Die Zeit - 12.03.2020

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  1. MÄRZ 2020 DIE ZEIT No 12 WIRTSCHAFT 31


2 FRAGEN ZUR WOCHE


Der Ölschock:


Wen will Putin mit dem


Preisverfall treffen?


Solarenergie:


Warum blockiert die


Union den Ausbau?


D


as ist schon eine Leistung: Wladi-
mir Putin, der russische Staatschef,
hat praktisch über Nacht die Opec
überflüssig gemacht. Das Kartell
der Erdölproduzenten war 1960 in
Bagdad gegründet worden und galt nach dem Öl-
embargo von 1973 als eine der mächtigsten Insti-
tutionen der Welt: Wenn die Opec den Ölhahn
zudrehte, stürzten Industrienationen in eine
schwere Rezession. In den meisten Zeiten aller-
dings hat das Kartell für mehr oder weniger stabile
Preise gesorgt.
Der Ölproduzent Russland ist kein Mitglied
der Opec, hielt sich aber weitgehend an deren Ab-
sprachen. Man ging eine Art Zweckbündnis ein,
und in Branchenkreisen nannte man das Opec
plus. Bis sich die russischen Ölgesellschaften
vergangene Woche weigerten, einer gemeinsamen
Drosselung der Förderquoten zuzustimmen. Die
Erdölproduzenten wollten damit den Einbruch


E


s ist schon erstaunlich: Da verkündet
die Bundesregierung mit schöner Re-
gelmäßigkeit, dass sie etwas gegen die
Klimakrise und für die Umwelt tun
will. Sie will deswegen aus der Kohle
aussteigen, irgendwann auch aus dem Gas und aus
der Atomkraft sowieso.
Studie um Studie belegt, dass das funktionie-
ren kann, wenn es gut geplant wird. Wenn die
Wind- und die Solarenergie massiv und konti-
nuierlich ausgebaut werden. Wenn die großen In-
vestoren, die in solche Projekte viel Geld anlegen,
Planungssicherheit bekommen. Und wenn Haus-
besitzer wissen, dass sich eine Solaranlage auf
ihrem Dach lohnt oder jedenfalls keine großen
Verluste bringt.
In Wirklichkeit aber passiert das genaue Gegen-
teil. Seit Monaten blockieren die Wirtschaftspoli-


tiker der CDU/CSU-Fraktion den Ausbau der er-
neuerbaren Energien, streiten sich mal mit der SPD,
mal mit ihrem eigenen Wirtschaftsminister und
bieten damit ein Lehrstück darüber, wie Politik
besser nicht laufen sollte.
Die Posse begann in einer Nacht im vergangenen
September. Damals einigten sich die Koalitions-
spitzen auf ein Klimapaket. Darin wurde festgelegt,
dass Windräder künftig mindestens 1000 Meter
Abstand zur nächsten Siedlung haben sollten. So
sollte die Akzeptanz für die Windenergie steigen.
Nun kann man diese Regel eng oder weit aus-
legen – je nachdem, wie man eine Siedlung defi-
niert. Wirtschaftsminister Peter Altmaier schrieb


um »den Ölpreis« auszudrücken – zeitweise um ein
Drittel. Noch vergangene Woche hatte Brent bei 50
Dollar pro Barrel notiert. Am Dienstag, selbst nach
einer leichten Erholung, waren es noch um die 37
Dollar. Eine solch heftige Preisbewegung gab es zuletzt
beim Ausbruch des ersten Golfkriegs 1991.
Wladimir Putins Kurswechsel zielt aber in erster
Linie gar nicht auf Saudi-Arabien, sondern auf die
USA. In Amerika hat die umstrittene Förder-
methode Fracking einen nie da gewesenen Ölboom
ausgelöst. Im Jahr 2007 noch wurden in den USA
etwa fünf Millionen Barrel täglich gefördert, aber
dank der neuen Methoden, bei denen man Öl aus
Ölschiefer gewinnt, sind es nun 13 Millionen Bar-
rel täglich. Damit sind die USA der größte Erdöl-
produzent der Welt, noch vor Russland und Saudi-
Arabien.
US-Präsident Donald Trump hat der neue Ener-
giereichtum Spielräume für seine Außenpolitik er-
öffnet. Er konnte zum Beispiel das Nuklearabkom-

men mit dem Iran kündigen und neue Sanktionen
verhängen. Anders als seine Vorgänger musste
Trump einen Anstieg des Ölpreises und negative
Folgen für die Wirtschaft der USA nicht fürchten.
Auch gegen Venezuela konnte Trump ein Export-
embargo verhängen, um die Regierung von Nicolás
Maduro zum Aufgeben zu zwingen. Und Washing-
tons Maßnahmen treffen auch die Operationen
von Rosneft, einem der größten Ölkonzerne Russ-
lands, in dem südamerikanischen Land.
Was Putin zuletzt aber besonders erbost hatte,
waren US-Sanktionen gegen die nahezu fertigge-
stellte Erdgaspipeline Nord Stream 2. Sie soll mehr
russisches Erdgas nach Deutschland bringen.
Putin kalkuliert nun offenbar: Ein anhaltend nied-
riger Ölpreis wird viele der US-Frackingunternehmen
in die Pleite treiben. Tatsächlich sind viele der Förder-
firmen hoch verschuldet. Das war einer der Gründe
für den Einbruch der Kurse am Montag, als die Börse
den schlechtesten Tag seit der Finanzkrise erlebte.

Den Versuch, die US-Schieferölproduzenten
durch einen Preiskrieg auszuhebeln und sich verlo-
rene Marktanteile zurückzuholen, hatten die Saudis
auch schon einmal unternommen, im Jahr 2014.
Damals ließen sie ebenfalls eine Ölschwemme zu.
Und zunächst schien die Strategie aufzugehen:
Reihenweise gingen die meist kleineren und unab-
hängigen Produzenten in Texas, Colorado und
North Dakota bankrott.
Doch die Überlebenden schafften es, ihre Kos-
ten drastisch zu senken. 2014 lagen diese für die
Fracker noch bei 70 Dollar pro Barrel, jetzt rei-
chen je nach Lage manchen Unternehmen 25
Dollar pro Barrel.
Und noch etwas hat sich seit dem Ölpreiseinbruch
vor fünf Jahren geändert: Die großen Konzerne wie
Exxon und Chevron, die Fracking lange als Nische für
Glücksritter abtaten, haben inzwischen Milliarden
investiert. Sie können einen Preiskrieg sehr lange
durchhalten. HEIKE BUCHTER

einen Gesetzentwurf, der den Plan so eng aus-
legte, dass sich die Fläche für Windräder in
Deutschland halbiert hätte. Die Folge: Mit die-
sem Gesetz hätte es künftig nicht mehr, sondern
weniger Windenergie gegeben.
Dass wiederum wollte die SPD nicht mit-
machen, also verlangte sie eine veränderte Version
des Gesetzes. Daraufhin ärgerte sich die Unions-
fraktion und suchte nach einem Mittel, um die
Sozialdemokraten und deren Umweltministerin
Svenja Schulze zu piesacken.
Fündig wurde sie bei der Solarenergie. Auch
deren Ausbau würde Schulze gern forcieren, auch
den hat die Regierung eigentlich beschlossen. Nur
scheitert er derzeit am sogenannten Ausbaudeckel.
Diesen hatte Peter Altmaier erfunden, als er noch
Umweltminister war. Damals wollte er verhin-
dern, dass die Kosten für die Förderung der Solar-
branche explodieren. Deshalb sollte sie nicht mehr
über das Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert
werden, sobald die Gesamtkapazität der instal-
lierten Anlagen eine Energiemenge von 52 Giga-
watt erreicht hat.
An diesem Punkt ist die Branche nun fast an-
gelangt. Ende Januar betrug die installierte Foto-
voltaik-Kapazität in Deutschland 49,6 Gigawatt.
Wird die nach Altmaiers Deckel vorgesehene
Grenze nicht erweitert, gibt es für neue Solar-
projekte bald keine Unterstützung mehr, und sie
werden nicht gebaut. Doch die Union will die
bald ausgeschöpfte 52-Gigawatt-Schwelle nur
aufheben, wenn dafür ihre 1000-Meter-Regel
kommt. Unklar ist, wie die Bundesregierung in
diesem Fall dafür sorgen will, dass bis zum Jahr
2030 mindestens 65 Prozent des Stroms in
Deutschland aus erneuerbaren Quellen kommen.
Dieses Ziel hat sie auf ihrem Klimagipfel im
September beschlossen.
In der vergangenen Woche schien Wirt-
schaftsminister Altmaier für einen Moment die
Lösung gefunden zu haben: Er schlug vor, den
vorgesehenen Abstand von 1000 Metern für
Windräder zwar noch ins Gesetz zu schreiben,
aber mit einer Option für die Länder, einen
anderen Radius zu wählen. Die SPD fand das
gut, doch wieder blockierte die Union. Die
Wortführer in der Fraktion hoffen, auf diese
Weise in ihren meist ländlichen Wahlkreisen
bei denjenigen Stimmen zurückzugewinnen,
denen die Energiewende längst zu weit geht.
Für Peter Altmaier ist das peinlich, denn er
steht da wie ein Minister ohne Macht.
Eine Chance, doch noch eine Lösung zu
finden, gibt es an diesem Donnerstag. Da hat
Angela Merkel die Ministerpräsidenten der Län-
der eingeladen, um das Thema abzuräumen.
Dann wird sich zeigen, wie viel Macht sie noch in
ihrer Fraktion hat. Merkel, so weiß man immer-
hin, blamiert sich nicht gern. PETRA PINZLER

der Nachfrage in China auffangen und einen
weiteren Preisverfall verhindern. China ist in-
zwischen der größte Importeur von Rohöl und
der wichtigste Kunde der Saudis, und deshalb
war die Drosselung der Produktion vor allem
ein Anliegen von Saudi-Arabiens Kronprinz
Mohammed bin Salman. Der führt die Opec
de facto an.
Auf das Njet aus Moskau reagierte der Kron-
prinz seinerseits mit einer Eskalation. Nun er-
klärte er einen offenen Preiskrieg. Das heißt:
Das Königreich wird pumpen, was das Zeug
hält – auch wenn der Ölpreis dadurch immer
weiter sinkt.
Dieser Konflikt zwischen den beiden Ölmäch-
ten wird langfristige geopolitische und weltwirt-
schaftliche Auswirkungen haben. Kurzfristig ließ
er erst einmal den Ölpreis abstürzen. Allein am
Montag fiel der Preis für ein Barrel Brent-Nord-
seeöl – die geläufigste Sorte, die man auswählt,

Wladimir Putin (links) und Mohammed bin Salman

Foto (Ausschnitt): AFP/Getty Images

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