Der Stern - 04.03.2020

(C. Jardin) #1
Marc Bädorf hat in den vergangenen Jahren
einige Strafverfahren verfolgt. Aber einen Prozess
wie diesen, bei dem es an nahezu jedem
Verhandlungstag mindestens eine überraschende
Wendung gab, hat er noch nicht erlebt

Manfred Merk selbst wird mehrmals vor Gericht ge-

laden. Gern hätte man von ihm die Antworten auf vie-


le Fragen: Warum ist er nie zur Polizei gegangen? Was


hat ihn so an Nora Cohr fasziniert, dass er ihr immer


wieder Geld gegeben hat? Wie geht es ihm damit, dass


ihn seine Geliebte offensichtlich angelogen hat?


Und: Hat er wirklich, wie die Staatsanwaltschaft auf-

grund seiner Angaben annimmt, 1,6 Millionen Euro Er-


pressungsgeld gezahlt – oder ist ein Teil der Summe in


ganz andere Kanäle geflossen? Tatsache ist: Es gibt einen


Vermerk seines Steuerberaters, der etwas anderes na-


helegt: Merk habe ihm gesagt, dass er 2015 mehr als


1,1 Millionen Euro vom Firmenkonto abgehoben habe,


um einen 150-Millionen-Euro-Vertrag mit einem gro-


ßen Kabelnetzbetreiber zum Abschluss zu bringen, so


die Gesprächsnotiz des Steuerberaters.


Manfred Merk nimmt nicht öffentlich Stellung zu all

den Fragen. Er lässt sich – in Begleitung eines Anwalts,


das Gesicht mit einer Jacke geschützt – von Justizvoll-


zugsbeamten zum Saal bringen. Er beantragt den Aus-


schluss der Öffentlichkeit, und das Gericht gibt dem statt.


Das Urteil fällt am 2. März, einem Montag. Nora Cohr

wird wegen gemeinschaftlicher räuberischer Erpres-


sung mit einem Unbekannten zu vier Jahren und sechs
Monaten Haft verurteilt. Das Gericht vermutet, dass sie
484 000 Euro von Manfred Merk erpresst hat; mehr lässt
sich aus SMS und Überweisungen Merks nicht rekons-
truieren. Das Gericht glaubt zwar, dass Nora Cohr ihre
Tat nicht allein begangen hat – aber die Beweise gegen
ihre Mitangeklagten reichen nicht aus, sie werden bei-
de freigesprochen.
Manfred Merk muss bald wieder vor Gericht erschei-
nen, dann jedoch in anderer Rolle: Die Staatsanwalt-
schaft Arnsberg hat ihn wegen Steuerhinterziehung und
Veruntreuung von Firmengeldern angeklagt. Gut mög-
lich, dass Merk dabei noch die Frage gestellt wird, die
das Landgericht Bonn nicht zu klären hatte: Wo sind die
restlichen 1,1 Millionen Euro, die wohl nicht von Nora
Cohr erpresst wurden, geblieben? 2

„Mir geht es scheiße“, schreibt sie ihrem Sugardaddy aus Abu Dhabi.


„Ich google mal, was ich dir an Geld schicken kann“, antwortet er

Free download pdf