Frankfurter Allgemeine Zeitung - 20.02.2020

(Darren Dugan) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Politik DONNERSTAG, 20.FEBRUAR2020·NR.43·SEITE 3


Der 15.November vorigenJahres warein
düstererTag für Hans-Peter Bartels. Denn
der Wehrbeauftragtemusstefeststellen,
dassüber Nachtdunkle Wolken über sei-
ner politischen Zukunftaufgezogenwa-
ren. Vorauszusehenwardas nicht. Bartels
wähnte sichals An walt der Soldaten und
oberste rKontrolleur derStre itkräf te so
umfassend beliebt, dasseseine Formsa-
chezuseinschien,dassseineAmtszeitum
weiterefünf Jahreverlängertwird.
Der Wehrfachmann, zuvor SPD-Abge-
ordne terimBundestag, zeichnetsich
durch eine präsidiale, unabhängigeAmts-
führung aus. Das hat ihm parteiübergrei-
fend Lob undRespekt eingebracht.Dar-
über hinaus hat er das Amt, das inZeiten
der Wehrpflicht eingeführtwordenwar,
neu definiert: Ausdem institutionalisier-
tenKummerkastenfür Soldaten hat er
eine ArtDenkzentrale für dieStreitkräfte
der Zukunftgemacht.Der frühereAbge-
ordne te aus Kiel hat dazu auchdrei Bü-
cher geschrieben.
UnteranderenUmständen hätteder 15.
November sogar einFreudentag für Bar-
tels seinkönnen. Denn in derNachtzuvor
hattederHaushaltsausschussinseinerBe-
reinigungssitzung demWehrbeauftragten
gleichvier neueStellen zugesprochen. Es
handeltesichumPostendes höheren
Dienstes, bestens dotiert. Das Problem:
Bartels hattediese Stellen nie beantragt.
Er braucht sie nicht.Und schongarnicht
für dasReferatWB6, wo neben denTrup-
penbesuchen die Presse- und Öffentlich-
keitsarbeitorganisiertwird.
IrgendwerhattealsodemAmtStellenor-
ganisie rt,diees garnicht gewollthat te.Die
Antwortauf diesenseltsamenVorgang
warraschgefunden, die dunkleWolkebe-
kameinenNamen: JohannesKahrs. Der
SPD- Politiker ausHambur gist derChefso-

zialdemokratimHaushaltsausschuss.Ine i-
nem voluntaristischenAkt hatteerStellen
geschaf fen,womöglichmitBlic kaufdieei-
gene Zukunft. DennKahrs,soheißt es in
der SP D, wil lselbst Wehrbeauftragterwer-
den.Erselbs that das nichtdementiert,
wasein Leichtesgewesen wäre.
Seit Bartels begriffen hatte, dassKahrs
ihm nachdem Amt trachtenkönnte, ver-
suchte er,sichzuwehren. Zunächstein-
mal wurde die seltsame Stellenvermeh-
rung publik.Bartels sagteöffentlich, er
werdedie Stellen nicht besetzen. Das
klang, als ob er die Machenschaftablehn-
te.Aber der Initiator der Stellenvermeh-
rung gingwohl ohnehin davonaus, dass
die Stellen erst in der neuen Amtszeit ei-
nes Wehrbeauftragten besetzt werden.
Man könnteannehmen, dassdajemand
Personalvorsorge für Vertraut etraf.
JohannesKahrsist ein Mann mit vie-
len Gesichtern. Schon als kleinerJunge
träumteerdavon, Offizier zuwerden.
Der Oberst der Reserve fährtzuWehr-
übungen, nimmt an Grundausbildungen
teil. Vier Jahrehat er imVerteidigungs-
ausschussgearbeitet,dann im Haushalts-
ausschusssichumden Etat desVerteidi-
gungsministeriumsgekümmert. Kahrsist
oftlaut, immer zurAttacke auf den politi-
schen Gegner bereit.Vor allem isterein-
flussreich.EristChefdesSeeheimerKrei-
ses, der Gruppe pragmatischerAbgeord-
neterder SPD, die frühereinmalkonser-
vativ genanntwurden. Im Bundestag und
in seiner HamburgerHeimat isterals
Strippenzieher bekannt.Kahrsgelingt es
imme rwieder, Ding eeinzufädeln,vonde-
nen er selbstauchpolitischprofitiert. Für
sein en Wahlkreis in Hamburg-Mitte, den
er seit vielen Jahrengewinnt, hat er ein
ImperiumvonUnter stützernaufgebaut.
JungeLeutekommenzum Praktikum

nachBerlin, Kahrswirbt wiekaum ein
Zweiter jungeMitglieder für die SPD. Be-
suchergruppenwerdenweitüberdas übli-
cheMaß hinaus und aufKosten desAbge-
ordne tenzupolitischen Bildungsreisen
nachBerlin gebracht, derAbgeordne te
bringt esdaaufdasZehnfacheseinerKol-
legen.Voneinem „System Kahrs“ istdie
Rede, über das er sichEinflus ssicher t.
Dochwarum sollteKahrsdieses Imperi-
um aufgeben? Denn alsWehrbeauftrag-
termüssteera usdemBundestagau sschei-
den. Manche meinen,Kahrsrechne da-
mit,dasserseinenWahlkreisindernächs-
tenBundestagswahl andieGrünenverlie-
renwerde. In vielenTeilen seinesWahl-
kreises haben die Grünen bei denKom-
munalwahlenimMai2019 doppeltsovie-
le Stimmen erhalten wie die SPD. Sucht
Kahrsalso denAbsprung,weil er um sei-
ne politischeZukunftfürchtet?
Bartels hat das Amt seit 2015 inne. Der
heute58JahrealteWehrbeauftragte war
als Bundestagsabgeordneter langedirekt

in Kielgewählt worden, dochdas Blatt
wendete sich, die SPD imNorden wurde
immer linker.Zudem hatteseine Frau,
eine damaligeSPD-Politikerin, 2013 ihr
AmtalsOberbürgermeisterinvonKielver-
loren. Eine bittereFehde mit dem damali-
genMinisterpräsidenten, ebenfalls SPD,
spieltedabei einRolle. Undsowar das
AmtdesWehrbeauftragtenfürdendamali-
genVorsitzenden im Verteidigungsaus-
schus saucheine Rettungsinsel.
Als die AmbitionenvonKahrspublik
wurden,rief das auchdie Union auf den
Plan. Dortist Kahrsdurch seineoft robus-
tenMethoden gut bekannt.Gemeinsam
mit einigenUnionsfreundenvonder Küs-
te –dem CDU-Haushälter EckhardtReh-
bergetwa–hatteKahrsinder Vergangen-
heit Millionen, manchmal sogar Milliar-
denbewegt oderverschoben, je nachDeu-
tung. Sein bis dahingrößter Coupwardie
Nachbestellungvonvier Korvetten für die
Marine,Stückpreis 400 Millionen, die zu-
vorweder vonder Marinegeford ertwor-
den nochinden Vorlagen desVerteidi-
gungsausschusses aufgetaucht waren. Ein
gewaltigerCoup der „Küsten-Gang“.
Auch anderewurdenvonKahrsbedacht.
So bekam das DeutschePanzermuseum
Munster unverhofft rund 20 Millionen
Eurozugesagt.Esliegt imWahlkreisvon
SPD-GeneralsekretärLarsKlingbeil. Die
GorchFock,dasSegelschulschiffderMari-
ne, verdankt eswohl Kahrs‘ Machtwort,
dassUrsulavonderLe yensienichtabwra-
cken ließ.
In de rUnionsieht manKahrs Ambition
mitgemischtenGefühlen.ZwargiltBartels
manchendortals etwasabgehoben, aber
prinzipiell als guter Mann.Der stellvertre-
tende Fraktionsvorsitzende JohannWade-
phul sagteinder verg angenenWoche, er
finde, dass Bartels das Amt„sehr überzeu-

gend wahrnimmt“.Wadephullobteden
„modernen Ansatz“, dender Wehrbeauf-
tragte dabeiverfolge, und sagte,erg ehe
von„rückhaltloserUnter stützung“ fürBar-
telsaus ,wenndieSPDihnwiedervorschla-
ge.Dochgibt es in denReihen derUnion
auchAbgeordnete, die dafürwerben ,das
Amt mit einem der Ihrenzubesetzen.Sie
verweisendarauf, dass es ni rgendsfestge-
legtsei, das sdiesesAmt stetseiner Partei
zusteht,dienichtdasVerteidigungsministe-
rium führt. Zu Zeiten vonSPD-Verteidi-
gungsministern hatt eesauchsozialdemo-
kratischeWehrbeauftragtegege ben. Als
Anwärter au fdas Amtgelten derlangjähri-
ge ObmannimVerteidigungsausschuss,
HenningOtte,undderostholsteinischeAb-
geordnete Ingo Gädechens. Ottebrachte
dasThema als Erster auf undkritisierte,
Bartels’Amtsführungseipar teipolitischge-
prägt. Zudem stellte die UnioninFrage,ob
die Aufteilungvonden früherenParteispit-
zen vonCDU und SPDüberhauptverein-
bartworde nsei. Dochletztlic hzweifelt
kaum jeman dernsthaft dar an,dassder da-
maligenFraktions-und späterenParteivor-
sitzenden AndreaNahles das Amtfür die
SPD zugesichert worden war. Spätestens
im nä chsten KoalitionsausschussAnfang
Märzsoll dieseFragegeklär twerden.
Wieaber konnte es dazukommen, dass
der auchinder eigenenFraktiongerade-
zuberüchtigteKahrsüberhauptals Kandi-
datfürdas AmtinFragekam,dasvonBar-
tels unumstritten gut bekleidetwurde?
Hier kommt Rolf Mützenichins Spiel, der
Fraktionsvorsitzende der SPD. Er istein
Außenpolitikervomlinken Flügel. Seine
Ansichte nzur Verteidigungspolitik sind
anders als jenevonBartels. Mützenich,
der seine Doktorarbeit über atomwaffen-
freie Zonen geschrieben hat,steht etwa
Bundeswehreinsätzen in Afrikaskept isch
gegenüber.Vom Ziel,für dieVerteidigung

zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts
auszugeben, hält er nichts. Bartels aber
vertrittdieseZiele,wiediemeistenVertei-
digungs- und Außenpolitiker de rSPD.
Mankannzumindestfesthal ten,das sMüt-
zenichund Bartels sic hpolitischnicht
nahe stehen. Dochdas Gleichekönnte
man auchüber Kahrssagen.
Der Grund liegt, so heißt es in der SPD,
woanders. Mützenichist,wie jederFrakti-
onsvorsitzende, auf eine Mehrheit ange-
wiesen. Er habe deshalb einenPakt mit
den Seeheimerngeschlossen, an deren
SpitzeKahrssteht.Inder SPD-Fraktion
wirdvermut et,dassKahrsmit Mützenich
schonvordessenWahl im Spätsommer
2019 einen Deal eingefädelt hatte: den
Posten als Wehrbeauftragter im Gegenzug
für dieUnterstützung bei derWahl zum
Fraktionsvorsitzenden. In der Fraktion
hält man sichbedeckt.Allein derVerteidi-
gungspolitikerFritz Felgentreu sagt:„Ich
würde michfreuen ,wenn Bartels weiter-
macht. Er istein sehr guterWehrbeauf-
tragter.“ Bartels selbsthat öf fentlich nur
bekundet, dassergerne weitermachen
würde, eswäre ihm eine Ehre. In früheren
Zeiten hat es auchschon einmal eine
Kampfabstimmung über denWehrbeauf-
tragten in der SPD-Fraktion gegeben,
ReinholdRobbe gewann 2005 nur knapp.
Im SPD-Fraktionsvorstand wardie Per-
sonalie bisher nochkein Thema. Dort
mussaber einVorschlag beschlossenwer-
den,überdendanndieFraktionabstimmt.
Voraussi chtlich im Märzwirddann der
Bundestagden Wehrbeauftragtenwählen.
Manche meinen, dassdie SPD der Sache
möglichstwenig Aufmerksamkeit ver-
schaf fenwolle. Denn derVorgang er weckt
den Eindruck, dasspolitischeTauschge-
schäf te wichtiger sind alsKompetenz und
Anerkennung überParteigrenzenhinweg.
Mützenich schweigtweiter ,Kahrsauch.

E


inen Frank-Walter Steinmeier
oder eine BeateBaumann hat
AnnegretKramp-Kar renbauer
nicht. Der heutige Bundespräsi-
dent warengsterMitarbeiter undVertrau-
tervonGe rhardSchröder, schonlange,be-
vordieser Kanzler wurde.FürBaumann,
bisheuteAngelaMerkelsBüroleiterin,gilt
das Nämliche. DiePerson, die bei der
Noch-CDU-Vorsitzenden Kramp-Karren-
bauerüberhauptindie Nähe einer solchen
Rolle kommt, istNico Lange. Dochden
holtesie er st vorwenigen Jahren zu sich
nachSaarbrücken, als sie denWegRich-
tungBerlinvorAugenhatte.FürParteivor-
sitzende,Kanzler oder diejenigen, die ein
solches Amt anstreben,können engeVer-
traut egrößteBedeutunghaben.
Wienunverhält es sichmitdenjenigen,
die dieNach folgeKramp-Kar renbauers
und womöglichnochMerkels anstreben?
Friedric hMerz, Armin Laschet, Jens
Spahn,NorbertRöttgen und–obschon er

nichtCDU-Vorsitzender,wohlaberKanz-
lerkandidatwerden kann –MarkusSö-
der? Sind sieTeampla yeroder einsame
Wölfe? Gibt es einenSteinmeier oder
eine Baumann an ihrer Seite?
VonMerz, demeinstigenBundestagsab-
geordne tenundVorsitzendenderUnions-
fraktion,sagen einige, die ihnkennen, er
mache vieles alleine. In dieses Bild passt,
dasseroft am Steuerknüppel seines eige-
nen Flugzeugs sitzt.Erhat die Lufthoheit
über sichselbst. Seit er in der CDU wie-
der ganz nachvorne drängt, istsein fester
Stützpunkt in Berlin neben einerWoh-
nung ein Büroinden Räumen desWirt-
schaftsrates der CDU,dessenVizepräsi-
dent er ist. Zu dem arbeitet Merzauchoft
vomheimischen Sauerland aus. In Berlin
wirdervon einem Medienteam unter-
stützt, allenvoranvon ArminPeter, der
auchfür denWirtschaftsrat spricht.
Jemanden, der die Steinmeier-Bau-
mann-Funktion für Merzhat, gibt es al-
lemAnscheinnachjedochnicht .Erunter-
hält aber viele langjährigeGesprächskon-
takteinder Wirtschaf tund derWelt der
Transatlantiker.Seine Unterstützer und
damit auchRatgeber sitzenvorallem in
den wirtschaftlichgeprägtenTeilen der
CDU,inderen östlichen Landesverbän-
den und dem baden-württembergischen
und vorallem imwestfälisc hen Teil der
Nord rhein-Westfalen-CDU. Zu den Men-
schen, auf die er besondershört, gehört

Wolfgang Schäuble, der Bundestagspräsi-
dent, der ihn ermutigte, im Dezember
2018 für denVorsitz zu kandidieren.We-
nigeTagevor derWahl erinnerte Schäub-
le in dieserZeitung daran, dasserMerz
2002 „dringend“ davonabgeraten habe,
gegenMerkelumden Fraktionsvorsitz zu
kämpfen. Als Schäuble diesenRataus-
sprach, saß seiner Darstellung nachauch
Merz’ EhefrauCharlotteamTisch. Über
deren RollesagteMerzdieserTage inBer-
lin, sie spiele in seinem professionellen
Team überhauptkeine Rolle. „In meinem
familiärenUmfeld eine enormwichtige.“
Armin Laschet, dernordrhein-westfäli-
scheMinisterpräsidentundChefdesgröß-
tenCDU-Landesverbandes, entschied
sichimDezember2018gegeneine Kandi-
datur für den Bundesvorsitz.Aufseinem
langen, manchmalverschlungenen politi-
schenWeghat sic hLasche tein verlässli-
ches, jederzeit auchzudeutlicher Kritik
fähiges Umfeld zugelegt.Einer seiner
wichtigstenpolitischen Berater istHer-
bertReul. Erkennt die Landes-CDU wie
dieeigeneWestentas che,weilervieleJah-
re lang Generalsekretär derPartei war.
Als ihn LaschetimSommer 2017 zum
nordrhein-westfälischen Innenminister
machte,galt Reul als einer der einfluss-
reichstendeutschen EU-Parlamentarier.
Reul waresauch, der Laschetinseinen
„Leichlinger Kreis“, eineRunde liberaler
rheinischer CDU-Politiker,einführte.Als
der Merkel-VertrautePeter Hintze 2016
starb, nahm Laschetals festes Mitglied
dessen Platz in dem Kreis ein.
Laschets wichtigsterpolitischer Mitar-
beiter istsein 34 Jahrealter Chef der
Staatskanzlei,Nathanael Liminski.Erar-
beitetefrüher unter anderem in Berlin im
Bürovon Thomas de Maizière, dem Bun-
desverteidigungs- und späteren Innenmi-
nister. 2014 machte ihn der damaligeOp-
positionsführer Laschetdann zu seinem
Fraktionsgeschäftsführer.Eswar ein
Glücksgriff. Denn Liminski istnicht nur
ein fleißiger Aktenstudierer,gewiefter
Stratege,erleiste tnicht nur unablässig
und effektiv Abstimmungsarbeit, sondern
er weistzudem auchauf Themen hin, mit
denenseinChefglänzenkann,oderdiege-
fährlic hwerdenkönnten. SeinenErfolg
bei der Landtagswahl 2017 hat Laschet
auchLiminski zuverdanken. Heuteist Li-
minskider zentraleKopfim Laschets poli-
tischem Maschinenraum. Auch in der im-
mer unübersichtlicherwerdendenK-Fra-
ge dürfteLasche tden jungenParteifreund
dieserTage regelmäßig umRatbitten.
Jens Spahn, der 2018 bei derVorsitzen-
denwahl einen ehrbaren dritten Platz be-
legteund es nun offenbar nocheinmal
versuchen will, trat 1995 der JungenUni-
onbe iundbautseiteinemVierteljahrhun-
dertanseiner politischenKarriere. Dabei

konnte er auchErfahrung beim Bilden ei-
nesTeamssammeln, seiesimAbge ordne-
tenbüro, alsParlamentarischerStaatsse-
kretärimBundesfinanzministerium(dort-
hin holte ihnWolfgang Schäuble) oder in
seinemgegen wärtigen Amt des Bundesge-
sundheitsministers.Längstschon is tzuer-
kennen,werbei Spahn dieSteinmeier-
Baumann-Rolle innehat:sein langjähriger
Vertrauter und politischer Berater Marc
Degen. Er arbeitet im Ministerium stark
im Hintergrund, Pressesprecher istHanno
Kautz, den Spahnvonder „Bild“-Zeitung
geholthat.Spahnhatsowohl„eigene“Leu-
te mit ins Ministerium genommen als
auchFührungspersonal aus derZeit sei-
nes Vorgänger sbehalten.
Unverhof ftundfürdieanderenvermut-
lichauchungehofft istseit Dienstagauch
NorbertRöttgen im Bewerberkreis. Als
Vorsitzender eines wichtigen, nämlich
des AuswärtigenAusschusses, hat er für
die fachliche Beratung einen großen
Stab. DochRöttgen entscheidetwohl
auchvieles selbst. Mit seinerKandidatur
für den CDU-Vorsitz scheint er sogar die
wenigen, ihm nachdem Debakel bei der
nordrhein-westfälischen Landtagswahl

2012 nochverbliebenenTruppeninder
CDUüberraschtzuhaben. Vonseinerhei-
matlichen Parteibasis im Rhein-Sieg-
Kreis waramDienstaglangenichtszuhö-
ren. AmAbend fasste der Kreisvorstand
dann aber einen Beschluss, indemes
heißt, man freue sich, „dassein so promi-
nenterKandidat aus unserenReihen sei-
neBereitschafterklärthat, sic humdieses
wichtigeAmt zu bewerben“.

A


ls Röttgen 2010 nacheinem
Duell mit Laschetden Vorsitz
der nordrhein-westfälischen
CDU errungen hatte, zählten
der damaligeChef der CDU-Landtags-
fraktion,Karl-Josef Laumann und Oliver
Wittke, den er zum Generalsekretär
machte, zu seinen wichtigstenVerbünde-
tenund vermutlichauchzus einen engs-
tenBeratern. MitWittke, der heute im
Bundestagsitzt, tauscht sichRöttgen
zwar regelmäßig aus. Dochüber seine
Kandidatur habeRöttgen nichtvorabmit
ihm gesprochen, berichtet Wittke.
Bleibt jener Mann, der zwar nicht
CDU-Vorsitzenderwerden will,weil er
schon die SchwesterparteiCSU anführt,

der aber bei derKanzlerkandidatur ein
wichtigesWort mitzureden hat–auch
wenn es sehr unwahrscheinlichist,dasses
am Ende auf ihn selbstzuläuft. Der wich-
tigste Ratgeber des bayerischen Minister-
präsidenten MarkusSöder isterselbst. Er
hatgroßesVertraueninseineneigenenIn-
stinkt und Ideenreichtum, angetrieben
werden mussernicht, ehergebremst. Alle
wichtigenReden stammen ausseinereige-
nen Feder,auchseine Wortschöpfungen
und Slogans, die er bei Presseterminen oft
durch mehrfacheWiederholung ins Ge-
hirnder Journalistenzupflanzen ver-
sucht .AbernatürlichhatSöderauchZuträ-
ger–sehr viele. Das istein Grund,warum
er ständig mit dem Handy beschäftigt ist.
Söder istwie ein Schwamm, der alles auf-
saugt.Was er davonwieder abgibt, ist
schwervorherzusehen. ImWissenschafts-
und Finanzministerium sollensie immer
etwaszittern,wennSöder sichmit Univer-
sitätspräsidenten trifft,die ihm ihreoft
kostspieligen Anregungen präsentieren.
Unterseinen engstenpolitischenVer-
trauten istStaatskanzleichef Florian Herr-
mann zusehends wichtiger geworden,
nicht nur,weil er dieKoalitionmit den

Freien Wählernkoordiniert.Wegenseiner
Klug- undStrukturiertheit istereiner der
wenigen CSU-Politiker,die einem auf An-
hiebfürhöhereAufgabengeeigneterschei-
nen. Im Machtkampf zwischen Horst See-
hofer und Söderstand er klar auf Seitedes
Jüngeren.DasgiltauchfürFinanzminister
AlbertFürac ker, der SödersStaatssekretär
war, als dieser selbstnochdas Finanzres-
sortleitete. Der zugleichbodenständige
undalsoberpfälzischerCSU-Bezirksvorsit-
zender mächtigeFürac kerist ein weiterer
wichtiger Gesprächspartner,ebenso CSU-
Generalsekretär Markus Blume. Engerge-
worden is tzuletzt dasVerhältniszum Lan-
desgruppenvorsitzenden Alexander Do-
brindt, der langeals Seehofer-Manngalt.
Aufder Ebene der Beamten hat der Mi-
nisterpräsident seit vielen Jahren eine
schlagkräftigeKerntruppe um sichher-
um. Dazugehörtsein Büroleiter und „Lei-
terdes Leitungsstabs“, Gregor Biebl. Der
Spros seiner Politiker -und Beamtenfami-
lie kennt alleKabinettsvorlagen und sorgt
insbesonderedafür,dassdie Arbeit inner-
halb derStaatskanzlei effizient läuft. Zum
engsten Zirkelgehörtauchdie Sprecherin
des Ministerpräsidenten,Tanja Sterian.
WieSöder stammt sie ausNürnberg, ist
bestens vernetzt undstrategischbegabt.
Sie hat dasvolle Vertrauenihre sChefs
und mithin auchBeinfreiheit in der Erklä-
rung seinerPolitik. Die Amtschefin der
Staatskanzlei,Karolina Gernbauer,war
schon bei Söder imUmweltministerium,
ehe Seehofer sie in dieStaatskanzlei hol-
te.Die höchste Beamtin desFreistaats ge-
nießt über dessen Grenzen hinaus höchs-
tesAnsehen–bis hin zurKanzlerin. Als
BevollmächtigteBayernsbeim Bund ist
sie fürBundesratsangelegenheiten zustän-
dig. Auch für den Kontakt zu Innenminis-
terSeehofer istsie unerlässlich.
Fünf Männer sind es bisher,die eine
wichtigeRolle beim Anlauf aufsKanzler-
amt nehmen. EineFrau is tnicht dabei.
Beim Blickins engeUmfeld der Akteure
istbislang auchkein Frauenüberschuss
festzustellen.

Platz da, hier kommt Kahrs!


Will der mächtigeSPD-Haushaltspolitiker imBundestagWehrbeauftragterwerden? VonPeter Carstens und MarkusWehner,Berlin


Sichselbst


nicht genug


Violett istdie Hoffnung? Spahn, Merzund Laschet (imNovember 2018),Röttgen am Mittwoch Fotos dpa

Reiner Burger,
Düsseldorf, TimoFrasch,
München,und Eckart
Lohse,Berlin

Die gegenwärtigen Entwicklungen in
der CDU erinnernanden Oktober
2018, als Angela Merkelangekündigt
hatte, siewerdeauf demParteitag im
Dezember nicht wieder für den CDU-
Vorsitz kandidieren. Innerhalb von
StundenmeldetendreiBewerbe rihrIn-
teresseander Nach folgean: Annegret
Kramp-Karrenbauer,Friedric hMerz
und Jens Spahn.Inder Regelbewarb
sichbis dahin in der CDU einvorher
ausgeguckter Kandidat, langedann
eine Kandidatin, um das Amt.Was die

Satzungvorsieht, wenn sic hmehrere
Kandidaten melden,war nachrangig.
Nunzeichnetsichab, das seswieder
mehrereBewerberwerden. Wersich
um den Parteivorsitz bewirbt,muss
Mitglied sein undvoneinem Kreisver-
band, einergrößeren Gliederung (Be-
zirks-, Landesverband) oder einer
Gruppierung wie der Mittelstandsuni-
on oder der ChristlichDemokrati-
schen Arbeitnehmerschaftnominiert
werden. Möglichist allerdings auch,
dass eineinzigerstimmberechtigterDe-

legierterauf demParteitag jemanden
vorschlägt.Bekommtkein Be werber
imer stenDu rchgangmehralsdieHälf-
te derStimmen,gehen diebeiden Best-
platziertenindie Stichwahl. Gewon-
nen hat,wermehr als die Hälfte der
Delegiertenstimmen hat.Viel weniger
geregelt is tdie Kanzlerkandidatur,die
kein of fizielles Amt ist. Ein CDU-Par-
teibuchist nicht erforderlich,gleich-
wohl is tesdie Gepflogenheit, dass
Kanzlerkandidaten auf Parteitagen
ausgerufenwerden. elo.

Lautstark: JohannesKahrs Fotodpa

Eine Kandidatur für den CDU-Vorsitz ist


kein leichtesUnterfangen.Werunter stützt


und berät dieKandidaten im Hintergrund?


Wiewirdman Kandidat für den CDU-Vorsitz?

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