Der Stern - 04.03.2020

(C. Jardin) #1
„Sars-CoV-2“

Peking

Wuhan

Im zentralchinesischen Wuhan
werden ab Dezember schwere
Lungenerkrankungen unbe-
kannter Ursache beobachtet,
deren Zahl rasant zunimmt

Erste Fälle
Ein Virus wird als Ursache identi-
fiziert. Innerhalb von Tagen ist sein
Erbgut entschlüsselt – die Grund-
lage für Gegenmaßnahmen wie
einen Impfstoff

Identifizierung des Erregers



  1. Dezember 2019 12. Januar 2020 24. Februar 2020


CHINA


Zeitspanne von der genetischen
Charakterisierung eines neuen Erregers
bis zum ersten Impfstoffkandidaten

Sars 2003

Influenza (H5) 2006

Influenza (H1) 2009

Zika 2016

Covid-19 2020

20 Monate


4


3,25


1,4


11


Wettlauf im Labor


Identifizierung von
Eiweißteilen des Virus,
die das Immunsystem
zur Abwehr anregen

Entwicklung einer
Boten-Erbinformation
(„mRNA“), die zu Impf-
stoff verarbeitet wird

Die mRNA gelangt per
Impfung in die Körper-
zellen und lässt das Ei-
weiß des Virus „bauen“

Das Virus-Eiweiß
stimuliert das Immun-
system zur Produk-
tion von Antikörpern

Biotechnologische „Plattformen“
erlauben es heute, Impfstoffe nach
dem Baukastenprinzip zu entwickeln.
Seit 2017 stattet der weltweite Ver-
bund staatlicher und privater Geld-
geber CEPI Labors finanziell dafür
aus, schnellstens Impfstoffkandida-
ten zu entwickeln. Erstes testbereites
Vakzin für Sars-CoV-2 ist das der
US-Firma Moderna. Dessen Prinzip:

Mit 45 Probanden wird ab März zu-
nächst die Sicherheit des neuen
Impfstoffs geprüft. Ob er wirksam
ist, entscheidet sich erst bei späteren
Versuchen mit mehr Freiwilligen

Testphase
Nach hinreichend erfolg-
reichen Tests können benö-
tigte Impfstoffe national und
international auch beschleu-
nigt freigegeben werden

Zulassung
Auch im Idealfall dauern die
Massenherstellung eines
neuen Impfstoffs und dessen
Verteilung in den betroffenen
Gebieten noch etliche Monate

Produktion und Impfung


ab ca. 19. März 2020 nicht vor 2021

Bernhard Albrecht und
Andreas Hoffmann kennen
zwar aus ihrer täglichen
Arbeit Strukturprobleme des
Gesundheitswesens, wähnten Deutschland
aber besser vorbereitet, als sie es vorfanden

INFOGRAFIK: QUELLEN: CEPI, MODERNA

Die wichtigste Maßnahme zur Eindämmung der Covid-19-Epidemie ist die Impfung.
Die Entwicklung eines Mittels wird mit Hochdruck betrieben

SO KOMMT DER IMPFSTOFF VORAN


Normalerweise soll das alles nicht passie-
ren. Normalerweise soll sich alles zusam-
menfügen, der Plan des Bundes, wie man mit
einer Pandemie umgeht, und die Pandemie-
pläne der Länder, Kommunen und Unter-
nehmen. Normalerweise. Doch selbst Ge-
sundheitsminister Spahn ist das Verfahren
nicht geheuer. „Ich habe das Gefühl, wir
müssen diese Pläne häufiger üben“, sagt er.

N


ach der Pressekonferenz, die er am ver-
gangenen Donnerstag in Berlin ge-
meinsam mit Innenminister Seehofer
gab, eilte Spahn gleich weiter zum nächs-
ten Termin. Seehofer dagegen nahm sich
noch etwas Zeit, erzählte von den Krisen, die
er als Gesundheits- und Landwirtschafts-
minister erlebte. In den 90er Jahren etwa
waren Blutprodukte mit HIV verseucht.

Seehofer zerschlug das damalige Bundes-
gesundheitsamt und schaltete die Staats-
anwaltschaft ein. Später kämpfte er gegen
die Vogelgrippe, flog im Hubschrauber
nach Rügen, um sich verendete Schwäne
am Strand anzuschauen. Was er aus den
Krisen gelernt hat? „Ein Politiker muss
immer mehr tun, als die Wissenschaftler
empfehlen. Er kann sich nicht nach der
Naturwissenschaft richten, denn der Er-
kenntnisstand kann sich täglich ändern.“
Krise heißt Veränderung. Jeden Tag eine
neue Lage. Für Bürger, Politiker, Behörden.
Das Coronavirus wirbelt das Land durch-
einander. Ausgang offen. Kritik an Politi-
kern und Behörden für mögliche Fehler
hält der Virologe der Berliner Charité,
Christian Drosten, für „Energieverschwen-
dung“. Die nahende Pandemie sei eine

„Ausnahmesituation“, in der der Staat sei-
ne Kräfte bündeln müsse: „Wir alle werden
improvisieren müssen.“
Das spürt auch Hausarzt Oliver Giebel.
Das NRW-Gesundheitsministerium wird
nun doch aktiv. Man organisiere zusätz-
liche Test-Kits, Atemschutzmasken und
Schutzanzüge für die Mediziner, sagt ein
Sprecher auf erneute Nachfrage. Eine zu-
sätzliche Ärztin und DRK-Rettungskräfte
seien ebenfalls auf dem Weg.
Geht doch. 2

36 5.3.2020
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