FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Sport DONNERSTAG, 20.FEBRUAR2020·NR.43·SEITE 27
Der HamburgerAnwalt Frank Koch ist
Partner derKanzlei Taylor Wessing. Im
Jahr 2017 hat er die DaimlerAG beraten,
als diese für 41,5 Millionen EuroAnteile
anderVfBStutt gart1893AG,de rAusglie-
derungderProfiabteilungausdemStamm-
verein, er warb. Derzeit hält der Autokon-
zern11,75ProzentderAktienam schwäbi-
schen Zweitliga-Fußballbetrieb.Sie haben im Sommer 2017, als Neymar
für 222 Millionen Euro nach Paris wech-
selte, unserer Zeitunggesagt, dass Sie
das Financial Fair Play der Uefa für ge-
scheiterthalten. Wasmacht da der von
der UefaausgesprocheneAusschluss
ManchesterCitys aus derChampions
League für einen Eindruck?
Bisherwaresso, das sman den Eindruck
hatte: Diegroßen Klubs wirdman nicht
anfassen,dieParisSt.Ge rmainsund Man-
chesterCityswirdman nicht ausschlie-
ßen wollen, weil es das Produkt Cham-
pions Leaguekaputtmacht.Soscheint es
nicht mehr zu sein. Dasfing letztes Jahr
an mit demAC Mailand, auchwenn die
nicht mehr dieganz große Strahlkraftha-
ben.UndnuneinerderGroßen,Manches-
terCity.Man könnte den Eindruckha-
ben: Es tut sichwas bei der Uefa, man
traut sichandie Großen heran. Es gibt
nochdie Einspruchsmöglichkeitvordem
Cas, dem Sportschiedsgericht, aber auf
das Verfahren hat die Uefaformalkeinen
Einflussmehr.Aus ihrer Sicht hat die
Uefadie Maßnahmeergriff en. Aber was
hat sichdenn verschoben bei der Uefa?
Für michist FFP immer nochgescheiter t.Warum?
Für welches Problem istFFP die Lösung?
Das verstehe ic hnicht.In diesemFall fürdas Vorschieben von
Sponsoren, so scheintdie Uefa es zu se-
hen, wenn hinter dem Geldtatsächlich
derInvestor steht.
Richtig.Aber wardas dasgroße Problem
des Fußballs?FFP hat zwei Aspekte: Ers-
tens nicht mehr auszugeben als einzuneh-
men,grob zusammengefasst.Wirtschaftli-
cheStabilität, damit einVerein nicht im
laufendenWettbewerb pleitegeht.Dage-
genkann keiner etwa shaben. Hiergeht
es aber zusätzlichumEinnahmen. Es
wirdgesagt:Nicht jede Einnahme istgut.
Die Einnahmen voneuren Investoren
sind eigentlichschlecht, diewollen wir
nicht .Deshalb dieKunstg riff e, wennman
unter stellt, dassessoist,wie die Uefa
nun zuglauben meint.Löse ic hdamit ein
großes Problem desFußballs?Esgibt vie-
le Ungleichg ewichte.Hatsich Ihre Sicht auf FFP in den zwei-
einhalb Jahren seit Neymars Wechsel
also gar nicht geändert?
Ichglaube nachwie vor, dassman den
falschen Ansatzfährt, wenn man nur
sagt,Investorengeldistschlecht .Geldströ-me abzuschneiden,wenn manfinanzielle
Stabilität möchte, istfür michein merk-
würdiger Ansatz. Der Titel„Financial
FairPla y“ is tirreführend.Ungerechtigkei-
tengibt es viele,bestesBeispiel istdie
englischeTV-Vermarktungssituationge-
genüber der Bundesliga. Istdas gerecht?Das ist der Markt. Die Liga ist interes-
santer.
Richtig.Aber das gilt
genauso für Investo-
ren. Das istmein
Punkt: Niemand hat
dieMenschengezwun-
genzuinvestieren. Ich
halteInvestorengeld
nicht für schlechter
als TV-Gelder.Würden Sieempfeh-
len, deswegen die 50+1-Regel,die ver-
hindert, dassInvestoren dieStimmen-
mehrheitbei denProfiklubs erlangen,
abzuschaffen?
Das wäre der zweiteSchritt. Aber ic hfin-
de die reine FFP-Betrachtung irrefüh-
rend.DieangeblicheSorge umdieAbhän-
gigkeitvoneinem Investor,die is tauch
bei Fernsehsenderngegeben. Bei Setanta
gabesdas in England (in der Saison2009/10; d.Red.). Wenn Sky morgenauf-
hörtzuzahlen, hat die Premier League
auchein Problem.Sehen Siedurch dievermehrteAnwen-
dun gdes FFPdie 50+1-Regel gestärkt?
Die DFL erreicht wirtschaftlicheStabili-
tätüber die sehrstrengeLizensierung. Es
geht kein Verein während der Saison plei-
te.Das is tsehr er folgreich. 50+1 istder
zweit eAspekt.Esgibt ja Investoren, nur
eben nicht so viele,wegen50+1. Würde
das aufgehoben, würde es nicht automa-
tischbedeuten,dasswir auf strengeLizen-
sierungverzichten. Ichglaube nicht, dass
sichdurch Investoren dieStabilitätver-
schlechtert.Ist die Maßnahme gegen Manchester
Cityein Zeichen an die kleinen Verbän-
de: Schaut her, vor denGroßen schre-
ckenwir nicht zurück?
JederVerband hat eineStimme. Es ist
eine denkbareErklärung, dassder politi-
sche Druckzugroßwurde.Treiben diese Sanktionen,wenn sieBe-
stand haben sollten vordem Cas, die
acht,zehn,zwölf größten Vereinewieder-
um in die Arme der Fifa oder einerselb-
ständigen SuperLeague?Ichglaube, dassdiese Superligaimmer
nur so langegut ist, wie man damit dro-
hen kann. Wenn man sichvorstellt, sie
kommt, dann istsie ein, zwei Jahresehr
attraktiv: die Bestender Bes ten. Aber ab
der dritten Saison gibt es auchdagute,
mittlere,schlechtereVereine.SovieleVer-
eine sind dann dochnicht bereit, aus ih-
remMarkt auszuscheren.Eine Frage an Ihr Rechtsempfinden:
Die Strafe gegen Manchester City beruht
nicht zuletztauf „Football Leaks“, ei-
nem Hack,dessen VerursacherinPortu-
gal der Prozess gemacht werden soll.
Kann ein Klubbestraftwerden auf
Grundlage von Beweismitteln, die wo-
möglich widerrechtlicherlangt wurden?
Das macht die Sache in derTatspannend,
wenn dieStrafefür ManchesterCity tat-
sächlichdarauf fußt.Esgibt die Lehre
vonder „F ruchtvom verbotenen Baum“,
vonBeweismittelverboten. Mit dem
Rechtsempfinden istesimmerkompli-
ziert. Im Strafrecht mussmir der Staat be-
weisen, dassich Unrechtbegangen habe,
und das musserauf legaleWeise tun.Wir
sind aber nicht imStrafrecht und nicht
beim Staat.Letztlichgeht es um die Mit-
glieder der Uefa. Sie hat niemanden be-
auftragt, Computer zu hacken. Dannwä-renwir uns einig, dassdas nichtrichtig
sein kann. Aber ein Zufallsfund–dawird
die Abwägung kompliziert.Der Cas hat in derVergangenheitwider-
rechtlicherstellte Mitschnittezum Bei-
spiel von Journalistenals Beweismittel
zugelassen.Etwa in Prozessen gegen
Fifa-Funktionäre, die ihre Stimmever-
kauft haben.IndiesemFall konntedie
Uefadie Vorwürfe auchinden Medien
lesen.
Wenn diese Informationen in derZeitung
stehen,kann die Uefakaum sagen: Das
ignorieren wir.Das wäre ja weltfremd.
Dann wirdman das sicher auchverwer-
tenkönnen.WelcheZukunft gebenSie de mFFP?
Dassichesuntauglichfinde,is tmeinepri-
vateMeinung.WennderCasdie Entschei-
dung aufrechterhält, istesein Schritt zur
Verfestigungdes Sy stems. Aber es liegt in
der menschlichenNatur,dassauchinZu-
kunftnicht alleregelkonformsind. Ich
glaube nicht, dasssie aufhörenwerden,
dieGrenzenauszutesten. Wirbleibenper-
manent in einer Grauzoneder Be wer-
tung.In der, sofern die Strafe hält,Manches-
ter City künftigen Investoren zeigt, wie
man es nicht macht.
Genau. Jeder lernt daraus.Wo es Regeln
gibt, werden sie ausgetestet.Das Gesprächführte Christoph Becker.L Foto AFP
angstreckentriathlon, Ironman:
Wieschön geordne talles warin
den vergangenen Jahren! Jeder
hatteseinen Platz, dieFronten
warengeklärt. Dochnun geht es plötzlich
drunter und drüber.Wenn am 28. Juni in
Frankfurtdie Ironman-Europameister-
schaf tstattfindet, wirddortdie Spitze der
Athletenfehlen. Sie wirdeine Wochespä-
terbeider ChallengeRothandenStartge-
hen, einem Langstreckenrennen, das
nicht zur Ironman-Dynastiegehört. Jan
Frodeno,TimÓ’Donnell, SebastianKien-
le bei den Männern, Anne Haug,Lucy
Charles-Barclayund Sarah Crowley bei
den Frauen –die je weils drei Bestplazier-
tenderIronman-WMauf Hawaiivomver-
gangenen OktoberstarteninRoth, was
für Frankfurtein besondersschmerzhaf-
terVerlus tist,weilmitFrodenoundAnne
Haug erstmals beide Weltmeisteraus
Deutschlandkommen.Wiehaben es die
Rothergeschafft,alleTopstarsnachFran-
kenzulocken? Mit hohenStartgeldern–
und dem Charme derTradition.
Die Wiegedes Ironman-Triathlons in
Deutschlandstand inRoth. 1988 hatte
DetlefKühnel,einer dererstendeutschen
Starterau fHawaii ,dieLizenzfür eindeut-
sches Langstreckenrennen unter dem
Ironman-Label erworben. Die großen
Rennen fanden fortan in der fränkischen
Provinz statt, der Ironman Europe wurde
zu einerVeranstaltung mitKultcharakter.
Plötzlich, 2002, schienRoth am Ende. In
Frankfurthatteder Reiseveranstalter
KurtDenk Geld und politischeUnterstüt-
zung eingesammelt undRoth die Iron-
man-Lizenzabgenommen, einefeindli-
cheÜbernahme.Nun warnicht mehr
Roth, sondernFrankfurtder europäische
Leuchtturmdes privaten Ironman-Kon-
zerns, der unterwechselnden Besitzern
auf Expansion und Ertragsoptimierung
ausgerichtet war–und es bis heuteist.
Rothschien unterzugehen.Aber die
Franken nahmenden Kampfan. Weil sie
ihreVerans taltung nicht mehr „Ironman“
nennendurften, hieß sie nun Challenge
Roth. Während die meistenStars bei den
wirtschaftlichpotentenFrankfurternstar-
tete nundauchalljene Amateure, diesich
für Hawaii qualifizierenwollten, schlu-
gensichdie Rother zunächstmit jenen
durch,die dasfamiliärefränkische Flair
höher schätzten als dasFrankfurter Ge-
schäftsmodell. Im Schatten der Hessen
stabilisierten sic hdie Rother und bauten
nachund nacheine eigene internationaleRennserie auf. Dassdie Franken wieder
auf Augenhöhe mitFrankfurtkommen
könnten, schien unmöglich. Dochnun
hat sichder Wind gedreht, dieStarskeh-
rennachRothzurück.
Auch auf einem anderenFeld steht die
Marke Ironman, die zumchinesischen
SportvermarkterWandaSports Groupge-
hört, mächtig unter Druck, nachdem die
Professional Triathlon Organisation
(PTO) bei derWanda-Geschäftsleitung
ihr Interesse an einemKauf der Ironman-
Rechtehinterlegt hat.Wardie PTO inden
vergangenen Jahren alsAthletengewerk-
schaf teine zahnlose, imgroßen Geschäft
zu vernachlässigende Größe, so hat sich
dies geändert,seit sie imvergangenen
Jahr den amerikanischen Milliardär und
Risikokapitalgeber Michael Moritzals„fi-
nanziellenPartner“ gewann. Moritz, ein
ehemaligerJournalist,kammit frühen In-
vestitionen inFirmen wie Google,You-
tube undPaypal zu sagenhaftemReich-
tum. Mit demvonder britischenKönigin
geadeltengebürtigenWaliser,laut For-
bes-Magazin 4,2 Milliarden Dollar
schwer,weiß die PTO eine enormeFi-
nanzkraftimRücken–möglicherweise
aber aucheinen Investor,der es auf das
SahnestückIronman innerhalb des in
wirtschaftlichenSchwierigkeitenstecken-
den Wanda-Konzerns abgesehen hat. Als
Appetithäppchen serviertMoritz der
PTOam29.und30MaiinSamorin/Slowa-
keieineneueTriathlon-Veranstaltungjen-
seits des Ironman-Kosmos: den Collins
Cup, einenKontinentalkampf über die
Mittelstrecke zwischenTeams aus Euro-pa, Nord amerikaund demRest der Welt,
bestehend aus jeweils vierFrauen und
vier Männern. Die Dotierungstellt mit
zwei Millionen Dollar alles in den Schat-
ten, wasesimTriathlon jemalsgab. Zum
Vergleich: Die Siegprämie auf Hawaii be-
trägt 120 000 Dollar.
Die Wanda Sports GroupwarimJuli
vergangenen Jahres an die amerikanische
Börsegegangenundhattestattdergeplan-
ten umgerechnet500 Millionen Euronur
170 Millionen erlöst. Die vorgelegtenFi-
nanzzahlenhatten dieNachfrag eunter
amerikanischen Investoren empfindlich
gedämpft. Für 2018 wiesWanda nochei-
nen Gewinnvonumgerechnet54Millio-
nen Euroaus, 31 Prozentweniger als im
Jahr zuvor.ImerstenQuartal2019 mach-
te der Sportvermarkter 8,6 Millionen
EuroVerlus t. Die Einnahmen aus dem
Börsengang warenüberwiegend zur
Schuldentilgung vorgesehen, nachdem
das Unternehmen in den vergangenen
Jahrenexzessiv investierthatte. So hatte
Wanda für denVermarkter Infront eine
Milliarde Eurobezahlt, für dieÜbernah-
me der Marke Ironmanrund 570 Millio-
nen. Die Gesamtverschuldung desUnter-
nehmens beziffert der Finanz dienstleis-
terBloombergaktuell auf 968 Millionen
Dollar.Ein Ironman-Verkauf erscheint da
sinnvoll, wenn nicht sogargeboten. Mel-
dungen,wonachWandaeinenVerkaufsei-
nes Ironman-Geschäftesfür eine Milliar-
de Dollar erwäge,sorgte nimNew Yorker
Handel am Dienstagfür einen Kurs-
sprungvon43Prozent.NachdemBörsen-
gang im Juliwardie Aktie langeimf reienFall und verlor 63 Prozent ihresWertes.
Bereitsvorder Ironman-WM auf Ha-
waii im vergangenen Jahr hattedie PTO
schriftlichihrInteressegeäußert, dieIron-
man-Rechte zu kaufen. Nach dem die Ant-
wortdes Wanda-Vorstands negativ ausge-
fallen war, erneuerte dieAthletenvertre-
tung mit Schreibenvom3.Februar 2020
ihreBitteumAufnahmevonGesprächen.
Darinheißtesunteranderem:„Wirmöch-
tenerneut unseren Vorschlag unterbrei-
ten, Gespräche über dieÜbernahme aller
Vermögenswerte der Wanda Sports
Group CompanyLimited (WSG), die mit
ihremweltweitenTriathlon- und Massen-
teilnahme-Geschäft(WTC-Geschäft) zu-
sammenhängen,durch diePT Oaufzuneh-
men. Die PTOist bereit, einereine Bar-
geldtransaktion... zu er wägen.“ Unter-
zeichnetist das Schreiben unter anderem
vonTim O’Donnell, dem Hawaii-Zweiten
und Roth-Starter,der im PTO-Vorstand
sitzt.Verbindungen zwischenRothund
der Athletengewerkschaftgibt es auch
durch Challenge-Geschäftsführer Zibi
Szlufcik.Ersitzt im BusinessBoardder
PTO. Auch Samorin, Schauplatz des Col-
lins Cups,ist seit Jahren ein Challenge-
Veranstaltungsort.
Während die PTOversichert, sichmit
ihrer Kaufannonce nichtgegendasUnter-
nehmen Ironman zuwenden,sonderndie
SelbstbestimmungderAthletenvorantrei-
ben zuwollen, gibt es auchandereStim-
men. Der Hawaii-DritteSebastian Kien-
le, der inRoth und beim Collins Cupstar-
tenwird, sagt, auchersei zunächst skep-
tischgewesen. Der CollinsCup sei schon
mehrmals angekündigtworden, daraus
sei aber nieetwasgeworden. „Das hat
sichgeändert“, sagt Kienle. „Jetzt istmas-
sivDruckdahinter.“Undmit MichaelMo-
ritz ein milliardenschwerer Geldgeber,
der den Sportvoranbringenwolle. Viel-
leichtaberauchmehrals das.„MitSicher-
heit“, sagt Kienle, „gibt es da auchwirt-
schaftlicheInteressen,davordarfmandie
Augennicht verschließen.“ Die Gefahr,
dassamEnde die PTO, also die Profis,
nur als Hebel dienensollen, damit Moritz
das Ironman-Labelkaufen kann, is tnicht
zuübersehen.EsisteineschwierigeSitua-
tion. Stellen sichdie Profis demonstrativ
gegenIronman ,verprellensieeineInstitu-
tion,dieihnenseitJahreneinegroße Büh-
nebie tet, um sichzupräsentieren und gut
davonzuleben. „Wir wollen nichtgegen
Ironman antreten“, sagt Kienle deshalb.
„WirwollenunserenSportbesse rundgrö-
ßer machen.“Foto Taylor WessingSogar Giuseppe Conteist infiziert. Per
Twitter hat Italiens Ministerpräsident
Dorothea Wierer zu ihrem zweiten
WM-Titelbei den Biathlon-Weltmeis-
terschafteninAntholz beglück-
wünscht.Aber das istnochnicht alles:
„Ichfreuemich,ihramSamstagpersön-
lichzugratulieren“, heißt esweiter:
„Wir sehen uns in Antholz.“ Italiens
Staatschef beim Biathlon?Vorein paar
Jahrenhätteervermutlich nichtmalge-
wusst,wasdas is t. Wiedie meistenIta-
liener.Aber Doro, wie sie die 29 Jahre
alteSkijägerin ausRasen im Antholzer-
talnennen, scheint nicht nur sportlich
derzeitkein Limit zukennen. Sie sorgt
auchdafür,dassdie Wahrnehmungs-
grenze zwischen dem alpinenNord en
und demgroßen Rest der Republik all-
mählichverschwindet. Selbs tauf der Ti-
telseiteder fußballlastigen „Gazzetta
delloSport“prangt ihrKonter fei:„Sem-
preDoro.“ DasstaatlicheFernsehen
Raibericht et zwar nur auf seinem
Sportkanal livevon denWettkämpfen,
verzeichnetaber mit im Schnitt535 000
ZuschauernrekordverdächtigeZahlen.
Und–das is tneu –Rai uno undRaitre
bringen Zusammenfassungen vom
Tage.Rai-Südtirol präsentierttäglich
sogar ein WM-Studio.Noch nie haben
so viele italienisch-sprachigeZuschau-
er,zum Teil aus Sizilien, denWegnach
Antholzgefunden. „Es istinzwischen
Kult bei betuchten Italienern, zum Bi-
athlon zugehen“, sagt einKenner der
Szene. Sieht aus, als sei Biathlon in Ita-
lien angekommen. AlleswegenDoro.
Es is tlängst„ihre“ WM. Siewarauch
vorher er folgreich, mit zwei olympi-
schen Bronzemedaillen und dem Ge-
samtweltcupsieg vergangene Saison,
wasdie aparte 29-Jährigemit Glamour-
faktor zur idealenWerbefigur für die
WM gemacht hat: Sie sieht zudem blen-
dend aus, dasPermanent-Make-up ist
jeder Situationgewachsen, sie macht
überall bellafigura, auchimBikini,
kann sic hgut verkaufen, bedient die so-
zialen Medienverlässlich, aber manch-
malauchnur,weil dieSponsorendas so
wollen, spricht gut Italienisch–was
auchdaran liegt, dassihr Mann, Lang-
lauftrainerStefanoCorradi ni,ausCava-
lese stammt.Und sie legtWert auf ein
bisschen dolce vitaneben dem Sport.
Mag sein, dassder Zickenkrieg mit
Teamkollegin LisaVittozzi, die ihrwe-geneiner alten GeschichteEgoismus
vorgeworfen hat, das mediale Interesse
nocheinmalgesteiger that. Wiedem
auchsei: DoroWierer istimGrunde
der idealeTüröffner für Biathlon in Ita-
lien. Zumal sie jetzt, mit zweimal Gold
und einmal Silber in derTasche, auch
sportlichzum SuperstarderWMgewor-
den ist. Undalle bewundern, wie sie
mit dem immensen Druckfertig gewor-
denist,eineruhigeHandundeinenkla-
renKopf be wahrthat.Und die Energie.
Weltmeisterimeigenen Landkommen
selten zurRuhe. Aber seit ihrem ersten
WM-Titel, in derVerfolgung, hat sich
eine innereWandlungvollzogen. „Da
istein Riesenrucksackvon mir abgefal-
len“, sagt Dorothea Wierer .„Es war, als
wäre ichplötzlic hein anderer Mensch.“
Erleichtert, befreit.Jetztist sie auchda-
heim wieder EverbodysDarling.
Ende vergangener Saisonwarendie
Antholzergarnicht gut auf ihreDoro
zu spr echen. Da haben sie ihr zu Ehren
einen großen Empfang organisiert,
weil sie vonder WM in Östersund ei-
nen ganzen Medaillensatz mitgebracht
hatte, aberFrau Wierer hat abgewinkt.
Undals sie dann
dochkam, warsie
nachkurzer Zeit ver-
schwunden. Noch
mehrinsAbseitsma-
növrierte sie sich,
als sie imFrühjahr
den Sponsorwech-
selteund sic hschon
mal mit dem Hub-
schrauberzumWelt-
cup nachOberhof
fliegenließ.„Jetzthat siedieBodenhaf-
tung verloren“, hieß es treffend. Verge-
ben, vergessen.Zumal sichDorothea
Wierer im Moment ihresgrößtenTri-
umphs bescheiden gibt.Zum Vergleich
mitderitalienischenSchwimm-DivaFe-
derica Pellegrini sagt sie: „Ichfühle
michviel kleiner als sie.“Undwas ihre
Mission angeht, Biathlon in Italien sa-
lonfähig zu machen, setzt sieganz auf
das Fernsehen: „Ichhoffe,dassdie
Weltcuprennen bald im nationalen
Fernsehen übertragen werden und
nicht nur im Sportkanal derRai. Nur
dann haben wir eine Chance, noch
mehr in die italienischenWohnzimmer
zu kommen.“Aber dann müsstesie
schon bisPeking 2022weitermachen.DerVerdrängungswettbewerb istlosgebrochen: Dieses Jahrstartendie Top-Triathletennicht inFrankfurt, sonderninRoth. Fotodpa„Die Regeln werden weiter ausgetestet“
Anwalt Frank Koch sieht imFinancialFair Pla yauchnachder SanktionierungvonManche ster CitykeinenSinn
dpa. DÜSSELDORF.Der Fußball-
BundesligaklubFortuna Düsseldorf
schließt einenAbgang vonSportchef
Lutz Pfannenstiel schonvordem Sai-
sonendevorerstaus. „S tand jetzt än-
dertsichnichtsdaran,dassderWech-
sel er st zum Saisonendevollzogen
wird“, sagteein Clubsprecher am
Mittwoch. AmAbend zuvor hatteder
Tabellen-Sechzehntemitgeteilt, dass
Sport vorstand PfannenstieldieFortu-
na zum Saisonendeaus privaten
Gründenverlässt.Eine Nach folger
wurde prompt präsentiert. Der bishe-
rige Kaderplanerund frühere Ko-
Trainer UweKlein soll ab sofortstär-
kerindie Entscheidungen mit einge-
bundenwerdenundnachdemSaison-
ende das Amt endgültig überneh-
men.Pfannenstielstehtseitlängerem
wegenseiner Transferpolitik und den
Umständen derTrennungvomfrühe-
renCheftrainer Friedhelm Funkel
vorrund dreiWochen in der Kritik.
Die Fortuna legteaber Wert darauf,
dassPfannenstiel selbstaus persönli-
chen Gründen umAuflösung seines
Vertrages zum Saisonendegebeten
habe.Aufruhr!
cld. ANTHOLZ. Mit unbewegter
Miene packteBundestrainer Mark
Kirchner seineSachen undstapfteda-
von. Wortlos. EinTeil der Zuschauer
hattedaschondieSüdtirolArenaver-
lassen.Sie mochten sichdas deutsche
Schießstand-Desasterim20-Kilome-
ter-Einzelnicht länger ansehen.Es
herrschte Ratlosigkeit:Benedikt
Doll, als Zwölfterbester Deutscher,
und Philipp Horn–je vierStrafminu-
ten,JohannesKühnundPhilippNaw-
rath deren fünf. Am schlimmstener-
wischteesTitel verteidiger ArndPeif-
fer: sechs Strafminuten, Platz 50. „Ich
bin sauer und frustriert,weil ic hes
im Stehendanschlag nicht hinbekom-
men habe“, sagteer. Dassestrotz
wechselndenWindes machbarwar,
bewiesen andere. DerFranzose Mar-
tin Fourcadegewann mit einerStraf-
minuteden er sten WM-TitelinAnt-
holz vordem Norweger Johannes
Thingnes Bö (zwei Strafminuten).
DerÖsterreicherDominikLandertin-
ger(eine) wurde Dritter.Und Kirch-
nerredetespäterdoch:„Wenn duzwi-
schen vier und sechsStrafminuten
hast, bistdunicht konkur renzfähig.“Doround derKult
Sehrerfolgreich,überall bellafigura:DieTüröffnerin
fürBiathloninItalien/ VonClaus Dieterle, Antholz
DorotheaWiererPfannenstielgeht
am Saisonende
EinMilliar därwilldas Ironman-Labelkaufen.
Mit seinem Geldstellt er die Triathlon-Welt
aufden Kopf.Lassen sich dieProfis
für wirtschaftliche Interesseninst rumentalisieren?
VonMichael Eder,Frankfurt
Ein Desaster
am Schießstand
Frank Koch