Frankfurter Allgemeine Zeitung - 20.02.2020

(Darren Dugan) #1

SEITE 16·DONNERSTAG, 20.FEBRUAR2020·NR.43 Wirtschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


A


lle Aussagen zu denweltwirt-
schaftlichen Auswirkungen
des Coronavirusgleichen der-
zeitdemSchuss aufein be weg-
liches Ziel:Weder kann man sagen, dass
die Ansteckungswelle trotzdrastischer
Quarantäneaktionen in allen betrof fe-
nen Ländernund China selbstihren Hö-
hepunktüberschrittenhat, nochstehtbe-
reits ein wirksamer Impfstoff zurVerfü-
gung, mit dem sich dieweitere Ausbrei-
tung eindämmenließe. Auf derganzen
Welt her rschen Besorgnis undUnsicher-
heit darüber,obesder chinesischen
Staatsführung nachanfänglichen Be-
schwichtigungsversuchengelingt, so wie
2002/03während derSars-Epidemie die
Bevölkerung schnell vonihrer Hand-
lungsfähigkeit zu überzeugen. Gelänge
ihr das nicht,könntedas Coronavirus am
Ende nicht alsvorübergehendenStörfak-
torinder Wirtschaftsdynamik Chinas
wirken, sondernals tie ferwirtschaftli-
cher undgesellschaftspolitischer Schock,
den zu tilgen es längereZeit bräuchteals
innerhalb einesJahres wie2003.
Scho nerkennbar ist, dassdas Corona-
virus dieWeltwirtschaftdeutlic hstärker
tangiertals das Sars-Virus. Dafür gibtes
fünf Gründe.
 Erstens könnte es dasWachstum von
Chinas Binnennachfragestärkerbeein-
trächtigen als damals. Der Anteil des pri-
vatenKonsums am Bruttoinlandspro-
dukt (BIP) istinChina seit der Krisevon
2008 umetwa 4Prozentpunkte (von 35
auf 39 Prozent)gestiegen.Das klingtwe-
nig, istaber viel angesichts der langen
Zeiträume, die eineUmstellungvon Ex-
port- auf Binnenorientierung einer
Volkswirtschaftnormalerweise in An-
spruc hnimmt.Das Viruskamandersals
Sarszueiner Zeit, in der ChinasKonsu-
menten im Zugeder Neujahrsfeiernbe-
sondersviel nachfragen, insbesondere
Dienstleistungen wieReisenoder Käufe
imEinzelhandel.EinTeildiesesNachfra-
geausfallswegender Quarantäne mag
nacheinerZeit nachgeholtwerden, aber
ein Teil wir dganz entfallen.Obder Staat
den Nachfrageausfall später durch ein
Konjunkturprogramm und/oderdieZen-
tralb ank durch eineexpansiveGeldpoli-
tik kompensierenkann, musszur Zeit of-
fenbleiben.Eswürde sicherteurer als
2003, diesenAusfall zukompensieren.
Das heißt, es müsstemehr Kapital als
2003 aufgebrachtwerden, um denglei-
chen Wachstumseffekt zu erzielen. Denn
die Kapitalproduktivität in China hat ab-
genommen- wie es im Zuge ein es Wachs-
tumsprozesses normal ist.
 Zweitens istebenfalls nochoffen, ob
es nur bei einemgrundsätzlichkompen-
sierbarenNach frageausfall bleibt.Das Vi-
ruskönnteauchdas Angebotspotenzial
Chinas beschädigen,wenn Arbeitskräfte
nacheinemZwangsurlaubgarnicht,nur
teilweise odergesundheitlichnicht voll

belastbar in die Produktionsstätten zu-
rückkehrenkönnten. In diesemFall wä-
rensofor tüber diegrenzüberschreiten-
den Lieferketten auchausländische Pro-
duktionsstätten betroffen. China istviel
stärkerals Lieferant oder Beziehervon
Vorprodukten indieseLieferketteneinbe-
zogen als früher.Betracht et man nur die-
ses Segment des internationalen Han-
dels, hat China nachUntersuchungen der
WTOseit 2005 eine durchschnittliche
Wachstumsratevonjährlich10Prozenter-
zielt.Vor allem als LieferantvonVorleis-
tungen zurWeiter verarbeitung imAus-
land hat China als Akteur an Gewichtge-
wonnen. Fällt alsojetztProduktion inChi-
na aus, trifftdas vorallem diejenigenUn-
ternehmen imAusland, die aufVorleis-
tungen aus China angewiesen sind. Diese
Richtung der Lieferkettenhat es bei der
Sars-Krise so nochnicht gegeben.
 Drittens bestimmt China dieWeltwirt-
schaf tmit Bli ck auf Güterund Dienstleis-
tungen mehr als vierfachstärker als noch
zur Zeit der Sars-Krise. Der Anteil Chi-
nas amWelt-BIPstieg von4Prozentim
Jahre 2003 auf 18 Prozent in 2018. Dies
klingt abstrakt, wirdaber sehrkonkret,
wenn es um Einzelsektoren wie denTou-
rismus geht.ChinesischeAuslandstouris-
tenwaren nachSchätzungen derWorld
Tourism Organization 2017 für fastein
Fünftel der Gesamtausgaben für Aus-
landstourismus verantwortlichvergli-
chen mit2Prozent zurZeit der Sars-Kri-
se. DerAusfall trifftvorallemdie südost-
asiatischen NachbarländerderASEAN-

Region, vorallemThailand, und
schwächt damitwiederum derenNachfra-
ge nachGüter naus anderenRegionen.
EbenfallswegendergewachsenenBedeu-
tungChinaskönnten LänderAfrikas süd-
lich der Sahara, insbesondereimöstli-
chen und südlichenTeil, spürbar betrof-
fensein. Dorthat Chinaerhebliche Di-
rektinvestitionen im Industriegütersek-
torgetätigt.Ohne daschinesische Ma-
nagement, das zur Zeit des Virusaus-
bruchs aufUrlaub in Chinaweilte und
jetzt nicht wiedergleic hzuden Produkti-
onsstätten zurückkehrenkann, dürften
die Unternehmen nichtgleichwertig pro-
duzierenkönnen,vomvielleichtfehlen-
den Importwichtiger Inputs aus China
ganz abgesehen.
 Viertens istdiedeutlichgestiegene
MobilitätvonMenscheninnerhalb Chi-
nas und zwischen Chinaund demRest
der Welt auc hjenseits desTourismus ein
Nährboden fürgrenzüberschreitende ne-
gativeWirkungen des Virus. China istei-
ner der wichtigstenProduktionsstandor-
te ausländischer Investoren, die dort
auchausländischesPersonal einsetzen.
Ebenso ziehtChina Studentenvorallem
aus Entwicklungsländernan. Diese Ma-
nagement-, Lern- und Bildungsketten
sind zurZeit wesentlich beeinträchtigt
und kurzfristig nicht zu schließen.
 Fünftens trif ft der Coronavirus die
Weltwirtschaftnicht in einer Schönwet-
terphase wie 2003, als nochniemand die
große Krise 2008 auf dem Schirmhatte.
Ein chinesischerNach frage- oder Ange-

botsausfallkönntevon keiner Volkswirt-
schaf theute sokompensiertwerden, wie
es200 3möglichwar, abernichtnötigwur-
de. Im Gegenteil: Die handelspolitischen
Konflikt ezwischen denVereinigtenStaa-
tenund China, dievorübergehend ent-
schär ft scheinen, aber nichtgelöstsind,
sind ein wichtigerStörfaktor für die Be-
wältigung der wirtschaftlichen Folgen
des Coronavirus. Sollte daschinesische
Wachstum, wievonchinesischen Ökono-
men aus dem Finanzse ktor prognosti-
ziert, von5,6 Prozent auf 5,3 Prozent in
2020 zurückgehen und sollten ASEAN-
LändersowieRussland, Japan,und Südko-
reawegen desVirusauchihre Prognosen
herabsetzen,könntedas ChinasKapazi-
tätfür weiter eImporte drücken. Dabei
hatteChina im jüngstenHandelsabkom-
men mit denVereinigtenStaaten zuge-
sagt, das Importvolumen amerikanischer
GüterzumVergleichsjahr2017zuverdop-
peln.Will China vertragstreu bleiben,
müssteesimportie ren,obgleichdieNach-
fragefehlt:eine riesigeRessourcenver-
schwendung zu LastenChinas undvon
Drittländern. SolltesichChina weigern,
gleichzeitig den Marktkräftenfolgen und
eine Schwächung derchinesischen Wäh-
rung hinnehmen,könntedas das Ende
des Waffenstillstandes mit denVereinig-
tenStaaten und dasWiederaufflackern
des Handelskrieges bedeuten.
Noch immer sind die Sars-Epidemie
und ihrewirtschaftlichenKonsequenzen
das Richtmaßfür dieFrage, wie hochder
weltwirtschaftliche Schaden des Corona-
virus sein dürfte. DieserVergleich war
anfangs angebracht.Aber die Anzeichen
mehren sich, dass dieses Richtmaß nicht
mehr dasrichtigeist.Zugroßscheint die
Distanzzwischen schnellerVerbreitung
einerseits und fehlenden Erfolgen bei
der Entwicklung einesImpfstoff gegen
dasVirusanderseitszusein, als dassman
wie 2003 nur voneinemtemporären
Nachfrageschockund nicht auchvon
eine länger wirksamen Angebotsschwä-
chung sprechen müsste. Über zu viele
real- undfinanzwirtschaftlicheKanäle
istChinaheutemit demRest der Welt
und besonderenRegionen wie Südost-
asien und Afrikaverbunden, als dassder
Virus alleinChina schädigendürfte. Und
zu breit scheinen dieVerbreitungswege
der Ansteckung bei hoher personeller
Mobilität zu sein, als dassalleinQuaran-
täne das Virus schnell austrocknenkann.
China hat heute,andersnochals zu
Zeiten derSars-Krise,ganz andereFähig-
keiten wissenschaftlicher,wirtschaftli-
cher und politischer Art, das Coronavi-
ruswirksam zu bekämpfen. Es istnoch
kein Hocheinkommensland mit einerlan-
genTradition an ausgefeilter Primärge-
sundheitsversorgung, abereskann diese
Versorgung aufbauen,wenn Menschen
Vertrauen in die Informationen und Maß-
nahmenderZentralregierung undderun-
tergeordnetenGebietskörperschaften ha-
ben. Daher istdas Coronavirus auchder
Testfall dafür,obsichVerhaltensmuster
zwischen derchinesischen Be völkerung
und den Institutionen entlang der Prinzi-
pien vonTransparenz undÜberprüfbar-
keit bilden. Diese Mustersind auchdie
Voraussetzung dafür,dassexterne Hilfe,
die vonChina erwünscht undvomRest
der Welt sofortangebotenwurde, auf
fruchtbaren Boden fällt.

Rolf Langhammer istHandelsforscher am
Kieler Institut fürWeltwirtschaft(IfW).

Ein Vir usb edrohtd ie Weltwirtschaft


Aufeinsamer Flur: Ein Krankenhausmitarbeiter in derStadt Yich ang FotoReuters

ash. FRANKFURT. Das Hickhackzwi-
schen den Bundesländern, wieweit und
unter welchen Bedingungen dasstaatliche
GlücksspielmonopolinDeutschlandgeöff-
netwerden sollte,hatnun auchdie Daten-
schützeralarmiert.„Was als Schutzvor
der Spielsuchtgedacht ist, führtzur Total-
überwachungundBevormundung.Diefür-
sorgliche Beobachtung durch den Staat
geht zu weit. Es fehlt dieVerhältnismäßig-
keit“,sagtePeterSchaar,langjährigerBun-
desbeauftragter für den Datenschutz und
die Informationsfreiheit, derF.A.Z.
Schaar betonte, dassdie Zielsetzungen,
welche mit dem Entwurfdes neuen
Glücksspielstaatsvertrags verfolgtwür-
den, absolutrichtigund nachvollziehbar
seien.EsbestündeeinöffentlichesInteres-
se,denGefahrenvonSpielsuchtentgegen-
zuwirkenund Geldwäsche zu bekämpfen.
„Trotzdem halteich die vorgesehenenRe-
gelungen aus Datenschutzsichtfür mehr
alsbedenklich.Siewiderspreche ndenVor-
gabenderDatenschutzgrundverordnung.“
Die angedachte zentrale Spielerdatei sei
nichts anderes als eine anlasslose zentrale
Vorratsdatenspeicherung.Schaar hat für
den Verband fürTelekommunikation und
Medien, dem auchUnternehmen der
Glücksspielbranche angehören, ein Gut-
achten erstellt.
Am Mittwochfand in Düsseldorf auf
Einladung derStaatskanzleiNordrhein-
Westfalens einenichtöf fentlicheVerbän-
deanhörung zur „Neuregulierung des
Glücksspielwesens“ statt.Zuvor hatten
sichdie Bundesländer nachjahrelangem
Gezer reaufeineÖffnungdesGlücksspiel-
marktesverständigt.Vielen privaten An-
bieter ngeht dieTeilliberalisierung des
Marktes (außer Lotterie) nichtweit ge-

nug. Länder wie Hessen oderSchleswig-
Holsteinpropagierenfreiere,aberkontrol-
li erte Rege ln auc hfür Pokerund Casino
imInternet.Vorallem vonderSPDgeführ-
te Landesregierungen tun sichdagegen
mitder Öffnung desstaatlichen Monopols
weiterhin schwer.Unter derFührung der
DüsseldorferStaatskanz lei wurde zuletzt
ein Staatsvertragsentwurferarbeitet,der
vonMittenächs tenJahres angelten soll.
BedenkenäußertauchdieDatenschutz-
beauftragtedesLandesNordrhein-Westf a-
len, HelgaBlock. Das geht aus einer Stel-
lungnahmeandas Landesministerium des
Innern in Düsseldorf hervor. Durch die
Gesetzesänderung sei es nicht möglich,
anonym zuwetten. JedeWettesei aufdem
Spielerkontoregistriert,wirdmonier t.Per-
sonenbezogene Daten aller an Sportwet-
tenteilnehmenden Spieler würden erho-
ben undgespeichertwerden und damit
auchsolcher ,diekeineSuchtproblemehät-
ten.„EshandeltsichmithinumeinenEin-
griffindas informationelle Selbstbestim-
mungsrecht mitgroßer Streubreite, und es
erscheint insoweit fraglich, ob ein solcher
Eingriff für eine wirksame Spielsuchtbe-
kämpfung erforderlic hund angemessen
ist“, schreibtBlock.
Gewarntvor einemzu großen Überwa-
chungsapparat hatteauchschon der In-
nenminister Hessens,PeterBeuth (CDU).
Einen„gläsernen Spieler“ dürfe es nicht
geben. Der Entwurfdes Staatsvertrags
siehtunter anderemdas Sammeln persön-
licher Daten zurKontrolle aller Spieler
undeine „zentraleDateizurLimitüberwa-
chung“ vor. Aufder Ministerpräsidenten-
konferenzam 12. Märzwollendie Länder-
chefsendgültig über denStaatsvertrags-
entwurfbefinden.

itz.BERLIN.Die deutschen Hausärzte
sindbesorgt,dassdieLieferengpässefür
Medikamentewegen des Coronavirus
nochzunehmenkönnten. „Möglicher-
weise verschärft sichdas, wenn die Chi-
nesen jetzt nochmehr Städteund Fabri-
kenabriegeln“,warnt eder Bundesvor-
sitzende des Hausärzteverbands, Ulrich
Weigeldt, in Berlin.Der Preisdruckin
der Pharmaindustriehabe zu einer be-
sorgniserregenden Konzentration auf
wenigeStandorte und zur Einschrän-
kung der Produktvielfaltgeführt.Falle
einesderWerkeaus,gefährdedasinEin-
zelfällen den Gesamtmarkt.
Weigeldt erinnerteandie Knappheit
desSchmerzmittels IbuprofenimJahr
2018, nachdemdie Produktion von
BASF in Texasausgefallen war. Schuld
ande nEngpässenseienauchübertr iebe-
ne Rabatte für Arzneien,weil si ch deren
Herstellungoft nur nochanBilligs tand-
ortenwie Indien oderBangladeschloh-
ne. Hinzu komme, dassChina einen
Groß teil der dortproduzier tenPräpara-
te selbst brauche,weil die Mittelschicht
größersei al sdie Be völkerung Europas.
Um die Versorgungssicherheitin
Deuts chland zu erhöhen, müsstedie
Wirkstoffhe rstellung eigentlichzurück-
kehren, dasseiaber unwahrscheinlich:
„Wir warenmal die Apothekeder Welt,
dasis tvorbei.“InseinemGesetzentwurf
füreinen „fairen Kassenwettbewerb“
hatteGesundheitsministerJens Spahn
(CDU)kürzlicheine strengere Überwa-
chungundeinbessere sLagersy stemvon
Arzneienangeregt.„Ob dieseVorrats-
haltung wirklichetwas bringt,musssich
noch erweisen“,sagteWeigeldt.

Hartins Gericht ging der Mediziner
mitSpahnsPlänenzurEinführungeiner
elektronischenPatientenakte(ePA) von
2021 an. Dazuwaren kürzlichDetails
imReferentenentwurfzumPatientenda-
ten-Schut zgesetz (PDSG) bekanntge-
worden.Zumeinenseiesfalsch,dassPa-
tientenauf die InhalteEinflus snehmen
und auswählen könnten,welcher Arzt
welche Informationen erhalte,sagte
Weigeldt. Zum anderen beeinträchtige
die Bürokratiedie Arbeitsabläufeinden
Praxen: „Dann bleibtweniger Zeit für
diePatienten.“DieePAverursache„Da-
tenfriedhöfeungeahnten Ausmaßes“,
las se aber Sinnvollesnicht zu,etwa dass
Klini kenundHausärztegegenseitigEin-
sic ht in die Behandlungeines Patienten
nähmen. „EPAist für uns uninteressant,
es is teine vertane Chance.“Zuvor hatte
schon dieKassenärztlicheBundesverei-
nigung den im PDSGfestgeschriebenen
Patientenanspruchkritisiert, dassÄrzte
die Aktebefüllen müssen und dafür
eine einmaligeVergütungvonnur zehn
Euroerhalten.
Lobkam vonWeigeldtfürdieNeufas-
sung der Approbationsordnung. Es
gebe genügend „gestandene Hausärz-
te“,um,wievorgesehen,Medizinstudie-
rende in ihrem Praktischen Jahr zu be-
treuen und dieAusbildung in der Allge-
meinmedizin zustärken. Spahns Ent-
wurfzur Reform der Notfall versorgung
nannteer„hinreichend unausgegoren“.
Soseiunklar,welche Rechtsfor mdiege-
planten IntegriertenNotfall zent rener-
hielten, wie dieVerträgemit den Ärz-
tenunddie Haftungsregeln ausgestaltet
würden und wie dieVersorgung auf
dem Land sichergestelltwerden könne.

mkwa.MOSKAU.Seit Beginn dieses
Jahres hatWeißrussland ein Problem:
Russland liefert zu wenig Öl an das
Nachbarland. DiezweiRaffineriendes
Landes arbeitenimMinimalbetrieb,
undMinsk entgehenwichtig eEinnah-
menaus de mExportder weiter verar-
beitetenProdukte.ZumEndevergange-
nenJahres warendie bisherigenLiefer-
verträge ausgelaufen, und aufneue
konnte sich Minskbisher nur mit ei-
nemrussis chen Unternehmen einigen:
Statt derbenötigten zwei Millionen
Tonnen habeman im Januarnur
500 000 Tonnen erhalten, beklagte
sich Weißrusslands PräsidentAlek-
sandrLukaschenka.
Denndie Bedingungen habensichge-
ändert, seitRussland 2019 das soge-
nannte „Steuermanöver“ in Kraftge-
setzthat.Damit werden bis2024schritt-
weise dieAusfuhrsteuernauf Rohöl ge-
senkt und dieAbbausteuernerhöht,
wasden Exportstärken soll.Fürrussi-
sche Abnehmerwerden di ehöherenAb-
gaben kompensiert. Ähnlichesgalt bis-
her auchfür Weißrussland: Minsk be-
kamdas Ölsteuerfrei zumVorzugs-
preis, der für ein Barrel2019 durch-
schnittlich beirund 50 Dollar lag. Doch
der Kreml will demNach barnnur dann
weiter Sonderpreise für Öl und Gasge-
währen, wenn Minsk einer tieferen „In-
tegration“ in einengemeinsamen „Uni-
onsstaat“ zustimmt.Dagegensträubt
sichLukaschenka, der einen Macht-
und Souveränitätsverlustbefürchtet.
Am vergangenenFreitag setzteerin
dem Streit wieder einmal sein wichtigs-
tesDruckmittel ein: SollteRussland
nicht bald mehr Öl liefern,werdeman
die fehlenden Mengen aus der Pipeline
„Druschba“ (Freundschaft) entneh-
men, dierussisches Öl durch Weißruss-
land in die EU leitet,etwaüber Polen
nachDeutschland.Daraufhinreiste die-
se Woche der mächtigeChef vonRuss-
landsstaatlichkontrolliertemÖlkon-
zernRosneft, Igor Setschin, zu Gesprä-
chen mit LukaschenkanachMinsk.

Dortbeteuerte Setschin, Moskau sei
„konstruktivgestimmt“undes seiwich-
tig, weiter zusammenzuarbeiten.
AnfangFebruar warensichbeide Sei-
tennacheinem TreffenLukaschenkas
mitRusslandsPräsidenten WladimirPu-
tin schon näher gekommen. Moskau
versprach, in diesem Jahr nochGas
zum Preis von2019 zu liefern.Und
Minsk erklärte sichbereit,russisches
Öl zum„Weltmarktpreis“ zu erwerben.
Dochwirdnun nochumPrämienge-
stritten, dierussische Lieferanten bis-
her vonweißrussischenAbnehmernals
„netback“ bekamen,wozu diese aber
wegendes höheren Preisesnicht mehr
bereit sind.
Die„Druschba“-Pipeline istLuka-
schen kasstärkstes Argument in den
Verhandlungen, dennRussland istfür
seine Öl-Exporte nach Europa auf sie
angewiesen. So meldeteWeißruss-
lands staatlicher Ölkonzern„Belnefte-
chim“kürzlichdrohend,wegender feh-
lenden Liefermengen ausRussland
werdenun technisches Öl, das für den
Pipeline-Betrieb benötigt wird, ausder
„Druschba“entnommen–allerdings
nur aus denAbzweigungen, die zu den
beidenRaffinerien Weißrusslandsfüh-
ren. Auf denTransithat da sbisherkei-
ne Auswirkungen.
Ohnehin istnicht zu erwarten, dass
sichder Streit auf die Öllieferungen in
die EU auswirkt, dennRuss land dürfte
viel darangelegen sein, eine abermali-
ge Störung zu vermeiden. Erst im April
vergangenen Jahreswarmit Chloriden
verunreinigtes Öl durch die „Drusch-
ba“ geflossen und hatteAbnehmer in
der EUverärgert. Neben Drohungen
mit der „Druschba“ bemüht sichLuka-
schenkanachKräften, die bestehende
Abhängigkeit seines LandesvonMos-
kaukleinzureden. So betont er ,man
werdeauchÖlaus anderen Ländern
kaufen, selbstwenn diesteurer sei als
das russische. Seit Jahresbeginn hat
Weißrussland lediglichinNorwegen
86 000Tonnen Ölgekauft.

ppl. LONDON.Die konservativebriti-
sche RegierungvonBoris Johnson hat
für dieZeit nac hder Br exit-Übergangs-
frist, also ab Januar 2021, eineSteue-
rungundKontrollederImmigrationmit
einem Punktesystem beschlossen. Da-
beiwerdendieHürdenfürgeringqualifi-
zierte Zuwanderer höhergesetzt .Groß-
britannienwolle „die Klügstenund Bes-
tenvon überall aus derWelt“ anziehen,
sagteInnenministerin PritiPatelam
Mittwoch. Sie nanntedas neue Punkte-
system „einen historischen Moment für
das ganze Land“. Damitwerdedie freie
Bewegung vonZuwandererngestoppt,
und Großbritannien erhaltewieder die
Kontrolle über seine Grenzen. Aus der
Wirtschaf tkamen gemischte, teils sehr
kritis cheReaktionen.DieLabour-Oppo-
sition nanntedas Sy stem sogar unter-
schwellig rassistisch, weil Englisch-
kenntnisseverlangt werden.
Kernstückder Zuwanderungssteue-
rung wir dein Punktesystem sein, wie es
etwa in Australien praktiziertwird. Ein
ZuwanderermussnachdenPlänenkünf-
tig mindestens 70 Punkteerreichen für
ein Arbeitsvisum.Unbedingtnotwendig
istein Arbeitsangeboteines britischen
Arbeitgebers, dieses gibt 20 Punkte.Für
eine Arbeitsstelle mit einem bestimm-
tenhöheren Qualifikationsniveau gibt
es weitere20Punkte. Englischkenntnis-
se zählen zusätzlich10Punkte.Weitere
fachliche Qualifikationen, die Höhe des
Gehalts,einDoktorgradinNaturwissen-
schaf tenoder eineStelle in einem Be-
reichmitFacharbeitermangelgebenwei-
terePunkte.ImGegenzugfürdiestrikte-
re Prüfung der Qualifikation wirddie
Mindestgehaltgrenze gesenkt, von
30 000 auf 25 600 Pfund (30 700 Euro)
Jahresgehalt.Für „Mangelberufe“ wird
die Schwelle auf nur 20 480 Pfund
(24 580 Euro)gesetzt .Dazu gehören ge-
genwärtig mehr als dreißig Berufe, dar-
unter Kranken- und Altenpflegeperso-
nal, Ingenieure, Biologen und Physiker.
Auch N achwuchswissenschaftlerkön-
nen mitgeringem Gehalt einVisum be-
kommen.Fürdas Jahr 2020 wirdein
Kontingent für Saisonarbeiter alsErnte-
helfer in der Landwirtschaftvon 2500
auf 10 000 erhöht.

Der Wirtschaftsverband CBI begrüß-
te einigeAspekteder neuen Migrations-
politik, vorallem dieAbschaffungvon
Obergrenzen fürVisa für Qualifizierte,
einneuesVisumfürausländischeStudie-
rende nachihrem Abschlus sund diege-
senktenVerdienstschwellen.„Nichtsdes-
totrotzwerden sichUnternehmen in ei-
nigen Bereichen fragen, wie siekünftig
die für ihr Geschäftbenötigten Arbeits-
kräf te re krutierensollen“,sagteCBI-Di-
rektorin CarolynFairbairn. Die Arbeits-
losigkeit sei schon jetzt niedrig.Unter-
nehmen in der Pflege, in der Baubran-
che, im Hotel- und Gaststättengewerbe
sowie in der Nahrungsmittelindustrie
wärenvon derrestriktiverenPolitikbe-
trof fen. Der Bauernverband National
Farmers’ Union äußerte „ernste Sor-
gen“, weil die Bedürfnisse der Landwir-
te nicht anerkannt worden seien. Die
Food and Drink Association kritisierte,
dassdie Fleischindustrie nicht auf der
Liste der Mangelberufestehe.
DerbritischeArbeitsmarkthatsichin
den vergangenen Jahren gut entwickelt,
die Erwerbslosenquote istauf 3,8 Pro-
zent gesunken. Besondersauf Baustel-
len oder in der Landwirtschaf twerden
viele osteuropäische billigeArbeitskräf-
te eingesetzt.Fasteine MillionPolen,
HunderttausendeRumänen und Bulga-
rensowie Baltenkamen nachder EU-
Oster weiterung. DieserZustromwürde
nachdenneuenRegeln wohl gedrosselt.
Schätzungen zufolgewürdenetwa 70
Prozent die Qualifikationshürden nicht
erreichen. Die Immigration lag zuletzt
stetsüber dervonJohnsonsVorgänge-
rinTheresa Mayversprochenen Ober-
grenze von100 000 Zuwanderern.Nach
den jüngstenStatistiken des Innenmi-
nisteriums wandertenimBerichtsjahr
bis Juni 2019rund 610 000 Menschen
ins Königreichein. Fast 400 000verlie-
ßen es; das ergabeine leichtgesunkene
Nettozuwanderungvonetwas mehr als
210 000Personen. DieImmigrationaus
EU-Ländern sinkt seit 2016, dem Jahr
des Brexit-Votums, zuletzt auf 48000
netto. Dagegen nahm die Nicht-EU-Im-
migration auf netto229 000 zu. 65 000
Britenverließen nettodas Land.

„Dasführtzur Totalüberwachung


und Bevormundung“


Datenschützer kritisierenneue Glücksspielregulierung


Hausärztewarnenvorweiteren


Lieferengpässen für Arzneien


Coronavirus bedroht Lieferketten


DerWirts chaftsforscher


Rolf Langhammer nennt


fünf Gründe,warum das


Coronavi rusernstere


Folgen für die


Weltwirtschafthaben


wirdals Sa rs.


Weißrussland droht


mit der „Druschba“-Pipeline


Minskund Moskaustreiten über Ölund Gas


Großbritannienplant


Punktesystem für Zuwanderung


Einkommensschwelle bei 25 000 Pfund


Quelle: Office ofNationalStatistic. DieWertesind Schätzungen F.A.Z.-Grafik Niebel

Migration in das Vereinigte Königreich

Dez. 2009

in Tausen dinTausend

Auswanderung

Migrationssaldo

EU-
Referendum
Juni 2016

Einwanderung

EU

Nicht-EU-Länder

Juni 2019 Dez. 2009 Juni 2019

Ein- und Auswanderung Herkunft der Einwanderer

100

200

300

400

500

600

700

0

50

100

150

200

250

EU-
Referendum
Juni 2016
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