Süddeutsche Zeitung - 21.02.2020

(Barré) #1

München– Ist die Luft raus? Keinesfalls,
sagt Danilo Barthel. Er war im Urlaub, er-
zählt der Kapitän des FC Bayern München,
sozusagen, zumindest hätten sich die ver-
gangenen Tage so angefühlt. Der Basket-
ball-Profi hat etwas erlebt, so erzählt er in
einem Interview auf der vereinseigenen
Homepage, was er seit seinem Dienstan-
tritt beim deutschen Meister noch nie er-
lebt hat: „Wir hatten drei Tage frei. Am
Stück!“ Die Pause kam gerade recht, um
„Körper und Kopf“ wieder fit zu bekom-
men. Wie fit, das wird man am Freitag se-
hen, wenn der schwerstmögliche Gegner
im Audi Dome vorstellig wird: Euroleague-
Tabellenführer Anadolu Efes Istanbul.
Derart umfangreicher Müßiggang ist
für einen Berufsbasketballer in Diensten ei-
nes Klubs vom Stellenwert des FC Bayern
in der Tat eine seltene Angelegenheit,
denn der deutsche Meister schlägt sich in
zwei parallel laufenden Wettbewerben von
nahezu gleichem Umfang herum: Eurolea-
gue und Basketball-Bundesliga (BBL). Qua-
litativ könnte der Unterschied kaum grö-
ßer sein, während die Münchner in der nati-
onalen Eliteklasse als Titelverteidiger und
souveräner Tabellenführer das Maß der
Dinge bedeuten, präsentieren sie sich in
der Euroleague selten konkurrenzfähig
und stehen am Tabellenende.
Was eine gewisse Priorisierung mit sich
bringt, spätestens seit der jüngsten Heim-
niederlage gegen Valencia dürfte der inter-
nationale Wettbewerb stark an Bedeutung
eingebüßt haben. Die Bilanz von 7:17 Sie-


gen legt den Schluss nahe, dass der Kampf
um den achten Rang, der für die K.o.-Run-
de in der europäischen Königsklasse be-
rechtigt, einem gegen Windmühlen gleich-
kommt. In der Theorie ist bei zehn ausste-
henden Spielen zwar alles möglich, doch
die Realität zeichnet ein anderes Bild. Gute
Spiele sind die Ausnahme, schwache Leis-
tungen – vor allem im letzten Viertel – die
Regel. Auswärts haben die Münchner kei-
ne einzige ihrer bisher zwölf Partien gewin-

nen können, meist waren sie schlichtweg
chancenlos. Kann ausgerechnet gegen den
Primus, der überhaupt erst dreimal verlo-
ren hat, ein Erfolg gelingen? Warum nicht,
dass die Türken keineswegs unschlagbar
sind, hat erst kürzlich der lokale Konkur-
rent Darussafaka im Stadtduell bewiesen
und Efes mit 81:71 im Viertelfinale aus dem
Pokalwettbewerb befördert. Efes ist den-
noch Meister und Tabellenführer in der Sü-
per Ligi, eine weitere Parallele zu den

Münchnern, die schon eine Runde früher
den Pokalwettbewerb als Zuschauer verfol-
gen mussten. Was immerhin nun zur will-
kommenen Spielpause beigetragen hat.
Dass Efes der große Titelfavorit im
höchsten europäischen Wettbewerb ist,
liegt zuvorderst an seinem Personal. Allen
voran Spielmacher Shane Larkin ist zu nen-
nen, der mit 22 Punkten im Schnitt bester
Punktesammler der gesamten Liga ist.

Der Guard verdiente vor dem Efes-Enga-
gement sein Geld bei den Boston Celtics in
der NBA, seine Leistungen haben in Euro-
pa nicht nachgelassen. Es ist eine Augen-
weide, den Amerikaner spielen zu sehen,
er ist pfeilschnell und kaum zu halten im
Eins-gegen-eins, hat einen unglaublich si-
cheren Distanzwurf und setzt zudem seine
Mitspieler mit feinen Pässen in Szene.
Beim 104:75-Hinspielsieg pulverisierte er
gegen die Bayern die Euroleague-Bestmar-
ke und erzielte sagenhafte 49 Punkte.
Nach Stand der Dinge müssen die Münch-
ner Zuschauer aber auf diesen Genuss ver-
zichten, Larkin ist am Sprunggelenk ver-
letzt und ein Einsatz unwahrscheinlich, zu-
mal Efes bereits für die Endrunde qualifi-
ziert ist. Ähnliches gilt für Vasilije Micic,
ebenfalls Point Guard in herausragender
Form und einst in Diensten des FCB: Ihn

zwickt die Wade. Beim jüngsten 96:91-Sieg
gegen Kaunas erzielten die Guards noch zu-
sammen 47 Punkte, doch auch ohne diese
Extrakönner ist Efes angesichts Spielern
wie Chris Singleton, Krunoslav Simon, Ro-
drigue Beaubois oder dem deutschen Cen-
ter Tibor Pleiß Favorit.
Gleichzeitig ist das Duell eine gute Gele-
genheit für die Bayern, auf hohem Level an
ihrer Wettkampfhärte und dem Selbstver-
trauen zu arbeiten. Nach dem Aufwärts-
trend unter dem neuen Coach Oliver Kostic
bedeuteten die Niederlagen gegen Villeur-
banne und Valencia ja einen Rückschlag,
der mit dem 81:90 in Göttingen unschön
abgerundet wurde – es war die erst zweite
BBL-Niederlage. Die Efes-Partie ist auch ei-
ne Gelegenheit für die neuen Guards T. J.
Bray und Zan Sisko, Spielpraxis zu sam-
meln, um sich ihrer Bestform zu nähern.
Bray war lange verletzt, Sisko kam erst vor
Kurzem, beide fremdeln noch etwas mit
dem Münchner Spiel. Bray sagt, er fühle
sich gut und werde „immer besser“. Ziel sei
möglichst schnell auf „100 Prozent“ zu
kommen, körperlich und spielerisch, zu-
mal sich seine Rolle im Vergleich zum ehe-
maligen Klub Vechta verändert habe. Bray
soll nicht nur punkten, sondern die Mit-
spieler einsetzen, „daran arbeite ich hart“.
Dem Kollegen Sisko bescheinigt Bray
die Fähigkeit, Räume zu erkennen, die an-
dere gar nicht sehen, und diese mit überra-
schenden Pässen zu nutzen. „Er kann pas-
sen, er macht jeden Nebenspieler besser.
Das macht schon Spaß.“ ralf tögel

Badminton


  1. Bundesiga:TSV Neuhausen-Nymphenburg – TV Ref-
    rath (So. 14 Uhr)

  2. Bundesliga Süd:SV Fischbach - TSV Neubiberg-Ot-
    tobrunn (So. 13 Uhr)
    Regionalliga Süd/Ost:TV Marktheidenfeld II - ESV
    München (Sa. 13.30 Uhr), Neusatz - TSV Neubiberg-Ot-
    tobrunn II (Sa. 15 Uhr), BSV Eggenstein-L. - TuS Gerets-
    ried (Sa. 16 Uhr), ESV Nürnberg - ESV München (So.
    10 Uhr), BSV Eggenstein - TSV Neubiberg-Ottobrunn
    II, Neusatz - TuS Geretsried (beide So. 11 Uhr)
    Basketball
    Euroleague: FC Bayern München - Anadolu Efes Istan-
    bul (Fr. 20.30 Uhr)

  3. Regionalliga Südost:MTSV Schwabing - Ansbach
    (Sa. 15 Uhr), TuS Bad Aibling - Hellenen München, VfL
    Treuchtlingen - FC Bayern München III (bd. Sa. 19 Uhr)
    NBBL (U19):Eintracht Frankfurt - Internationale Bas-
    ketball Akademie München (Fr. 19 Uhr), USC Heidel-
    berg - TS Jahn München (Sa. 14.30 Uhr)
    JBBL (U16):TS Jahn München - FC Bayern (Sa. 15 Uhr)

  4. Liga Süd Frauen:ASC Theresianum Mainz - TS Jahn
    München (So. 17 Uhr)
    Regionalliga Südost Frauen:TS Jahn München II -
    SC Kemmern (Sa. 17.30 Uhr)
    Bundesliga Rollstuhlbasketball: Doneck Dolphins
    Trier - RBB Iguanas München (Sa. 18 Uhr)
    Eishockey
    DEL:EHC Red Bull München - ERC Ingolstadt (Fr.
    19.30 Uhr), EHC Red Bull München - Düsseldorfer EG
    (So. 17 Uhr)
    DEL2:Tölzer Löwen - EHC Freiburg (Fr. 19.30 Uhr),
    EC Kassel Huskies - Tölzer Löwen (So. 18.30 Uhr)
    Bayernliga, Verzahnungsrunde:EHC Klostersee -
    Höchststadter EC, Erding Gladiators - Miesbach (beide
    Fr. 20 Uhr), EHC Klostersee - HC Landsberg (So. 17
    Uhr), Waldkraiburg - Erding Gladiators (So. 17.15 Uhr)
    U20 DNL Division II:EC Bad Tölz - SC Riessersee (Sa.
    17 Uhr), SC Riessersee - EC Bad Tölz (So. 11 Uhr)
    Fußball

  5. Liga:TSV 1860 München - Magdeburg (So. 13 Uhr),
    Hallescher FC - SpVgg Unterhaching (So. 14 Uhr),
    Chemnitzer FC - FC Bayern München II (Mo. 19 Uhr)
    A-Junioren Bundesliga Süd/Südwest:1.FC Heiden-
    heim - FC Bayern München (Sa. 14 Uhr)
    B-Junioren Bundesliga Süd/Südwest:FC Bayern Mün-
    chen - VfB Stuttgart (So. 14 Uhr), SV Darmstadt -
    SpVgg Unterhaching (So. 11 Uhr)
    Bundesliga Frauen:FC Bayern München - SC Sand
    (So. 14 Uhr)

  6. Bundesliga Frauen:FC Bayern München II - Arminia
    Bielefeld (So. 11 Uhr)
    Futsal
    Regionalliga Süd:TSV Neuried - GSV Karlsruhe (Sa.
    17.30 Uhr), Jahn Futsal - FC Deisenhofen (Sa. 18 Uhr)
    Bayernliga:Croatia München - Ingolstadt, FC Faith -
    TSV 1860 München (beide Sa. 19 Uhr)
    Handball

  7. Liga Süd Frauen:TV Möglingen - HCD Gröbenzell
    (So. 16.30 Uhr)
    Landesliga Süd Frauen:HG Ingolstadt - HCD Gröben-
    zell II (Sa. 18 Uhr)
    Schach
    Bundesliga:SG Speyer-Schwegenheim - FC Bayern
    München, SV Hockenheim - BCA Augsburg (beide Sa.
    14 Uhr), FC Bayern München - SV Hockenheim, BCA
    Augsburg - SG Speyer-Schwegenheim (beide So.
    10 Uhr), Ausrichter: SV Hockenheim
    Tischtennis

  8. Bundesliga Süd:TTC Wohlbach – FC Bayern Mün-
    chen (Sa. 18 Uhr)
    Regionalliga Süd:TuS Fürstenfeldbruck - TSV Winds-
    bach (So. 11 Uhr), SV Aufbau Altenburg - TSV Gräfel-
    fing (So. 13 Uhr)
    Frauen 3. Bundesliga Süd:TuS Fürstenfeldbruck -
    TSV Schwabhausen II (Sa. 14 Uhr)
    Volleyball
    Bundesliga:HC Eltmann - TSV Herrsching, Friedrichs-
    hafen - Alpenvolleys Haching (beide Sa. 19.30 Uhr)

  9. Bundesliga:Alpenvolleys Haching II - TSV Mimmen-
    hausen, BV Gotha - TSV Grafing (beide Sa. 19 Uhr)

  10. Liga Ost:VC Zschopau - MTV 1879 München (Sa.
    19 Uhr), ASV Dachau - VSV Jena (Sa. 20 Uhr)

  11. Bundesliga Frauen:VV Grimma - SV Lohhof (Sa.
    18 Uhr)

  12. Liga Ost Frauen:TSV Unterhaching - VC DJK Mün-
    chen-Ost-Herrsching (Sa. 16 Uhr)


München– Es hatte sich angedeutet, nun
ist es Fakt: Das Golfturnier im Rahmen der
European Championships 2022 in Mün-
chen wird vom Golf Club Valley veranstal-
tet. Damit hat der Golfverein südlich von
München, nahe Holzkirchen, das Rennen
gegen starke Konkurrenten gemacht, wie
Marion Schöne, Geschäftsführerin der
Olympiapark München GmbH (OMG) sagt:
„Die Wahl war nicht ganz einfach, denn
Gut Häusern und Eichenried waren starke
Mitbewerber. Aber letztlich hatte Golf Val-
ley das beste Gesamtpaket. Auch in Sachen
Nachhaltigkeit und Umweltschutz ist die
Anlage vorbildlich.“
An drei bis vier Wettkampftagen wer-
den insgesamt etwa 120 Aktive in den Diszi-
plinen Männer, Frauen und Mannschaft
vor der sehenswerten Alpenkulisse um die
Europameisterschaftsmedaillen kämp-
fen. Neben den Inspektoren des European
Championships Managements sowie der
OMG waren auch die Vertreter der Ladies
European Tour und der PGA European
Tour von Layout und Design des Platzes,
den erstklassigen Platzkonditionen und
der Infrastruktur angetan. Nicht zuletzt
die Biodiversität der Anlage, die mit
90 Hektar Blühwiesen eine Heimat für in-
zwischen selten gewordene Wildbienen,
Schmetterlinge, Wiesenbrüter, Feldlerche,
Wiesenpieper und viele andere vom Aus-
sterben bedrohte Arten bietet, hatte Anteil
am Zuschlag für Valley. Auch in Sachen
Nachhaltigkeit konnte Golf Valley punk-
ten, womit ein zentrales Thema der Veran-
staltung im Olympiapark bedient wird.
„Wir sind sehr stolz und freuen uns riesig,
dass wir der ,Official Golf Course der Euro-
pean Championships‘ sind und in die Fuß-
stapfen des legendären Gleneagles PGA
Centenary Course in Schottland treten, wo
das Turnier der European Championships
2018 stattfand“, sagt Valleys Klubpräsi-
dent Michael Weichselgartner. sz

von andreas liebmann

S


ie trägt ihre Haare offen. Das soll nun
nicht das Letzte sein, was über die
Sportlerin Mareen Kalis zu erzählen
ist, trotzdem ist dieser Anblick unge-
wohnt. In jedem ihrer Rennen hat man sie
an ihren blonden, geflochtenen Zöpfen er-
kannt. Ihr Markenzeichen, seit vielen Jah-
ren. Mit ihnen ist die 800-Meter-Läuferin
aus München dreimalDritte bei deutschen
Meisterschaften geworden, dreimal Staffel-
siegerin, zweimal U-23-Meisterin;einmal
Achte, einmal Siebte bei Nachwuchs-Welt-
meisterschaften; Dritte bei den Olympi-
schen Jugendspielen. Sie sind schon viel
herumgekommen, sie und ihre Zöpfe.
Nun also schwingen die schulterlangen,
blonden Haare ein wenig über dem grauen
Sportshirt hin und her, während ihre Besit-
zerin kurz nachdenkt. Dann antwortet sie,
dass sie nach diesem Wochenende vermut-
lich „eine Mischung aus Melancholie und
Erleichterung“ erfassen werde. Denn zu-
mindest zu Wettkampfzwecken wird sie
sich bei den deutschen Hallenmeister-
schaften in Leipzig zum letzten Mal diese
Zöpfe flechten. Mareen Kalis ist 22, und sie
hat beschlossen, ihre Karriere zu beenden.
Die Frage nach dem Warum beantwor-
tet sie ohne Zögern: „Mir fehlt tatsächlich
ein Ziel für den Sommer“, sagt sie. „Eins,
für das es sich lohnt, weiter Leistungssport
zu betreiben.“ Natürlich gibt es genügend
Dinge, die sie noch nicht erreicht hat, aber
wenn schon, dann müssten diese Ziele ja re-
alistisch sein. Sie müsse daran glauben
können. Vielleicht hat sie zuletzt einfach
ein paarmal zu oft ihre Ziele verfehlt. „Im
Nachhinein bin ich schon zufrieden mit
den letzten vier Jahren – aber ich habe
nicht das erreicht, was ich wollte.“
Mareen Kalis’ Abschied kam überra-
schend. Ihr Trainer Andreas Knauer könne
es vielleicht geahnt haben, glaubt sie, „er
hat eine sehr gute Menschenkenntnis“.
Nach und nach hat sie es den wichtigen
Menschen in ihrem Umfeld erzählt. Es ha-
be sich gut und richtig angefühlt, stellte sie
fest. Mitte Januar habe sie ihre Entschei-
dung getroffen, während eines Trainingsla-
gers in Monte Gordo, Portugal. Zunächst
habe sie mit niemandem darüber gespro-
chen, ihre Trainingskolleginnen Christina
Hering und Katharina Trost seien schließ-
lich gerade „so super hochmotiviert“ gewe-
sen. Es ist ja Olympiajahr.


Stattdessen hat sie in Monte Gordo ver-
kündet, dass sie in diesem Jahr in der Halle
starten werde. „Eigentlich mag ich die Hal-
le nicht“, erklärt sie. Doch dahinter steckte
ihre Idee, nicht einfach so leise abzutreten,
dass es niemand bemerken würde, son-
dern sich ein echtes Abschiedsrennen zu
gönnen. An diesem Wochenende in Leip-
zig. Ihr ehemaliger Trainer aus Paderborn
will kommen, ihre Mutter, ihre Patentante.
„Sie nimmt es selbst in die Hand“, lobt
Christian Gadenne. Er war noch nicht lan-
ge Geschäftsführer bei der LG Stadtwerke,
als die junge Kalis damals nach München
zog, im Herbst 2015 war das. Das verbinde
sie. „Immer vorbildlich, nie verletzt“ sei sie
gewesen, sagt Gadenne, „sie wird uns sehr,
sehr, sehr, fehlen.“
Ihren Start am Wochenende hat sich Ka-
lis hart erarbeiten müssen. Auf den letzten
Drücker hat sie sich qualifiziert, vor zwei
Wochen erst in Dortmund, in 2:08,00 Mi-
nuten. Am letzten Tag des Meldeschlusses.
Ein Abschiedsrennen auf großer Bühne ist
keine Selbstverständlichkeit.
Ihr Abschied verblüfft Außenstehende
vielleicht auch deshalb, weil Mareen Kalis
zuletzt Teil eines historischen Erfolgs war.
Im vergangenen August bei den deutschen
Meisterschaften in Berlin räumte ihre Trai-
ningsgruppe alle Medaillen über 800 Me-
ter ab. Nach einem beherzten Endspurt
war Kalis Dritte hinter Hering und Trost.
Doch auch dieses Rennen hängt ihr etwas
nach. „Ich habe es taktisch schlau ge-
macht“, sagt sie. Fünfte, Sechste sei sie ge-
wesen, habe sich dann auf der Zielgeraden


„irgendwie durchgewurschtelt“. Danach
aber habe sie sich irgendwann gefragt, was
wohl gewesen wäre, wenn sie das Tempo
der Führenden mitgegangen wäre. „Ich ha-
be mich darauf konzentriert, Bronze zu ho-
len, und nicht darauf, schnell zu laufen.“
Hering und Trost hatten weit vor allen an-
deren ihr eigenes Rennen ausgetragen.
Und hinterher habe Mareen Kalis dann
von Zuschauern gehört, dass man sie „gar
nicht gesehen“ habe in diesem Rennen.
Ihre starke Laufgruppe ist Fluch und Se-
gen zugleich. „Am Anfang war ich total mo-
tiviert, wollte immer mitlaufen“, erinnert
sich Kalis. Später habe sie dann manchmal
den Eindruck gehabt, dass es für sie viel-
leicht doch anstrengender ist als für die an-
deren, dass sie näher ans Limit gehen
musste. Schon als Neunjährige ist sie die
800 Meter gelaufen, war früh erfolgreich
in dieser Disziplin. Zehn deutsche Meister-
titel hat sie gewonnen – drei davon mit der
Staffel, die anderen in den Nachwuchsklas-
sen bis zur U23. Vor allem anhand ihrer Zei-
ten stellt sie eine Stagnation fest. Ihre Kar-
rierebestzeit von 2:03,53 Minuten stammt
aus dem Sommer 2018. Nun zieht sie ihre
Bilanz mit den Worten: „Ich bin halt so ein
bisschen das Jugendtalent.“
Die größten Erfolge mit 16, 17: Sie wisse
selbst nicht, ob sie immer hundertprozen-
tig alles versucht habe. Klar könne sie sich
jetzt „noch mal auf den Kopf stellen“ und
zehn bis zwölf Mal pro Woche trainieren
statt acht oder neun Mal, aber das machten
die anderen auch nicht – und vielleicht sei
ihr Körper auch gar nicht in der Lage dazu,
noch schneller zu laufen. „Ich könnte mei-
ne Karriere jetzt als gescheitert betrach-
ten“, fügt sie nachdenklich an, „aber ich
bin gut darin, das Gute zu sehen.“
Mareen Kalis findet, sie habe es prima
geschafft, „das Gleichgewicht“ im Leben
zu halten. Nun entscheide sie sich nicht ge-
gen etwas – sondern für etwas anderes.
Man muss mehr als die Leistungssport-
lerin betrachten, um das zu verstehen. Ihr
Abitur hat sie mit 1,0 abgeschlossen. Nach

München kam sie, um Medizin zu studie-
ren. 2018 hat sie das erste Staatsexamen ge-
meistert – in jenem Jahr also, mit dem sie
am ehesten zufrieden war, in dem sie mit
ihrer Bestzeit in Nürnberg sogar Katharina
Trost schlug. Allmählich rückt das zweite
Staatsexamen näher, auch das spielt eine
Rolle. Sie weiß noch gar nicht, in welche
Richtung sie sich beruflich spezialisieren
will. Außerdem hat Mareen Kalis, geboren
in Bielefeld, schon immer musiziert, Geige
und Bratsche. In München war sie gut zwei
Jahre mit dem renommierten Odeon-Ju-
gendsinfonieorchester unterwegs. „Super-
cool“ fand sie das. Immer wieder habe sie
wohlmeinende Ratschläge gehört, dass sie
sich entscheiden müsse, doch da war ja die
Sache mit dem Gleichgewicht. Auch das

fiel ihr in Monte Gordo auf: Dass ihr das
gar nicht so wirklich liege, wenn – wie es
Trainingslager nun mal mit sich bringen –
zwischen dem Sport nichts passiert. Das
sprach gegen ihre Professionalisierung.
Letztlich habe sie trotzdem am meisten
ins Laufen investiert. Das habe ihr Leben
so strukturiert, wie es bei den meisten
Kommilitonen wohl eher das Studium tut.
Das wird sich nun ändern. In ein Loch aber
kann die junge Frau gar nicht fallen. Sie ha-
be ohnehin immer auch andere Sportarten
geliebt, Surfen, Langlaufen, Mountainbi-
ken, Wassersport. Mit etwas Glück bleibt
am Ende sogar etwas Privatleben übrig,
wie es andere führen, mit Reisen und Aus-
schlafen, solchen Dingen. Einem richtigen
Studentensommer. Was sie zu ihrem Ab-

schied sagt, klingt vermutlich sehr viel
grüblerischer, als ihr tatsächlich zumute
ist. „Ich bin echt gespannt“, sagt sie grin-
send, „ich habe jetzt viele Pläne.“
Natürlich auch für Leipzig. Ins Finale
am Sonntag will sie auf alle Fälle kommen.
Bronze? Wäre natürlich das Größte, doch
das Niveau der Konkurrenz ist gestiegen.
Und nach einer Erkältung wisse sie gar
nicht so genau, wo sie stehe. Vielleicht set-
ze dieser Abschied ja noch einmal Kräfte
frei, sagt sie, bei deutschen Meisterschaf-
ten sei sie ohnehin oft am besten gewesen.

Aus dem Traum von Olympia wird nun
eben nichts, klar, aber so groß, sagt Ma-
reen Kalis, finde sie diesen Reiz gar nicht.
Auch das wurde ihr bewusst, als sie die an-
deren darüber reden hörte. Die Jugendspie-
le, 2014 in Nanjing, die seien toll gewesen,
die Spiele der Großen drehten sich dage-
gen viel mehr um Professionalität, Ver-
marktung und Selbstdarstellung – und vor
allem Letzteres könne sie nicht so gut.
Katharina Trost hat Kalis „den Ruhe-
pol“ des Teams genannt. Wahrscheinlich,
weil sie auch den anderen gelegentlich da-
bei half, das Gute zu sehen, „etwas in ein
anderes Licht zu rücken“. Und Christina He-
ring sagt: „Manchmal hat sie uns gezeigt,
dass es gut ist, nicht immer nur auf den
Sport zu schauen. Ich kann mir gar nicht
vorstellen, wie es ohne sie wird.“
Noch etwas will Kalis am Ende unbe-
dingt loswerden: Sie würde das mit ihrem
Sport „alles jedes Mal wieder genauso ma-
chen“, betont sie. Die wöchentlichen Grill-
treffen, die sie in der Gruppe etabliert hat,
will sie weiterführen. Etwas anderes wird
sich ändern: Für ihre Wettkampfzöpfe wer-
den Hering und Trost künftig ganz allein
verantwortlich sein. „Ich war nämlich hier
auch jahrelang die Frisurbeauftragte.“

„Er kann passen“: Zan Sisko mache jeden Nebenspieler besser, sagt Kollege
T.J. Bray über die Fähigkeiten des neuen Bayern-Guards. FOTO: ORYK HAIST / IMAGO

Bei den Olympischen Spielen gehe
es zu viel um Vermarktung und
Selbstdarstellung – nicht ihr Ding

Gutes Paket


Golfclub Valley München veranstaltet
die European Championships

Türkische Windmühle


Die Basketballer des FC Bayern empfangen Euroleague-Tabellenführer Efes Istanbul und wollen trotz aussichtsloser Situation die Spannung hochhalten


„Ich könnte meine Karriere als


gescheitert betrachten, aber ich


bin gut darin, das Gute zu sehen.“


Der Primus ist Favorit, für die
Bayern eine gute Gelegenheit,
um Selbstvertrauen zu sammeln

„Eine Mischung aus Melancholie und Erleichterung“:
Mareen Kalis wirkt vor ihrem Abschied fast so nachdenklich wie
vor dem Start bei den deutschen Meisterschaften 2019
in Berlin (Bild oben). Dort feierte sie mit Katharina Trost (unten
von links) und Christina Hering einen Dreifachsieg. Und auch jetzt
steckt sie voller Tatendrang.FOTO: BEAUTIFUL SPORTS / IMAGO

Schluss


mit Zöpfen


Mareen Kalis, 22, beendet ihre Karriere.


Die deutschen Meisterschaften in Leipzig sollen


die Abschiedsgala der 800-Meter-Läuferin sein


TERMINE


R10 (^) SPORT IN DER REGION Freitag, 21. Februar 2020, Nr. 43 DEFGH

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