Ein junger Fulani wurde in Bare von der Miliz und dem Pfarrer festgenommen. Die Dorfbewohner haben ihn
verprügelt und an Händen und Füßen gefesselt
Soeben, kurz nach dem Öffnen einer neuen Flasche, bekam
Father Moses einen Anruf mit der Nachricht, dass die Straße
wieder zu sei. »Ich muss los. Es gibt sonst ein Blutbad«, sagt
er und eilt nach draußen zu seinem Jeep.
Wir, die Reporter, haben die Seiten gewechselt. Ein heikles
Manöver. In der Talebene haben wir die Herde von Gagau
verlassen. Aus Sicherheitsgründen haben wir ihn über unsere
Pläne nicht informiert. Wir wechselten die Übersetzer, es
sind jetzt Christen. An der Seite von muslimischen Über-
setzern würde uns Bare feindlich begegnen, wird uns gesagt.
Aus Sicherheitsgründen verschweigen wir auch, dass wir
kurz zuvor unter dem Schutz der Fulani standen.
Bare ist ein Dorf aus Lehm und Gras, Heimat des Bwazza-
Volkes, eines der kleineren Stämme Nigerias, von 6000 An-
gehörigen leben 2000 in Bare. Aber so genau weiß es nie-
mand. Das Dorf ist auf einer Anhöhe über dem Fluss Hawal
gebaut. Rundhütten aus Lehm, mit Dächern aus Gras. Eng
an eng stehen sie in kleinen Gruppen. Es gibt in Bare nur
einen Weg, der breit genug ist, dass er von Autos befahren
werden kann. Jede Hüttengruppe markiert das Anwesen
einer Großfamilie. Obwohl die meisten hier Christen sind,
herrscht Polygamie, viele Männer haben drei Frauen. Jede
Ehefrau bewohnt mit ihren Kindern eine eigene Hütte. Die
Familiensitze sind durch Wände aus geflochtenen Grasmat-
ten von ein an der getrennt. Eine Art Stadtmauer aus Gras-
matten schirmt Bare nach außen ab.
Als der Hügel über dem Fluss für die wachsende Bevölke-
rung vor ein paar Jahren keinen Platz mehr bot, gründeten
die Bewohner auf dem Nachbarhügel in einem Kilometer
Entfernung eine Kolonie. Das neue Dorf nannten sie Daso,
so wie der Name des Grases. Sie bauten es in die Nähe der
Mission und der Schule, die die katholische Kirche mit
Spenden aus dem Ausland errichtet hat. Daso schien die
Zukunft zu sein: die Felder furchtbarer, die Häuser grö-
ßer, aus Backstein und Zement. Vor wenigen Jahren legte
die Regierung eine Stromleitung hierher. Nach mehreren
Angriffen der Fulani 2018 und 2019 ist Daso jedoch heute
fast vollständig zerstört. Aus Angst geht niemand mehr auf
die Felder. Die Bewohner sind zurück nach Bare geflohen.
Nur Father Moses in seinem Pfarrhaus ist geblieben.
Der Priester kehrt zurück aus der Dunkelheit, verdreckt sind
sein Shirt und seine Jeans. Er läuft unruhig im Esszimmer
auf und ab, erzählt aufgeregt, dass er mit seinem Wagen aus
dem Dorf gefahren sei, bis Rinder die Straße blockierten.
Als er eintraf, hätten Mitglieder der Dorfmiliz bereits begon-
nen, die Kühe mit Giftpfeilen zu beschießen. Die meisten
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