Der Stern - 04.03.2020

(C. Jardin) #1
Wie finde ich den richtigen Partner?
Passt er wirklich? Gibt es nicht noch
bessere? Die ewigen Fragen der Liebe
mögen in Zeiten von Tinder trivial
klingen, Jane Austen hat ihnen 1815
einen ihrer schönsten Romane gewid-
met: „Emma“. Dabei ist auch in der
flotten Neuverfilmung die Titelheldin
hübsch, klug und reich, aber nicht wirk-
lich sympathisch. Kino-Newcomerin
Anya Taylor-Joy („The Witch“) be-
herrscht die kleinen Gesten und Blicke
trotzdem so gut, dass man ihrem
Charme rasch erliegt. 22222

Man soll nicht über das Alter von
Frauen reden. Trotzdem bleibt es
verblüffend, wie die 1943 geborene
Catherine Deneuve nicht aufhört zu
drehen – und zu glänzen. Für „La
Vérité“ arbeitet sie erstmals mit ihrer
Kollegin Juliette Binoche zusammen.
Die große Diva spielt: eine große Diva,
die in ihren Memoiren und gegenüber
ihrer Tochter gern flunkert. Motto: Ich
bin Schauspielerin, die nackte Wahrheit
ist langweilig. Daraus entspinnt sich
das Drama einer Familie, bei der man
nie ganz sicher sein kann, wer gerade
wem etwas vormacht. 22222

Sie haben es wieder geschafft,
die Genies von Pixar: Sie haben einen
Trickfilm geschaffen, bei dem man
am Ende Rotz und Wasser heult vor
Ergriffenheit. „Onward“ spielt in einer
wilden Fantasywelt aus Elfen und
Drachen, Zentauren und Einhörnern.
Zwei Brüder wollen mit einem Zauber
ihren toten Vater wiederbeleben.
Als das schiefgeht, beginnt ein Aben-
teuertrip mit Erkenntnissen. Und es
wird gefühlig. Dabei ist es völlig egal,
ob die Protagonisten computer-
animiert sind und blaue Haare haben.
Pixar-Magie eben. 22222

KINO


FOTOS: X-VERLEIH; SVEN A.HAGOLANI;DISNEY/PIXAR;FOCUS FEATURES


ders viel gelesen. Und
das Examen? Kling
grinst und antwortet:
„Ich habe lange genug
studiert, um einen
Abschluss gemacht
haben zu können...“
Pause. Den Rest kann
man sich denken. Er
kann das alles heute
sehr locker sehen.
Der tingelnde Klein-
künstler wurde zu
einem der erfolg-
reichsten Autoren
des Landes.
In dieser Woche
kommen seine „Kän-
guru-Chroniken“
nun auch ins Kino.
Dani Levy („Alles auf
Zucker!“) führte Regie. Marc-Uwe Kling,
der auch das Drehbuch schrieb, wird vom
Theaterschauspieler Dimitrij Schaad
dargestellt. Außerdem sind Henry Hüb-
chen und Rosalie Thomass zu sehen.
Der wilde, ziemlich überdrehte Film ver-
einigt Motive und Anekdoten aus Klings
vier Känguru-Büchern mit einem recht
simpel geratenen Plot um einen rechts-
populistischen Politiker und Immobilen-
hai, der aus Habgier einen gemüt-
lichen Kiez plattmachen will, in dem auch
Kling und sein Känguru leben. Klar, dass
die sich wehren.
Das Känguru, so viel kann verraten wer-
den, ist exzellent animiert. Das Tier wirkt
täuschend echt. Kling spricht es in ge-
wohnter Klasse selbst. Der Film hat gran-
diose, sehr lustige Szenen und ist dort
stark, wo er sich an die dialogstarke Buch-
vorlage hält. Die Story um den fiesen Spe-
kulanten knarzt allerdings oft etwas. Levy
und Kling haben hier zu dick aufgetragen.
Weniger wäre besser gwesen.
Marc-Uwe Kling blickt unterdessen
schon der nächsten Verfilmung entgegen.
Gerade ist sein letztes Buch „QualityLand“
auch in den USA erschienen. Die unter-
haltsame, futuristische Gesellschafts-
satire überzugte auch die Chefs des ame-
rikanischen Bezahlsenders HBO („Game
of Thrones“). Die kauften die Filmrechte
und wollen aus „QualityLand“ nun eine
Serie machen.
Was würde das Känguru wohl zu dieser
Entwicklung sagen? Wahrscheinlich, was
es immer sagt, wenn es um die Big Deals
geht:„Kapitalismus, Schweinesystem,
Vietcong!“

„Die Känguru-Chroniken“ (^22222)
legerer Kleidung. Er trägt
Bart, sehr gern Mützen
und eine Frisur, die keine
ist. Kling überlegt ziem-
lich lange, bevor er ant-
wortet. Ihn als zurück-
haltend zu bezeichnen
wäre eine grobe Unter-
treibung.
Nein, dieser Mann
wirkt nicht wie eine
Rampensau und ist doch
ein leiser Meister auf der
Bühne. Angefangen hat
er als Liedermacher und
Kabarettist auf Lesebüh-
nen und bei Poetry-
Slams. Bis heute tritt er
gern auf. Er sitzt dann da
wie selbstverständlich
vor dem Publikum und
erzählt seine Geschichten – unaufgeregt,
ohne jede Theatralik. „Ich bin dann nicht
entspannt, sondern geradezu unter-
spannt“, sagt er. Die Storys seien wichtig,
nicht der Mann selbst. Was er besonders
gut kann, ist, Pausen an den richtigen Stel-
len zu machen. Die Zuhörer dürfen gern
weiterdenken. In seinem durchaus po-
litischen Bühnenprogramm „fernab
der Kanzelpredigt“, wie die „Süddeutsche
Zeitung“ befand, kamen auch jene Ge-
schichten eines jungen Mannes vor, der
mit einem Känguru in einer WG lebt. Die-
se Geschichten mochte das Publikum
ganz besonders. Der junge Mann ist Marc-
Uwe Kling selbst, das sprechende Kän-
guru ein sympathisches, linksradikales
Arschloch, das gern Nirvana hört und
süchtig nach Schnapspralinen ist. Die bei-
den erleben Alltagsabenteuer, spielen
Brettspiele und unterhalten sich über
Marx, Hegel, Religion, Philosophie und die
Frage, ob das Rumliegen in einer Hänge-
matte bereits passiver Widerstand ist.
Oder Filme mit Terrence Hill, aber ohne
Bud Spencer eigentlich okay sind. „Pop-
und Hochkultur berühren sich viel zu sel-
ten“, sagt Kling. „Im Idealfall findet man
beim Schreiben eine Bud-Spencer-Szene,
anhand derer man die Philosophie Nietz-
sches erklären kann, wenn Sie verstehen,
was ich meine.“ Nein, ist aber auch egal.
Was ist sein Erfolgsgeheimnis? „Ich
schreibe“, sagt er, „kapitalismuskritische
Bücher, die sich total gut verkaufen.“ Kling
ist links sozialisiert, kennt die alternative
Szene gut, hasst aber alles Dogmatische:
„Humor und dogmatisch sein – das geht
schlecht zusammen.“ Studiert hat er auch
mal. Theaterwissenschaften und Philoso-
phie. Von Marx und Focault hat er beson-
Liedermacher, Kabarettist,
Bestsellerautor: Marc-Uwe Kling,
geboren 1982 in Stuttgart
5.3.2020 99

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