Süddeutsche Zeitung - 21.02.2020

(Barré) #1
„Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner
Brust“, so legte es Goethe einst seinem
Faust in den Mund, „die eine will sich von
der andern trennen.“ Beim Fußballbun-
desligisten Borussia Dortmund hingegen
wohnen bald zwei Seelenaufder Brust
der Profis, genauer: auf den Trikots. Und
auch dort wird feinsäuberlich getrennt.
So wird der Internetanbieter 1&1 von
der nächsten Saison an Trikotsponsor des
achtmaligen deutschen Meisters – aller-
dings nur bei Spielen der hiesigen Bundes-
liga. In internationalen Wettbewerben
wie der Champions League, Freund-
schaftsspielen im Ausland sowie dem
DFB-Pokal bleibt das Emblem des Che-
miekonzerns Evonik auf den Leibchen.
Dies haben die Firmen nun mitgeteilt.
Der Trikottausch zu Dortmund ist die
nächste Volte in der Geschichte der soge-
nannten Werbung am Mann, die 1973 mit
dem Hirsch der Spirituosenfirma Jäger-
meister auf dem Dress des damaligen
Bundesligisten Eintracht Braunschweig
begann. Keine Profimannschaft lässt sich
seither die vielen Millionen entgehen, die
Firmen jährlich dafür zahlen, in Stadien
mit Zehntausenden Zuschauern sowie
auf Fernseh- und Pressebildern vertreten
zu sein. Eine Chance aus Sicht der Wer-

ber, ein Graus für Kritiker der schier end-
losen Kommerzialisierung des Fußballs.
Zwar waren Unternehmen in vergange-
nen Jahren schon mit unterschiedlichen
Marken auf den Trikots derselben Mann-
schaft präsent. Beispielsweise ließ die
Deutsche Telekom zuweilen den Schrift-
zug ihrer Fernsehmarke Magenta Sport
auf die Leibchen des FC Bayern München
flocken. Auch kauften sich Konzerne wie
VW das Recht, ihr Logo bei DFB-Pokal-
spielen auf die Ärmel aller Trikots dru-
cken zu lassen. Doch dass sich zwei unter-
schiedliche Firmen die Front der Leib-
chen einer Mannschaft als Litfaßsäule tei-
len, ist eine Premiere in der Bundesliga,
die freilich Schule machen könnte.
Hinter dem Wechselspiel in Westfalen
stecken wirtschaftliche Interessen: Der
BVB erhielt millionenschwere Angebote
alternativer Sponsoren wie 1&1, ist aber
an einen 2014 mit Evonik geschlossenen
Vertrag gebunden. Nun zieht sich der Che-
miekonzern von den Ligatrikots zurück,
wird dafür dem Vernehmen nach nur
noch die Hälfte der bislang etwa 20 Millio-
nen Euro jährlich zahlen. Das kommt Evo-
nik gerade recht, die Essener haben sich
zuletzt Kostendisziplin verordnet und al-
le Ausgaben auf den Prüfstand gestellt.

Wie viel die Trikotwerbung genau kos-
tet, hängt auch von den sportlichen Erfol-
gen der jeweiligen Mannschaften ab. BVB-
Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke
bezeichnet den doppelten Sponsorenver-
trag jedenfalls als „Meilenstein auf dem
Weg der wirtschaftlichen und damit auch
sportlichen Weiterentwicklung“. Die Ver-
einbarungen sollen bis Mitte 2025 gelten.
Die damals neugegründete Evonik
stieg 2006 als Trikotsponsor in Dort-
mund ein, wollte so „den Namen der brei-
ten Bevölkerung bekannt machen und die
Marke sympathisch aufladen“, so sagte es
Vorstandschef Christian Kullmann. Heu-
te sei die Marke bekannt, Evonik hofft
nun noch auf die internationale Reichwei-
te der Champions League. Der Konzern
hält auch knapp 15 Prozent der Aktien
des Unternehmens Borussia Dortmund.
Dem Telekom-Konkurrenten 1&1 hin-
gegen kommt es auf die Präsenz in
Deutschland an. Auf ihre Stammfarben
Blau und Weiß will die Firma des Internet-
unternehmers Ralph Dommermuth auf
dem Borussen-Dress übrigens verzich-
ten, sich stattdessen mit schwarz und
weiß begnügen: Blau und Weiß sind in
Dortmund als Farben des ewigen Rivalen
Schalke 04 verpönt. benedikt müller

DEFGH Nr. 43, Freitag, 21. Februar 2020 HF2 17


von caspar busse

A


uf die Innenfläche seiner linken
Hand hatte sich Tim Höttges die
wichtigsten Zahlen geschrieben, da-
mit er sie bei seiner Bilanzpräsentation
auch ja nicht vergisst. Die Ergebnisse, die
sich der Vorstandsvorsitzende der Deut-
schen Telekom notiert hatte, waren durch-
aus sehenswert: Mehr Umsatz, mehr Ge-
winn, gute Aussichten, und die Fusion der
US-Tochterfirma mit dem Konkurrenten
Sprint steht nach zwei Jahren kurz vor
dem Abschluss. Genau 25 Jahre nach der
Privatisierung des ehemaligen Staatsun-
ternehmens Deutsche Bundespost steht
die Telekom so gut wie lange nicht mehr
da. Das ist durchaus das Verdienst von
Höttges, seit elf Jahren im Vorstand und
seit sechs Jahren Konzernchef. Er hat die
Telekom mit seiner beharrlichen und
manchmal auch sehr direkten Art auf
Kurs gebracht.


Jetzt macht Höttges einen Ausflug in
ganz andere Welten: Am 1. April soll er –
zusätzlich zu seinem Job als Konzernchef



  • in den Aufsichtsrat des kriselnden Daim-
    ler-Konzerns gewählt werden und dort
    den Platz von Paul Achleitner einnehmen,
    der Chefaufseher der Deutschen Bank ver-
    lässt das Gremium nach zehn Jahren. Der
    Telekom-Chef soll Expertise für die Digita-
    lisierung und den Umbruch zum autono-
    men Fahren bringen, so die Idee. Beim Um-
    bau des ältesten Autobauers der Welt zu
    helfen und dabei jemanden wie Achleit-
    ner zu beerben, da dürfte sich Höttges
    durchaus „geadelt“ fühlen.
    Mit Blick auf gute Unternehmensfüh-
    rung (Corporate Governance) ist die Beru-
    fung von Höttges aber ein falsches Signal,
    auch wenn das nicht an der Person Hött-
    ges liegt. Der Telekom-Chef hat unbestrit-
    ten das Format, Daimler zu beaufsichti-
    gen, er hat bei der Telekom bewiesen, wie
    sich ein Unternehmen aus einer hartnä-
    ckig schlechten Situation befreien lässt.
    Er kennt auch Ola Källenius, den neuen
    Vorstandsvorsitzenden bei Daimler. Die
    beiden schätzen sich durchaus, was Hött-
    ges aber nicht davon abgehalten hat, kürz-
    lich ausdrücklich die Software des Daim-
    ler-Konkurrenten Tesla zu loben. Als Ja-
    Sager ist Höttges ohnehin nicht bekannt.
    Er ist als Daimler-Aufseher auf dem Pa-
    pier also eine gute Wahl.


Aber hat Höttges überhaupt genug Zeit
für den Job? Eigentlich verfügt er bereits
über genügend Mandate: Neben seinem
Chefposten bei der Telekom ist er auch
Vorsitzender des Verwaltungsrats der US-
Tochter T-Mobile US, alleine dafür muss
er mehrmals im Jahr in die Vereinigten
Staaten. Daneben beaufsichtigt Höttges
bereits den Konsumgüterkonzern Henkel
und ist im Aufsichtsrat des FC Bayern
München (die Telekom ist Hauptsponsor).
Zudem ist er Verwaltungsrat bei British Te-
lecommunications (BT) in London. Auch
wenn Höttges den Job in Großbritannien
möglicherweise künftig aufgeben wird –
ein Aufsichtsratsmandat braucht inzwi-
schen viel Zeit und kann nicht nebenbei er-
ledigt werden, noch dazu, wenn es sich
um einen Fall wie Daimler handelt: Das
Unternehmen muss schnell umsteuern.
Mit der Wahl von Höttges würde zudem
die Chance vertan, jemanden bei Daimler
zu berufen, der später auch den Aufsichts-
rats-Vorsitz übernehmen könnte (der Tele-
kom-Chef hat keine Ambitionen). Man-
fred Bischoff, seit 13 Jahren Chefaufseher,
will seinen Posten im kommenden Jahr
niederlegen. Er selbst präferiert für seine
Nachfolge nach wie vor Dieter Zetsche, der
ehemalige Daimler-Vorstandschef könnte
nach der vorgeschriebenen Zwangspause
von zwei Jahren, der sogenannten „Ab-
kühlphase“, zurückkehren und in den Auf-
sichtsrat gewählt werden. Doch gegen den
Plan wächst der Widerstand, auch von gro-
ßen Investoren. Die geben ihm die Verant-
wortung für das aktuelle Desaster.
Zetsche ist in der Tat keine gute Wahl.
Die Rolle der Aufsichtsräte hat sich sehr
gewandelt. Sie müssen heute unangeneh-
men Fragen stellen, das Geschäftsmodell
kritisch prüfen und gegebenenfalls auf ei-
nen neuen Kurs drängen, sie sind eine Art
Sparringspartner für den Vorstand. Das
Aufsichtsgremium nickte schon lange
nicht mehr still ab, was der Vorstand vor-
schlägt. Nicht mehr zeitgemäß ist auch
die Praktik, den Vorstandschef automa-
tisch an die Spitze des Aufsichtsrats zu hie-
ven, das ist derzeit bei BMW, Volkswagen,
Linde, Bayer, BASF, Allianz oder Munich
Re so. In diesen sich schnell ändernden
Zeiten ist das sogar gefährlich, weil so
wichtige Impulse fehlen.
Vorbild für Daimler könnte Siemens
sein: Dort führt der ehemalige SAP-Chef
Jim Hagemann Snabe das Aufsichtsgremi-
um, er hatte vorher nie bei Siemens gear-
beitet, ist deutlich jünger als Konzernchef
Joe Kaeser und sorgt für Impulse. Diese
Rolle kann Höttges in seiner Lage bei
Daimler aber nicht übernehmen.

von christoph gurk
und claus hulverscheidt

Buenos Aires/New York– Als vergangene
Woche eine Delegation des Internationa-
len Währungsfonds (IWF) in Argentinien
landete, wurde sie dort von großen Protes-
ten empfangen. Der Hass auf die Instituti-
on ist in dem südamerikanischen Land tra-
ditionell groß, überall im Zentrum von Bue-
nos Aires klebten darum Plakate, auf de-
nen stand: „Fuera FMI“ – „Raus mit dem
IWF“. Auch eine Woche später sind die Ex-
perten noch da, doch nun, da sie ihren Be-
richt vorgestellt haben, wird klar: Ausge-
rechnet sie könnten am Ende der Schlüssel
sein, der Argentinien aus der Krise hilft.
Denn in dem Bericht kommen die Fach-
leute zu dem Schluss, dass die Schulden-
last des Landes nicht mehr tragbar sei. Sie
beläuft sich auf mehr als 300 Milliarden
Dollar, das entspricht fast 90 Prozent der
Wirtschaftsleistung. Aus eigener Kraft, so
die Expertise, könne das Land seine Krise
nicht überwinden. Ein „bedeutender Bei-
trag“ der privaten Gläubiger sei darum nö-
tig. Anders gesagt: Der IWF fordert von In-
vestmentfonds und Privatanlegern in aller
Welt einen Teilschuldenerlass – und liegt
damit genau auf der Linie, die auch die
neue linke Regierung des Landes verfolgt.
Die ist seit Dezember im Amt. Präsident
Alberto Fernández erklärte umgehend,
dass es nicht machbar sei, alle Schulden
vollständig und pünktlich zurückzuzah-
len. Wirtschaftsminister wurde darum
auch kein ehemaliger Unternehmer oder
Banker, sondern Martín Guzmán, ein Ex-
perte für internationale Schulden und de-
ren Umstrukturierung. Er kennt sich also
gut aus in der Materie, theoretisch zumin-

dest. In der Praxis aber, und das ist das Pro-
blem, stockten die Verhandlungen. Vor al-
lem die privaten Gläubiger, von denen
mehr als ein Drittel des geliehenen Geldes
stammt und unter denen in der Vergangen-
heit auch renditehungrige deutsche Anle-
ger waren, sperrten sich zumeist gegen
Neuverhandlungen. Doch das könnte sich
nun ändern: Mit dem Bericht der IWF-Ex-
perten in der Hand dürfte es leichter sein,
die anderen Gläubiger dazu zu bewegen,
auf einen Teil ihrer Rückzahlungen zu ver-
zichten. Es wäre nicht das erste Mal.
Argentinien hat eine lange Geschichte
von Krisen, Schulden und Zahlungsausfäl-
len. Grundproblem ist dabei stets, dass das
Land seinen Konsum vor allem aus dem
Ausland deckt. Das geht so lange gut, wie
der Export von Fleisch, Weizen und Leder
boomt – und wird immer dann zum Pro-
blem, wenn die Rohstoffpreise fallen.

Über die Jahrzehnte hinweg haben da-
her die unterschiedlichsten Regierungen
Argentiniens sich immer mehr Geld gelie-
hen. Vor allem die Militärdiktaturen von
den Fünfzigerjahren an nahmen viele Dar-
lehen auf, auch der IWF lieh den Generälen
gern Geld. Nach der Rückkehr zur Demo-
kratie 1983 war der Schuldenberg im-
mens, es folgten Hyperinflation, Finanzex-
perimente und die Krise von 2002: Argenti-
nien erklärte den größten Zahlungsausfall,
den es bis dahin je gegeben hatte.
In der Folgezeit schafft es das Land, sich
dank eines Rohstoffbooms wieder hochzu-

rappeln. Néstor Kirchner gelang es als Prä-
sident sogar, alle Schulden zurückzuzah-
len, die das Land bis dahin beim IWF hatte.
Dann aber ging die Spirale erneut los: Die
Preise für Metalle, Weizen, Fleisch und So-
ja fielen, Argentinien ging das Geld aus, die
Inflation stieg, die Verschuldung auch.
2015 trat dann der wirtschaftsliberale
Ex-Unternehmer Mauricio Macri das Präsi-
dentenamt an mit dem Versprechen, die Ar-
mut auf null zu senken und die Inflation in
den Griff zu bekommen. Er gab die Wäh-
rung frei, senkte Handelsschranken, einig-
te sich mit den letzten Altgläubigern. All
das sollte Investoren anlocken – die aber
nicht kamen. Immer mehr Schulden muss-
te Macri aufnehmen, 2018 dann auch beim
IWF. Dieser vergab ein Darlehen von bis zu
56 Milliarden Dollar an Buenos Aires, das
höchste in der Geschichte des Fonds.
Doch von Beginn an gab es heftige Kri-
tik an dem Kredit. Während in Argentinien
selbst Erinnerungen an frühere Hilfspro-
gramme des Währungsfonds wach wur-
den, die aufgrund ihrer Sparauflagen gan-
ze Bevölkerungsschichten in bittere Armut
gestürzt hatten, gab es IWF-intern erhebli-
che Vorbehalte, das vereinbarte Reform-
programm gehe nicht weit genug, um die
neuerliche Wirtschaftskrise in dem Land
zu bewältigen. Da der Fonds bei der Ausar-
beitung seiner Sanierungskonzepte sozia-
le Belange viel stärker berücksichtigt als in
der Vergangenheit, verlief die Trennlinie
in dem Streit diesmal gar nicht allein zwi-
schen Sozialstaatsaktivisten und marktli-
beralen Hardlinern. Vielmehr gab es Kritik
von allen Seiten am Ansatz der damaligen
IWF-Chefin Christine Lagarde.
Für sie und den IWF bedeutet das Einge-
ständnis, dass Argentinien überschuldet

ist, nun eine herbe Schlappe. Lagarde, die
mittlerweile die Europäische Zentralbank
führt, hatte die Kreditzusage stets vertei-
digt, zumal die Gremien des IWF und da-
mit die großen Anteilseigner ihrem Kurs
am Ende zugestimmt hatten. „Wir haben
alles getan, was in unserer Macht stand“,
sagte sie im vergangenen Herbst. Es sei
das Schicksal des Währungsfonds, dass er
immer der Sündenbock sei, wenn ein Pro-
gramm nicht so laufe wie erhofft. Die vie-
len erfolgreichen Löscheinsätze, die man
leiste, blieben dagegen unerwähnt.
Der IWF gerät nun zusätzlich in die Kri-
tik, weil er einerseits einen Forderungsver-
zicht der privaten Gläubiger verlangt, für
sich selbst einen solchen Schnitt aber zu-
gleich ablehnt. Lagardes Nachfolgerin Kris-
talina Georgiewa verwies diese Woche dar-
auf, dass es dem Fonds aus rechtlichen
Gründen gar nicht erlaubt sei, auf die Rück-
zahlung von Schulden zu verzichten. Tat-
sächlich beruht die Reputation der Institu-
tion bei ihren Geldgebern – der internatio-
nalen Staatengemeinschaft – darauf, dass
der IWF einerseits auch in heiklen Fällen
hilft, dafür aber andererseits von Schulden-
schnitten ausgenommen wird. Sollte das
einmal nicht mehr Fall sein, bestünde die
Gefahr, dass viele Regierungen ihre finan-
zielle Unterstützung des Fonds einstellen.
Argentiniens Wirtschaftsminister Guz-
mán sagt, er wolle mit dem IWF im Dialog
bleiben. Beim G-20-Finanzministertref-
fen in Saudi-Arabien werde er mit Georgie-
wa reden. Seine Position aber, das betonte
er auch, sei immer noch dieselbe: Nur mit
einer Erleichterung der Schuldenlast kön-
ne Argentinien wachsen. „Wir wollen ja
zahlen“, so Guzmán. „Aber wir müssen erst
einmal zahlen können.“  Seite 4

Zwei auf einer Brust


Bei Borussia Dortmund zahlen erstmals verschiedene Firmen dafür, vorne auf den Trikots der Profis zu werben


Egal, wie die Sache ausgeht, finanziell wird
sie sich in jedem Fall lohnen für Ralph Ha-
mers, den Chef der niederländischen Bank
ING. Wenn der Manager am 1. November
an die Spitze der Schweizer Großbank UBS
wechselt, dürfte er sein Gehalt mindestens
verfünffachen – ein Sprung von derzeit
knapp zwei Millionen Euro auf ungefähr
zehn Millionen Euro wird grosso modo
drin sein. Während Banker-Boni in den Nie-
derlanden seit Jahren gedeckelt sind, ist in
der Schweizer Geldbranche immer noch
vieles möglich. Offiziell jedoch bekundete
Hamers am Donnerstag erst einmal Ab-
schiedsschmerz, weil er die ING verlässt,
deren Deutschland-Tochter zu den größ-
ten Geldhäusern hierzulande gehört. „Die-
se Entscheidung war sehr hart für mich,
vor allem angesichts der vielen tollen Kolle-
gen bei der ING“, teilte Hamers mit. Aber
zugleich fühle er sich „geehrt, die Chance
zu bekommen“, die UBS zu führen.
Tatsächlich war die Nachricht von Ha-
mers’ neuer Aufgabe am Donnerstag eine
große Überraschung für Europas Banken-
branche. Zum einen, weil damit nur weni-
ge Tage nach dem plötzlichen Wechsel an
der Spitze der Schweizer Großbank Credit
Suisse auch deren Rivale UBS einen neuen
Chef bekommt. Eigentlich wollte Sergio Er-
motti, der die UBS seit neun Jahren an-
führt, seinen Posten erst 2022 etwa zeit-
gleich mit Verwaltungsratschef Axel We-
ber aufgeben. Hamers’ Ernennung been-
det damit auch Spekulationen, dass der
Star-Vermögensverwalter Iqbal Khan, der
im vergangenen Jahr von der Credit Suisse
zur UBS wechselte, Ermotti vorzeitig an
der Konzernspitze ablösen könnte. Zum an-
deren holen sich die Schweizer mit dem
53-jährigen Niederländer einen Experten
für Online-Banking an Bord. Stark ist die
ING auch im Privat- und Firmenkundenge-
schäft, die Vermögensverwaltung für rei-
che Kunden und das Investmentbanking
spielen hingegen kaum eine Rolle – anders


als bei der UBS. Hamers habe eigentlich kei-
ne Erfahrung im Investmentbanking oder
in der Vermögensverwaltung, monierten
daher Analysten. Er sei zwar ein Digitalisie-
rungs-Experte, den Aktionären der UBS
sei aber vor allem wichtig, dass der Kon-
zern die Kosten in den Griff bekomme.
Für diese Aufgabe bringt Hamers aber
durchaus einiges mit. Studiert hat er Öko-
nometrie; ein Fach, in dem Statistik und Al-
gorithmen die Hauptrolle spielen. Seine
Mitarbeiter sagen, er sei datenverliebt, las-
se alles genau berechnen. Kaum eine ande-
re Bank in Europa ist so sehr auf Effizienz
getrimmt wie die ING. Andererseits geht es
leger zu: Selbst Vorstände teilen sich ein
Großraumbüro und kommen schon mal in
Jeans und T-Shirt zur Arbeit, auch wenn
sie Termine haben. Ob Hamers das auch in
der feinen Bahnhofstraße in Zürich ein-
führt, wo die UBS ihren Hauptsitz hat und
viele Banker noch mit Einstecktuch daher-
kommen, wird man sehen.
Aufgewachsen ist Hamers im katholi-
schen Süden der Niederlande, in der Klos-
tergemeinde Simpelveld. Immer noch ar-
beite er nach den christlichen Grundsät-
zen, die er damals gelernt habe, sagte Ha-
mers einmal. Sein Bruder Frank ist Ge-
schäftsführer der Diözese Roermond, in
der Heimat der Familie. Dort ist er verant-
wortlich für alle nicht kirchlichen Themen.
Reich war sein Elternhaus nicht: Sein Vater
war bei den Staatsminen, seine Mutter
kümmerte sich um den Haushalt. Heute ist
Hamers verheiratet und hat zwei Kinder.
Mit nur 46 Jahren wurde er 2013 vom
Landeschef von Belgien zum Vorstands-
chef der ING befördert, der jüngste Chef in
der Konzerngeschichte. Bereits nach sei-
nem ersten Jahr bat er 2014 um eine deutli-
che Gehaltserhöhung, ein heikles Thema
in den Niederlanden. Hamers wurde öffent-
lich kritisiert, die Gehaltserhöhung einkas-
siert. In der Schweiz wird ihm das wohl
nicht passieren. meike schreiber

WIRTSCHAFT

Diese Abwärtsspirale kennen sie leider zu gut: Wenn die Preise für Weizen, Fleisch, Soja und Metalle fallen, leiden die Argentinier. FOTO: SPENCER PLATT/GETTY

NAHAUFNAHME


„Diese Entscheidung war
sehr hart für mich,
vor allem angesichts
der vielen tollen Kollegen
bei der ING.“
Ralph Hamers
FOTO: JOHANNES SIMON

In internationalen Wettbewerben und
dem DFB-Pokal bleibt das Emblem von
Evonik auf den Leibchen. FOTO: IMAGO

DAIMLER-AUFSICHTSRAT

Der falsche Mann


Der IWF als Freund und Gläubiger


Der IWF hat Argentinien den größten Kredit gegeben, den je ein Land vom Währungsfonds bekommen hat.
Nun findet der IWF heraus: Das Land ist überschuldet. Ausgerechnet das könnte der neuen Regierung nutzen

Ab in die Schweiz


Der Chef der niederländischen Bank ING wechselt zur UBS


Hat Telekom-Chef Höttges


überhaupt genug Zeit


für den Kontrolljob?


„Wir wollen ja zahlen,
aber wir müssen
erst einmal zahlen können.“
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