Die Welt - 21.02.2020

(Grace) #1

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21.02.20 Freitag, 21. Februar 2020DWBE-HP


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6 POLITIK DIE WELT FREITAG,21.FEBRUAR


Richard Grenell will seinen
Job als US-Botschafter in
Deutschland demnächst von
Washington aus wahrnehmen

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ETTY IMAGES

D


ie Nachrichten von Ri-
chard Grenells Wechsel
ins Weiße Haus lösten in
WWWashington Überra-ashington Überra-
schung und ihre Weite-
rungen in Berlin Erstaunen aus. Der
amerikanische Botschafter in Deutsch-
land wird seinem unkonventionellen
Image gerecht: Er bekleidet seinen künf-
tigen Posten als amtierender Direktor
der Nationalen Geheimdienste offenbar
nur übergangsweise – und will seine Auf-
gabe als Botschafter in Berlin von Wa-
shington aus vorerst fortsetzen.

VON SILKE MÜLHERR UND
DANIEL FRIEDRICH STURM
AUS BERLIN UND WASHINGTON

Die Berufung Grenells hatte Präsident
Donald Trump am Mittwochabend – na-
türlich – per Twitter mitgeteilt. „Rick
hat unser Land äußerst gut repräsen-
tiert, und ich freue mich darauf, mit ihm
zu arbeiten“, schrieb Trump auf dem
KKKurznachrichtendienst. urznachrichtendienst.
Der Wechsel ins Weiße Haus ist ein
steiler Karriereschritt für den 53-jährigen
Grenell. Im vorigen Jahr war er bereits als
WWWashingtons Botschafter bei den Verein-ashingtons Botschafter bei den Verein-
ten Nationen in New York gehandelt wor-
den. Kurz darauf wurde bereits darüber
spekuliert, ob er dem entlassenen John
Bolton auf den Posten des Nationalen Si-
cherheitsberaters folgen würde. Grenell
dementierte die damaligen Gerüchte um
seine diversen Karrieresprünge nicht. Er
machte ohnehin nie den Eindruck, um je-
den Preis in Berlin bleiben zu wollen.
AAAls neuer Geheimdienstkoordinatorls neuer Geheimdienstkoordinator
löst Grenell in Washington den kommis-
sarisch amtierenden Joseph Maguire, 68,
aaab – einen erfahrenen Militär, der denb – einen erfahrenen Militär, der den
Posten erst im August vorigen Jahres
übernommen hatte. Bis dato hatte Dan
Coats, 76, als Geheimdienstkoordinator
gedient. Auch Coats war einst, von 2001
bis 2005, Botschafter in Berlin gewesen.
Grenell wäre somit Trumps dritter Di-
rektor der Nationalen Geheimdienste.
Ein derart asthmatischer Führungs-
wechsel ist in der Trump-Administration
durchaus üblich. Der Direktor der Natio-
nalen Geheimdienste koordiniert die Ar-
beit der 17 zivilen und militärischen Ge-
heimdienste und ist damit neben dem
Präsidenten Hauptverantwortlicher für
die Sicherheit der Amerikaner.
Niemand in Deutschland aber sollte
sich auf einen baldigen Abschied Gre-
nells einstellen. „Wer nun glaubt, dass
sich mit Richard Grenells Berufung zum
geschäftsführenden Geheimdienstkoor-
dinator in Washington die Forderungen
der USA an Deutschland verändern wer-
den, der täuscht sich“, sagte ein amerika-
nischer Regierungsvertreter, der mit den
VVVorgängen vertraut ist. „Grenell bleibtorgängen vertraut ist. „Grenell bleibt
US-Botschafter für Deutschland und er
wird weiter im Namen Donald Trumps
eine Erhöhung des deutschen Militär-
budgets fordern, genauso wie Washing-
ton nach wie vor eine Beteiligung von
Huawei ablehnt und das Gaspipelinepro-
jekt Nord Stream 2 verurteilt“, so der
Offizielle weiter.
In Washington heißt es unterdessen,
der US-Präsident habe Grenell bereits

zu einem früheren Zeitpunkt gebeten,
die Rolle als geschäftsführender Ge-
heimdienstkoordinator zu übernehmen.
Doch der Botschafter habe das Angebot
damals abgelehnt. Auf mehrfaches Drän-
gen des Präsidenten habe Grenell die
neue Rolle nun doch akzeptiert, die aber
temporär sein soll. Es werde erwartet,
dass er nach „einigen Monaten“ wieder
nach Berlin zurückkehrt, sobald ein neu-
er Geheimdienstkoordinator benannt
und vom Senat bestätigt worden ist. Ge-
schäftsführend kann der Geheimdienst-
koordinator maximal sieben Monate
lang amtieren, so sehen es das Gesetz
vor. Vermutlich muss Trump darum in
2 10 Tagen den Posten abermals neu be-
setzen und wiederum einen Nachfolger
fffür den geschäftsführenden Grenell su-ür den geschäftsführenden Grenell su-
chen. Dann dürfte Amerika im Wahl-

kampffieber sein. In gut acht Monaten
steht Trump zur Wiederwahl, die nächs-
te Administration nimmt erst im Januar
2 021 ihre Arbeit auf.
AAAls ordentlicher Geheimdienstkoordi-ls ordentlicher Geheimdienstkoordi-
nator müsste Grenell vom Senat bestä-
tigt werden. Die Republikaner stellen
mit 53 der 100 Senatoren die Mehrheit in
dieser Kammer des Kongresses. Solange
Trump mit Grenell nur als kommissari-
schem Geheimdienstkoordinator plant,
bleibt ihm eine womöglich anstrengende
Anhörung und eine Bestätigung durch
den Senat erspart. Die Demokraten sind
über die Benennung eines weiteren ge-
schäftsführenden Geheimdienstkoordi-
nators empört. Trump umgehe damit die
verfassungsgemäßen Befugnisse des Se-
nats, sagte Senator Mark Warner, Vize-
VVVorsitzender des Geheimdienstaus-orsitzender des Geheimdienstaus-
schusses. Dabei werden diverse Füh-
rungsposten in der amerikanischen Ad-
ministration derzeit nur geschäftsfüh-
rend ausgeübt. Diese Taktik zählt zur
Masche Trumps. So kann er allein über
seine Mitarbeiter verfügen und entschei-
den, ob sie ihm gegenüber noch loyal ge-
nug sind – und diese gegebenenfalls aus-
tauschen, falls er zu einem anderen
Schluss kommt.
Bis auf Weiteres wird der neue ge-
schäftsführende Geheimdienstkoordina-
tor Grenell von Washington aus die
Amtsgeschäfte als Botschafter in
Deutschland führen – neben seiner Rolle

aus Sondergesandter der USA für Ser-
bien und Kosovo. Es erscheint allerdings
fffraglich, ob ihm die neue Aufgabe als Ko-raglich, ob ihm die neue Aufgabe als Ko-
ordinator der 17 Nachrichtendienste viel
Zeit lässt, sich nebenbei noch um die
deutsch-amerikanischen Beziehungen
zu kümmern – zumal es um diese schon
nicht zum Besten stand, als Grenell noch
vor Ort in Berlin war. Um das Tagesge-
schäft in der US-Botschaft in Berlin soll
künftig sich dem Vernehmen nach Robin
QQQuinville kümmern, die ihren Posten alsuinville kümmern, die ihren Posten als
Gesandte der Botschaft im Juli 2018 an-
getreten hatte. Die Karrierediplomatin
hatte nach Stationen an den Botschaften
in Berlin, London und Bagdad sowie in
der Brüsseler Nato-Vertretung im US-
AAAußenministerium gearbeitet, und sichußenministerium gearbeitet, und sich
dort um westeuropäische Angelegenhei-
ten gekümmert.

Grenell wiederum rückt näher an den
US-Präsidenten heran. Ihn als engen
VVVerbündeten Trumps zu beschreiben,erbündeten Trumps zu beschreiben,
wäre noch untertrieben. Zeit seines bis-
her knapp zweijährigen Wirkens in Ber-
lin bemühte sich der Diplomat stets um
den Eindruck, als treuer Diener Trumps
zu erscheinen. Seine oftmals hemdsär-
melig vorgetragene Kritik löste in der
deutschen Hauptstadt bisweilen Irrita-
tionen aus. Wenn Grenell etwa per Brief
Firmen drohte, die mit dem Iran weiter
Geschäfte machen oder den Bundeswirt-
schaftsminister informierte, dass eine
Beteiligung der chinesischen Firma Hua-
wei am Netzausbau Konsequenzen für
die Sicherheitszusammenarbeit haben
wwwürde, dann war das ungewöhnlich ge-ürde, dann war das ungewöhnlich ge-
messen an den bisher geübten diploma-
tischen Gepflogenheiten. Ähnlich ver-
hielt es sich mit Warnungen an den deut-
schen Bündnispartner, dass gebrochene
VVVersprechen bei den Militärausgabenersprechen bei den Militärausgaben
nicht länger von den USA geduldet wür-
den. Dabei diente Grenell, so schien und
scheint es, stets dem Präsidenten, weni-
ger dem jeweiligen Außenminister.
Formal hatte Grenell seinen Posten
unter Außenminister Rex Tillerson be-
gonnen. Botschafter werden indes vom
Präsidenten nominiert, Trump hatte das
im Falle Grenells im August 2017 getan,
ein halbes Jahr nach seinem eigenen
Amtsantritt. Der Senat bestätigte Gre-
nell entlang des parteipolitischen Gra-

bens. Die Republikaner votierten für den
Republikaner Grenell, die Demokraten
stimmten gegen ihn. Der Absolvent der
Harvard University war viele Jahre lang
unter Präsident George W. Bush Spre-
cher des US-Botschafters bei den UN.
WWWährend der Regierungszeit Barackährend der Regierungszeit Barack
Obamas war Grenell publizistisch tätig,
kurzzeitig im Jahre 2012 für den republi-
kanische Präsidentschaftskandidaten
Mitt Romney engagiert. Viel Respekt hat
sich der ursprünglich aus Michigan
stammende Grenell in der LGBT-Ge-
meinde erworben mit seinem Engage-
ment für die Rechte von Schwulen und
Lesben. Er ist der hochrangigste US-Re-
gierungsvertreter, der offen zu seiner
Homosexualität steht.
Grenells Kommunikationsstil erin-
nert bisweilen deutlich an den seines
Präsidenten. Der Botschafter ist be-
rühmt und berüchtigt für seine Tweets,
denen derzeit rund 180.000 Menschen
fffolgen. In einem WELT-Interview hatteolgen. In einem WELT-Interview hatte
er erklärt, er scheue keine unbequemen
WWWahrheiten im deutsch-amerikanischenahrheiten im deutsch-amerikanischen
VVVerhältnis und er wisse, dass derjenige,erhältnis und er wisse, dass derjenige,
der die Musik ausmache, selten beliebt
sei. Dass Grenell kein Problem mit der
offenen Konfrontation hat, dürfen auch
deutsche Politiker regelmäßig erfahren.
Unlängst hatte Grenell unter anderem
die Außenpolitiker Alexander Graf
Lambsdorff (FDP) und Stefan Liebich
(Linke) für deren Positionen attackiert.
Selbst Grenells Kritiker geben bisweilen
zu, dass er mit einigen Vorwürfen an die
Adresse der Bundesrepublik durchaus
Recht habe – etwa die unzureichenden
VVVerteidigungsausgaben, mit denenerteidigungsausgaben, mit denen
Deutschland selbst gemachte Verspre-
chen bricht. So wie der US-Präsident
wirft auch Grenell regelmäßig Journalis-
ten bei unliebsamer Berichterstattung
vor, sie verbreiteten „Fake News“ – fal-
sche Nachrichten also.
Bisweilen scheut sich der Botschafter
auch nicht, seine eigene Relevanz zu be-
tonen. So twittertete Grenell am Sonn-
tag, eben habe ihn der Präsident „aus der
Air Force One angerufen“. Donald
Trump habe ihm mitgeteilt, dass jede
Nation, die sich für einen nicht vertrau-
enswürdigen Anbieter der 5G-Technolo-
gie entscheide, die Bereitschaft der USA
gefährde, Geheimdienstinformationen
zu teilen. Dieser Tweet wurde sogleich
von Donald Trump junior aufgegriffen,
versehen mit dem Kommentar: „Solch
ein wichtiges Thema.“ Grenell retweete-
te dann Trump juniors Retweet seines
eigenen Tweets. Beobachtern drängt
sich gelegentlich der Eindruck auf, Gre-
nells Kurznachrichten richteten sich pri-
mär an den Ober-Twitterer im Weißen
Haus. Mit einer Beförderung zum Ge-
heimdienstkoordinator würde Trump
den ziemlich undiplomatischen Auftritt
Grenells in Deutschland belohnen.
In der amerikanischen Geheimdienst-
Community stößt die Personalie unter-
dessen auf erhebliche Skepsis. Seine
künftige Aufgabe erfordere Führungs-
kraft, Management, Substanz und Ver-
schwiegenheit, die Grenell nicht besitze,
heißt es von seinen Kritikern in Wa-
shington. Trump belohne Loyalität,
nicht Kompetenz. Die Berufung Grenells
ist ein im System Trump konsequenter
Schritt, zumal der Ausbau der amerika-
nisch-deutschen Partnerschaft bisher
nicht als Kernanliegen Grenells er-
scheint. Andere US-Botschafter in Berlin
haben hier, nicht zuletzt unermüdlich
durch das Land reisend, mehr Interesse
gezeigt. Grenell hingegen zog als Fazit
eines viertägigen Aufenthaltes auf der
jüngsten Münchner Sicherheitskonfe-
renz, wieder auf Twitter: „Amerika ist
das großartigste Land der Welt.“

Botschafter im Nebenjob


US-Präsident Donald Trump hat seinen treuesten Diplomaten befördert:


Richard Grenell wird neuer Geheimdienstkoordinator in Washington. Er


bleibt zusätzlich Amerikas Regierungsvertreter in Berlin


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erade einmal vier Minuten läuft
die Fernsehdebatte der Demo-
kraten am späten Mittwoch-
abend, da kassiert Michael Bloomberg
bereits eine verbale Ohrfeige nach der
anderen. Die linke Senatorin Elizabeth
Warren langt voll zu, direkt, brutal. „Ich
würde gern darüber sprechen, gegen
wen wir kandidieren: einen Milliardär,
der Frauen fette Weiber und pferdege-
sichtige Lesben nennt“, ruft Warren mit
empörter Stimme: „Und ich rede dabei
nicht von Donald Trump. Ich spreche
von Bürgermeister Bloomberg.“

VON DANIEL FRIEDRICH STURM
AUS WASHINGTON

Die Demokraten, sagt Warren, wür-
den bei der Präsidentschaftswahl nicht
gewinnen, träten sie mit einem Kandi-
daten an, der seine Steuererklärungen
verstecke, der Frauen belästige und um-
strittene rassistische Polizeitaktiken
unterstütze. Sie werde jeden demokra-
tischen Kandidaten unterstützen, lässt
Warren als knappe Bemerkung fallen.
Sogleich aber attackiert sie Bloomberg
erneut: „Die Demokraten gehen ein ho-
hes Risiko ein, wenn wir nur einen arro-
ganten Milliardär durch einen anderen
ersetzen.“
Schon nach ein paar Minuten also ist
klar: Michael Bloomberg, 78, mit rund
60 Milliarden Dollar Vermögen einer
der reichsten Männer der Welt, polari-
siert. Die folgenden zwei Stunden beim
Sender NBC in Las Vegas werden zur
aggressivsten von bisher neun demo-
kratischen Fernsehdebatten. Allein die
Präsenz von Bloomberg putscht seine
Konkurrenten auf – und treibt sie auch
abseits seiner Person zu den bislang
heftigsten wechselseitigen Vorwürfen.
Dass Bloomberg polarisiert, kann
kaum wundern. Der Gründer und Chef
des gleichnamigen Medienkonzerns
spült Hunderte von Millionen in Fern-
sehwerbung, mehr als all seine Mitbe-
werber zusammen. Er bezahlt seine über
2000 Wahlkampfkampagneros üppig. Er
lässt gleich die ersten vier Vorwahlen
aus, steht erstmals beim Super Tuesday
am 3. März zur Wahl. Er verzichtet auf
Spenden, und die Demokratische Partei
hat deshalb gleich mal die Bedingungen
für die Teilnahme an der TV-Debatte zu
Bloombergs Gunsten verändert; bisher
war nämlich eine gewisse Zahl an Spen-
dern erforderlich. Vor allem aber rollt
Bloomberg mit beachtlichen Umfrage-
werten das Feld all derer auf, die Donald
Trump besiegen wollen. Gut möglich,
dass der einstige Republikaner Bloom-
berg am Ende Kandidat wird.
Bisher aber führt der gleichaltrige un-
abhängige Senator Bernie Sanders, 78,
der den Demokraten gar nicht angehört.
Er könnte auch beim Nevada Caucus am
Samstag als Sieger hervorgehen, wie zu-
vor schon in Iowa und New Hampshire.
Sanders, der demokratische Sozialist,
der seit jeher gegen „Millionäre und
Milliardäre“ und gegen Konzerne wet-
tert, ist ein Anti-Bloomberg. Und
Bloomberg ein Anti-Sanders. Der, sagt
Bloomberg, wolle 160 Millionen Ameri-
kanern die private Krankenversiche-
rung wegnehmen. Solche Pläne würden
am Ende zu vier weiteren Jahren Trump
führen. „Ich kann Donald Trump schla-
gen“, sagt Bloomberg (so wie es alle hier
auf der Bühne von sich behaupten). Als
New Yorker, als Ex-Bürgermeister der
größten Stadt Amerikas, als Manager,
als Philanthrop werde ihm das gelingen.
So gut sei er als Bürgermeister nicht
gewesen, hält Ex-Vizepräsident Joe Bi-
den, 77, Bloomberg entgegen. Biden er-
innert an die umstrittene rassistische
Taktik „stop and frisk“, mit der Polizis-
ten Menschen willkürlich kontrollieren
und durchsuchen konnten. Bloomberg
hat sie jahrelang ermöglicht und ent-
schuldigt sich am Mittwoch abermals
dafür. Biden aber lässt nicht locker, er-
innert daran, dass Bloomberg das Ge-
sundheitsgesetz Obamacare einst eine

„Schande“ genannt habe. Bloomberg
kontert: „Ich bin ein Fan von Obamaca-
re.“ Biden: „Sie haben es eine ,Schande‘
genannt. Prüfen Sie es nach.“
Der junge Ex-Bürgermeister Pete
Buttigieg, 38, versucht, sich als Welt-
kind der Mitte darzustellen, indem er
Sanders und Bloomberg attackiert. Sein
Horrorszenario: wenn diese beiden „am
meisten polarisierenden Figuren auf
dieser Bühne“ nach dem Super Tuesday
übrig bleiben. Also „wenn die Amerika-
ner zu wählen haben zwischen einem
Sozialisten, der den Kapitalismus für
die Wurzel allen Übels hält, und einem
Milliardär, der denkt, dass Geld die
Wurzel aller Macht sein sollte.“ Da sei
doch jemand, sagt Professorensohn
Buttigieg, der in einer „Mittelklasse-
Nachbarschaft“ wohne (also er selbst),
viel besser geeignet. Sanders wirft er
vor, seine ärztlichen Diagnosen nicht
voll zu veröffentlichen. Obama habe das
getan, Trump nicht. Sanders’ Teil-Of-
fenlegung reiche nicht aus.
Elizabeth Warren, 70, die bei den bis-
herigen Vorwahlen unter den Erwartun-
gen abschnitt, knöpft sich am Mitt-
wochabend nicht nur Bloomberg vor,
sondern auch Buttigieg und die modera-
te Senatorin Amy Klobuchar, 59. Der
einstige Unternehmensberater Butti-
gieg habe seine Vorstellung zur Gesund-
heitspolitik von „Beratern“ entwickeln
lassen, es sei kein Plan, sondern ein
Power-Point-Werk. Klobuchars Ge-
sundheitskonzept sei nicht mehr als ein
Post-it-Zettel.
Immer wieder gerät Bloomberg, von
allen sechs Mitbewerbern unter Feuer,
ins Straucheln. Er zögert mit der Zusa-
ge, seine Steuererklärungen offenzule-
gen, entschuldigt sich, das seien nun
einmal „Tausende Seiten“. Bei der Frage
nach der Diskriminierung von Frauen in
seinem Unternehmen stottert Bloom-
berg, ringt nach Worten. Warren fragt
direkt, warum er die Vertraulichkeits-
vereinbarungen nicht freigebe. Es gehe
nur um sehr wenige Fälle, sagt Bloom-
berg. „Wie viele?“, fragt Warren, „wie
viele?“ Auch Biden geht Bloomberg an,
fordert ihn zu „Transparenz“ auf. Das
Publikum im Saal buht Bloomberg für
seine Defensivhaltung gar aus. Er macht
hier eine deutlich schlechtere Figur als
in den diversen, aufwendig produzier-
ten und sehr gut gemachten Videos, die
er derzeit senden lässt. Politik ist mehr
als PR und Anzeigenwerbung.
Die Debatte kreist inhaltlich vor al-
lem um Gesundheitspolitik und Klima-
wandel. Außenpolitik und Waffen spie-
len keine Rolle. Immer wieder geht es
um Bloombergs Milliardenvermögen,
seinen Anspruch, als einer der reichsten
Menschen auf dem Planeten mächtigs-
ter Mann der Welt zu werden. „Michael
Bloomberg besitzt so viel Geld wie 125
Millionen Amerikaner zusammen. Das
ist falsch, das ist unmoralisch“, sagt
Sanders. „Ich habe hart gearbeitet“, ver-
teidigt sich Bloomberg, außerdem den
Demokraten viel Geld gespendet. Man
könne nicht den Kapitalismus durch
Kommunismus ersetzen, das habe
schon in anderen Ländern nicht funk-
tioniert. Buhrufe im Publikum. Sanders
verweist auf Dänemark als sein Vorbild.
Mit Subventionen existiere in den USA
ein „Sozialismus für die sehr Reichen“
und ein „Individualismus für die sehr
Armen“.
Amerikanischer Präsident zu sein,
sagt Bloomberg in seinem Schlussstate-
ment, sei ein „Management-Job“, doch
Trump sei „kein Manager“. Aber ist das
wirklich das Hauptdefizit dieses Präsi-
denten? Schon nach zwei Stunden De-
batte wirkt Michael Bloomberg ziem-
lich entzaubert. Bernie Sanders sagt
das, was er schon seit 1982 oder 1997
sagte. Joe Biden schlägt sich mittelmä-
ßig, also besser als zuletzt. Pete Butti-
gieg empfiehlt sich als Mitte-Mann.
Amy Klobuchar wirkt neben all diesen
Köpfen wieder recht farblos. Vor allem
aber: Elizabeth Warren ist wieder da.

Nach vier Minuten kassiert


Bloomberg die erste Ohrfeige


Bei der TV-Debatte der Demokraten wird der


Multimilliardär in die Mangel genommen


Drei der demokratischen Bewerber: Michael Bloomberg, Elizabeth Warren und
Bernie Sanders (von links)

DPA

/ JOHN LOCHER

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