Süddeutsche Zeitung - 21.02.2020

(Barré) #1
von thomas kronewiter

J


eder Wahlkampf hat seine Themen.
Wirklich bedeutsam sind solche Auf-
reger, wenn sie auch nach dem Wahl-
termin noch für die Stadtgesellschaft auf
der Tagesordnung bleiben. Die Frischluft-
versorgung und das Mikroklima der
Stadt zählen sicherlich dazu, informative
Debatten darüber sind deshalb so sinn-
wie verdienstvoll. Zu selten allerdings
werden in diesen Diskussionen die verwo-
benen Interessenlagen deutlich. Da gibt
es nicht nur den an einem guten Geschäft
interessierten Investor, die wahlweise an
Gewerbesteuern oder neuen Wohnungen
interessierten Kommunen. Da gibt es
auch den Anlieger, der die grüne Wiese
vor seinem Balkon nicht missen mag und
den Verkehrszuwachs fürchtet.
Während sich die Absichten dieser Ak-
teure noch vergleichsweise klar abzeich-
nen, verwischt sich die Entscheidungsfin-
dung in der oft nicht mehr durchschauba-
ren Abfolge von Abwägungsprozessen, in
der Mitwirkung unterschiedlicher Stel-
len, Behörden, Aktivisten. Da finden Bür-
gerbeteiligungsverfahren statt, deren Er-
gebnisse akribisch nachbereitet werden.
Diese zu würdigen aber haben Verwal-
tungsfachleute, natürlich ohne Erwide-
rungsmöglichkeit. Das letzte Wort haben
meist Politiker. Der Bürger muss irgend-
wann das Ergebnis konstatieren, oft ge-
nug gefällt es ihm nicht: Denn da wird
hier am Olympiapark geknabbert, dort
Freiham in die Landschaft betoniert, in
Lochhausen nachverdichtet, in Sendling
ein Kletterzentrum in die benachbarte
Grünanlage erweitert, im Hachinger Tal
über die weitere Bebauung diskutiert.
Bestenfalls darf der empörte Bürger
Ausgleichsflächen erwarten, wobei dar-
unter oft genug auch fragwürdige Aktivi-
täten fallen wie etwa das Aufbringen von
besonders wertvollem Mutterboden auf
eine ohnehin unbebaute Wiese – die künf-
tig dann als noch wertvoller gilt. Dass
dies den Wähler nicht erfreut, ist nachvoll-
ziehbar. Das wird sich auch nicht ändern,
sofern nicht die Entscheidungsfindung
transparenter wird – und etwa die unstrit-
tig schwierigen Abwägungen zum Bei-
spiel zwischen Wohnungsbau und Klima-
schutz weiter in Kompromissen enden,
die auf dem geringsten zu erwartenden
Widerstand fußen.  Seite R8


Wenn die Erde Feuer spuckt
Vulkane faszinieren. Aber woher kommt die
Lava? Darum geht es bei der Kinder- und Fami-
lienführung mit Simone Gaab im Museum
Mensch und Natur, Schloss Nymphenburg, an
diesem Freitag, 21. Februar, 15.30 Uhr.

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Schwanthalerhöhe– „Eine gute Idee, sie
als Anstoß zu nehmen, sich beim Eigentü-
mer zu melden“ – so kommentierte Holger
Henkel (SPD) im Bezirksausschuss (BA)
den Vorschlag eines Bürgers, auf den gro-
ßen Parkplätzen der Märkte von Lidl und
Dm an der Westendstraße 100 Stelzenhäu-
ser zu bauen. Der Anwohner hatte das Gre-
mium um Unterstützung gebeten und dar-
um, sein Anliegen an die Stadt weiterzutra-
gen. Diese solle mit dem Eigentümer in
Kontakt treten. Das Grundstück, so auch
die Einschätzung von SPD-Fraktionsspre-
cher Willy Mundigl, sei prädestiniert für
ein solches Projekt. Allerdings gehöre das
Areal der Firma Häusler; und so lange die
kein Interesse hätten, den Platz zu verwer-
ten, sei eine Umsetzung schwierig. „Aber
man kann ja auf ihn zugehen und fragen,
ob sie was anderes vorhaben.“ Einstimmig
wird die Idee vom BA unterstützt und wei-
tergetragen, explizit, so BA-Vorsitzende Si-
bylle Stöhr (Grüne), als „Signal“ für eine sol-
che Flächennutzung. Unterdessen wird
sich der Stadtrat bald mit Vorschlägen des
Planungsreferats befassen, an anderen
Stellen in der Stadt Parkplätze mit Stelzen-
häusern zu bebauen, etwa am Kölner Platz
oder am Westkreuz. ands, smüh

von berthold neff

Sendling-Westpark– Gut drei Wochen
noch sind es bis zur Kommunalwahl. Am


  1. März entscheiden die Münchnerinnen
    und Münchner, wer für die nächsten sechs
    Jahre ihre Interessen im Stadtrat und den
    Bezirksausschüssen (BA) vertritt. Die Sit-
    zung am Mittwoch, die letzte vor der Kom-
    munalwahl, hätte für die BA-Mitglieder in
    Sendling-Westpark eine gute Gelegenheit
    sein können, in alter Besetzung noch ein-
    mal einträchtig beisammen zu sein, mit ge-
    wissem Stolz auf das in dieser Amtsperio-
    de Erreichte zurückzublicken und dabei
    insgeheim auch die leise Hoffnung zu äu-
    ßern, dass man demnächst – vielleicht so-
    gar in ähnlicher Besetzung – wieder für die
    Belange des Viertels kämpfen darf.
    Stattdessen flogen jedoch die Fetzen.
    „Dumpfer Sozialismus“, giftete der pensio-
    nierte Kriminalbeamte Walter Barth (CSU)
    Richtung SPD, als diese vorschlug, von der
    Stadt Auskunft über die Kosten des auf
    dem Luise-Kiesselbach-Platz aufgestell-
    ten Christbaumständers zu verlangen. Zu-
    nächst hatte man sich zum Thema Luise-
    Kiesselbach-Platz einträchtig unterhalten.
    Der Antrag der CSU, dessen Grünflächen,
    die bisher in der Bauleitplanung nur als
    Straßenbegleitgrün gelten, dauerhaft zu si-
    chern und so von jeglicher Bebauung – von
    einem Spielplatz mal abgesehen – freizu-
    halten, ging einstimmig durch.
    Danach aber ging es rund. Aus der Sit-
    zung des Unterausschusses Parks und
    Grünanlagen berichtete dessen Vorsitzen-
    der Dieter Meyer (CSU), man wolle von der
    Stadt Auskunft über die im Westpark anfal-


lenden Kosten erbitten, also für Sicher-
heitsdienst, Reinigung und mobile Toilet-
tenanlagen. Dagegen regte sich kein Wider-
stand.
Als dann aber der BA-Vorsitzende Gün-
ter Keller (SPD) anregte, dass die Stadt
auch die Kosten für den Christbaumstän-
der auflisten möge, der mit reichlich Beton
in der Nähe des Maibaums auf dem Luise-
Kiesselbach-Platz verankert wurde, lief
die CSU Sturm. Allen voran Otto Seidl, Vor-
sitzender des CSU-dominierten Maibaum-
vereins und Organisator der Weihnachts-

feier am 22. Dezember 2019. Damals
schon hatte es Ärger gegeben, weil Seidl
vorher nicht klar zusichern wollte, dafür
nicht auch auf CSU-Wahlständern zu wer-
ben. Das Fundament für den Christbaum-
ständer stand damals nicht zur Debatte,
der BA war damit nicht befasst. Keller sag-
te am Donnerstag, Seidl habe ihm mitge-
teilt, er habe dies in Absprache mit der Bau-
referentin Rosemarie Hingerl erledigen las-
sen. Zu den Kosten sagte er in der Sitzung
nichts. Als die SPD darauf beharrte, sie zu
erfahren, griff Walter Barth zu seinem

Spruch vom „dumpfen Sozialismus“, den
Günter Keller umgehend zurückwies. Bei
der Abstimmung rieben sich CSU-Frakti-
onssprecher Alfred Nagel und auch Seidl
verwundert die Augen, denn zwei aus ihrer
Fraktion (Dieter Meyer und Martin Maier)
stimmten mit SPD, Grünen und FDP.
Damit nicht genug des Ärgers für Otto
Seidl. Lena Fiedler (Grüne) wollte wissen,
welches Gremium erlaubt, bei der nächs-
ten Maibaumfeier Sitzbänke auf die Wiese
zu stellen. Seidl musste einräumen, dass es
dazu keinen BA-Beschluss gebe. Dieter
Meyer warf ein, dass der städtische Garten-
bau dies für einen Tag erlaubt habe. Meyer
war es auch, der die Feier noch retten konn-
te, denn Seidl hatte es versäumt, sie recht-
zeitig anzumelden. Der Circus Galliano
war mit seinem Wunsch früher dran. Mey-
er gelang es aber „mit guter Vermittlungs-
arbeit“, wie BA-Chef Keller lobte, beide Ver-
anstaltungen dort unterzubringen. Meyer
sieht, wie er in der BA-Sitzung sagte, auch
kein Problem darin, dass der Maibaumver-
ein das Areal nach der Feier so übergeben
müsse, wie es vorgefunden wurde, über-
dies etwaige Schäden zu beheben habe:
„Das Vorher-Nachher-Prinzip gilt auch für
den Circus.“ Seidl und Nagel wetterten den-
noch gegen diese Auflage, konnten aber
nicht verhindern, dass Dieter Meyer und
Martin Maier erneut aus der CSU-Fraktion
ausscherten.
Zur nächsten Sitzung treffen sich die BA-
Mitglieder am 24. März, gut eine Woche
nach der Kommunalwahl. Dann steht fest,
wer in den kommenden sechs Jahren für
die Belange von Sendling-Westpark strei-
ten darf.

Politisch umkämpft: Die Maibaum-Feier auf dem Luise-Kiesselbach-Platz und das
neue Christbaum-Fundament in der Nähe führen zu Diskussionen. FOTO: ROBERT HAAS

Ein ruhiges Plätzchen, ein wenig Sonne im Gesicht, eine warme Jacke – mehr braucht es dieser Tage nicht, um unter freiem Himmel
ein wenig aufzutanken. Voraussetzung ist allerdings, dass Nase und Augen nicht tränen. Denn – anders als in der Vergangenheit –
machen derzeit nicht bloß die um diese Jahreszeit grassierenden Infekte den Münchner zu schaffen, sondern auch reichlich verfrüht
Hasel und Erle, die zum Teil bereits heftig in Blüte stehen. FOTO: STEPHAN RUMPF

Neuer Vorschlag für


Stelzenhaus-Projekt


Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt– Manch
dringende Bedürfnisse aus der Bürger-
schaft ploppen immer wieder auf, werden
von der Verwaltung über Monate bearbei-
tet – und scheitern jedes Mal wieder. So ist
das auch bei vermeintlich einfach umsetz-
baren Dingen wie einer Toilette auf dem
Gärtnerplatz, welche die Bürgerversamm-
lung in der Ludwigs- und Isarvorstadt im
Jahr 2012 erstmals gefordert hatte, kommt
man nicht zu Potte. Seitdem ist das
Wunsch-WC jedes Jahr, oft mehrmals, The-
ma in Versammlungen und Ausschüssen,
installiert ist es allerdings noch nicht. Für
eine fest installierte Toilette wurde am
Gärtnerplatz bisher kein Platz gefunden.

Das Gärtnerplatztheater lehnte es ab,
ein öffentliches Klo im Treppenhaus zu in-
tegrieren. Auch eine Mitbenutzung der
Theatertoiletten erwies sich als nicht mög-
lich. Die Schulleitungen und Elternbeiräte
der Schulen am Gärtnerplatz hatten massi-
ve Einwände gegen das Örtchen im Um-
griff der Schule. Eltern sammelten 200 Un-
terschriften dagegen. Die Stadtwerke, die
an der Corneliusstraße 10 ein Gebäude ha-
ben, erhoben Einspruch, weil ein Klohäus-

chen vor ihrer Tür die erforderlichen Min-
destabstände zu Starkstrom- und Fernwär-
meleitungen nicht einhalte, wie es hieß.
So gibt es immer wieder Versuche mit
mobilen Klohäuschen, die allerdings nur
im Sommer – wegen der oft großen Anzahl
an Feiernden auf dem Gärtnerplatz – auf-
gestellt werden. Die missfallen den Anwoh-

nern nicht nur wegen ihres provisorischen
Aussehens, sondern auch durch den Ge-
stank, der obendrein nicht von innen kom-
men soll, sondern sich drumherum aus-
breite. Vor allem diejenigen sind entnervt,
die direkt daneben oder in einer Etage dar-
über wohnen oder arbeiten müssen.
In diesem Jahr soll das mobile Klo etwas
weiter weg von Gebäuden auf einem Park-
platz aufgebaut werden, direkt neben der
Kultur-Litfaßsäule. Der Bezirksausschuss
Ludwigs- und Isarvorstadt will heuer noch
einen Versuch starten: Die Toilette soll als
Kunstprojekt verkleidet werden. Studen-
ten sollen dafür aktiviert werden, schlug
Beate Bidjanbeg (SPD) vor. „Wenn die Toi-
lette schöner aussieht, gibt es hoffentlich
nicht wieder so viele Wildbiesler rund um
das Klohäusl.“
Dass es ohne Toilette während der som-
merlichen Feiersaison auf dem Gärtner-
platz weder für Besucher noch für Anwoh-
ner funktioniert, hat auch das Baureferat
erkannt. Mit dem Bezirksausschuss zu-
sammen wolle man demnächst wieder ei-
nen Standort für eine feste Toilette prüfen,
gab die Behörde zuletzt bekannt.
Am Gärtnerplatz selbst hat man die Su-
che nach einem Standort allerdings offen-
bar aufgegeben. Es soll den Angaben zufol-
ge jedoch eine Realisierung in Gehweite,
im Bereich der Cornelius- und Müllerstra-
ße, geprüft werden. birgit lotze

Altstadt– Für den Ausbau des Fernkälte-
netzes verlegen die Stadtwerke München
(SWM) von Montag, 24. Februar, an zwei
neue Leitungen in der Fahrbahn am Viktua-
lienmarkt. Die neuen Leitungen schließen
am Rosental an das vorhandene Fernkälte-
netz an. Das städtische Unternehmen
kommt mit dem Netzausbau dem steigen-
den Bedarf an Klima- und Kühlanlagen in
der Stadt nach; die Fernkälte soll eine einfa-
che und klimafreundliche Lösung für die
Gebäudeklimatisierung sein. Als natürli-
che Kältequelle dient der westliche Stadt-
grabenbach, der unterirdisch am Stachus
vorbei fließt. Die Kältezentrale ist im Sta-
chus-Bauwerk untergebracht.
Während der Baumaßnahmen wird die
Fahrbahn an der Nordwestseite des Viktua-
lienmarkts für den Durchgangsverkehr
komplett gesperrt sein; nur Anlieger und
Zulieferer dürfen passieren. Zugänge zu
den Häusern und Einfahrten werden
durch Brücken gesichert. Die Baumaßnah-
men dauern, so schätzt die SWM, bis Ende
August. Witterungsbedingt kann es aller-
dings auch zu Verzögerungen kommen.
Die Busse der Linie 132 fahren vorüberge-
hend nur bis zum Isartor und fahren die
Haltestellen Tal, Marienplatz, Viktualien-
markt und Schrannenhalle nicht an. Am
Isartor bestehen Umstiegsmöglichkeiten
zur S-Bahn. eleg

München– Kostenlose Gesundheitsbera-
tung vor Ort: Dieses Angebot des Gesund-
heitsladens München und des Referats für
Umwelt und Gesundheit ist ausgebaut wor-
den. An sechs neuen Standorten können
sich Hilfesuchende nun Rat und Hilfe etwa
bei dem Verdacht auf Behandlungsfehler,
der Aufklärung über Patientenrechte und
Problemen mit der Krankenkasse holen.
Mit dabei sind die Stadtteile Hasenbergl,
Moosach, Messestadt Riem und Riem, Ra-
mersdorf und Perlach. Ein Fortschritt,
denn: „Bislang war die persönliche Bera-
tung nur in unserer Zentrale im Westend,
in den Räumlichkeiten des Seniorenbeira-
tes in der Altstadt oder telefonisch mög-
lich“, erklärt Peter Friemelt, Geschäftsfüh-
rer des Gesundheitsladens. In der Messe-
stadt etwa startet die Beratung am 25. Fe-
bruar und wird jeden vierten Dienstag im
Monat angeboten. Anmeldung unter Tele-
fon 23 17 16 79 70. Näheres zum Gesund-
heitsladen unter http://www.gl-m.de. SZ


FRISCHLUFTVERSORGUNG

Politiker haben


das letzte Wort


Auftanken


Zum Abschluss fliegen die Fetzen


Bei der letzten Sitzung vor der Kommunalwahl streiten sich die Politiker für den Bezirk Sendling-Westpark heftig.
Es geht um Kosten für den Christbaumständer am Luise-Kiesselbach-Platz und Sitzbänke bei der Maibaumfeier

Komplexe Lokus-Location


Suche nach Standort für eine feste Toilette am Gärtnerplatz gestaltet sich schwierig


Beratung


ausgebaut


Akteur in der WC-Kontroverse: Das Gärt-
nerplatztheater lehnt ein öffentliches Klo
im Treppenhaus ab. FOTO: ROBERT HAAS

Eltern sammelten Unterschriften
gegen ein Örtchen im
Umfeld der Schule

Redaktion:Thomas Kronewiter (Leitung),
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FOTO: SALVATORE ALLEGRA/DPA

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in der City


Stadtwerke verlegen Leitungen für
Fernkälte am Viktualienmarkt

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