Süddeutsche Zeitung - 21.02.2020

(Barré) #1

E


s dauert an diesem Donnerstag-
morgen, bis die Bürger der Stadt
Hanau realisieren, was in der
Nacht zuvor geschehen ist.
Kadir Köse steht vor seiner Bar
und erzählt, was hier vor ein paar Stunden
passiert ist. Er war in seiner Kneipe, Ecke
Heumarkt, man trank Bier und Whisky
und spielte Darts. Es war etwa zehn Uhr,
auf dem Bildschirm lief Leipzig gegen Tot-
tenham, da hörte Köse es knallen. Böller,
dachte er zuerst, in der Gegend ist immer
etwas los. Er sei auf die Straße raus, der Piz-
zabäcker von nebenan habe geschrien, ei-
ne Schießerei, gegenüber auf der Straße ha-
be ein Jugendlicher gelegen, vom Täter,
sagt Kadir Köse, sei da nichts mehr zu se-
hen gewesen.
„Man hört ja vieles, gerade in letzter
Zeit“, sagt Köse. Schlägereien, Messerste-
chereien, solche Dinge. Köse wurde 1981 in
Hanau geboren, und wenn man jemanden
suchen würde, der den Geist dieser Stadt
verkörpert mit ihrer großen türkischen
Community, mit der kulturellen Vielfalt,
die hier eigentlich seit Jahrzehnten nie-
mand mehr hinterfragt, hätte Köse beim
Casting gute Chancen.


Dass einmal jemand herumballert in die-
ser, seiner Welt, undenkbar.
Und dann, während er immer mehr De-
tails erfährt, wird allmählich allen klar,
dass es nicht einfach nur Schüsse waren.
Dass es nicht nur zehn Morde waren,
sondern ein rassistischer Terrorangriff auf
das Wesen dieser Stadt.
Der hätte doch auch bei ihm reingehen
können, sagt Kadir Köse. 21 Leute waren
bei ihm, als rundherum Menschen erschos-
sen wurden. Er hat nachgezählt, nachdem
er sie von den Fenstern weggerufen hatte.
In der „Shisha-Bar Midnight“ seien nur
zwei Personen gewesen, der Betreiber und
noch jemand. Beide sind jetzt tot. In der
Café-Bar „La Votre“ nebenan war an die-
sem Abend nur einer, der Betreiber, getö-
tet mit einem Kopfschuss. Es gab noch wei-
tere Schüsse auf der Straße, Menschen
rannten, schrien. Als die Polizei kam, fuhr
der Täter schon Richtung Kesselstadt.
Sein Ziel war die Café-Bar „Arena“, im
Erdgeschoss eines Wohnblocks, neben
dem Parkplatz des Lidl-Markts, der gerade
renoviert wird. Der Täter ging in den Rau-
cherraum und eröffnete das Feuer. Fünf
weitere Menschen starben. Er muss diesen
Ort gekannt haben.
Zehn Menschen sind in der Nacht von
Mittwoch auf Donnerstag gestorben, getö-
tet von dem 43-jährigen Tobias R., der
nach eigenen Angaben 1977 in Hanau gebo-
ren wurde, er ist dort aufgewachsen und
zur Schule gegangen. Nach Abitur und Zi-
vildienst habe er eine Banklehre in Frank-
furt gemacht und von Herbst 2000 an sie-
ben Jahre in Bayreuth Betriebswirtschafts-
lehre studiert.
Viel spricht dafür, dass Hanau künftig
mit Christchurch und Halle in einem Atem-
zug genannt werden wird. In den frühen
Morgenstunden übernahm der General-
bundesanwalt die Ermittlungen, Peter
Frank spricht von einer „zutiefst rassisti-
schen Gesinnung“ des Täters, von wirren
Gedanken und abstrusen Verschwörungs-


theorien. Das gehe neben Videobotschaf-
ten auch aus einer Art Manifest hervor, das
Tobias R. auf seine Homepage gestellt
habe. Am Vormittag bestätigte auch der
hessische Innenminister Peter Beuth Hin-
weise auf einen mutmaßlich rechtsextre-
men Hintergrund der Tat: „Nach unseren
jetzigen Erkenntnissen ist ein fremden-
feindliches Motiv durchaus gegeben“, sagt
der CDU-Politiker.
Und doch gibt es hier noch mindestens
ebenso viele Fragen wie Antworten. Tobias
R. war jedenfalls kein klassischer Rechts-
extremist, niemand mit einem langen Vor-
lauf in der rechten Szene, der deshalb
schon bei Polizei und Verfassungsschutz
aktenkundig war. Schaut man sich seine Vi-
deos an und liest seine Pamphlete, finden
sich allerdings rassistische Stellen, etwa in
dem 24-Seiten-Dokument, das nach Über-
zeugung der Ermittlungsbehörden von To-
bias R. stammt und das er als „Botschaft an
das gesamte deutsche Volk“ richtet.
„Die Menschen sind äußerlich instink-
tiv abzulehnen und haben sich zudem in ih-
rer Historie nicht leistungsfähig erwiesen“,
schreibt er etwa über Zuwanderer. An ei-
ner Stelle zählt er zwei Dutzend Staaten
auf, deren Bevölkerung seiner Meinung
nach vernichtet werden müsste. Seine per-
sönliche Erfahrung mit „Ausländern“ sei
zwar „harmlos“ gewesen, aber aus Medien-
berichten und Schilderungen von Bekann-
ten habe er sich ein Bild gemacht. Auch
Deutschland müsse seiner Ansicht nach ei-
ne „Fein-Säuberung“ erhalten, da nicht je-
der „reinrassig und wertvoll“ sei. Er könne
sich eine „Halbierung der Bevölkerungs-
zahl“ vorstellen, schreibt er.
Offenbar hat er das Dokument schon
am 22. Januar erstellt. Es gibt darin zwar
keine Ankündigung und auch keine Hin-
weise auf die Tat, aber R. nahm zu dem Zeit-
punkt wohl schon an, dass er nicht mehr
am Leben sein würde, wenn das Schreiben
an die Öffentlichkeit kommt.
Aber da sind neben den rassistischen
Stellen auch ganz andere. Tobias R.
schreibt über einen ominösen Geheim-
dienst, der Tausende Deutsche überwa-
che, ihre Gedanken lese, sich in diese
einklinke und sie manipuliere. Schon als
Kleinkind habe er sich mit dem Gedanken
befasst, dass andere in seine Gedanken ein-
dringen können. Das sei auch der Grund,
warum er allein sei: „Eine Hauptkonse-
quenz ist beispielsweise, dass ich ein Le-
ben lang keine Frau/Freundin hatte, die
letzten 18 Jahre ausschließlich deshalb
nicht, da ich mir eben keine Frau nehme,
wenn ich weiß, dass ich überwacht werde.“
Die Überwachung hätte auch seine
Familie ruiniert: Die Kündigung seines Va-
ters als Niederlassungsleiter einer Firma
gehe auf Betreiben des Geheimdienstes zu-
rück, schreibt Tobias R., sein Vater müsse
heute, als über 70-Jähriger, immer noch in
Vollzeit arbeiten. Im Januar 2002 will Tobi-
as R. eine Anzeige wegen „illegaler Überwa-
chung“ bei der Polizei gestellt haben, 2004
und 2019 dann wieder. Auch bei der Staats-
anwaltschaft in Hanau und beim General-
bundesanwalt habe er sich gemeldet. Er
sagt, er sei jedes Mal abgewiesen worden.
Um den Ort, an dem der Horror endete
in dieser Nacht, flattert am Tag danach rot-
weißes Absperrband. Die Polizei sichert
die schmalen Straßen, der Regen macht
den Asphalt schmierig. Eine Reihenhaus-
siedlung in Hanau-Kesselstadt, Häuser
mit schmalen Gärten und gepflegtem Ra-
sen. Am Ende der Straße liegt das Jugend-
zentrum der evangelischen Gemeinde, ein

paar Meter weiter eine Grundschule. Klein-
bürgertum im Schatten der Wohnblocks,
die das Bild der Gegend prägen. Hier, in ei-
nem Reihenendhaus mit der Nummer 13,
erschoss Tobias R. in der Nacht erst seine
72-jährige Mutter und dann sich selbst.
Eine Frau geht durch die Siedlung, sie
versteckt sich fast unter ihrem Regen-
schirm. Auf keinen Fall will sie ihren Na-
men in der Zeitung veröffentlicht sehen.
Sie hat Radio gehört am Morgen, als sie
den Namen des Täters nannten, wusste sie
sofort: Das kann nur die Familie sein, die
sie schon so lange kennt, die Mutter ist de-
ment seit Jahren und bettlägerig. Die Frau
sagt, dass sie von ihrem böswilligen Mann
beherrscht wurde und sich oft ausländer-
feindlich geäußert habe. Und auch das sagt
sie, dass die Eltern jahrelang keinen Ur-
laub genommen hätten, damit der Sohn
studieren konnte. Der Tobias, sagt sie, sei
immer alles gewesen für die Mutter. In letz-
ter Zeit kam er ja nur noch zu Besuch aus
München, wo er gewohnt und gearbeitet
habe. Sagt die Frau, dann geht sie weiter.

Was aus „dem Tobias“ geworden war,
spricht sich an diesem Donnerstag in Han-
au und in der gesamten Republik herum,
der Bundesinnenminister steigt ins Flug-
zeug, um am Tatort zu trauern, die Kanzle-

rin spricht vom Gift des Rassismus. In
Whatsapp-Gruppen gehen Fotos des Tä-
ters herum, und Fotos der Opfer, viele ken-
nen Angehörige oder waren gemeinsam
mit einem der Opfer auf der Schule.
Das war geworden aus Tobias R.: ein
Rechtsextremer mit Waffenschein, der
von seinen Verschwörungstheorien und
seinem Hass so besessen war, dass er los-
zog in seiner Heimatstadt und zehn Men-
schen ermordete und weitere verletzte.
Es sei ihm nichts anderes übrig geblie-
ben, als „so zu handeln, wie ich es getan ha-
be, um die notwendige Aufmerksamkeit
zu erlangen“, schreibt er. Tobias R. scheint
überzeugt davon gewesen zu sein, dass
man ihn als Genie bezeichnen werde, weil
er seine eigene Überwachung entdeckt ha-
be. Und auch davon war er überzeugt, dass
es „etliche Ereignisse“ gibt, „die Weltge-
schichte geschrieben haben, die auf mei-
nen Willen zurückzuführen sind“. In seiner
Vorstellung setzt auch Donald Trump „wis-
sentlich meine Empfehlungen“ um.
Jetzt beugen sich die Analysten von Poli-
zei und Verfassungsschutz über den Fall.
Nur eines ist bereits jetzt sicher. Hanau ist
ein weiterer Beweis dafür, wie sehr der Bo-
den schwankt, wie schwierig inzwischen
die Abgrenzung zwischen terroristischer
Tat, psychischer Instabilität, Verschwö-
rungstheorie und Wahnvorstellungen ge-
worden ist. Tobias R. war ganz offenbar ein
rassistischer Verschwörungstheoretiker,
aber jeder Versuch, im Nachhinein mithilfe
von ein paar Minuten auf Youtube und eini-
gen Pamphleten sein Weltbild und die Mo-

tive ganz genau ergründen zu wollen, wird
fehlschlagen.
Eben diese Schwierigkeit ist leider keine
neue Erkenntnis. Und sie gilt in beiden
Fällen gleich, egal, ob es um eine vermute-
te islamistische oder um eine rechtsextre-
me Motivation geht. Mit Sorge betrachten
Ermittler vor allem die Tendenz, persönli-
che Wut oder Frustration mit einer ver-
meintlich größeren Bedeutung aufzula-
den. Sei es der Hass auf Ungläubige. Oder
der Hass auf Fremde. Die Gewaltbereit-
schaft steigt. Erst verbal, dann auch mit
der Waffe in der Hand.
Gesucht wird meist vor allem eines: Auf-
merksamkeit. Und im heutigen Medienzeit-
alter ist die Bühne hierfür leider so grell aus-
geleuchtet wie nie zuvor. Der Generalbun-
desanwalt hat hierfür eine neue, vorsichti-
ge Linie gefunden: Waren die Täter etwa
vorher in stationärer psychiatrischer Be-
handlung, übernimmt er die Fälle nicht.
Heftig kritisiert wurde die Behörde, nach-
dem in der Silvesternacht 2018/2019 ein ar-
beitsloser Gebäudereiniger im Ruhrgebiet
mit seinem Mercedes-Kombi Jagd auf Mi-
granten gemacht hatte. „Kanaken“ und
„Schwarzfüße“ nannte er seine Opfer, die
hier alles bekommen würden, ohne zu ar-
beiten. Auf seinem Handy fand man Bilder
von Adolf Hitler. Ein Gutachter diagnosti-
zierte später eine paranoide Schizophrenie.
Natürlich können auch kranke Men-
schen oder Verschwörungstheoretiker Ras-
sisten sein. Und für die Opfer macht es oh-
nehin keinen Unterschied. Für die Sicher-
heitsbehörden aber ist es von größter
Bedeutung, denn sie müssen die Frage be-
antworten, wonach und wo sie suchen sol-
len, um solche Taten zu verhindern. Im Be-
reich der Bekämpfung des Rechtsextremis-
mus läuft gerade eine große und leider viel
zu späte Aufholjagd, es gibt neue Befugnis-
se. Zum Beispiel das in dieser Woche vom
Bundeskabinett verabschiedete Gesetzes-
paket zur Bekämpfung der Hasskriminali-
tät. Und es gibt mehr Geld und Personal.
Aber hätte man damit Tobias R. gefun-
den? Das ist wahrscheinlich die dringlichs-
te Frage nach dem dritten Anschlag inner-
halb von nur neun Monaten.
Schon im vergangenen Jahr wurden die
Behörden kalt erwischt. Stephan E., den
mutmaßlichen Mörder des Kasseler Regie-
rungspräsidenten Walter Lübcke, hatten
sie nicht mehr im Blick, obwohl er einen
langen Vorlauf in der rechtsextremisti-
schen Szene hatte. Von Stephan B., dem At-
tentäter von Halle, hatten sie noch nie ge-
hört. Dessen irres, im Internet zusammen-
geklaubtes und dann zusammengesetztes
Weltbild hat die größte Parallele zu Tobias
R., beide machten finstere Mächte dafür
verantwortlich, dass sie keine Frauen fin-
den: Stephan B. beschuldigte die Juden,
Tobias R. die Geheimdienste.
Die Sorgen der verantwortlichen Beam-
ten sind jedenfalls nach Hanau noch ein we-
nig größer geworden. Und auch die Ratlo-
sigkeit ist gewachsen. Wo und wie soll man
suchen? Der gerade erst gelungene Schlag
gegen eine Gruppe mutmaßlicher Rechts-
terroristen war ein Erfolg, zwölf Haftbefeh-
le wurden ausgestellt. Aber auf die Spur ka-
men die Behörden ihnen nur, weil einer
von ihnen sich früh der Polizei anvertraute
und umfangreiche Angaben machte.
Tobias R., so jedenfalls der jetzige Stand
der Ermittlungen, handelte allein.
Auch die ohnehin wegen des Mordes an
Walter Lübcke unter Druck stehenden hes-
sischen Behörden werden Fragen beant-
worten müssen: Tobias R. war Sportschüt-

ze und besaß damit ganz legal Waffen.
Nach ersten Berichten wurde seine Zuver-
lässigkeit überprüft, aber es habe keinerlei
Hinweise gegeben, ihm die Befugnis zu ent-
ziehen. Ob es diese wirklich nicht gab –
oder ob sie nur nicht gesehen wurden –
wird beantwortet werden müssen.
Es ist kurz vor ein Uhr an diesem Tag
danach, im Erdgeschoss des Fabrik-
gebäudes, in dem der Kulturverein AYDD
seinen Sitz hat, drängeln sich vielleicht
300 Menschen. Sie alle sind aus der Stadt
Ağri in der Nähe des Berges Ararat nach
Hanau gekommen. Aus der Osttürkei. Sie
reden, checken immer wieder ihre Smart-
phones, tippen Nachrichten, im hilflosen
Versuch zu fassen, was nicht zu fassen ist,
der Rauch der Zigaretten raubt den Atem.

Ein bleicher, kahler Mann sitzt am gro-
ßen Vorstandstisch, trotz der Hitze in eine
blaue Jacke gepackt, gezeichnet vom
Kampf gegen den Krebs. Turgut Yüksel
sitzt neben ihm, der SPD-Landtagsabge-
ordnete, und übersetzt. Behcet Gültekin,
der bleiche Mann, hat in dieser Nacht sei-
nen Sohn verloren, Gökhan, 37 Jahre alt.
Wie in Trance erzählt er von ihm, wieder
und wieder. Gökhan, der Gute, Fleißige,
der noch zu Hause wohnte und neben dem
Maurerjob abends im Kiosk jobbte, der
sich verloben wollte. Der Vater wischt
durch die Bilder seines Smartphones: „Da,
sehen Sie!“ Ein junger Mann mit modi-
schem Dreitagebart und schüchternem Lä-
cheln. Und dann kommt einer und schießt
ihn tot. Einfach so. Weil sein Vater vor
42 Jahren von Ağri nach Hanau ging.
Behcet Gültekin weint, dann redet er
weiter, immer weiter, solange er redet, lebt
es irgendwie noch, sein Kind.
Geschichten schwirren durch den Saal.
Viele der jüngeren Männer kennen die
„Arena-Bar“, sie ist ein Treffpunkt für alle,
die in den schicken Discos am Türsteher
scheitern. Und die Pizzeria nebenan. Da
hält einer vor der Tür, die Freundin geht
rein, bestellt das Essen, er wartet im Auto –
und wird erschossen. „Was, wenn es mich
getroffen hätte, meinen Sohn?“, sagt ein
Mann. Der Sohn ist nach dem Fußball
gleich nach Hause gekommen und nicht
mehr weggegangen. Welches Glück.
Ein Ansager bittet um Ruhe. Kazim
Türkmen ist aus Köln gekommen, der Vor-
sitzende des türkisch-islamischen Mo-
scheeverbands Ditib. Dies sei ein schwar-
zer Tag für Deutschland und die türkische
Gemeinde, sagt er. Tag für Tag würden
mittlerweile Rechtsextremisten Ditib-Mo-
scheen angreifen, gebe es Bombendrohun-
gen, werde Stimmung gegen Muslime ge-
macht – die Türkei und die Ditib aber wür-
den die Muslime in Deutschland schützen.
Viele im Saal nicken.
Murat Burak dagegen hat mit den Au-
gen gerollt. „Wir sind doch ein Teil dieses
Landes, es ist doch ein Land für Juden,
Christen, Muslime!“ Das sei doch die Lekti-
on aus dem Nationalsozialismus gewesen.
Ob sein Verhältnis zu Deutschland einen
Riss bekommen hat in dieser Nacht? Murat
Burak sagt: „Ich bin Deutscher und frei wie
ein Vogel in diesem Land. Und ich werde
bleiben.“ Dann fasst er in seine Briefta-
sche, holt den Bundespersonalausweis her-
aus und sagt: „Sehen Sie!“

DEFGH Nr. 43, Freitag, 21. Februar 2020 (^) DIE SEITE DREI HF2 3
Ein rassistischer
Terrorangriff auf das
Wesen der Stadt:
In Hanau gibt es seit
Jahrzehnten eine große
türkische Gemeinde und
eine große kulturelle
Vielfalt. Als die ersten
Schüsse fielen, dachte
ein Anwohner zunächst
an Böller, in der Gegend
sei ja immer etwas los.
FOTOS: MICHAEL PROBST/AP, GETTY
Wie in Trance redet der Vater von
seinem toten Sohn, von Gökhan,
dem Guten, dem Besonnenen
Nacht über
Deutschland
Nach dem Anschlag in Hanau zeigt sich,
wie schwer die Abgrenzung zwischen
Verschwörungstheorie, Wahn und
Terrorismus ist. Über eine mörderische
Tat in einem zunehmend rassistischen Klima
von matthias drobinski,
florian flade, hannes munzinger,
georg mascolo und
jan willmroth
Die Gewaltbereitschaft steigt. Das
eigene Versagen, der Hass soll mit
Bedeutung aufgeladen werden
Ein Tatort am Tag danach, in der „Shisha-Bar Midnight“ starben zwei Menschen.

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