Handelsblatt - 20.02.2020

(Ann) #1
Paul Langrock/laif

Peter Köhler Frankfurt

L


ange vor der Geburt der Klimaschutz-
Aktivistin Greta Thunberg startete 1996
eine stille, grüne Revolution in der
Fondsbranche. Die beiden Freunde Al-
fred Platow und Klaus Odenthal legten
damals den Investmentfonds Ökoworld Ökovision
auf. Mit dem Fondsprodukt wurde eine neue Ära
eingeleitet – wenngleich der Beginn damals eher
unspektakulär war, verglichen mit dem heutigen
Hype um nachhaltige Investments.
„Rückblickend kann man sagen, dass die Banken
vor zehn, 20 Jahren dem Thema Ökologie eher
skeptisch gegenüberstanden. Doch das Blatt hat
sich gewendet. Heute versuchen viele auf den fah-
renden Zug aufzuspringen“, sagt Alexander Mozer,
Chief Investment Officer bei der Ökoworld Lux SA,
die heute den Fonds verwaltet. Leider gehe es da-
bei vornehmlich um reines Marketing und weniger
um inhaltliches Interesse am Thema, kritisiert der
Anlagechef.
Ökoworld will sich davon abheben. Der heutige
Vorstandschef Platow interessierte sich schon in
den 70er-Jahren für Umweltthemen. Er ist studier-
ter Sozialarbeiter und auch seine Mitstreiter waren
keine klassischen Banker, sondern Überzeugungs-
täter. Bei den jüngsten Klimastreiks der „Fridays
for Future“-Bewegung nahm auch das Ökoworld-
Team wieder an den Demonstrationen teil. Den-
noch sieht Mozer die neue Begeisterung für nach-
haltiges Investieren nicht nur positiv.
Der Überschwang bei den Produkten, die nach
ESG-Kriterien investieren, ist für ihn ein zwei-
schneidiges Schwert. ESG steht dabei für Environ-
mental, Social und Governance, also ökologische
und soziale Aspekte sowie eine gute Unterneh-
mensführung bei der Geldanlage. Einerseits sei es
gut, dass es solche breitenwirksamen Vorstöße ge-
be, sagt Mozer. Aber es bestehe die Gefahr des so-
genannten Greenwashings, also dass Fonds sich
grün geben – es aber nicht sind. „Man verpasst sich
ein Etikett, ändert aber nichts an der traditionellen
Strategie“, warnt der CIO von Ökoworld.

Volumen von 1,2 Milliarden Euro
Ein Vorwurf, dem sich der Investmentfonds selbst
nicht aussetzen will. So zählen die Auswahlkrite-
rien zu den härtesten der Ökofonds-Branche, wie
„Fonds professionell“ schrieb. Flaggschiff der Öko-
world-Fonds ist dabei nach wie vor der Ökovision.
2008, also während der letzten Finanzkrise, lag
das Volumen noch bei überschaubaren 290 Millio-
nen Euro, heute sind es rund 1,2 Milliarden Euro,
Tendenz steigend.
„Die Finanzinstitute haben die Vorteile beim
nachhaltigen Anlegen erkannt, heute bieten auch
Sparkassen den Ökovision aktiv an“, erklärt der
Manager. Beim Ökovision sei der Anleger in rund
100 Unternehmen investiert bei einem Anlageuni-
versum von 350 Titeln. Diese wiederum sind laut
Ökoworld aus einem Bestand von ungefähr 60 000
Unternehmen herausgefiltert worden. Rund ein-
mal im Jahr werde der Fonds komplett gedreht.
Man bezeichnet sich als „benchmarkfreie Stockpi-
cker“, das heißt, die Geldmanager suchen aktiv
nach Unternehmen, ohne sich mit einem Index als
Vergleichsmaßstab zu messen.
Damit fühle sich die Investmentfirma freier bei
ihrer Wahl. Indizes als Benchmark könnten auch in
die Irre führen, glauben die Ökovision-Manager.
„Nehmen Sie den MSCI World, der ist eigentlich

Grüner

Pionier

Vor fast einem Vierteljahrhundert startete


einer der ersten „grünen Fonds“ in


Deutschland: Ökovision. Die Vorreiterrolle


lässt sich der Anbieter gut bezahlen.


Private


Geldanlage


DONNERSTAG, 20. FEBRUAR 2020, NR. 36
34

Die Finanz -


institute


haben die


Vorteile beim


nachhaltigen


Anlegen


erkannt,


heute bieten


auch


Sparkassen


den Ökovision


aktiv an.


Alexander Mozer
CIO Ökoworld Lux

Bulle & Bär

Eine Frage des


Vertrauens


I


n China wütet das Coronavirus. Die
Konjunkturbelastungen auch au-
ßerhalb des Landes sind unüber-
sehbar. Apple alarmierte seine Aktionä-
re mit einer Gewinnwarnung. Andere
Unternehmen leiden ebenfalls. Und was
tun die Aktionäre? Sie ignorieren diese
Nachrichten.
Die Kurse am Weltleitmarkt Wall
Street und an anderen Plätzen bleiben
nahe ihren Rekordniveaus. Die Börse sei
launisch und unberechenbar, sagte Ak-
tienguru André Kostolany. Doch launisch
wirken die Märkte derzeit nicht. Eher
scheint es, als hätten die Aktionäre sich
in Therapie begeben und seien nach er-
folgreicher Behandlung mit einem Dau-
er-Wohlgefühl entlassen worden.
Vielleicht aber ist der Grund einfach
ein Erfahrungsgewinn. Gerade US-Un-
ternehmen kaufen eigene Aktien für Bil-
lionen Dollar zurück und pushen so die
Kurse. Und seit der Finanzkrise stützen
die Notenbanken die Märkte mit locke-
rer Geldpolitik.
Mit dem chinesischen Konjunktur-
flauten-Export stehen die Zeichen erst
recht auf anhaltend tiefe oder noch tie-
fere Zinsen. So beruhigen die Notenban-
ker ungewollt die Gemüter der Anleger.
Immer mehr Börsianer wiegen sich in
Sicherheit, wirken geradezu sediert. Die
von den Kritikern lockerer Geldpolitik
gerne verwendete Analogie der Drogen-
abhängigkeit kommt einem in Erinne-
rung.
Angesichts dieses Umfelds darf man
fragen: Was kann die Dauer-Hausse
überhaupt kippen? In der Vergangen-
heit waren das nämlich regelmäßig eine
straffere Geldpolitik der Notenbanken
und eben steigende Zinsen. Genau das
aber ist heute wegen hoher Schuldenni-
veaus unmöglich. So betrachtet müssen
die unbeirrbaren Aktionäre ihre Sorglo-
sigkeit nicht fürchten – was ihnen in ih-
rem Zustand ohnehin unmöglich wäre.
Kostolany hatte lange Zeit vor den sti-
mulierenden Notenbanken deren Ein-
fluss unbeabsichtigt mit einem Ausflug
in die Physik vorweggenommen: Geld
sei der Sauerstoff der Börse. Und Geld
werden die Bestimmer in den Noten-
banken auch weiter reichlich verteilen.
Deshalb ist ein Ende des Aktienauf-
schwungs nicht in Sicht. Auch wenn ra-
tionale Denker davon womöglich Kopf-
schmerzen bekommen. Börse ist keine
Sache des Verstands, sondern der Psy-
chologie.

Der tägliche Kommentar
des Handelsblatts analysiert
die Entwicklung
an den Finanzmärkten.
Von Ingo Narat

Windkraft in
der Uckermark:
Es gibt immer mehr
grüne Fonds.

ein US-Index, denn rund 60 Prozent der Titel kom-
men aus den USA“, argumentiert Mozer.
Unabhängige Experten sind allerdings von dem
Produkt nicht restlos überzeugt. Ali Masarwah,
Fondsexperte bei Morningstar, hält den Ökovision
zwar für sehr breit aufgestellt für einen Ökofonds.
Das Produkt beinhalte so keinesfalls ein Klumpen-
risiko, wie das bei anderen Sektorfonds oft der Fall
sei. Nur 16 Prozent der Fondsgelder steckten in den
Top-10-Positionen. Insgesamt sei das Risiko des
Fonds damit unterdurchschnittlich. Allerdings gibt
es auch eine Reihe von Kritikpunkten aus dem
Blickwinkel von Morningstar.
Die Gebühren seien sehr hoch und viel zu teuer,
zumal man sich nicht mehr im Jahr 1996 befinde,
und es mannigfaltige Alternativen gebe, sagt Masar-
wah. So verlangt der Fonds Ökovision Classic nach
eigenen Angaben einen Ausgabeaufschlag von ma-
ximal fünf Prozent und verlangte für 2018 laufende
Gebühren von 2,32 Prozent. Der günstigste global
anlegende ETF mit – durchaus ernst zu nehmen-
dem – ESG-Screening koste heute gerade einmal
0,18 Prozent Gebühren jährlich, heißt es bei Mor-
ningstar.
Nicht nur mit Blick auf die Kosten müsse der
Fondsanbieter aufpassen, nicht von den zahlrei-
chen Konkurrenzfonds abgehängt zu werden, heißt
es bei Morningstar. Verglichen mit anderen global
anlegenden Aktienfonds schneide der Fonds im
„ESG Risk Rating“ von Morningstar zwar über-

durchschnittlich ab, aber es gebe viele Alternativen
mit besseren ESG-Ratings, sagt Masarwah. Auch
die Performance sei allenfalls Durchschnitt im Ver-
gleich zu anderen Ökofonds (siehe Grafik).
Trotzdem profitiert der Ökovision ungemein von
der allgemeinen ESG-Euphorie. Bis 2015 war das
Mittelaufkommen durch und durch unspektakulär.
Seit 2016 hat der Vertrieb jedoch deutlich angezo-
gen, und 2019 gingen dem Fonds laut Morningstar
gut 180 Millionen Euro zu, nach 126 Millionen Euro
2018 und 80 Millionen Euro im Jahr 2017. Der Öko-
world Ökovision kann heute darauf bauen, dass er
seit Jahren am Markt etabliert ist. Die Berater emp-
fehlen den Fonds, weil man mit einem Urgestein
der Ökobranche „schon nichts falsch machen
kann“, sagt ein Experte. Der Fonds sei zu einem
Selbstläufer geworden.
Bei Ökoworld kennt man die Kritik an den ho-
hen Kosten, doch man verweist auf die gute Perfor-
mance des Fonds. „Seit Jahresanfang 2019 standen
wir beim Ökovision ein bisschen auf der Bremse,
das hat sich in einer Kassenquote von rund 20 Pro-
zent im Fonds widergespiegelt. Zum Jahresende er-
zielte der Fonds dennoch eine stattliche Rendite
von rund 25 Prozent nach Kosten für das Jahr
2019“, sagt Anlagechef Mozer.

Öko-Fast-Food-Kette im Portfolio
Analystin Simone Schieg vom Rating- und Analyse-
haus Scope zählt zu den Stärken des Fonds, dass er
ein streng nachhaltiger Fonds ist, der umfangrei-
che Ausschluss- und Positivkriterien anwendet. Die
Ausschlusskriterien beträfen nicht nur Produzen-
ten, sondern die gesamte Wertschöpfungskette,
das heißt auch Zulieferer und Finanziers dürften
gegen die Ausschlusskriterien nicht verstoßen. Der
Fonds müsse nicht nur Rüstungsproduzenten wie
Lockheed Martin oder Rheinmetall meiden, son-
dern auch Unternehmen, die militärische Ausrüs-
tung fertigen, beispielsweise die Hersteller von Be-
kleidung für Soldaten.
Gleichzeitig müssten die Unternehmen auch Po-
sitivkriterien erfüllen. Das heißt, sie müssten etwa
in den Bereichen regenerative Energien, Umweltsa-
nierung, regionale Wirtschaftskreisläufe und huma-
ne Arbeitsbedingungen tätig sein. Ziel des Fonds
sei es, ausschließlich in konsequent nachhaltige
Unternehmen zu investieren, um Risiken wie bei-
spielsweise Ereignis- oder Reputationsrisiken zu
vermeiden. Zu den größten Posten des Ökovision
gehörten zuletzt etwa die Fast-Food-Kette Chipotle


  • die Lebensmittel ressourcenschonend herstelle –
    sowie der Blutplasma-Spezialist CSL und Waste Ma-
    nagement.
    Zu den Schwächen des Fonds zählen die Exper-
    ten von Scope dagegen, dass er keine Stimmrechte
    ausübe. Damit unternehme er nichts, um auf
    Hauptversammlungen das Thema Nachhaltigkeit
    zu forcieren. Begründet werde das durch die um-
    fangreichen Nachhaltigkeitskriterien, die Ökoworld
    an Unternehmen stelle.
    „Generell ist zu sagen, dass Ökoworld nicht sehr
    transparent und umfangreich über Engagement-
    Aktivitäten berichtet“, moniert Analystin Schieg.
    Und, genau wie Morningstar, fällt auch den Scope-
    Experten die Kostenbelastung auf und die „Perfor-
    mance Fee“ in Höhe von zehn Prozent jährlich
    vom erzielten Wertzuwachs. Nachhaltigkeit hat of-
    fensichtlich ihren Preis – das lässt sich am Ökovisi-
    on gut zeigen.


Ökoworld Ökovision Classic

HANDELSBLATT Quelle: Scope Analysis

1) Daten per Ende Jan. 2020; 2) Vergleichsindex: Weltaktien-
index; 3) Unter allen Konkurrenzfonds

Jan. 2015 Jan. 2020

+60

+40

+20

±0

-20

%

%

%

%

%

Fondsname
Gesellschaft
Fondsgruppe
Fondsmanager
ISIN
Volumen
Ausgabeaufschlag
Managementgebühr p. a.
Internet

Kennzahlen

Prozentuale Veränderung seit Jan. 2015

Fonds

Weltaktienindex

Bewertung

Ökoworld Ökovision Classic
ÖkoWorld Lux
Aktien Nachhaltigk./Ethik Welt
Fondsmanager-Team
LU0061928585
1,26 Mrd. €
5,00 %
1,76 %
http://www.oekoworld.com

1 Jahr
3 Jahre p. a.
5 Jahre p. a.

+18,8
+8,7
+7,7

%
%
%

86.
46.
32.

von 117
von 75
von 63

+23,1
+11,1
+10,1

%
%
%

Performance1 Index2 Platzierung3

ÖKOWORLD LUX S. A.

Private Geldanlage


DONNERSTAG, 20. FEBRUAR 2020, NR. 36
35
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