Frankfurter Allgemeine Zeitung - 20.02.2020

(Darren Dugan) #1
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Wirtschaft DONNERSTAG, 20.FEBRUAR2020·NR.43·SEITE 15

Seite16SSeite20 eite

Fünf Gründe,warumdas


Coronavirusfolgenreicher istals


die Sars-Pandemie.


Werist der Milliardär Wladimir


Jewtuschenkow, der die


Supermarkt-Kette kaufen will?


Wieder BMW-Konzerninseinen


Werken zwei Milliarden Eurosparen


will –ohne jemanden zu entlassen.


GEFAHR FÜR DIEWELTWIRTSCHAFT RUSSISCHERHAUSHERR FÜRREAL MEHRAUTOSFÜR WENIGERGELD

D


ie beidengrößten Show-Ta-
lente aufderBühnederinter-
nationalen Politik machen
ein weiteres Malgemeinsame Sache:
Am Sonntag wirdder amerikanische
Präsident DonaldTrumperstmals in
Indien erwartet.Dessen Ministerprä-
sidentNarendraModi bereitetihmei-
nen Festempfang in seinem Heimat-
staat:Unter anderem lässt er Trump
im Motera-Stadion, demgrößten Cri-
cket-Stadion derWelt, vongut hun-
derttausend Indernbejubeln.
Beide Menschenfänger betreiben
ihreMachtpolitik auchüber soziale
Medien.Trumpverkündet, er sei die
Nummer eins aufFacebook,gefolgt
vonModi alsNummer zwei.Trump
zählt aufTwitter 72 MillionenAbon-
nenten,Modi32Millionen.DieParal-
lelen reichen weiter.Den Trump-Slo-
gan„AmericaFirst“könnteder Natio-
nalistModi unschwer auf sein Land
ummünzen.Beide Staatslenkerstel-
lensi ch alsVertr eterde skleinenMan-
nes dar.Modi weiß genau, dasserge-
gendie Stimmen der Bauernnicht re-
gierenkann. Er mussdie Armen mit
Toiletten,Strom, Wasser und subven-
tioniertemSaatgutstützen.
BeiModisVisiteinHoustonimver-
gangenen September sprachen die
Amerikaner nochdavon, „Träume zu
teilen“. Zumindestbauen sichTrump
und Modi ein ähnliches Imageauf.
Der Amerikaner hat sichvorbei am
Establishment des OstküsteReich-
tum und das höchste politische Amt
erarbeitet.Modi hat es aus kleinsten
Anfängen als „Chaiwala“, alsTeejun-
ge,bis an die Spitze dergrößten De-
mokratie der Erde gebracht.Zwar
mussTrump seine Wiederwahlmital-
ler Krafterkä mpfen, während Modi
in seine zweiteAmtszeit segelte.
Dochringen beide mit Gegenwind:
TrumpgegeneinePhalanxausDemo-
kraten, während Modi sichselbst
eine offene Flankegeschaffenhat.
Zumeinen, weil seine selbsternannte
Reform-Regierung das Land in
eine Wir tschaftskrisegesteuerthat
und auchdas Schaffenvon Arbeits-
plätzen nichtgelingt. Zumanderen
weil Modi nun an die Hindunationa-
listenzurückzahlt, die ihn zweimal
ins Amtgehoben haben. SeineRegie-
rung schränkt dieFreiheitsrechtedes
säkularen Indiens ein und wirddafür
vonden urbanen Intellektuellen hef-
tig angegriffen. Derzeit profitiert
Modi vorallem davon, keine landes-
weite Opposition zu haben.
Trumpund Modiwerden eine Ein-
heit derstarkenMänner zelebrieren.
Dabei müssten sie Probleme lösen:
Die Inder,von denen viele im Silicon
Valleyarbeitenwollen, leiden unter
der verschärften VisapolitikTrumps.
BeideStaaten ringenumMarktzugän-
ge:Die HandelsriesenWalmartund
AmazonfordernniedrigereEintritts-

hürden in den wichtigstenWachs-
tumsmarkt der Welt. Modiweigert
sich, weil seine Kleinhändler Druck
auf ihn ausüben. Die Schwierigkeiten
liegen tiefer,als die Luxussteuer auf
Harle y-Davidson-Motorräder in In-
dien vermuten lässt.Washington will
Zugang fürAgrar-und Medizinpro-
duktegenauso wie für Kreditkarten-
firmen. Indien will den zollfreien Ex-
portvon Stahl und Aluminium sowie
weitgehendeZollfreiheit für eineRei-
he weiterer Güter durchsetzen. Es
wirdein langerWeg.
Das Handelsdefizit Indiens Ameri-
ka gege nüber betrug 2018 immer
noch25MilliardenDollar.Amerikani-

sche Firmen in vestiertenmit 46 Milli-
arden Dollar auf dem Subkontinent
deutlichweniger als die Hälfte der
Summe, die sie nachChina pumpten
und nur ein Sechsteldessen,wassie
in Südostasien halten. IndiensWirt-
schaftsleistung proKopf liegt bei
2000 Dollar,die der Amerikaner bei
rund 63 000 Dollar jährlich. Aber
dank fast 1,4 Milliarden Menschen ist
Indienzurdrittgrößten Wirtschaftsna-
tion Asiens herangewachsen.
DasDefizitwirddurchRüstungsge-
schäftegemildert. Am Montag dür-
fenweiter eVerträg eüber Milliarden
vonDollar für denKauf vonHub-
schrauberngeschlossenwerden. Wie
tragfähig eine Allianz beider Länder
aber wirklichist,bleibt ungewiss.
Amerikanische Kongressabgeordne-
te nehmen durchaus denverhärte ten
Kurs NeuDelhis Pakistangegenüber
wahr,und auchdas Durchregieren in
Kaschmir.Der Einladung Japans und
Aust raliens,gemeinsammit denAme-
rikanerneineKraftimIndischenOze-
anzu werden,verweiger tsichNeu De-
lhi. Zu wichtig istIndien die eigene
Rolle, zu notwendig erscheint einge-
wisserAusgleic hmit dem früheren
Kriegsgegner China.
Wenigstens wollen Trumpund
Modi derWelt einen „Mini-Handels-
vertrag“ präsentieren. Dabeigeht es
vorallem um einen Schaueffekt:Ein
nochsoschmalesAbkommen hülfe
TrumpimWahlkampf, seinePolitik
der Strafzölle als Erfolg erscheinen
zu lassen. Modi, der mit der Eintrü-
bung der Konjunktur und scharfer
Kritik ausländischer Konzerne
kämpft,könntedamit eine scheinba-
re Offenheit Ausländerngegenüber
demonstrieren.Nach dem Mediener-
eignisaber müssteder amerikanische
HandelsbeauftragteRobertLighthi-
zer die Buchstaben mit Inhalt füllen.

D


eutschland braucht dringend
mehr Pflegekräfte.Schon
heutegibt es Altenheime
und ambulante Dienste,die schlie-
ßen müssen,weil sie kein Personal
finden –und Krankenhäuser,die so-
garRettungswagen abweisen müs-
sen. Die Bundesregierung lässt des-
halbnichtsunversucht,um mehrPfle-
gekräf te zu gewinnen.Unterande-
remwill sie verstärkt im Ausland re-
krutieren,inMexiko,aufdenPhilippi-
nen, imKosovo.Diese Bemühungen
habennunjedocheinenherben Rück-
schlag erlitten: Serbien hat angekün-
digt, eine seit vielen Jahren laufende
Kooperation zu beenden.Über diese
sind bisher 787 Pflegekräfte nach
Deutschland gekommen. Das mag
nachwenigklingen,istangesichtsder
mühsamenVisa- und Anerkennungs-
verfahrensowiedersprachlichen Hür-
den aber durchaus beachtlich. Ob an-
dereLänder dem Beispiel Serbiens
folgen werden, is toffen. Dochder
Fallzeigt:ImAuslandPflegekräftezu
finden, istkein Selbstläufer.Deutsch-
land mussbehutsamvorgehen, damit
das gelingenkann. Niemand hatge-
glaubt, dassausländische Pflegekräf-
te alleine dieLücken in Deutschland
schließen können. Dochohne sie
geht es auchnicht.

Muskelspiele in Delhi


VonChristoph Hein, Singapur

D


ie Bundesregierung hat den
Wegfür die Grundrentegeeb-
net. VonJanuar 2021 an sollen
jene Geringverd iener einen
Rentenaufschlag erhalten, die mindestens
33 Jahregearbeitet, Kinder erzogen oder
Angehörige gepflegt haben.Das Kabinett
billigt eamMittwoc hden Gesetzentwurf
vonArbeitsminister Hubertus Heil (SPD),
derseinVorhabenzusammenmitGesund-
heitsministerJens Spahn (CDU)und In-
nenministerHorst Seehofer (CSU)präsen-
tierte.Alle dreiwerteten denKompromiss
als Beleg für die Arbeitsfähigkeit der Gro-
ßen Koalition.
Sehr viel distanzierter positioniert sich
die DeutscheRenten versicherung zu dem
Vorhaben,dasssie jetzt bis zum Jahres-

wechsel umsetzen soll. Zuletzt hattedie
Renten versicherung immer wieder Zwei-
felgeäußert,dassderfürdieEinkommens-
prüfungerforderlicheautomatischeDaten-
austauschmit den Finanzämternrechtzei-
tig funktionierenwerde. Heil nanntedies
am Mittwocheinen „Kraftakt zum 1.1.
2021“.„Aber die Möglichkeit dazuist of-
fen“, sagteer. Die Renten versicherung be-
tonte,si ehabe„aufdeninsgesamtsehrho-
hen Erfüllungsaufwand unddie ganz er-
heblichen Probleme hingewiesen, die mit
der Umsetzungder geplanten Grundrente
verbundensindunddienachwievorbeste-
hen“. Hinzugekommen sei der erhebliche
AufwandbeiderErmittlungundÜberprü-
fungderKapitalerträge.Problematischsei
auch,dassdieRentenversicherungteilwei-
seAufgaben derFinanzverwaltungüber-
nehmen solle.„Vor diesem Hintergrund
sieht dieRenten versicherung auchden
vorgesehenenZeitplan für dieUmsetzung
der Grundrentesehr kritisch.“
TrotzderNachbesserungdesursprüngli-
chen GesetzentwurfesimHinblic kauf die
EinbeziehungvonKapitalerträgen und
Auslandseinkünftenindie Einkommens-
prüfung gibt es in derUnionsfraktion
nachwie vorVorbehaltegegen die Grund-
rente–auchwegendervagenFinanzie-
rung „ausSteuermitteln“. Spahnverwies
auf die „überzeugendeZuversicht vonFi-
nanzministerOlafScholz“füreineFinanz-
transaktionssteuer.DieKosten einschließ-
lichder Beiträgeandie Krankenversiche-
rung betragen nach dem Gesetzentwurf

im er sten Jahr 2021rund 1,3 Milliarden
Euro.Siesteigenbis2025aufrund 1,6Mil-
li arden Euro.
Rund 1,3 Millionen Menschen sollen
dieGrundrentebekommen,70Prozentda-
vonFrauen. DieZahl der Begünstigten
wirdnachdem Gesetzentwurfbis 2030
aufrund1,5Millionensteigen.DieGrund-
rentewerden sie ohnegesonderten An-
trag und unabhängig davonerhalten, ob
sie ihrengeringen VerdienstinVollzeit-
oder Teilzeit arbei terwirtschaftethaben.
Die nach35Jahren selbst erworbenen
Rentenansprüchewerden verdoppelt, al-
lerdingsauf maximal 80 Prozent des
Durchschnittsverdienstes. Einenvermin-
dertenZuschlagsollenauchjeneerhalten,
die 33 Jahrevorweisen können. Ergän-
zend werden Freibeträgefür dasWohn-
geld,inderGrundsicherungfürArbeitssu-
chende und der Sozialhilfefür allePerso-
nen mit mindestens 33 JahreRentenzei-
teneingeführt. So sollen auchjene, die
trotzGrundrenteweiter Sozialleistungen
beziehen, besser dastehen. Einkommen
bis 1250 Eurobei Alleinstehendenund
1950EurobeiPaarenwerdennichtberück-
sichtigt.Was darüber liegt, wirdzunächst
zu 60 Prozentange rechnet. Bei mehr als
1600 Euro(Paare: 2300Euro) Einkom-
men gibt eskeine Grundrente.
Der Vorsitzende desNormenkontroll-
rats,JohannesLudewig,verwies auf die
hohenVerwaltungskostenfür die Grund-
rentevon 400 Millionen Euro im ersten
Jahr und je 200 Millionen Euro in denfol-

genden Jahren. Auch wegenverkürzter
Fristeninder Ressortab stimmung sei die
Rückkopplung mitVerbänden und ande-
renBeteiligtenzuknappausgefallen, sag-
te Ludewig derF.A.Z. „DieFrageder Um-
setzbarkeit spieltbei denVorhaben immer
öfter eineviel zugeringer Rolle. Außer-
demsind Einsparmöglichkeiten nichtge-
nügendgeprüftworden.“
Stellvertrete nd fürviele Wirtschaftsver-
bändebewertet das Handwerkdie Pläne
weiterauchinhaltlich kritisch.ZDH-Präsi-
dentHansPeterWollseifersagte,trotzVer-
änderungen an kleinenStellschrauben,
etwa der Einkommensanrechnung, schaf-
fe der Entwurfneue Unge rechtigkeiten.
„Jeder Beitrags-Euro eines Versicher ten,
der keine Grundrentebeanspruchen
kann, wirdkünftig zu deutlich geringeren
Rentenansprüchen führen als der Bei-
trags-Euroeines Versicherten, der die
Grundrentebekommt.Das widerspricht
diametral de mGrundsatz,dasssichdie
Höhe derRentenachden zuvor eingezahl-
tenBeiträgenrichtet, und dassauf diese
Weise dem Grundsatz der Leistungsge-
rech tigkeitRechnunggetragen wird.“
Der Deutsche Gewerkschaftsbund
nanntedie Grundrenteeinen „akzepta-
blen Kompromiss“. „Bedauerlichist,dass
auf Betreibender Union dasVerfahren
zur Berechnungder Grundrentehöchst
kompliziertistundvielwenigerMenschen
alsnochimursprünglichenEntwurfvorge-
sehenprofitiere nwerden“, sagteDGB-
Vorstandsmitglied AnnelieBuntenbach.

D


ie britische Regierung legt
mit dem Punktesystem zur
Einwanderungssteuerung ei-
nen Planvor, der das Brexit-Verspre-
chen aufgreift. „Takebackcontrol“
lautetedas Motto. LängereZeit gab
es sehr hohe,teils stürmischeZuwan-
derung nachder EU-Osterweiterung,
imvergangenenJahrzehntkamennet-
to nochmaletwa 2,5MillionenImmig-
ranten.DawarderWunschaufder In-
sel groß, die Migration zusteuern
und zu begrenzen. Es istsinnvoll, vor
allem höher Qualifizierte aufzuneh-
men, dieFähigkeiten undStudienab-
schlüsse mitbringen, die eine hoch-
entwickelteWirtschaftbraucht .Sie
sind auchklar Nettobeitragszahler im
Sozialstaat.Gleichzeitigwirddie Min-
destgehaltsschwelle für ein Arbeitsvi-
sumgesenkt.Damitkommt dieRegie-
rung Johnson denWünschen derUn-
ternehmen entgegen. Dassaus den
Wirtschaftsverbändentrotzdemüber-
wiegendKritikkommt,darfnicht ver-
wundern. Sie haben über Jahrevon
billigen zugewandertenArbeitskräf-
tenprofitiert. Wenn eskünftig zu
mehr Knappheit auf dem Arbeits-
markt kommt, müssen die Löhne
mehr steigen. Ein Jahrzehnt nachder
Finanzkrise wäre das ein Resultat,
das vielen Briten gutgefallen würde.

ami./bee. WIEN/FRANKFURT.Die
Bundesregierung hat sichinder Pflege
vielvorgenommen. DieLöhne sollenstei-
gen,Pflegehelfer zuFachkräf tenweiter ge-
bildetwerden, Krankenhäuser und Alten-
pflegeeinrichtungen mehr ausbilden.
Weil all das abervermutlich nichtreichen
wird, um die auf absehbareZeit bis zu
80 000 benötigten Pflegekräfte zu finden,
will Deutschland auchimAuslandver-
mehrtPersonal anwerben. Im Juliwar
BundesgesundheitsministerJens Spahn
(CDU)imKosovo,imSeptemberreiste er
nachMexiko, seine Staatssekretärin
schickteerauf die Philippinen.
Mit seiner Anwerbe-Offensivemacht
sichSpahn jedochnicht nurFreunde.Zu-
mindesthat gerade KosovosNachbarland
Serbienüberraschendundweitgehendun-
bemerktvonderdeutschenÖffentlichkeit
eine Kooperation mit Deutschland zur
Vermittlung vonPflegekräftenausge-
setzt .Dabei geht es um das seit 2013 lau-
fende „Triple-Win-Projekt“ der Deut-
schen Gesellschaftfür InternationaleZu-
sammenarbeit(GIZ)und derBundesagen-
tur für Arbeit (BA). Das Projekt heißt so,
weil alle drei Beteiligten–der Arbeitge-
ber in Deutschland, die ausländischen
Pflegekräfte und deren Herkunftsland –
profitieren sollen. Serbien hat diesen An-
satz bisher unterstützt.MitteJanuar hatte
die Arbeitsverwaltung des Landes noch
eine neueAusschreib ung zur Anwerbung
vonKrankenpfleger naufgelegt.
Im kommenden JahrkönnteSerbien
dieVereinbarungmit Deutschlandnunso-
garganz aufkündigen. Das hat Arbeitsmi-
nisterZoran Djordjevickürzlichauf einer
Pressekonferenz bekanntgegeben. „Wir
können Migration nichtstoppen, aber es
istunangemessen, sie auf irgendeineWei-
se zu fördern, wenn wir alle darüber spre-

chen, sie zustoppen,“ begründete er den
Schritt.Die Regierungsteht offensicht-
lichunter Druck, denn auchdie serbische
Bevölkerung altert–und dieAbwande-
rung wir dzunehmend zum Thema.
Serbiens Staatspräsident Aleksandar
Vučićattackierte Spahn sogar direkt.Die-
ser sei ein „phantastischer,fähiger Ge-
sundheitsminister“, wussteder Präsident
zu berichten, um sogleicheinen Wort-
wechsel mit dem Ministerwiederzuge-
ben: „Er sagt:,Ichkomme nachSerbien
und hole EureKrankenschwestern ab.‘
Ichhabeihm insGesichtgesagt,ichmöch-
te nicht, dassdunachSerbienkommst
und meine Schwestern abholst. Ichschät-
ze dic hsehr,dubistein toller Minister.
Du hastdas bes te Gesundheitswesen der
Welt.Aber komm’nicht nachSerbien.“
Ob die Sätze sogefallen sind, istun-
klar.Das Bundesgesundheitsministerium
inBerlinwill dasnichtkommentieren. Im-
merhin istzuerfahren, dassSpahn und
Vučić sichpersönlichamRande einer
Konferenzbegegnet sind.ImFebruarvori-
genJahres warzudem der serbische Ge-
sundheitsministerinB erlin. Spahn habe
jedochnie aktiv um Pflegekräfte aus Ser-
biengeworben, heißt es.Spahnselbsthat-
te in derVergangenheit mehrfach betont,
man haltesichandie international gülti-
genStandards,wonach Pflegepersonal
nicht in Ländernangeworben werden
soll, in denen es dringend selbstbenötigt
wird. Istder Fall Serbienvorder Parla-
mentswahlEndeAprilalsonurein innen-
politischerSturmimWasser glas?
Manche sehen das anders. Seit 2013
läuftdas „Triple-Win“-Projekt mit immer
mehrStaaten:Neben Serbien sind auch
Bosnien-Hercegovina, die Philippinen so-
wie Tunesien dabei. MitVietnam wurde
inzwischenebenfallseinVertraggeschlos-
sen. DieVermittlungvonPflegekräften

an deutsche Arbeitgeber istaufwändig
und mühsam:BA und GIZkümmernsich
gemeinsam mit der jeweiligen Arbeitsver-
waltung vorOrtdarum,geeignete Bewer-
ber zufinden, organisieren Sprachkurse
und helfen bei denVerfahren zur Berufs-
anerkennung. All das lief bisherruhig
und ehergeräuscharm. Seit demStart
2013 hat das„Triple-Win-Projekt“ nach
Angaben der GIZ 3677 Pflegekräfte an
deutsche Arbeitgeber vermittelt, davon
787 aus Serbien.
Die Projektbeteiligten äußertensich
auf Anfrageder F.A.Z. zurückhaltend
zum Ausder Vereinbarung mit Serbien.
Das sei „für uns natürlichschade, aber
selbstverständlichrespektieren wir diese
Entscheidung“, sagteeine Sprecherin der
BA.Ähnlichformulierte es die GIZ. Die
Aussagevon PräsidentVučićund die im-
plizitenVorwürfe ge genSpahn wollten
beide nicht bewerten. Man wisse aber,
dassein Wechsel vonserbischen Pflege-
kräf tennachDeutschland in Serbien in-
zwischen „kritischer betrachtetwird als
zuvor“, hieß esvonder BA.
Mit den anderenPartnerländernsoll
die Zusammenarbeitweiterlaufen. Schon
im aktuellen „Sachstandsbericht“ des Pro-
jektesvomSeptember wirdjedoch ein
Rückgang des Bewerberpotentials in den
Balkanländern festgestellt.Umdie Zahl
zumindeststabil zu halten, sei eine„Inten-
sivierung der Marketing- undRekrutie-
rungsaktivitäten in engerKooperation mit
den Arbeitsverwaltungen“geplant, heißt
esdarin.Dasdürftejetztschwererwerden.
Anderseits mussder Ausstieg Serbiens
nicht bedeuten, dasskeine Pflegervon
dortmehr denWegindeutsche Kranken-
häuser oder Pflegeheime nehmen,wo das
Gehalt–bei höheren Lebenshaltungskos-
ten–fünf- bis sechsmal so hochausfällt
wie daheim. Professionelle Arbeitsver-

mittlersind auf demFeld weiterhinunter-
wegs. Zum1.Märztritt zudem das deut-
sche Fachkräf teeinwanderungsgesetz in
Kraf t. Beruflichqualifizierte Menschen
ausLändernaußerhalbder EU–Kranken-
pfleger,Mechatroniker,Klempner–sol-
len so leichter dieLück en in Berufen mit
eklatantemPersonalmangel füllen.
Fachleute in Berlingehen zwar davon
aus,dasswegen derweiterhinkomplizier-
tenVisa-Angelegenheiten fürsErstekeine
größeren Zuströme zu erwarten sind.Und
im Gesetz selbstist davondie Rede, dass
man mit 25 000 zusätzlichen Fachkräf ten
imJahrrechne–eineehergeringeZahlan-
gesichts des enormen Bedarfs der Unter-
nehmen.Serbiens PräsidentVučićscheint
das Gesetztrotzdem umzutreiben. Er
fürchte, hatteerEnde vergangenen Jahres
im serbischenFernsehengesagt, dassin
den Zeitungenjetzt Anzeigen erschienen:
„Komm am 1. Märznach Deutschland,
Deutschland wirdeuchalle empfangen.“
Seine Regierung erfährtjedochUnter-
stützungvon unerwarteter Stelle: der deut-
schenWirtschaf t. „Mit Sorge beobachten
wir denTrend zurAbwanderung junger
Fachkräf te nachEuropa, der zumTeil
durch Abwerbeprogramme verstärkt
wird“, sagt Michael Harms, Geschäftsfüh-
rerdes Ost-Ausschusses. In Serbien hätten
600 Betriebe mit deutscherKapitalb eteili-
gung mehr als 60 000 Arbeitsplätzege-
schaf fen. Doch auchihnen fehlten zuneh-
mendFachkräf te,deren Sicherung eine
„zentrale Herausforderung“ Mittelost- und
Südosteuropas sei. Harms wirbt um mehr
Reformeifer .Faktoren wie ein funktionie-
rendes Schulsystem, ein funktionierendes
und qualitativ hochwertiges Gesundheits-
wesen oder einekompetenteVerwaltung
seien „wichtigePunkte,die bei der Ent-
scheidung für odergegeneine Abwande-
rung eine zentraleRolle spielen“.

Waslangewährt: Die MinisterSeehofer (links, CSU), Heil (SPD) und Spahn (rechts, CDU) schickendie Grundrente auf die Zielgerade. Fotoimago images

Trumpund Modiwollen
eine Einheitstarker
Männer präsentieren.
Aber es gibt Probleme.

„HerrSpahn bekommt meine Pfleger nicht“


Deutschlandwill mehrFachkräf te im Auslandanwerben–dochjetztsetztdasersteLanddieZusammenarbeitaus


Grundrentekommt –Fragenoffen


Arbeitsminister Heil


nenn tdie Leistungfür


Geringverdiener einen


„Meilenstein“. Zeitplan


undFinanzierung lassen


aber Zweifel.


VonKerstin Schwenn,


Berlin


Pflegekräfte gesucht


VonBrittaBeeger

Zuwanderungsteuern


VonPhilip Plickert
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