Der Stern - 04.03.2020

(C. Jardin) #1
Zulieferer


  1. Ebene


Zulieferer


  1. Ebene
    Zulieferer

    1. Ebene
      fertiges
      Auto





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Autor Norbert Höfler (Foto) und das
Rechercheteam haben sich fest vorge-
nommen: Bei Corona Nerven behalten!
Mitarbeit: Frank Brunner, Florian
Güßgen, Ingrid Eißele, Frank Janßen,
Sabrina Keßler, Jens Korte, Philipp Mattheis,
Rolf-Herbert Peters, Johannes Röhrig,
Jan Boris Wintzenburg, Lorenz Wolf-Doettin-
chem, Jan Christoph Wiechmann FOTO: SHUTTERSTOCK

LANGE LIEFERKETTEN


Beispiel Daimler: 213 Firmen liefern
dem Autobauer fertige Module.
Die zweite Ebene der Zulieferer
schickt Komponenten, die dritte
wiederum Einzelteile

ließe in den Bilanzen nur Dellen, die
schnell wieder ausbeulen.
Aber ein großes Risiko bleibt: Wenn
Atemmasken und Sterillium irgendwann
wieder beiseitegepackt werden können,
bleiben für die Unternehmen Fragen:
Haben sie es mit der Globalisierung über-
trieben? Ist die weltweite Arbeitsteilung
zu sehr auf Kante genäht? Zu anfällig für
Störungen?
Schon vor der Corona-Krise hatte die
brachiale Handelspolitik von US-Präsident
Trump das Konzept des Freihandels er-
schüttert. Jetzt könnten das Virus und die
Strafzölle die Globalisierung weiter zu-
rückdrehen. Es wäre zum Schaden vieler.
Denn, bei aller Kritik, die weltweite
Arbeitsteilung brachte Milliarden Men-
schen vor allem in Asien mehr Wohlstand.
Zu deren großen Profiteuren zählte aber
auch der Exportweltmeister Deutschland.
Diese Kombination könnte den Wohlstand
hierzulande tatsächlich gefährden.
Geschichte wiederholt sich nicht. Den-
noch ist es erstaunlich, wie sehr sich poli-
tische Reaktionen auf die Seuchengefahr
über die Jahrhunderte hinweg gleichen.
„Als die Pest in Venedig wütete, hat man
Kneipen und Kirchen geschlossen und
Massenveranstaltungen abgesagt. Es war
fast ein bisschen wie bei uns jetzt gerade,
wo man ja auch Menschenansammlungen
meidet“, sagt der Historiker Klaus Bergdolt.
In Venedig wurde auch erstmals systema-
tisch die Quarantäne entwickelt, sodass
Leute, die auf Schiffen ankamen, 40 Tage
warten mussten. Wenn dann niemand er-
krankt war, durfte die Besatzung in die
Stadt. Wenn jemand erkrankt war, wurde
er auf die Pestinsel gebracht. Der Handel

In München und weiten Teilen Bayerns
gibt es eine Legende. Die besagt, dass es die
Fassmacher waren, die Schäffler, die sich
Anfang des 16. Jahrhunderts in München
nach einer Pest als Erste wieder vor die Tü-
ren wagten. Die Schäfflergesellen führten
Freudentänze auf und ermunterten die
verängstigten Bürger, aus ihren dunklen
Wohnungen zu kommen, auf die Straßen,
auf die Plätze. Bis heute tanzen die Schäff-
ler deshalb in Bayern, alle sieben Jahre, in
den Wochen nach „Fasnacht“, in einer
Tracht mit grüner Kappe mit weißen und
blauen Federn, roter Ärmelweste und
schwarzen Strümpfen. Sie halten mit
Buchs umwundene Reifen in die Höhe. Auf
geht’s, feiert, ist ihr Aufruf. Tanzt! Wieder.
Weiter. Im Münchner Rathaus drehen sich
die Schäffler sogar jeden Tag. Oben im
Turm sind Schäffler-Figuren Teil des Glo-
ckenspiels, das jeden Tag um elf und zwölf
Uhr gespielt wird.

*

Meine Kollegin Lisa hat endlich ange rufen.
Ihre Stimme klang heiser, aber fröhlich. Sie
sagte: „Kein Corona! Nur eine Erkältung.“
Gut so. Wir haben Zeit gewonnen. Mehr
vielleicht nicht.

Ländern? Zum Schutz vor Viren, vor An-
steckung, vor den anderen. America first?
Europe first? China first? Das ist die eine
mögliche Antwort.
Die andere mögliche Antwort kann lau-
ten: Existenzielle Risiken wie Viren aller
Art können dauerhaft nur eingedämmt
werden, wenn sich alle unterhaken, mit
Atemschutzmaske und Gummihandschu-
hen vielleicht, aber doch im Bündnis. Das
Virus schafft – wie die Klimakrise – eine
weitere Begründung für globales Zusam-
menarbeiten.

brach ein. Waren aus verpesteten Städ-
ten durften an vielen Orten nicht mehr
importiert werden.
Diese Risiken bestehen vorerst nicht.
Und dennoch geraten die Handelsprin-
zipien der vergangenen Jahrzehnte, die
Prinzipien der Globalisierung, der Offen-
heit, jetzt noch weiter unter Druck. Wa-
rum sich nicht dauerhaft abschotten,
gegen Menschen und Waren aus fremden

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Wegen Virus geschlossen – der Genfer Autosalon,
Europas wichtigste Auto-Messe, wurde abgesagt


ABSCHOTTEN


GEGEN


MENSCHEN


UND WAREN?


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