Die Zeit - 12.03.2020

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Ich kann mich eigentlich an keinen anderen Traum er

innern

als an den, Fußballprofi zu werden. Seit ich denken kann, will ich ganz oben mitspielen. Ich habe geträumt von großen Stadien und Zigtausenden Leuten, vor denen ich spiele. Ein einziges Mal ist das in meiner Karriere bisher in Erfüllung gegangen: 2012, als ich beim SC Freiburg zweiter Torwart war, stand ich in Dortmund gegen den BVB im Tor. Wir haben verloren.Ich habe immer wieder Rückschläge erlebt, nach denen ich meine Träume anpassen musste. Wie 2015, als ich von Frei-burg nach Chemnitz gewechselt bin, aus der ersten in die dritte Liga, um Spielpraxis zu erhalten. Dann saß ich dort aber nur auf der Bank. Ich musste Beharrlichkeit lernen und an mir arbeiten, physisch wie psychisch. Ich wusste schon sehr früh, dass ich alles tun möchte, um Fußballprofi zu werden. Mit 16 bin ich von zu Hause aus-gezogen, um näher bei meinem Verein zu sein. Natürlich war das schwierig, ich musste meine Wäsche waschen, einkaufen und putzen. Es hat mich aber auch Selbstdisziplin gelehrt. Ich musste Ordnung halten, sonst hätte es niemand getan. Mir fiel es dann gar nicht schwer, allein zu leben. Für meine Mutter war das anders. Sie hat mich jeden Tag angerufen, wollte wissen, ob es mir gut geht. In dem Alter macht man sich noch keine Gedanken, was in der Familie los

ist, aber für meine Mutter war das eine harte Zeit. Sie musste ihr Kind loslassen.Vor einigen Wochen, nachdem wir mit Saarbrücken das Viertel

finale des DFB-Pokals erreicht hatten, habe ich tatsäch-

lich geträumt, dass wir auch ins Halbfinale einziehen. In dem Traum war ich an dem Sieg nicht beteiligt, ich war eher Zu-schauer. Aber als ich dann aufwachte, wurde mir klar, dass ich ja Teil dieser Mannschaft bin – und dass wir wirklich die Chance hatten, ins Halbfinale zu kommen. Natürlich habe ich niemandem von dem Traum erzählt. Als er dann Wirklich-keit wurde, und dann auch noch durch ein Elfmeterschießen, konnte ich es kaum glauben. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich zu so einer Leistung fähig wäre. So schöne Momente erlebt man eigentlich nur im Traum. Für mich wurde es wahr.Ich habe für meinen Traum auch einiges opfern müssen, vor allem in meiner Jugend. Ich konnte nicht jedes Wochenende Party machen, habe Geburtstage von Familienangehörigen verpasst, musste meinen Körper pflegen und auf Alkohol ver-zichten. Aber ich wusste immer, wofür ich das tue. Ich habe meine Passion zum Beruf gemacht. Ich verdiene selbst in der Regionalliga mehr als die meisten anderen Menschen, da bin ich schon sehr privilegiert. Für unsere Gesellschaft wünsche ich mir mehr Zusammen-halt und weniger Ge

gen

ein

an

der. Es gibt so viel Populismus

gegen Andersdenkende und Andersgläubige, da wünsche ich mir, dass wir aus der Geschichte lernen würden. Wir leben im 21. Jahrhundert, da sollte man doch andere Menschen so res-pektieren, wie sie sind. Ich sehe mich nicht als Prominenten, deshalb glaube ich, dass es für mich schwierig ist, als Einzelner auf die öffentliche Stimmung einzuwirken. Ich versuche aber, wenigstens im Bekanntenkreis meine Werte zu vertreten. Den Rest können andere Leute sicher besser als ich.

»Ich habe geträumt von Zigtausenden Leuten, vor denen ich spiele«


Daniel Batz, 29, geboren in Erlangen, ist Torwart Foto Lukas RatiusAufgezeichnet von Robert HofmannZu hören unter http://www.zeit.de/audio
beim 1. FC Saarbrücken. Im Viertelfinale des
DFB-Pokals hielt Batz in der vergangenen Woche gegen den Erstligisten Fortuna Düsseldorf
fünf Elfmeter. Als erster Viertligist überhaupt zog
sein Verein in das Pokal-Halbfinale ein
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