Der Spiegel - 07.03.2020

(Ben Green) #1

Fotos: Lisa Wassmann für SPIEGEL BESTSELLER; Piffl Medien 29


P


aula Beer wurde bekannt als
smarte Investment bankerin in
der Serie »Bad Banks« oder als Künst-
lergattin im Malerdrama »Werk ohne
Autor«. Für die Titelrolle in Christian
Petzolds Kinofilm »Undine« wurde
Beer, 25, unlängst mit dem Silbernen
Bären als beste Schauspielerin ausge-
zeichnet.


SPIEGEL:Frau Beer, Sie spielen jetzt
in »Undine« eine Berliner Museums-
führerin, die in Wahrheit ein mythisches
Wasserwesen ist – dazu verdammt, je-
den Kerl, der sich von ihr lossagt, zu
töten. Was mögen Sie an der Rolle?
Beer:Mir gefällt Undines Sehnsucht
danach, dazuzugehören, ein Mensch
wie alle anderen zu sein. Die klassische
Figur der Undine im Märchen ist un-
sterblich und wird jahrhundertelang von
Männern gerufen, die in ver zweifelter
Liebesnot sind. Denen erscheint Undine
aus dem Wasser und ist ihnen eine per-
fekte, auf ewig liebende Frau. Doch in
dem Moment, in dem sie verletzt oder
betrogen wird, muss sie die Männer um-
bringen. Sie leidet daran, dass dieser
Fluch an ihr haftet, unter dieser wahn-
sinnigen Brutalität, auch unter dem
Scheitern der Treue. Sie möchte nicht
wieder zurück geschickt werden. Ihre
Sehnsucht ist es, unter den Menschen
bleiben zu können.
SPIEGEL: In Petzolds Film will Undine
ihren Fluch abschütteln, als sie ihrer
großen Liebe begegnet, dem von Franz
Rogowski gespielten Berufstaucher
Christoph. Was, finden Sie, sagt der
Film über die Liebe?
Beer: Der Film ist ein Appell, unseren
Gefühlen mehr zu vertrauen. Das Ideal
heutiger Beziehungen ist es, dass Liebe
möglichst schnell funktionieren soll. So-
bald man das angeblich perfekte Match
findet, ist man erst eine Affäre und
dann ein Paar. Die Begegnung von Un-


dine und Christoph zeigt aber, dass die-
se modernen Regeln nicht funktionie-
ren. So etwas wie das perfekte Match
gibt es nicht. Was der Film zeigt, ist eine
Begegnung zwischen zwei Figuren, die
völlig frei von Ego sind, aufrichtig und
vielleicht sogar naiv. Undine lernt zum
allerersten Mal echte Liebe kennen. Als
sie begreift, dass sie ihren Geliebten in
Gefahr bringt, lässt sie ihn los. Weil sie
ihn so sehr liebt.

SPIEGEL: Wie wichtig ist Ihnen, dass
die Filme, in denen Sie mitspielen, auch
Erfolg haben?
Beer: Jetzt könnte ich sagen, dass es
mir ausschließlich darum geht, die Ge-
schichten zu erzählen, die mich inte-
ressieren. Aber das Verrückte am Film-
geschäft ist, dass einem Erfolg erst er-
möglicht, die Geschichten erzählen zu
dürfen, die einem wirklich wichtig
sind. Die Schauspielerei ist nicht bloß
meine Leidenschaft, sondern sie ist
auch mein Beruf. Deshalb freue mich,
wenn ich Preise bekomme und wenn
die Zuschauerzahlen gut sind. Auch

wenn der Erfolg nicht der Grund dafür
ist, dass ich die Arbeit mache. Es hilft
mir, dass das, was ich tue, gesehen
wird. Erfolg verschafft einem die Zeit
und das Geld dafür, das zu machen,
was man will.
SPIEGEL: Suchen Sie die Rollen, die
Sie spielen, also allein nach Ihrem per-
sönlichen Geschmack aus?
Beer: Ich muss jedenfalls Lust darauf
haben, sie zu spielen. Ich frage mich
beim Drehbuchlesen, ob ich selbst eine
Idee zu der Geschichte habe, ob der
Stoff mich in Wallung bringt. Ich ent-
scheide immer nach meinem ersten
Gefühl. Ich finde, auch wenn man ei-
nen Beruf ernst nimmt, sollte er einen
niemals aussaugen. Dafür ist das Leben
zu kurz. Und es müssen auch nicht im-
mer fünf Millionen Zuschauer sein,
die einen Film sehen. Es reicht, dass
ein paar Leute etwas damit anfangen
können, die etwas verstehen, die viel-
leicht sogar etwas lernen durch einen
Film.
SPIEGEL: Wie ernst nehmen Sie die
Lobeshymnen oder Verrisse von Film-
kritikerinnen und Filmkritikern?
Beer: Ich lese keine Kritiken. Ich finde,
jeder sollte sich möglichst selbst ein Bild
machen und sich nicht zu sehr lenken
lassen. Und ich mag es nicht, wenn Fil-
me verrissen werden. Jeder Film ist ein
Wagnis, von dem man nicht weiß, ob
die Idee am Ende aufgeht. Und die
Qualität eines guten Zuschauers liegt
meiner Meinung nach darin, sich auf
fremde Erzählweisen einzulassen und
am Ende eine differenzierte Einschät-
zung des Films zu geben. Kritik zu äu-
ßern ist völlig legitim, aber dabei sollte
der Ton immer so sein, wie man es den
Filmemachern selbst ins Gesicht sagen
würde. Allein das Wort »Verriss« finde
ich respektlos.

Interview: Wolfgang Höbel

Filme

»Ich muss Lust haben


zu spielen«


KinoIn »Undine« ist Paula Beer ein mythisches Wasserwesen,
das Männer eher tötet, als sie freizugeben.
Ein Gespräch über Leidenschaft in der Liebe – und im Beruf.

»Allein das
Wort ›Verriss‹
finde ich
ich respektlos.«

Schauspielerin Beer in Szene aus »Undine«
(ab 22. März im Kino)
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