Der Spiegel - 07.03.2020

(Ben Green) #1

Levit: Deutschland hat ein grundsätz-
liches Menschenverachtungsproblem.
Dazu gehören Antisemitismus, Rassis-
mus, Antifeminismus und vieles, vieles
mehr. Und Deutschland hat ein struk-
turelles Verharmlosungsproblem, wenn
es um Rechtsradikalität geht.
SPIEGEL: Was muss passieren?
Levit: Dieses Land muss endlich auf-
hören, sich selbst zu belügen, zu träu-
men und zu verdrängen: Rassismus und
rechter Terror sind Realität in Deutsch-
land. Rassisten, Nazis, Faschisten haben
Platz in diesem Land. Hass verbreitet
sich. Es ist nicht damit getan, zwischen
zehn Terminen ein Betroffenheitsstate-
ment oder einen Empörungs-Tweet ab-
zusetzen. Was ist los in unserer Politik
und in unseren Gerichten, dass Sprach-


gewalttäter hier unbehelligt ihre Kreise
ziehen und immer mehr Menschen in-
fizieren dürfen?
SPIEGEL: Hat sich Ihr Blick auf
Deutschland seit den jüngsten politi-
schen Skandalen verändert?
Levit: Ich sehe klar: Viele, die Verant-
wortung tragen, werden dieser nicht ge-
recht. Und viele, die dieses Land lieben
und sich für gute Demokraten halten,
schlafwandeln weiter, als ob nichts pas-
siert sei. Ich frage mich: Wann werden
sie aufwachen? Früh genug? Für die
Opfer von Halle, von Hanau, für die
Opfer des NSU und für Walter Lübcke
jedenfalls zu spät. Das schmerzt un -
endlich.
SPIEGEL: Gibt es Hoffnung auf einen
Schulterschluss der Demokraten?

Levit: Natürlich möchte ich klar Ja
sagen. Aber kann man das nach Thü-
ringen noch? Es muss sich verdammt
viel ändern. Und trotzdem: Ja, klar, es
gibt solche Demokraten. Ich kenne eine
ganze Reihe in unterschiedlichen Par-
teien und unterschiedlichen Alters.
Aber ich kenne auch andere, auch sol-
che in wichtigen Ämtern, da fehlt mir
diese Hoffnung.
SPIEGEL: Wird sich Geschichte wie-
derholen?
Levit: Tja. Wer wäre mehr gewarnt als
wir Deutschen?
SPIEGEL: Träumen ist also durchaus
erlaubt.
Levit: Natürlich!
SPIEGEL: Welcher Traum ist noch
unerfüllt?
Levit: Hm. Donald Trump in Hand-
schellen aus dem Weißen Haus abge-
führt, live im Fernsehen.
SPIEGEL: Was wäre eigentlich pas-
siert, hätte es mit der Musikerkarriere
nicht geklappt?
Levit: Politik.
SPIEGEL: Ein Ort, an den Sie nie wie-
der zurückwollen?
Levit: Diesen Ort gibt es nicht.
SPIEGEL: Ein Ort, den Sie gern einmal
besuchen würden?
Levit: Den Grand Canyon.
SPIEGEL: Drei Menschen, die Sie sehr
vermissen?
Levit: Hannes, Malte, Mahler.
SPIEGEL: Ihr Tipp für die nächste
Generation?
Levit: Schafft Facebook ab.
SPIEGEL: Was wünschen Sie sich zu
Weihnachten?
Levit: Zeit.
SPIEGEL: Ihr Lieblingsspiel?
Levit: Fußball. Und Billard.
SPIEGEL: Welcher ferne Rückzugsort
liegt am nächsten?
Levit: Neapel.
SPIEGEL: Zwei hartnäckige Gerüchte
über Sie, die nicht wahr sind?
Levit: Oh, es gibt zu viele. Muss nach-
denken.
SPIEGEL: Glauben Sie an ein Leben
nach dem Tod?
Levit: Nein.
SPIEGEL: Was soll auf Ihrem Grab-
stein stehen?
Levit: Er war Mensch.

Interview: Max Dax

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»Deutschland hat ein grundsätzliches
Menschenverachtungsproblem.«
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