Frankfurter Allgemeine Zeitung - 06.03.2020

(sharon) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Medien FREITAG,6.MÄRZ 2020·NR.56·SEITE 15


I


nder italienischen Realität klafft in
diesenTagen eineLücke.Ist man in
Mailand oder in anderenOrten in
Norditalie nunter wegs, trifft man
kaum auf Menschen, die eineAtemschutz-
masketragen. In denitalienis chen Zeitun-
genhingegen,indenen die Ausbreitung
desCorona virusdas bestimmende Thema
ist, sindauf Bildernfastnur Menschenmit
Atemmaskenzusehen. Gestellt sind dieFo-
tosnicht, wahrscheinlichwarten dieFoto-
journalis tengeduldig, bisihnen jemand
mit Maskevor dieKamera läuft.
Denn wieließe sichdie unsichtbare Ge-
fahr sonst bebildern? Auchdie unheimli-
cheLeere markanterOrteund Plätze,an
denen bisvorkurzen nochdas Leben bro-
delte, erzähltvonCovid-19.Undsosieht
man i nden ZeitungenvorallemFotos vom
ausgestorbendaliegenden Mailänder Dom-
platz ,über denein Mann oder eineFrau
mit Atemmaskeläuft ;man siehtMenschen
mit Maskeinder normalerweise überfüll-
tenGalleria Vittorio Emanuele odereinen
einsamenFahrgastmit Mundschutz in der

Metro.Es isteineBilderparadederTraurig-
keit, die jedemHollywood-Katastrophen-
film gutstehen würde–und zwar angenau
der Stelle, an dergezeigtwerden soll,dass
die Katastrophenur wenigeÜberlebende
übrig gelassen hat.
In Italien blicken die Menschenseitfast
zwei Wochen au fsolche Bilder,wenn sie
morgens dieZeitungaufschlagen. Da wun-
derteswenig,wie begeistert viele aufjenes
vonKapitän GennaroArmareagiertha-
ben,das in dieserWoche allegroßenBlät-
terdes Landes abgedruckt haben.
GennaroArmaist deritalienische Kapi-
tänder „Diamond Princess“,dem Kreuz-
fahrtschiff, aufdem das Coronavirusfestge-
stellt worden war. Das Schiffmit seinen
3700Passagieren wurde un terQuarantäne
gestellt und lagzweiWoche nlang vorder
japanischenKüste. Mehrals 700Passagiere
stecktensich mitdem Virus an, sechs Men-
sche nstarben.Anfang derWochedurfte
das Schiff endlichanlegen,alle Passagiere
und die Crew durftenvon Bordgehen. An-
dersals Francesco Schettino, derKapitän
der „Costa Concordia“, der bei der Havarie
des SchiffesimJanuar 2012anLand ging,
bevoralle Passagieregeret tetwaren ,ver-
ließKapitänArmadasSchiffalsLetzter.So
wie es sich für einenKapitängehört.
Das Foto,das jetztfür Furore sorgt, zeigt
ihn in diesemAugenblickt: Mitder geraden
KörperhaltungeinesMannes, derseineKa-
pitänsuniformmit Würdeund Verantwor-
tungsbewusstsein zu füllenweiß und doch
lässig, als hätte er gerade aus einemFünf-
Sterne-Hotel ausgecheckt,gehterüber den
Kai;dieeineHand hält MantelundRollkof-
fer, die andereseineKapitänsmütze.Mund
und Nase sindvoneiner Schutzmaskebe-
deckt. Der Grund,warumkeinePanik auf
dem Schiffausgebrochenwar, sei dieFüh-
rungsqualität desKapitänsgewesen, sag-
teneinigePassagiereinIntervi ews. Kapi-
tän Armaversorgt esie überDurchsagen
mit aktuellen Informationen, lockertedie
Stimmungmit kleinenÜberraschungsprä-
senten auf und machteihnenMut:„Wenn

wir alsFamilie zusammenstehen, bin ichzu-
versichtlich, dasswir dieseReise gemein-
sam erfolgreich zu Endebringen werden.
DieWelt schautauf uns. Das istein weite-
rerGrund fü runs alle, unsereStärke zu zei-
gen“,lautete ein eseiner Durchsagen.
Wegender hohen Ansteckungsgefahr
hatten diePassagierewochenlang aushar-
renmüssen, an Deckdurften si egar nic ht
odernur sehrkurz,und genaudatut sich
die Parallele zu vielen Italienernauf,die
Kapitän ArmajetztalsHeldenfeiern.Es er-
klärt,warumdas Foto ikonographischen
Charakter bekommen hat. Italien, aufdas
zumindest ein Teil de rWeltnun ebenfalls
schaut, wie zuletztauf die „Diamond
Princess“, zählt mittlerweile 2706 mitdem
Coronavirus Infizierte, 295 Erkrankte be-
finden sich in Int ensivtherapie, 1065Men-
schen sind inverord neter häuslicher Qua-
rantäne und dürfen nichtvordie Tür. Die
BehördeninNorditalienraten auchjenen,
diesichbishernicht angesteckthaben, ihre
sozialenKontakt eauf ein Minimum zure-
duzieren und ihrZuha use nicht zuverlas-
sen. DieMenschen wissenalso, wieesist,
wenn die Angst ins Leben einzieht undder
persönliche sozialeund geographischeBe-
wegungsradius auf Stecknadelkopfgröße
schrumpft.In ihrer Isolationwürden sichei-
nigesicherlichvon Zeit zu Zeit ein eDurch-
sageinKapitänsformatwünschen.
Kontakt zur Außenwelt halten diemeis-
tennun über dasInternetund überdie so-
zialenMedien. DiegroßenUnternehmen
in Norditalien haben fastalle auf „Smart-
Working“ umgestellt.Das bedeutet,dass in
denFirmensitzen nur eineMinimalbeset-
zung tätig ist,während alle übrigen Mitar-
beitervonzuHause ausvorihren Laptops
arbeiten. Da die Schulen undUniversi täten
nochbis zu m15.Mä rzgeschlo ssen bleiben,
wirdmitneuen Lehr-und Lernformatenex-
perimentiert. Sie gehen weit darüber hin-
aus, Hausaufgabenper E-Mailandie Schü-
ler zuverschicken. Manche Schulen und
Universitäten haben denUnterricht durch
Videokonferenzen ersetzt,halten digitale

Kl assen ab oder haben im Internetvirtuel-
le Räumeeingerichtet,in denen den Schü-
lernLernmaterial bereitgestellt wird.
Auch dasInternet-Nachbarschaftskon-
zept„Socialstre et“trägt dazu bei, dass der
Stillstand und die Leere,die man auf vielen
Fotos sehen kann, nur scheinbarherr-
schen.Das Konzep tgeht auf das Experi-
ment einer Facebook-Gruppe namens „Re-
sidenti in ViaFondazza“–„Einwohner in
Via Fondazza“ zurück,die sic himJahr
2013 in Bolognazum Zielgemacht hatte,
dass sichdie Nachbarneines Viertels virtu-
ell begegnen, kennenlernen, berufli che
Kenntni sseaustauschen und dannimrea-
len LebengemeinsameProjekte umsetzen.
„Socialstreets“gibt es mittlerweil eauf
der ganzenWelt.InN orditalien,vorallem
aber in Mailand,werden gerade zahlreiche
neueins Lebengerufen. Einen besseren
Zeitpunkt als diesen, da viele Menschen
aufHilfeangewiesensind,kann esnichtge-
ben, um dasPotentialdes Konzepts auszu-
schöpfen.Da istetwadie „Socialstre et“,
die in Mailanddie Be wohnerdes Viertels
rund um die ViaPaoloSarpi vereint.Ihre
Gruppengrößeist sprunghaft auf
Mitgliederangewachsen, ihr Anliegenbe-
steht vorallem darin, für isolierteNach-
barndazusein. EineNutzerin namensVa-
leria bietetbeispielsweise an, abends den
HundeinesälterenMitmenschenauszufüh-
ren, damit dieser nicht selbstdas Hausver-
lassenmuss–statistischgesehen, sindMen-
schen, die älter als 65 Jahre sind,besonders
gefährdet, an Covid-19 zusterben. „Natür-
lichwerde ichbei de rÜbergabe des Hun-
des darauf achten, den fürdie Gesundheit
allernotwendigenSiche rheitsabstand ein-
halten“,schreibt sie. Ein Gruppenmitglied
namens Niccolòkönnte dagegenfrühmor-
gens fü randereEinkäufeerledigen. Aus
dem Hausgehe er täglich. Um nichtvon
der Lastdes „SmartWorkings“ erdrückt zu
werden, habe er sichangewöhnt, jedenTag
mit einem Spaziergang durchdie leere
Stadtzubeginnen. Den will er nun nutzen,
um ganz real fü randere da zu sein.

Der Kapitän geht vonBord


GennaroArmaverlässtdie DiamondPrincess als Letzter,wie es sichgehört. FotoPrincessCruises

Wersich klarmachen will,inwelche Selbst-
wide rsprüchedie Klimakrise unsereKultur
desKonsums undder öf fentlichzelebrier-
ten, auch wohlmeinenden „Self Care“
stürzt, kann es in einemneuen Magazin
vonGruner+Jahrnachlesen. „Be Green“
heißt derjüngst eAblegerder „Brigitte“,
unddas minimalistischgeschminkteCover-
girl, dasverträumt miteinemWald-und-
Wiesen-Krautspielt, zeigtgleich, welche
Zielg ruppe demHeftvor Augensteht: die
vonFridays forFutur ebewegten Frauen
derGenerationY,ind eren Instagram-Feed
sichBilde rzuHashtags wie #nachhaltig-
keit oder #savetheplanetfinden, undalle,
die mit ih renZielen sympathisieren.
Über das Persönliche sucht das Heft
den Wegins Allgemeine. Das Model auf
dem Titelbild istdie dreißig JahrealteAk-
tivistin,Podcasterin,Autorin, Bloggerin,
Instagramerin, Greenfluencerinund „fore-
mosthuman“ Daria Daria ausWien. Sie
befas st sichmit Achtsamkeit und Mode
und hat auf ihrerWebsiteein langesVer-
zeichnisvonLinkszuökologischen Labels
und Webshops zum Draufklickenplaziert.
Nursonämlichlässt sichdem Lifestyle

der Influencer nacheifernund doch das
schlechte Gewissen beruhigen: Nicht
durch Konsumverzicht –nachdem Motto:
Der für den Planeten beste Pulloverist
der,den ic hnicht kaufe–,sonderndurch
den Kauf dessen,wasals nachhaltig, fair,

veganund ök olegitimierterscheint.Wer
das erwirbt, entgeht der eigenen Scham
und des „shamings“ durch andere, obwohl
er Ressourcen für prinzipiellÜberflüssi-
geswie Trendklamotten und Lippenpee-
lings aufzehrt.Sokann esweitergehen,
das endlose Erwerben um desZeigens
und der Selbstvergewisserung willen.
„MachtVerzicht glücklich?“ fragt„Be
Green“ in nurvermeintlichparado xer
Weise und antwortetsogleich: „Ja. Denn
weniger istmehr.“ Warumman dann
nicht einfachauf dieses Magazinverzich-
tensollte, mag man da denken. Erste Ant-
wort:Weil man dann die Anzeigen nicht
sehenkönnte, die neben der Modestrecke
und den Hautpflegetipps die Hoffnung
nähren, dasswir unseren Planetenheil-
kaufen können–und uns selbstgleich
mit.ZweiteAntwort: Weil „Be Green“
nicht zur Askese aufrufen will, sondern
Vorschlägemachen, wie wir klimafreund-
licher undwenigerweltschädigender le-
ben können, ohnegleichSelbstversorger
zu werden oder auf die Selbstauslöschung
der Menschheit zu hoffen. Kurzum, es
geht nicht umsVerzichten–die Titelge-

schichtehandeltvomUmstiegvomAuto
auf die Bahn. Esgeht um anderenKon-
sum.Hier wirdausprobiert, wieKapitalis-
mus „Teil der Lösung“ seinkönntestatt
ein Umweltproblem.
„Be Green“veranstalt et dazu denselben
unterhaltsamen Quatsch wie Frauenzeit-
schriftenseithunde rt Jahren undverziert
ihn mit Gendersternchen: Das Heftteilt
Blaupausendafür aus, wiegestyltfrauheu-
te angeblicheine guteFigur macht, ihre
Beziehungen am Laufen hält, ihr Heimge-
staltet und sichund ihreLieben bekocht.
Angesagt sindjetzt ebenFake-Fleisch-Bur-
ger, Öko-Outdoor-Urlaub in Montenegro,
die angeblichperfekt für Demosgeeignete
Patchwork-Jackefür 350 Euround Tipps
zum Umgang mit auf denUmweltschutz
weniger eingeschworenePartner und Kin-
der.Die Reporta ge vomDemeter-Hofver-
weistauf die Hautcreme, in der Öl aus den
Sonnenblumenkernen des Betriebssteckt.
Es gibt es einen GastbeitragvonLuisa
Neubauer (die aucheine Kolumneim
„Stern“hat) und eineKolumnevonMarga-
rete St okowski (die im „Spiegel“ schreibt).
IngewisserWeiseist „Be Green“ eine„Bri-

gitte“ im Walla-Walla-Hanfgewand, die
zweimal im Jahr erscheinen soll und 5,
Eurokostet. Das Redaktionsteam um Alex-
andraZykunovund DanielaStohn habe
ein „cooles, kluges, nachhaltiges Magazin“
machenwollen, das „inspiriertumzuden-
ken“, schreibendie Chefinnen im Editori-
al. Teilweise istihnen dasgelungen:Auf
angenehme Artvermeidet„Be Green“ je-
den Fanatismus.Naturschutz isthier keine
Ersatzreligion, das Heftkeine Postille mit
Predigten für Jüngerinnen, sondernfür
Frauen, die sichentspannen und inspirie-
renlassenwollen –und sic hüber ein paar
Informationen freuen.
In derRubrik „Ökoduell“werden Pro-
dukteauf ihreUmweltbilanz hinvergli-
chen; dasUpcyclingvonPET-Flaschen zu
Textilien wirdeiner kritischen Prüfung un-
terzogen; der „Trennungsguide“ gibt
Tipps für die Müllentsorgung.„Tierees-
sen“-AutorJonathanFranzen gibt im Ge-
spräc hzu, dassermanchmal Fleischaus
Massentierhaltung isst.Erkennt wohl
nochnicht die Jackfrucht-Quesadillas mit
Bohnen, Mais undKokosjoghurtaus dem
Rezeptteil. URSULASCHEER

Trumpverklagt Zeitungen
Das Wahlkampfteam des amerikani-
schen Präsidenten DonaldTrumphat
nachder „N ew York Time s“ au ch die
„WashingtonPost“verklagt.Die Zei-
tunghabewissentlich„falscheundver-
leumderische Aussagen“veröf fent-
licht ,heißtesind er bei einemGericht
in Washingtoneingereichten Klage.
Sie bezieht sichauf zwei im Juni 2019
inde r„WashingtonPost“veröf fentlich-
te Meinungsbeiträge, in denen es um
die angeblicheZusammenarbeitzwi-
sche nTrumpsWahlkampfteamund
RusslandimPräsidentschaftswahl-
kampf2016sowie um die Möglichkeit
vonAbsprachen vorder Wahl 2020
ging.Die KlageschriftnimmtBezug
auf die Ergebnisse einerUntersuchung
desFBI-SonderermittlersRobertMuel-
ler, der keine Beweise füreine Geheim-
absprachevor derWahl 201 6fand.
Der „Washington Post“werfen
Trumps Anwälteein „systematisches
Muster der Voreingenommenheit“vor,
dasdem RufvonTrumpsTeamscha-
denund dieOrganisation zum Schei-
ternbringensolle.„Die ,Post‘ hatteein-
deuti gein böswilliges Motiv, hat aber
vorallem mitrücksi chtsloser Missach-
tung derWahrheitgehandelt“, heißt
es.Die „Washington Post“will sic hge-
gendie Vorwürfe verteidigen. „Es ist
enttäuschendzusehen, dass dasWahl-
kampfkomitee desPräsidenten auf die-
se Ar tvon Taktik zurückgreift“, sagte
Kris Coratti, Sprecherinder „Washing-
tonPost“. DieKlageschriftähnelt je-
nergegen die„NewYorkTimes“, die
zuvoreingereichtwurde. F.A.Z.

RTLbleibt daheim
Angesichts derAusbreitungdes Coro-
navirusverzicht et RTLauf eineVor-
Ort-Berichterstattung vomFor-
mel-1-SaisonauftaktinAustralien am


  1. März. Dies giltauchfür den zwei-
    tenGrand Prix in Bahrein eineWoche
    später.RTL hattezuvor schon mitge-
    teilt, dassman die Live-Übertragung
    des drittenFormel-1-Rennens inViet-
    nam komplettvon Köln aus begleiten
    werde. DerAbosender Sky plant aktu-
    ell keine Änderungen. F.A.Z.


Startetder Song Contest?
Die Vorbereitungendes Eurovision
Song Contest(ESC) laufen trotzAus-
breitung des Coronavirusweiter .Na-
türlic hwerde die LageamAustra-
gungsort, in den Niederlanden, und in
ganz Europaständig beobachtet,teil-
te die EuropäischeRundfunkunion
als Veranstaltermit.Eswürdenver-
schiedene Szenarien in Erwägung ge-
zogen, aber es sei zu frühzuentschei-
den. DerWettbewerb soll am 16. Mai
in Rotterdamstattfinden. Dazureisen
Tausende Besucheran. F.A.Z.

HilfefürReporter
Mit seinemneuen „Rapid-Response-
Mechanismus“wollen das Europäi-
sche Zentrum für Presse und Medien-
freiheit (ECPMF) und dessenPartner-
organisationenbedrohten Journalis-
teninEuropa schnell Hilfeleisten.
Dies gabdas 2015 alsgemeinnützigan-
erkannteZentruminLeipzigbekannt.
Durch die Plattform„mappingmedia-
freedom.org“könne schneller aufVer-
stöße gegendie Pressefreiheitreagiert
werden. Das Institutfür Angewandte
Informatik derUniversitätLeipzigar-
beitehierfür an einer Darstellung, die
aufKünstli cher Intelligenz undTexter-
kennung basiereund Verletzungen der
Pressefreiheitautomatischerfasse. Zu-
dem könnenVerstöße über ein On-
line-Formulargemeldetwerden. Jour-
nalistenstehe man mit Beratung und
Unterstützung rechtlicher Maßnah-
men zur Seite. „Es isthöchs te Zeit,
den SchutzvonJournalistinnen und
Journalistenund die Prävention aufeu-
ropäischerEbene zustärken“, sagte
Lutz Kinkel, Geschäftsführer des
ECPMF.DasProjektwirdmit1,4Mil-
lionen Eurovon derEuropäischen
Kommissiongefördert. akur.

DasCoronaviru sbringt


den Alltag in Italien zum


Erliegen. In derNotaber


zeigenMenschen,wie


„sozial“ das Internet


wirkenkann.Und am


Bild vonGennaro Arma


richtensichdie


Italienerauf.


VonKaren Krüger,


Mailand


Alles so schön grün hier!


Mit dem Magazin „Be Green“ legt Gruner+Jahr eine „Brigitte“ für die Generation Gretaauf und plädiertfür Konsum ohne Scham


Ein Cover, eine Frage FotoGruner+Jahr

KurzeMeldungen


David Bowie,Jerry LeeLewis, Jim my
Page,Elvis Presley. Sie haben nochet-
wasgemeinsam, abgesehendavon, ge-
niale Musikerzusein:Sie hatten alle
Sexmit vierzehnjährigenMädchen.
Nurlangsam beginnt die Öffentlich-
keit,sichmit dem Phänomenzube-
schäftigen. Vielen fällt es schwer ,ein-
zuschätzen,wasMissbrauchist und
wasnicht .DassFrauenerst alsEr wach-
senedarüber sprechen, mache sie un-
glaubwürdig.Ein Verständnis dafür,
dass missbrauchte Kinderdie Tataus
Selbstschutz verdrängen undvonden
Tätern manipuliertwerden,fehlt.Mit
dem autobiographischen Film „The
Tale“ der amerikanischenRegisseurin
Jennifer Fox zeigt Arte ein Lehrstück
darüber,welch schwieriger Prozesses
seinkann, Kindesmissbrau ch als sol-
chen zu erkennen, auch wenn man
selbs tbetroffen ist.
Die Regisseurinverfilm tihreeigene
Geschichte. Buchstäblich: „Basierend
auf ,TheTale‘, geschriebenvonJenny
Fox, 13 Jahre“,heißt es imAbspann.
„The Tale“, das isteine Kurzgeschich-
te,die Foxals Schülerin über ihre
„Sommerromanze“ auf demReiterhof
schrieb. Als sie dasSchriftstück34Jah-
re späterfindet, beginnt sie zuverste-
hen, dassdie „Liebesbeziehung“nicht
auf Augenhöhestattfand:Lauftrainer
und Reitlehrerin hattensie als Drei-
zehnjährige (gespieltvon IsabelleNé-
lisse) systematischmissbraucht. 2018
verfilmte FoxihreGeschichte.
Es is t2006.JenniferFox, gespielt
vonLauraDern, reistefür ihr eDoku-
mentation „Flying:Confessionsofa
Free Woman“ um dieWelt, umFrauen
überihr Leben zu befragen. Füreine
Szene hält ihrWagenineinemindi-
schen Dorf. Es schart sicheine Traube
vonMännerndarum.Fox zöger tauszu-
steigen ,dochalle sind freundlich.Es
istdas stereotype Bild einer Bedro-
hung, bestehend ausstarrenden, frem-
den Gesichtern,das vielemit s exuel-
lenÜbergriffenassoziieren.Das jeden-
falls eher als den eigenenNachbarn.
JenniferFoxspieltmitErwartungen
und verkehrtsie ins Gegenteil.Die
meistenMissb rauchsfälle passieren im
Kreis vonBekanntenund Familie. Bei
Jennifer Fox waresder verständnisvol-
leFreund im Islandpulli,derihr eKind-
heitgeraubt hat.


Ähnlichwie die Dokumentation
„Leaving Neverland“, in der zweiMän-
ner darlegen, wi eMichael Jackson sie
jahrelang missbrauchte,zeigt„The
Tale“, wie geschickt Pädok riminelle
vorgehen:Zuerst wird Jennyvon ihren
Reit-und SportlehrernMrs.Gund Bill
inderengeheime Liebesbeziehung ein-
geweiht.Die Dreizehnjährigeist stolz,
mit so vielVertrauenbedachtworden
zu sein. Jennybekommt Anerkennung
und Verständnis, diesie beiihre nEl-
tern vermisst.Dann willBill, dasssie
sichauszieht.Jennymöcht enicht, aber
sie will bei den Erwachsenen dazuge-
hören.
Im Gegensatz zu „LeavingNever-
land“ arbeitet JenniferFoxdas Erlebte
dramatischauf.Sie zeigtdie vertrack-
tenProzesse des Erinnerns undUm-
deutensinRückblenden. Erst im
Weichzeichner: Trainer Bil lwirft Jen-
ny aner kennendeBlicke nachdem
Springreiten zu. DieIdylle schwankt
und kippt,als Foxein Foto vonsichals
Dreizehnjährigesieht:„Ichwar so
klein“,sagtsie schockiert. Siewieder-
holtdie Szene.Nur: Die jungeFrauaus
der Erinnerunghat sich in das Kind
auf demFotoverwandelt.
JenniferFoxzeigt auch dasSexuelle
der Missbrauchsbeziehung. Die Sze-
nen sindgrausamexplizit, aber nicht
voyeuristisch. Siewollen dokumentie-
ren. Wendet man sichangewidert ab,
oder siehtman hin, wieKindesmiss-
brauc htäglic hpassiert? Er bleibtver-
borgen, wenn man dieAugendavor
verschließt. EMELI GLASER


The Tale,heuteum20.15 Uhr bei Arte.


Qualvolle


Erinnerung


Das Missbrauchsdrama


„The Tale“ auf Arte


LauraDern(links) spielt die ältere,
IsabelleNélisse die jüngereJennifer
Fox. FotoArte

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