Handelsblatt - 20.02.2020

(Ann) #1
Alexander Demling, Larissa Holzki
San Francisco, Düsseldorf

E


s ist schwer zu glauben,
was der Technologievor-
stand eines der wert-
vollsten Unternehmen
der Welt am Dienstag vor
dem US-Steuergerichtshof in San
Francisco erzählt: „Als ich bei Face-
book anfing, war die Überlebensfä-
higkeit des Unternehmens, insbeson-
dere die finanzielle, ernsthaft infrage
gestellt“, sagt Mike Schroepfer.
Nur zwölf Jahre liegt diese Zeit zu-
rück. Heute, so viel steht fest, ist
Face book eine globale Übermacht,
die Regeln und Preise für Werbung
im Internet fast selbstständig bestim-
men kann und gewaltige Gewinne
damit einfährt – woran viele Staaten
gerne mehr teilhaben würden.
Schroepfer berichtet, dass er ein
teilweise „chaotisches“ Unterneh-
men vorgefunden habe. Wirtschaft-
lich sei es komplett von Werbung auf
Desktop-Computern abhängig gewe-
sen, eine Strategie für das beginnen-
de Smartphone-Zeitalter habe Face-
book nicht gehabt. Jeden Tag hätten
er und sein Team gekämpft, dass die
Seite nicht zusammenbricht, erzählt
er. Dass Facebook ein Gigant mit
zwei Milliarden Nutzern werden wür-
de, sei nicht klar gewesen: „In Brasi-
lien, in Russland oder in Deutschland
gab es Seiten, die populärer waren
als Facebook“, sagt Schroepfer.
Auch von Schroepfers Schilderung
wird abhängen, ob das Unternehmen
in den USA bis zu neun Milliarden
Dollar Steuern nachzahlen muss. Die-
sen Betrag fordert die Steuerbehörde
IRS von dem Betreiber der sozialen
Netzwerke Facebook, Instagram und

WhatsApp nach, weil er sich in sei-
nem Heimatmarkt mit übertriebenen
Verrechnungspreisen seiner irischen
Tochtergesellschaft künstlich arm ge-
rechnet haben soll.
Der Prozessauftakt am Dienstag-
morgen wirft ein Licht auf das merk-
würdige Verhältnis von Facebook zu
seinen Steuerpflichten. Gerade hat
sich Gründer und CEO Mark Zucker-
berg auf internationaler Bühne von
Steuertricksereien distanziert. Bei
seinem Auftritt auf der Münchner Si-
cherheitskonferenz vergangene Wo-
che forderte er die OECD-Staaten auf,
ein verlässliches internationales Steu-
ersystem zu schaffen, auch wenn das
bedeuten könnte, „dass wir in mehr
Ländern mehr Steuern zahlen müs-
sen“.

Angst vor Steuerkrieg?
Facebook ist nicht der erste Digital-
konzern aus dem Silicon Valley, der
grenzenlose Steueroptimierung be-
trieben hat und nun auf einmal been-
den will: Auch Google hat Ende 2019
angekündigt, seine als „Double Irish“
und „Dutch Sandwich“ bekannten
Transfers von Gewinnen in Niedrig-
steuerländer künftig einzustellen.
Die neue Offenheit für Steuerab-
kommen ist wohl kein Zeichen plötz-
licher Läuterung. Vielmehr hat sie
Gründe, über die niemand öffentlich
sprechen würde: Kommt die Organi-
sation für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung (OECD) nicht
zu einem Konsens ihrer Mitgliedstaa-
ten über Ort und Höhe internationa-
ler Besteuerung, drohen neue Wirt-
schaftskriege, in deren Zentrum kein
Konzern gern stehen möchte.
Denn auch in Europa ist der Ärger
über die Steuerpraktiken der Tech-

Riesen groß. Face book und Google
verdienen über ihre Dienste viel Geld
mit europäischen Bürgern, die meis-
ten Staaten bekommen dafür aber
nichts zurück. Frankreich hatte des-
halb im vergangenen Jahr bereits ei-
genständig Maßnahmen ergriffen
und eine Digitalsteuer von drei Pro-
zent auf den Umsatz großer Internet-
unternehmen eingeführt. Was dann
folgte, lässt Rückschlüsse auf den
plötzlichen Stimmungswandel zu.
US-Präsident Donald Trump droh-
te umgehend mit Strafzöllen auf fran-
zösische Luxusgüter. Er befand die
Abgabe als „unfair“, weil sie vor al-
lem die US-Firmen treffe. Schließlich
setzte Frankreich die Steuer vorerst
aus. Es will aber – ebenso wie Groß-
britannien – an einer nationalen Be-
steuerung festhalten, bis es eine in-
ternationale Regelung gibt, die die
OECD nun anstrebt. Für Facebook
und Google wäre diese Lösung also
nicht die Alternative zur Steuerselbst-
gestaltung. Es ist die Aussicht auf Si-
cherheit in einer Situation, in der
Länder eigene Steuern erheben und
Regierungen in Konflikte geraten.
Jedenfalls gilt die Bereitschaft zu
mehr Abgaben im Fall von Mark Zu-
ckerberg nur für die Zukunft. In der
Vergangenheit hat der Konzern nach
eigenem Befinden alles richtig ge-
macht. Rückblickend ist das tatsäch-
lich nicht ganz einfach zu beurteilen.

Marktmacht nicht absehbar
Die Kernfrage, über die in San Fran-
cisco gestritten wird, ist: Wie wertvoll
war Facebook im Jahr 2010? Damals
begann das sechs Jahre alte Unter-
nehmen, seine Softwareplattform an
die irische Tochtergesellschaft mit
Management auf den Cayman Islands
zu lizenzieren. Im Gegenzug stellte
die Filiale der Zentrale im Silicon Val-
ley interne Verrechnungspreise für
die erzielten Werbeumsätze in Rech-
nung.
Kompliziert ist die Sache vor allem,
weil ein Großteil des damaligen Wer-
tes von Facebook nicht in messbaren
Vermögenswerten lag, sondern in
den Netzwerkeffekten der Plattform
und der daraus erwachsenden domi-
nanten Marktposition. War der Preis
für die Facebook-Plattform also
marktgerecht oder künstlich kleinge-
rechnet, um in den USA Steuern zu
sparen? War damals schon absehbar,
welche Marktmacht Facebook in den
kommenden Jahren erzielen würde?
Darüber muss die Richterin Cary
Pugh entscheiden.
Der Streit, den die US-Steuerbehör-
de und Facebook ausfechten, be-
rührt aber auch ein wachsendes Pro-
blem bei der internationalen Be-
steuerung. Der Wert von
Digitalunternehmen bemisst sich vor
allem an der Qualität ihrer geheimen
Algorithmen. In einem Land gebaut,
schöpfen sie damit oft den Wert aus
den Daten von Milliarden Nutzern
weltweit. Erst beides zusammen – die
Daten und ihre Verarbeitung – er-
möglicht es Google und Facebook,
Geld mit Werbung zu verdienen, die
viel gezielter potenzielle Kunden er-
reicht als Werbung in anderen Me-
dien.
Wann und woran lässt sich erken-
nen, dass eine solche Zauberformel

Facebook


Steuer hin, Steuer her


Facebook sei für eine faire und höhere Besteuerung, hat CEO Mark Zuckerberg


gerade in Deutschland gelobt – doch in den USA sieht es anders aus.


Facebook-Logo,
Smartphone-Nutze-
rin: Der Konzern hat
jeden Monat 2,9 Milli-
arden Nutzer.

dpa

Als ich bei


Facebook


anfing,


war die


Überlebens-


fähigkeit,


insbesondere


die finanzielle,


ernsthaft


infrage gestellt.


Mike Schroepfer
Technologiechef
Facebook

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Unternehmen & Märkte
DONNERSTAG, 20. FEBRUAR 2020, NR. 36
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gefunden ist? Vielleicht war Face-
book 2010 noch ein Start-up mit
technischen und wirtschaftlichen
Problemen, das jeden Moment von
Konkurrenten hätte überrollt werden
können, wie es die Facebook-Anwälte
der Kanzlei Baker McKenzie darstel-
len. Vielleicht war das Unternehmen
mit damals 100 Millionen monatli-
chen Nutzern aber schon erkennbar
auf dem Weg zum globalen Werbegi-
ganten und lizenzierte seine Platt-
form zum Spottpreis, wie die IRS be-
hauptet. Das Steuergericht in San
Francisco muss das klären.

Schicksalsfigur Sandberg
„Sie werden heute eine Geschichte
von zwei Facebooks hören“, sagte ei-
ner der IRS-Anwälte in seinem Eröff-
nungsplädoyer in Anspielung auf den
berühmten ersten Satz in einem
Charles-Dickens-Roman: „Es war die
beste aller Zeiten, es war die
schlimmste aller Zeiten.“ Facebooks
Team von Anwälten werde ehemalige
Manager aus Japan und Südkorea als
Zeugen aufrufen, die von den
Schwierigkeiten bei der Expansion
dort berichten, sagt er. Dann zeigt er
ein Video von 2010, in dem Zucker-
berg Facebook „auf der Siegerstraße“
in allen Märkten sieht – allen bis auf
Japan, Südkorea, China und Russ-
land. Facebook verzerre seine Ver-
gangenheit, ist die Botschaft.
Auch Sheryl Sandberg kommt im
Plädoyer der IRS vor: Facebooks
langjährige operative Vorständin
wird in einem Video vom World Eco-
nomic Forum 2010 gezeigt: Sie „liebe
unser Geschäftsmodell“, bekennt sie
darin – das Modell, das Schroepfer
nun als schwer unter Druck be-
schreibt.
Sandberg wird in dem Prozess
noch eine wichtige Rolle spielen: Ei-
ne ihrer E-Mails ist der Trumpf im
Blatt der IRS-Anwälte. 2008 wechsel-
te die Managerin von Google zu Face-
book. Man durchlaufe gerade „den-
selben Entscheidungsprozess wie
Google vor einer langen Zeit“, berich-
tete sie einem ehemaligen Kollegen
kurz darauf. In der Zentrale in Irland
würden nur wenige Menschen arbei-
ten, es gehe um „Steuervergünsti-
gungen, um internationale Umsätze
durchzuschleusen“.
Die Rechercheplattform „Pro Pu-
blica“ berichtet von einem weiteren
Mailaustausch, bei dem Sandberg
Face book-Kollegen ihre Erfahrung er-
läutert, „dass man sehr viel mehr
Steuern zahlt, wenn man keine euro-
päische Zentrale hat und alles über
die USA läuft“. Der Chef der Steuer-
abteilung stimmte Sandberg zu: Face-
book müsse „ein Niedrigsteuerland
finden, um Gewinne zu parken“.
Sandberg selbst wird in dem Pro-
zess voraussichtlich nicht aussagen,
dafür stehen Hardware-Chef Andrew
Bosworth oder Chief Revenue Officer
David Fischer auf der Zeugenliste.
Wie weit zehn Jahre alte Äußerungen
einzelner Topmanager das Argument
der Steuerbehörde tragen werden, ist
noch schwer zu sagen.
Als sich ein IRS-Anwalt mit
Schroep fer über die Definition von
„Plattform“ verkämpft, als die er
Face book in einem Interview auf der
Bühne der Münchner Digitalkonfe-
renz DLD 2010 bezeichnete, wirkt es
noch nicht, als hätten sie die stärks-
ten Argumente auf ihrer Seite.
Richterin Pugh mischte sich am
ersten Tag kaum in die Befragung
ein. Frühestens in einigen Wochen
wird sie entscheiden, ob Facebook le-
gale Steueroptimierung praktiziert
oder den US-Steuerzahler betrogen
hat und für seine Vergangenheit be-
zahlen muss.

Rüstungsindustrie

Airbus will 2300 Jobs streichen


Probleme mit der A400M und
der Exportstopp nach
Saudi-Arabien: Dem
Rüstungskonzern gehen die
Aufträge aus.

Markus Fasse München

A


ngekündigt waren die Ein-
schnitte bereits im Dezember,
nun legt Airbus Zahlen vor.
Europaweit 2300 Arbeitsplätze will
die Rüstungssparte von Airbus abbau-
en, erklärte Spartenchef Dirk Hoke
am Mittwoch. Entsprechende Pläne
legte Hoke den Arbeitnehmervertre-
tern in München und Toulouse vor.
Der Arbeitsplatzabbau soll in ganz
Europa erfolgen, mit 830 Stellen sind
die deutschen Standorte am stärksten
betroffen, gefolgt von 630 in Großbri-
tannien. Airbus beschäftigt in der Rüs-
tungssparte 34 000 Menschen, ein
Drittel davon in Deutschland.
Airbus begründet die Einschnitte
mit Problemen bei der A400M und
schwindenden Aufträgen. Die mehr-
mals verschobene Auslieferung des
Militärtransporters läuft zwar, aber
die Qualität stimmt aus Sicht der Bun-
deswehr noch nicht. Die Luftwaffe,
mit 53 bestellten Maschinen größter
Abnehmer, hatte wegen Mängeln zu-
letzt zwei Flieger an Airbus zurückge-
geben. Die erhofften Exportaufträge
jenseits der europäischen Airbus-Part-
ner sind bislang ausgeblieben.
Empfindlich trifft Airbus zudem der
von der Bundesregierung verhängte
Exportstopp nach Saudi-Arabien. Das
Königreich, das maßgeblich in den Je-
menkrieg verwickelt ist, fällt derzeit
als Abnehmer aus. Airbus hatte in den
vergangenen Jahren unter anderem
Eurofighter an die Saudis geliefert,
aber auch optische Instrumente und
Kommunikationstechnik. Die Folge:
Das Auftragsbuch der Rüstungssparte
schrumpft das dritte Jahr in Folge.
Diese Zahlen haben eine klare Bot-
schaft: „Wir müssen jetzt handeln“,
schreibt Hoke an die Mitarbeiter.
Airbus muss nun hoffen, das seit
Jahren wackelige A400M-Projekt in
den Griff zu bekommen. Mit der Pro-
duktion für die europäischen Kunden
verdient der Konzern nach vielen Ver-
zögerungen kein Geld. Rentabel wird
das Projekt nur noch, wenn es gelingt,
Exportabnehmer zu finden.
Hoke nimmt aber auch die europäi-
schen Regierungen in die Pflicht – al-
len voran Berlin. Die Sicherheit der
Arbeitsplätze an den Standorten hän-
ge an entsprechenden Projekten, sag-
te Hoke der Nachrichtenagentur Reu-
ters. Konkret hofft der Konzern auf
neue Aufträge für den Eurofighter. So
bietet Airbus der Bundesregierung die
Maschine als Ersatz für die alternde
„Tornado“-Flotte der Luftwaffe an, die
ab 2025 ausgemustert werden muss.
Es ist ein heikles Thema: Ein Teil der
Tornados hält Deutschland für die nu-
kleare Teilhabe bereit. Der Euro-
fighter konkurriert mit Boeing, die
Luftwaffe prüft zurzeit beide Angebo-
te. Käme Airbus nicht zum Zug, wür-
de die Produktion des Eurofighters in
einigen Jahren abreißen.
Die Weiterentwicklung des Euro-
fighters gilt als eine Grundvorausset-
zung für die Entwicklung des mit dem
französischen Flugzeugbauer Dassault
geplanten FCAS (Future Combat Air
System)-Projekts, das 2040 an den
Start gehen soll. Airbus konzentriert
sich auf die Entwicklung der beglei-

tenden Drohnen, die gemeinsam mit
dem Flugzeug operieren sollen. Ohne
eine Weiterentwicklung des Euro-
fighters fehlten Airbus in Deutschland
aber das Know-how und die Spezialis-
ten für das Projekt, warnt Hoke.

Während die Eurofighter-Entschei-
dung noch aussteht, haben Frank-
reich und Deutschland erste Entwick-
lungsbudgets für das FCAS bereits frei-
gegeben. Beteiligt sind auch die
Triebwerkshersteller Safran und MTU.

A400M: Die Bundes-
wehr ist mit dem
Militärtransporter
noch nicht zufrieden.

dpa


 


 





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Unternehmen & Märkte
DONNERSTAG, 20. FEBRUAR 2020, NR. 36
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