Handelsblatt - 20.02.2020

(Ann) #1
Franz Hubik München

W


ie rau die Zeiten
sind, spürt die
Führungsriege
von Daimler di-
rekt am eigenen
Gehalt. Nachdem der Gewinn des
Mercedes-Herstellers im vergangenen
Jahr um fast zwei Drittel auf 2,7 Milli-
arden Euro eingebrochen ist, fallen
auch die Bonuszahlungen für die Ma-
nager bei dem Autobauer teilweise
deutlich geringer aus als in den Vor-
jahren. Details dazu gehen aus einer
internen Präsentation mit dem Titel
„Daimler Company Bonus 2019 &
PPSP 2016“ hervor, die an Führungs-
kräfte versandt wurde. Das zehnseiti-
ge Papier liegt dem Handelsblatt vor.
Demnach setzen sich die Boni aus
drei Elementen zusammen: der fi-
nanziellen Performance, Meilenstei-
nen in der Transformation und nicht-
finanziellen Zielen. Die zusammenge-
rechnet maximal mögliche
Zielerreichung liegt bei 200 Prozent.

Der Gesamtkonzern schaffte im Jahr
2019 mit einer Zielerreichung von 74
Prozent aber nicht einmal die Hälfte
davon. In den fünf Divisionen (Pkw,
Vans, Lkws, Busse, Mobilitätsdiens-
te), die für die meisten Führungskräf-
te relevanter sind, liegt die Zielerrei-
chung teils darüber, teils darunter.
Während die Manager in den Spar-
ten Busse und Mobilitätsdienste bei-
spielsweise einen Boni-Auszahlungs-
grad von jeweils mehr als 130 Prozent
schaffen, liegt die Zielerreichung der
Autodivision Mercedes, die für mehr
als die Hälfte des Gesamtumsatzes
des Konzerns von 173 Milliarden Euro
steht, nur bei mageren 25 Prozent.
Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr
lag die Zielerreichung der Marke mit
dem Stern noch mehr als doppelt so
hoch – bei 59 Prozent.
Insbesondere beim Kriterium der
finanziellen Performance hat Merce-
des fatal abgeschnitten. Das „Ebit-
Ziel“, also das intern avisierte Ergeb-
nis vor Zinsen und Steuern für 2019,
lag bei 7,7 Milliarden. Tatsächlich er-

wirtschaftet hat die Premiummarke
aber nur 3,4 Milliarden Euro. Die Fol-
ge sind null Prozent Zielerreichung
bezogen auf die Finanzkennzahlen.
Und auch bei weicheren Kriterien
wie den Meilensteinen in der Trans-
formation verfehlte Mercedes seine
Ziele. In puncto Steigerung des Ab-
satzes von batterieelektrischen Autos
und einer damit einhergehenden Re-
duzierung des CO 2 -Flottenwertes
steht die symbolische Ampel nicht
auf Grün, sondern auf Gelb. Bei den
nichtfinanziellen Zielen wird bei Mer-
cedes der Punkt „Qualität“ als „nied-
rig“ bewertet und das „Mitarbeiter-
engagement“ nur als „durchschnitt-
lich“. Lediglich die Werte „Vielfalt“
und „Integrität“ werden mit „gut“
bewertet. Den Anspruch „exzellent“
schaffen die Sternmanager aber in
keiner Kategorie.
Die tatsächliche Höhe der Boni
hängt davon ab, in welcher Sparte
ein Manager beschäftigt ist und wel-
cher Führungsebene er angehört.
Daimler unterteilt seine Manager in
unterschiedliche Ränge. E1 steht et-
wa für eine Gruppe von rund hun-
dert Führungskräften, die direkt un-
ter dem Vorstand angesiedelt ist. E2
steht für das erweiterte obere Ma-
nagement, etwa Bereichsleiter. Die
Gruppe E3 umfasst Abteilungsleiter.
Der Bonus der Führungskräfte vari-
iert von 65 Prozent (E1) bis 25 Pro-
zent (E3) des jährlichen Grundgehalts
mal der tatsächlichen Zielerreichung
der jeweiligen Division.
Ein fiktives Rechenbeispiel dazu:
Beträgt das Grundgehalt eines
Mercedes-Abteilungsleiters (E3)
100 000 Euro, so stünde ihm bei 100
Prozent Zielerreichung ein Bonus
von 25 000 Euro zu. Da die Marke
mit dem Stern aber nur 25 Prozent
seiner Ziele 2019 erreicht hat, beträgt
der Bonus in diesem fiktiven Fall nur
6250 Euro. Zum Vergleich: Im Jahr
2018 hätte der Abteilungsleiter dank
einer Zielerreichung von 59 Prozent
in dieser Beispielrechnung noch ei-
nen Bonus von 14 750 Euro ausge-
zahlt bekommen.
Daimler wollte sich „aus wettbe-
werbsrechtlichen Gründen“ nicht im
Detail zu den Gehältern äußern. Der
Konzern erklärte eher allgemein,
dass seine leitenden Führungskräfte
„eine marktorientierte Vergütung“
erhalten, die sich aus einem fixen
Grundgehalt sowie einer variablen
Vergütung zusammensetzt. „Die va-
riable Vergütung umfasst ein Bonus-
system, welches den kurzfristigen
Unternehmenserfolg berücksichtigt
sowie einen aktienbasierten Plan mit
dem sie an der mittel- bis langfristi-
gen Unternehmensentwicklung parti-
zipieren“, teilte Daimler mit.
Am Freitag veröffentlicht der Auto-
bauer seinen endgültigen Finanzbe-
richt. Darin wird auch die Vergütung
des achtköpfigen Daimler-Vorstands
um CEO Ola Källenius detailliert auf-
gelistet. Schon jetzt ist klar: Auch die
obersten Manager des Konzerns wer-
den sich erst einmal ein wenig be-
scheiden müssen.

Nach Gewinneinbruch


Manager-Boni bei


Mercedes sinken deutlich


Wie interne Berechnungen zeigen, spüren die Führungskräfte von Daimler


die Krise des Autobauers am eigenen Gehalt. Ihre Vergütung schrumpft.


Mobilfunk


Telefónica


überholt


Vodafone


Stephan Scheuer Düsseldorf


T


elefónica Deutschland war
lange Zeit das Sorgenkind in
der deutschen Mobilfunk-
branche. Bis heute hat der Betreiber
das schwächste Netz hierzulande.
Aber die deutsche Tochter des spani-
schen Telefónica-Konzerns kann auf-
holen. Im vergangenen Jahr steigerte
das Unternehmen, das unter der
Marke O2 auftritt, seinem Umsatz um
1,1 Prozent auf 7,4 Milliarden Euro.
Zudem konnte die Firma mit 1,5
Millionen neuen Vertragskunden so
viele Anschlüsse gewinnen wie seit
Übernahme von E-Plus vor gut fünf
Jahren nicht mehr. Entsprechend po-
sitiv zeigte sich Telefónica-Deutsch-
landchef Markus Haas bei der Vorstel-
lung der Quartalszahlen. „Wir haben
geliefert“, sagte er. Die Entwicklung
schlägt sich auch in der wichtigen
Größe der Serviceumsätze im Mobil-
funk nieder. Im abgelaufenen Quartal
konnte Telefónica die Umsätze im
Jahresvergleich um 0,8 Prozent auf
1,341 Milliarden Euro steigern.
Damit liegt Telefónica zwar hinter
der Deutschen Telekom, aber vor
dem Rivalen Vodafone. Die wichtige
Kerngröße der Serviceumsätze im
Mobilfunk ging im Jahresvergleich
leicht von 1,299 Milliarden Euro auf
1,273 Milliarden zurück. Die Deutsche
Telekom erreichte im abgelaufenen
Quartal mit 1,557 Milliarden Euro da-
gegen ein Plus von 1,4 Prozent.
Vodafone feierte sich als „größter
Mobilfunkanbieter Deutschlands“
und versuchte, diese Aussage mit 50
Millionen SIM-Karten im Netz zu be-
legen. Vodafone weist in dieser Zahl
jedoch nicht nur menschliche Kun-
den, sondern auch SIM-Karten in ge-
räten aus – zum Beispiel in vernetz-
ten Kaffeemaschinen.
In der viel wichtigeren Kennzahl
der Mobilfunkkunden musste Voda-
fone einen Rückgang um 2,6 Prozent
auf 29,642 Millionen im vergangenen
Quartal hinnehmen.
Ein wichtiger Grund für diese Ent-
wicklung sitzt weder in der Vodafo-
ne-Zentrale in Düsseldorf noch beim
Hauptquartier von Telefónica in Mün-
chen, sondern in Montabaur. Dort
hat United Internet (1&1, GMX, web.
de) seinen Hauptsitz. Der Anbieter
hat knapp zehn Millionen Mobilfunk-
kunden, aber kein eigenes Netz.
Gründer Ralph Dommermuth mie-
tet dafür Kapazitäten bei Telefónica
und Vodafone an. Aufgrund der
Übernahme von E-Plus durch Telefó-
nica bekommt United Internet einen
von den Wettbewerbshütern in Brüs-
sel geregelten Zugang zum Netz der
Münchener. Bei Vodafone muss er
frei aushandeln. Und diese Verhand-
lungen liefen 2019 über lange Zeit
schwierig, wie das Handelsblatt er-
fuhr.
Daraufhin begann Ralph Dommer-
muth, viele Kunden von Vodafone
auf das Netz von Telefónica zu mi-
grieren. Allerdings schlüsselt keines
der Unternehmen auf, wie viele der
zehn Millionen United-Internet-Kun-
den letztlich das Netz von Telefónica
oder das Netz von Vodafone nutzen.
Insider bestätigten dem Handelsblatt,
dass der Migrationseffekt Vodafone
belastet. In Branchenkreisen war die
Rede von einem „Dommermuth-Ef-
fekt“.


Mercedes-Benz-
Niederlassung:
Derzeit wenig Glanz
unter dem Stern.

imago/Arnulf Hettrich

Unternehmen & Märkte
DONNERSTAG, 20. FEBRUAR 2020, NR. 36
26


Bahnindustrie

Eisenbahner beschweren sich bei Bombardier


Mitten in die Fusionseuphorie
platzt ein Brandbrief der
Kunden an Bombardier-Chef
Di Perna. Die Liefer- und
Qualitätsprobleme seien nicht
mehr zumutbar.

Dieter Fockenbrock Düsseldorf

D


anny Di Perna, Vorstands-
chef der kanadischen Bom-
bardier Transportation, hat
im Moment genug um die Ohren. Was
wird aus dem einst so mächtigen und
stolzen kanadischen Zugbauer, was
wird aus ihm selbst? Alstom will die in
Berlin angesiedelte Transportsparte
für rund sechs Milliarden Euro kau-
fen. Di Pernas neue Chefs sitzen bald
in Paris, nicht mehr in Montreal.
Doch mitten in die Schlussverhand-
lungen über den Deal platzt ihm ein
Brandbrief der deutschen Kunden,
die sich massiv über die mangelhafte
Qualität der Bombardier-Züge be-
schweren. Deutschland ist einer der
größten Eisenbahnmärkte weltweit.
„Liefer- und Qualitätsprobleme von
Bombardier Transportation – Bitte um
ein Spitzengespräch mit Eisenbahn-
verkehrsunternehmen und Aufgaben-
trägern“ ist das Schreiben betitelt, das
die Verbände Mofair, BAG-SPNV und
VDV unterzeichnet haben.

Alle Verbände einschließlich der
Politik unternähmen gerade große An-
strengungen, „um mit einem attrakti-
ven Angebot im Schienenpersonen-
nahverkehr den Grundstein für eine
gelungene Verkehrswende zu legen“.
Damit die wirklich ein Erfolg werde,
„brauchen wir zufriedene Fahrgäste“.
Die Fahrzeughersteller hätten hierbei
eine herausragende Funktion, denn
ihre Fahrzeuge seien „während der
Fahrt quasi das Wohnzimmer der
Fahrgäste“. Deshalb müsse die Indus-
trie dafür sorgen, dass die Fahrzeuge
vereinbarungsgemäß und voll funkti-
onsfähig zur Verfügung stünden.
Unangenehm für Di Perna: „Leider
haben die vergangenen Jahre deutlich
gemacht, dass insbesondere Bombar-
dier Transportation dieser Funktion
nicht mehr in dem Maße gerecht
wird.“ In der Branche hat sich der Är-
ger gegen Bombardier seit Jahren auf-
gestaut.
Probleme gebe es immer mit neuen
Fahrzeugen, sagt ein Manager der
Branche hinter vorgehaltener Hand.
„Aber was sich Bombardier leistet, ist
nicht im Entferntesten zu vergleichen
mit anderen Herstellern wie Alstom,
Siemens oder Stadler.“
Zwei Beispiele aus jüngster Zeit ha-
ben die Eisenbahnbranche wachge-
rüttelt. Das Verkehrsunternehmen
Abellio, Tochter der niederländischen

Staatsbahn, bestellte im Juni 2016
43 Regionalzüge vom Typ Talent 2,
später kamen weitere elf Orders hin-
zu. Damit sollte Abellio ab Juni 2019
im Neckartal zum Einsatz kommen.
Doch kein einziger Zug wurde bis
zu diesem Zeitpunkt angeliefert. Abel-
lio musste sich auf die Schnelle Züge
bei der Deutschen Bahn und anderen
Unternehmen ausleihen. Noch heute
fehlen 22 Züge. Und die Züge, die an-

geliefert wurden, haben Probleme mit
den Türen oder der Software.
Die Deutsche Bahn wiederum hat
erst kürzlich die Abnahme von weite-
ren 25 IC-Zügen aus dem Hause Bom-
bardier wegen technischer Mängel ge-
stoppt. Und die Lieferung des ICE 4
wurde im vergangenen Jahr für Mona-
te unterbrochen, weil Verarbeitungs-
mängel an der von Bombardier gelie-
ferten Karosserie aufgefallen waren.
In der Schweiz musste Bombardier
wegen verspäteter Auslieferung und
Mängeln an Doppelstockzügen gerade
eine millionenschwere Strafzahlung
an die SBB zahlen. Das drückte Bom-
bardier Transportation sogar in die ro-
ten Zahlen.
Die deutschen Schienenverkehrsun-
ternehmen, vertreten durch ihre Ver-
bände, fordern nun ein „Spitzenge-
spräch mit Di Perna“, um eine „deutli-
che Qualitätssteigerung sowie die
konsequente und fristgerechte Einhal-
tung der vereinbarten Vertragsbedin-
gungen“ zu erreichen. „Es ist für uns
nicht hinnehmbar, dass Bombardier
Transportation seit Jahren keine Lö-
sung findet, die Liefer- und Qualitäts-
probleme nachhaltig zu beseitigen,
und so das Funktionieren der nachge-
lagerten Wertschöpfungskette aufs
Spiel setzt“, heißt es in dem Schreiben
weiter. Di Perna müsse den „Missstän-
den kraftvoll entgegenwirken“.

Doppelstockzug von
Bombardier:
Strafzahlungen an die
Schweizer SBB.

REUTERS

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Unternehmen & Märkte
DONNERSTAG, 20. FEBRUAR 2020, NR. 36
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