Der Stern - 04.03.2020

(C. Jardin) #1

E


s ist derzeit viel von „Re-
maskulinisierung“ die
Rede. Von der Rückver-
männlichung der Politik.
In der Regel denkt man
dabei nicht an Robert
Habeck, 50, den grün-poetischen Philoso-
phenwuschel von der Küste, oder Saskia
Esken, 58, den rot-dominanten Schwaben-
pfeil. Wenn heute von neuer Männlichkeit
die Rede ist, sind meist drei ältere Herren
gemeint: die Aspiranten auf den CDU-Vor-
sitz. Das Dreigestirn fürs Kanzleramt. Ihre
Lieblichkeit Jungfrau Norbert, Seine Tolli-
tät Prinz Friedrich und Seine Deftigkeit
Bauer Armin. Röttgen, Merz und Laschet.
Auf „Angela“ soll „RöMeLa“ folgen.
Nach „Frau, kinderlos, evangelisch,
Osten“ soll endlich wieder „Mann, Vater,
katholisch, Westen“ übers Land kommen.
„Habemus Hoden“, spottete Oliver Welke
in der „Heute-Show“. Und nun schaukeln
sie los, die drei; ein jeder auf seine Weise.
Der eine zackig, der andere schulmeis-
ternd, der dritte volksnah. Aber alle mit
den überlieferten Ritualen einer Männer-
politik, oder besser: einer Politik, wie sie
früher von beleibten Männern in gut fal-
lenden Anzügen gemacht wurde. Und es
ist auch ein bisschen wie bei der „Waren-
dorfer Hengstparade“, bei der sich gekörte,
sprich leistungsgeprüfte Zuchtgäule als
Gespann präsentieren. Nur, dass die drei
Politiker gar nicht daran denken, die Kut-
sche gemeinsam zu ziehen. Laschet hätte
zwar gewollt, aber Röttgen und Merz nicht.
Sie wollen allein an die Spitze preschen.
Und Armin Laschet, 59, tritt nun mit Ge-
sundheitsminister Spahn als Beistellpony

an. Und er spricht mit Frauen! Außerdem
regiert er bereits ganz Nordrhein-Westfa-
len. Laschet ist der Typ „Lieber ein Onkel,
der Geschenke bringt, als eine Tante, die
Klavier spielt.“ Er ist einer, der den Fettrand
dran lässt. Und Friedrich Merz spielt be-
kanntlich Klarinette.
Gerade hat Laschet Tel Aviv mit einer
NRW-Vertretung beschenkt. Er hat die
Corona-Krisenregion Heinsberg besucht,
man fühlte sich an Dustin Hoffman im
Film „Outbreak“ erinnert. Sollte wohl auch.
Merz und Röttgen können so etwas nicht
bieten. Die Gummistiefel-im-Hochwas-
ser-Aktionen sind allein Regierenden vor-
behalten. Röttgen und Merz können bloß
reden. Deklamieren, präsentieren, besser-

wissern. Sie können die Luft in den Sälen
und Zelten, in denen sie auftreten, mit ha-
ckenden Handbewegungen portionieren.
Sie können mit ausgestreckten Zeigefin-
gern ins Publikum stechen, dass man sich
vor Schreck die Augen zuhält, sie können
mit ihren geballten Fäusten ein Ballett
vollführen, das jedem ihrer Sätze Wucht
geben soll und Eindruck – auch denen, die
Binsen sind. Röttgen tüpfelt zudem gern
Skulpturen in die Luft. Laschet, der rüsti-
ge Mann aus Aachen, malt, wenn er vor
Publikum spricht, die goldensten seiner
Menetekel an eine imaginäre Tafel: „Wir
wissen, wenn es einen Handelskrieg dort
gibt, dass das auch Arbeitsplätze hier im
Kreis Olpe treffen kann!“

HENGSTPA


Da ist es wieder – das große Ego in der


Politik! stern-Autorin Ulrike Posche über


die Rückkehr alter Rituale


POLITIK


Norbert Röttgens (l.)
Lieblingsfarbe
ist Aubergine. Armin
Laschet (Mitte) wollte
erst nicht, dann
doch nach oben. Und
Friedrich Merz hat den
größten Ehrgeiz

38 5.3.2020
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