sondern um etwas Wichtige-
res, eine gedankliche Enge. Mein erster
Kontakt mit München war 2001. Nach
zwölf Stunden saß ich im Gefängnis. Der
Bürgermeister Ude hatte wegen der Sicher-
heitskonferenz ein Demonstrationsverbot
ausgerufen, an das ich mich nicht halten
wollte. Es waren die ersten Proteste nach
Genua, das hatte mich stark politisiert. Mir
wurden von der Polizei die Schuhe abge-
nommen, die Fenster wurden aufgerissen
und ich musste in der Eiseskälte aushar-
ren. Seitdem habe ich München gehasst.


Geht’s denn inzwischen?
Danger Dan:Über Konzerte und die Musik
habe ich hier auch andere Leute kennenge-
lernt, sehr nette. Tatsächlich bin ich heute
verkatert, weil ich die ganze Nacht durchs
Glockenbach gestiefelt bin von Kneipe zu
Kneipe und viele spannende Gespräche ge-
führt habe. Auf der anderen Seite ist Mün-
chen eben die einzige Stadt, wo die Polizei
uns in der Muffathalle um ein Kooperati-
onsgespräch bat, weil sie unser Publikum
nach Drogen filzen wollte. Wir haben die
rausgeschmissen. München ist die einzige
Stadt, wo wir reinfahren und Panik Panzer
sagt: Lieber die Kappe absetzen, sonst wer-
den wir angehalten. München hat keinen
guten Ruf, gerade unter Hip-Hoppern.


Ist deswegen die Münchner Hip-Hop-Sze-
ne so brav? Von hier sind ja eher die smar-
ten, nicht radikalen Rapper wie Blumen-
topf, Fatoni oder Moop Mama bekannt.
Panik Panzer: Der Hip-Hop aus München
gilt seit jeher als freundlicher, netter, stu-
dentischer Schwiegermutter-Rap. Was auf-
muckt, bekommt man draußen zumindest
nicht mit. Vielleicht hängt das tatsächlich
mit dieser übermäßigen Polizeipräsenz zu-
sammen. Koljah bezeichnet in „Das Zen-
trum des Bösen“ das Dorf als einen Ort, wo
jeder Abweichler sanktioniert wird. Das
hat eine ganz ähnliche Struktur hier. Das
hält viele sicherlich im Zaum.
Danger Dan: Gutes Beispiel: In der Vor-
gänger-Band der Antilopen Gang, derAnti
Alles Aktion, war auch der Münchner Lea
Won. Der hat neulich versucht, in Mün-
chen Lehrer zu werden, die Regierung von
Oberbayern hat ihm mehr oder weniger
ein Berufsverbot wegen unseres 13 Jahre al-
ten Rap-Tracks „Ausbürgerungsantrag“
ausgesprochen, in dem er sich nicht gera-
de zum Staat Bayern bekannte. Dass Ab-
weichler hier sanktioniert werden, liegt al-
so nicht nur an der Stadt selber, die ein biss-
chen spießig rüberkommt, das sind auch
Repressionen durch die Staatsorgane.


Das ist die Haltung des Punk, die Sie in
den Hip-Hop gebracht haben. Inzwischen
rappen auch die Rechten, die den afroame-
rikanischen Hip-Hop lange verschmäh-
ten. Zum Beispiel Ares.


Panik Panzer:Der ist doch gerade in die
Nähe von München gezogen.
Ja, von Ebersberg nach Sauerlach in eine
„patriotische WG“, wie er es nennt. Sehen
Sie die Gefahr, dass die Rechten die Ju-
gendkultur kapern?
Danger Dan:Ich glaube nicht. Nazi-Rap-
per wie Ares sind ein Rand-Phänomen.
Weil bei dem ist klar, dass sein Zeug unter
aller Sau ist. Der wird sich in der Hip-Hop-
Szene nie etablieren können. Umgekehrt
gibt es aber Rapper, die sich in der Pop-
Landschaft durchgesetzt haben, deren In-
halte AfD-kompatibel sind. Wenn ich mir
das gestrige Frauenbild von Cro etwa im
Song „Easy“ angucke, das könnte der im
Feature mit Ares rappen, kommt aber in so
einem blumigen Gewand hinter seiner blö-

den Panda-Maske daher, das finde ich viel
problematischer. Weil Cro findet in jedem
Kinderzimmer statt, der wird in jedem Ra-
dio gespielt. Genauso ist das mit Rappern
wie Kollegah, der ein derart verschrobenes
Weltbild hat und auftritt wie ein faschisti-
scher Agitator.

Das jüngste Kollegah-Konzert in Mün-
chen wurde nach langem Hin und Her ab-
gesagt. War das richtig oder ein Eingriff in
die Freiheit der Kunst?
Panik Panzer:Ein Konzertverbot ist nicht
das richtige Mittel. Es erhöht den Reiz des
Verbotenen für die Zielgruppe, im Zweifel
sogar die Loyalität. Das kann man nicht im
Duktus einer intellektuellen Bubble lösen,
in der dann diskutiert wird.

Danger Dan:Manche Kinder hören das,
um ihre Lehrer und Eltern zu provozieren.
Das Problem ist, das gehört zum Konzept
dazu, dass sich die Öffentlichkeit drüber
aufregt. Es wäre besser, Alternativen anzu-
bieten. Wenn man also nicht Kollegah
bucht nach München, sondern etwa eine fe-
ministische Rapperin wie Sookee.
Sookee kommt übrigens ein paar Tage
nach Ihnen nach München.
Danger Dan: Ja, das ist gut! Bei allem muss
man unterscheiden: Was ist jetzt Kunst,
was ist Propaganda oder Provokation? Es
gibt Leute, die rappen so viel Scheiße und
Vergewaltigungs-Fantasien und sagen,
das sei Kunst. Dann ist das Kunst, aber halt
Scheiß-Kunst. Ob du ein Flugblatt
schreibst oder einen Rap-Text, der Inhalt

ändert sich nicht, du musst dazu stehen.
Das alles hat Wirkung. Sexismus ist nicht
besser, wenn er gereimt ist oder als Witz ge-
tarnt ist.

Sind Sie nicht genau das linke Gegenange-
bot, das Sie fordern? Sie geben sich auf
dem Album bisweilen windelweich, rap-
pen gegen das Kiffen an und dafür, dass
Sex in die Hose gehen darf.
Panik Panzer:Wir funktionieren nicht als
Gegenentwurf zu Kollegah. Für hip-hop-
affine Kids sind wir ganz uninteressant.
Danger Dan:Ich glaube aber, dass eine
Antilopen-Gang-Jugend viel schöner ist
als eine Jugend, in der man zum Kollegah-
Konzert gehen muss und als Mann das Ge-
fühl hat, man braucht riesige Muskeln,
und als Frau eine untergeordnete Scheiß-
Rolle spielen muss.

Warum haben Sie das neue Album zusam-
men mit dem Kollektiv C.O.W. produziert,
dem Hippsten, was München im Hip-Hop
und Urban-Dance zu bieten hat?
Panik Panzer:Bastler, beziehungsweise
Lukas von C.O.W. kennt Koljah seit 20 Jah-
ren über Hip-Hop-Connections. ZuMoop
Mamapflegen wir auch ein freundschaftli-
ches Verhältnis, das ist ja dasselbe Umfeld,
genauso wie dieTribes of Jizu, die uns mal
zu einer Session in die Muffathalleeingela-
den haben. Wir wollten seit Langemmit je-
mandem zusammenarbeiten, der unseren
Film versteht und uns hilft, unsere Produk-
tion auf ein anderes Level zu heben. Wir ha-
ben C.O.W. angeschrieben: Habt ihr Bock?
Sie schickten uns eine neu aufgemachte
Version von „2o13“ ins Studio. Wir sind
durch den Raum gesprungen und haben ge-
jubelt! Genau so ist es auf Platte.

Was gefällt Ihnen besser an der Version?
Danger Dan:Das sind studierte Musiker,
die aber Hip-Hop peilen. Am Beispiel von
Punkrock ist es einfacher zu verstehen:
Wenn man Gitarre spielen kann, kann man
keinen Punk mehr spielen – dann klingt
das nicht gut. Und wenn man sich versaut
auf der Musikhochschule, wird man kei-
nen geilen Hip-Hop mehr produzieren kön-
nen. Jetzt gibt es aber die erste Generation
von Leuten, die mit Hip-Hop großgewor-
den sind und genau wissen, wie’s geht. Ob-
wohl sie technisch so präzise sind und ihre
Instrumente perfekt beherrschen, haben
sie den Vibe nicht verloren. Wir haben alles
so Do it yourself versucht. Es gab den Mo-
ment, da war ich im Club, der DJ legte „Ver-
liebt“ auf und die Tanzfläche wurde leer.
Und ich so: Häh, warum knallt unsere Base-
drum nicht? C.O.W. haben uns das jetzt er-
klärt, Stichwort: Frequenzmanagement.
Die sind mit ihrem Sound nah beim Zeit-
geist, der eher kalt und synthetisch ist.
Aber sie haben auch diese analoge Wärme,
die wichtig für Antilopen-Gang-Musik ist.

Sind Sie auf die Masken von C.O.W. manch-
mal neidisch, die immer anonym auftre-
ten?
Panik Panzer:Die legen das Masken-Ding
gerade ab. Soweit ich gehört habe, war die
Produktion mit uns eine Initialzündung da-
zu, aus der Deckung zu kommen. Klar, wir
sind jetzt keine Band, die ständig überall er-
kannt wird. Aber es gab sicher Punkte in
der Geschichte der Antilopen Gang, wo ich
mir gewünscht hätte, Panik Panzer wäre
nicht Tobias Pongratz.
Danger Dan:Spätestens, wenn deine
Klarnamen auf den schwarzen Listen der
Nazis auftauchen. Auf der anderen Seite
kann ich mir den Erfolg der Antilopen
Gang nur dadurch erklären, dass wir beson-
ders schöne Gesichter haben.
Panik Panzer:Ein starker Teil bei uns ist,
wer wir sind, wie wir uns zeigen und dass
wir so viel von uns preisgeben.

Antilopen Gang, Fr., 21. Feb., 20 Uhr, Muffathalle

Der Bahnwärter Thiel wird gerne einmal
medial als eine der letzten Enklaven des al-
ternativen Nachtlebens in der bayerischen
Landeshauptstadt gefeiert. Zuletzt tauchte
er wegen des Verbots von (Kunst-)Pelz
deutschlandweit in den Meldungen auf.
Was bei den – durchaus berechtigten –
Nachrichten über dieses Kulturprojekt
nicht vergessen werden darf, ist, dass es
sich im Bahnwärter auch gut tanzen lässt.
Am Freitag etwa bei „Unser Laster“. Der
Name der Veranstaltung ist einerseits auf
einen restaurierten Lastwagen mit DJ-Pult
zurückzuführen, andererseits bezeichnet
er eben auch das individuelle Laster. Die
Musik, die bei dieser Veranstaltungsreihe
gespielt wird, sei im Vergleich zu anderen
Events in dem Club und Kulturzentrum
schneller und wilder, sagt Benedikt Getz
vom Bahnwärter-Team.
Einen geeigneten Headliner für den
Abend ist mitTownship Rebelliongebucht
worden. Die beiden Pforzheimer legen fa-
cettenreiche elektronische Musik auf: Ver-
träumtere, sphärische Klänge und unbe-
dingt tanzbare Sounds verschmelzen mit-
einander und schaffen eigenwillige, aber
unangestrengte Stücke. Manche ihrer
Tracks haben international für Aufsehen
gesorgt, etwa „Charlotte“. Der Achtminü-
ter ist auf der Platte „Schneeweiß VI“ er-
schienen, die von Oliver Koletzki herausge-
geben wurde und sich massenweise ver-
kaufte. Bei Koletzkis Berliner Label Stil vor
Talent sind Township Rebellion auch un-
ter Vertrag. Dort erscheinen ihre Tracks
mit so klangvollen Namen wie „Aphrodi-
te“, „Dolores“ oder „Gaia“. Das Duo legt
nicht nur deutschlandweit auf, sondern ist

auch international immer gefragter. Town-
ship Rebellion haben unter anderem bei
dem brasilianischen Szene-Festival Univer-
so Parallelo aufgelegt und starten dem-
nächst ihre erste Tour durch die Vereinig-
ten Staaten.
Neben dem Duo sind bei „Unser Laster“
zwei Resident-DJs des Bahnwärter Thiel
dabei: Dave Marshall und Natanael Meger-
sa. Beide sind bekannt in Münchens Elec-
tro-Szene, legen auch in anderen Münch-
ner Clubs wie dem Harry Klein auf und sor-
gen mit ihren Setlists für ekstatische, aus-
gelassene Tanzstimmung. Am Freitag sind
ebenfalls Jonas 3000, der regelmäßig im
Bahnwärter Thiel zu Gast ist, und Luis Solé
am DJ-Pult. Mit vier Münchner DJs und ei-
nem umtriebigen Headliner kann am Frei-
tag lasterhaft ausgiebig gefeiert werden –
und eins kann auf jeden Fall daheim blei-
ben: der Kunstpelz. anna weiss

Unser Laster, Fr., 21. Feb., 22 bis 5 Uhr, Bahnwärter
Thiel, Tumblingerstraße 29, Eintritt ab zehn Euro,
http://www.bahnwaerterthiel.de

München– Weshalb das Staatliche Sinfo-
nieorchester Russland „Evgeny Svetla-
nov“ sein Konzert in der Philharmonie mit
Anatoli Ljadows sogenanntem Märchen-
bild „Enchanted Lake“ beginnt, ist pro-
grammgestalterisch unergründlich. Si-
cherlich, es gibt von diversen Bläsereinwür-
fen zu berichten, und sie steigern die Ereig-
nisdichte des sanft gekräuselten Con-Sor-
dino-Wohlklangs immens. Dazu merkt
man nach solcher Einstimmung immerhin
besonders deutlich, welch wunderbare
Kompositionen Tschaikowskys Violinkon-
zert und seine vierte Symphonie sind.
Zumal, wenn das Violinkonzert von Ne-
manja Radulović gespielt wird. Radulović
steht keine Sekunde still, tänzelt, dreht
sich mal dem Publikum, mal dem Orches-
ter zu. Aber das ist keine Ausdrucksshow,
obgleich auch als solche wirkungsvoll. Viel-
mehr entsteht der Eindruck eines wirklich
hingebungsvollen Mitempfindens der Mu-
sik. Jede Nuance scheint Radulović auf sei-
nem Instrument mit seinem ganzen Kör-
per auskundschaften zu wollen. Und das

gelingt ihm fabelhaft, denn bei aller Dar-
stellungsgabe lässt er die rein klanglichen
Details nie außer Acht. Herrlich, wie sau-
ber er jede filigrane Verzierung zu Ende
spielt, wie gut selbst in der höchsten Lage
die Intonation sitzt, wie gläsern, aber klar
konturiert in der Canzonetta die Melodie-
linien sind.
Dirigent Andrey Boreyko achtet auf
Radulović sehr aufmerksam. Die Beglei-
tung durch das Orchester ist deshalb ausge-
sprochen präzise, wirkt neben der Agilität
des Solisten jedoch manchmal etwas bie-
der. Was im Orchester steckt, zeigt nach
der Pause Tschaikowskys Vierte. Die Blä-
ser spielen vortrefflich – und Tschaikows-
ky hat ihnen viel musikalisch Substanziel-
les zugedacht. Der Pizzicato-Zauber des
Scherzos ist großartig exakt. Ganz beson-
ders aber fällt auf, wie liebevoll und dicht
im Klang Dirigent Boreyko das Andantino
ausgestaltet. Dann scheppert die Sympho-
nie mit überbordenden Beckenschlägen
fröhlich dem Ende entgegen. Großer Bei-
fall. andreas pernpeintner

München– Schmal ist er geworden, weg
sind die rosig-runden Wangen, dafür
sprießt ein hippes D’Artagnan-Bärtchen.
Klar, Äußerlichkeiten, aber auch in seinem
Bühnen-Tun hat sich Hosea Ratschiller
mit dem Programm „Ein neuer Mensch“
neu erfunden, frei nach Rimbauds „Ich ist
ein anderer“. Der in Wien lebende Kärnt-
ner wollte weg von seinem alten Bühnen-
Ego, mit dem er seit zehn Jahren alle rele-
vanten Kabarettpreise eingeheimst hatte.
Auserzählt sei die Figur, sagt er. Hilfe fand
er bei Petra Dobetsberger, der Regisseurin
von Josef Hader. Und genau an dessen
sprachliche Dichte und theatrale Form des
Einpersonenstücks fühlt man sich erin-
nert, wenn der Enddreißiger in der Lach-
und Schießgesellschaft so klug und smart
in Anekdotenform seinen Alltag durch-
spielt, stets balancierend zwischen tief-
schürfender Weltanalyse und Fun Facts
aus dem Pub-Quiz. Das ist ganz großes Ten-
nis – um mal nicht im Bild zu bleiben.
Die Bilder: Allein, wie er uns die ins Hirn
schraubt! Ein schnöder Gang zum Bäcker


gerät da zum viertelstündigen Mini-Thea-
terstück, bei dem alle Figuren pixelgenau
aufscheinen. Auch das älteste Lebewesen,
der bis zu 400 Jahre alte Grönland-Hai, ist
einem plötzlich so vertraut wie die Lebens-
gefährtin. Oder das Start-up-Unterneh-
men Christoph Kolumbus: Als so grenzen-
los zuversichtlich hatte man dessen Deal
mit dem spanischen Hof nie gesehen. Auch
der Klammer Franz und die Jungs von der
Mondlandung wussten ja nicht, wie ihr
Himmelfahrtskommando enden würde.
Wie Ratschiller das hinbekommt? Er
nennt es Wienerisch „einitheatern“: sich
hineinsteigern in scheinbare Nebensäch-
lichkeiten, und das hat der multipel Begab-
te wirklich drauf. Früher wollte er lieber Pu-
muckl statt Meister Eder sein, immer zu
den Außenseitern gehören – hat nicht ge-
klappt: Heute ist er die Galionsfigur einer
literarisch-philosophisch geprägten Klein-
kunst und Paradebeispiel dafür, was für
eine wunderbare Kunstform dieses Kaba-
rett doch sein kann. Heißen Dank dafür!
(Zusatztermin: 4. April) thomas becker

„Wir wollten seit Langem mit
jemandem zusammenarbeiten,
der unseren Film versteht.“

München Ludwig van Beethovens


  1. Symphonie kann man getrost als einen
    seiner größten „Hits“ bezeichnen. Sie
    bleibt auch dann unverwüstlich erfolg-
    reich, wenn das große Orchester nur durch
    ein vierhändig bespieltes Klavier, Violine
    und Violoncello ersetzt wird. Am Ende die-
    ser furiosen, in gewisser Weise durchaus
    orchestral wirkenden Aufführung im
    Herkulessaal durch Yaara Tal und Andreas
    Groethuysen am Klavier, Sergey Malov,
    Violine, und Raphaela Gromes, Violon-
    cello, brandete der Beifall allenthalben mit
    Bravorufen auf, so prägnant, rhythmisch
    forsch und klangverständlich trafen die
    vier Musiker Buchstaben und Geist der
    Symphonie in dieser ungewöhnlichen,
    aber im 19. Jahrhundert keineswegs unüb-
    lichen Kammerbesetzung. Carl Burchard
    (1818–1896) hat sie angefertigt und auch
    sonst sich mit solchen Bearbeitungen für
    den Hausgebrauch oder zu Studienzwe-
    cken einen Namen gemacht. Das zugegebe-
    ne Andante con moto von Franz Schuberts
    „Unvollendeter“ allerdings eignet sich we-


niger für diese Besetzung bei aller Qualität
der Darbietung. Der Schubert’sche Klang-
strom wollte sich nur schwer einstellen.
Tal & Groethuysen sind weltweit eine In-
stitution in Sachen Klavierduo, sei es vier-
händig wie an diesem Beethoven gewidme-
ten Abend oder sonst an zwei Klavieren.
Sie begannen hochamüsant mit den Varia-
tionen über ein Thema des Grafen Wald-
stein aus den frühen Bonner Jahren, die
schon einiges vom Überraschungspotenzi-
al des Junggenies zeigen. Die große Fuge
B-Dur op. 134, bis heute ein Klotz von scho-
ckierender, ja, verstörender Schroffheit ge-
riet klanglich etwas grau und machte in
der Verengung auf eine Tastatur, immer-
hin eine originale Bearbeitung von Beetho-
ven selbst, einen weniger auffächerbaren
Eindruck als die originale Streichquartett-
fassung. Dafür leuchtete Schuberts späte
f-Moll-Fantasie in ihrer unstillbaren Sehn-
sucht, ihren meditativen Flächen und ihrer
tiefgestaffelten Verzweiflung bis zur Aus-
weglosigkeit bezwingend und bewegend
auf. harald eggebrecht

„Sexismus ist nicht besser,
wenn er gereimt ist
oder als Witz getarnt ist.“

Tutzing– Die Journalistin Meşale Tolu,
die Präsidentin der Bundeswehr- Universi-
tät München, Merith Niehuss, und die Bay-
erische Staatsministerin für Familie, Ar-
beit und Soziales, Kerstin Schreyer, sind
nur drei der vielen Frauen, die sich von


  1. Februar bis 1. März in der Evangeli-
    schen Akademie in Tutzing einfinden wer-
    den, um ein gemeinsames Thema zu disku-
    tieren: „Die Kraft der Frauen – Von Lust
    und Leid des weiblichen Geschlechts“. Das
    ganze Wochenende setzen sie sich damit in
    Vorträgen, Podien und abendlichen Salon-
    Gesprächen auseinander, die Tagung ist
    für jedermann nach vorheriger Anmel-
    dung möglich (Die Kraft der Frauen, Ta-
    gung mit Konzert, 28. Februar bis 1. März,
    http://www.ev-akademie-tutzing.de, Telefon
    08158/25 11 23). Für Studierende gibt es
    Sondertarife, das Übernachten in der di-
    rekt am Starnberger See gelegenen Akade-
    mie ist möglich, aber nicht obligatorisch.
    Zum Programm gehört am 29. Februar
    auch ein Konzert der Komponistin und
    Gitarristin Monika Roscher mit ihrer Big
    Band. her


„Nach zwölf Stunden saß ich im Gefängnis“


Die „Antilopen Gang“ hat schlechte Erfahrungen in München gemacht. Mit der hiesigen Musikszene haben sich


die Hip-Hop-Punks versöhnt und ihr neues Album mit dem Kollektiv C.O.W. produziert. Am Freitag kommen sie in die Muffathalle


Der Gegenentwurf zum Gangster-Rap: Panik Panzer, Koljah und Danger Dan (von links). FOTO: KATJA RUGE

Bildstark


Kabarettist Hosea Ratschiller hat sich neu erfunden


Unverwüstlich


Das Klavierduo Tal & Groethuysen im Herkulessaal


Laster mit Laune


„Township Rebellion“
im Bahnwärter Thiel

Tagung zu Lust und


Leid der Frauen


Hingebungsvoll


Der Geiger Nemanja Radulović in der Philharmonie


KURZKRITIK


HERTZKAMMER



R18 – (^) LEUTE Donnerstag, 20. Februar 2020, Nr. 42DEFGH

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