Frankfurter Allgemeine Zeitung - 06.03.2020

(sharon) #1

SEITE 18·FREITAG,6.MÄRZ 2020·NR.56 Die Ordnung der Wirtschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


D


eutschland sucht
neue Wirtschafts-
weise. Wieman
liest, sollen dem-
nächs tdie Profes-
sorinnenVeroni-
ka Grimm und
Monika Schnit-
zer in den
Olymp der deutschen wirtschaftswissen-
schaftlichen Beratung aufsteigen: den
Sachverständigenrat zur Begutachtung
der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Wieman aber auchliest, hat es einige
Mühegemacht, Spitzenökonomen für die-
se Aufgabe zu begeistern.Von anderen
Ökonominnen,etwa der internationalre-
nommiertenFrankfurterMakroökono-
min NicolaFuchs-Schündeln, heißt es,
dasszwardurchaus Interesse bestanden
habe, dochletzten Endeswardas Verblei-
benander Universi tätdann dochattrakti-
ver. Wieanderssieht es in denVereinig-
tenStaaten aus: Ob für einen Demokra-
tenoder Republikaner imWeißen Haus –
wenn er nicht geradeDonald Trump
heißt –, lassen die Ökonomen dortalles
stehen und liegen.
Man erinneresichetwaanden Novem-
ber 2008: BarackObama wirdzum Präsi-
denten derVereinigtenStaatengewählt,
die Welt is tbegeis tert.Auchander wirt-
schaftswissenschaftlichenFakultät imka-
lifornischen BerkeleyherrschtHochstim-
mung. Der Präsident braucht guten öko-
nomischenRatund sucht ihn bei den Öko-
nominnen und Ökonomen der renom-
miertesten Universitäten des Landes. Ei-
nigeWochen später lichten sichdaher die
Reihen in Berkeley. Vonder Lehrstuhlin-
haberin über den Juniorprofessor bis hin
zum Doktoranden ziehen Berkeley-Öko-
nomennachWashington,D.C.um;allen
voranChristinaRomer alsVorsitzende
des Council of Economic Advisors
(CEA), des oberstenwirtschaftspoliti-
schen Beratungsgremiums des Präsiden-
ten. Seit ihrer Promotion am Massachu-
setts Institute ofTechnology(MIT) hat
sichRomer mit Arbeiten zurWeltwirt-
schaftskrise in den 1930er Jahren einen
Namen gemacht, inmitten dergroßen Fi-
nanzkrise 2008/2009 nunwertvolle Exper-
tise für den neuen Präsidenten. IhrKolle-
ge,der Arbeitsmarktforscher Alexandre
Mas, heute inPrinceton, wirdzur glei-
chen Zeit Chefökonom im Arbeitsministe-
rium. In derzweiten Obama-Administrat i-
on wechselt auchMaurice Obstfeld, der
spätereChefökonom des Internationalen
Währungsfonds, für den CEAvomPazi-
fikanden Potomac.


Obamaräumt dieFakultäten leer


Die Obama-Administration holteihre
Spitzenökonomen aus allen Eckendes
Landes:Finanzwissenschaftler Lawrence
Summers,vormalsChefökonomder Welt-
bank,Finanzministerunter Bill Clinton
und PräsidentvonHarvard,war Obamas
National Economic Council Direktor;
Alan Krueger aus Princetonund Austan
Goolsbeevonder Universität Chicago
folgtenRomer alsVorsitzende des CEA.
Unddie Makroökonomin Janice Eberly
vonder Northwes tern University,eben-
falls eineTopadresse, wurde Chefökono-
min etwa im Rangeeines Staatssekretärs
im Finanzministerium.
Warumverlassen die erfolgreichs ten
amerikanischenForscher den Elfenbein-
turm ihrer Spitzenuniversitäten und bege-
ben sichindie harscheRealität derPoli-
tik? Sicher nicht nur,umunverbindliche
Papiere und Prognosen zu produzieren.
Es is tvielmehr die Chance, direkt an der
Einführung wirtschaftspolitischerRefor-
men mitzuarbeiten und dabei wissen-
schaftliche Erkenntnisse zu Themen, die
einem am Herzenliegen, in die Praxis ein-
zubringen sowie mit Entscheidungsträ-
gern auf höchsterEbene zu interagieren.
Das CEA istein mächtiges Gremium:
Im Innernder je weiligenAdministration
angesiedelt, haben seine Vorsitzenden
normalerweise eine Kabinettsposition
und seine MitgliederregelmäßigenZu-
gang zum Präsidenten.Romer gelang es,
ein absolutes „DreamTeam“ vonÖkono-
men nachWashington zu bringen.Wis-
senschaftliche Megastarswie derUmwelt-
ökonom MichaelGreenstone vonder Uni-
versity of Chicago sagten zu; Assistenz-
professoren wie JessieRothstein unterbra-
chen ihrekritische „Publish orPerish“-
Phase, in der es um die begehrte Lebens-
zeitstellunggeht, um als Senior Econo-
mistmitzuarbeiten. RomersDoktorand
Gabriel Chodorow-Reich, heute Profes-
sor in Harvard,ging alsStaffEconomist
ähnliche Risiken für seine wissenschaftli-
cheKarriereein. Allewollten dabei sein,
als Reformen entworfenund verwirklicht
wurden.Romer hat diese Motivation sehr
erns tgenommen und dafürgesorgt, dass
jeder ein Briefing mit Obama zu „sei-
nem“ Thema bekam.
Allerdings gilt auch:Wenn dieAdminis-
tration eines Präsidenten endet, sind die-
se Ökonomen ohne Amt.Oft kehren sie
zurückanihreHeimatuniversitäten. Al-
lein in der Obama-Administrationgabes
vier CEA-Vorsitzende. Andersals bei Do-
nald Trump, dessen Mitarbeiter oftim
Zwistgehen oderwegenInkompetenz ent-
lassenwerden, feuerte Obama seineTop-
ökonomen nicht;die ständigeInfusion
neuer Leuteund damit neuer Ideen ist
vielmehrTeil desKonzepts.AuchAmeri-
kasUniversitäten selbstsorgendafür,
dassihreProfessoren nachdem Ausflug
in diePolitik zurückkommen, um die neu-
gewonnenen Erkenntnisse an jungeÖko-
nomenweiterzugeben.Nachspätestens
zwei Jahren außerhalb der Universitätver-
lieren Professoren nämlichihrePosition
auf Lebenszeit.Soist ein ständigerAus-
tausch zwischen aktueller ökonomischer
Wissenschaftund praktischer Wirt-
schaftspolitikgewährleis tet.
In Deutschlandsteht der Sachverständi-
genrat zur Begutachtung dergesamtwirt-
schaftlichen Entwicklung, auchdie Fünf


Weisen genannt, an der Spitze der wirt-
schaftspolitischen Beratung. Er hat einen
ständigenStab amStatistischen Bundes-
amt inWiesbaden, also schongeogra-
phisch fernab vonBerlin. Seine Hauptauf-
gabe besteht in der Erstellung des wirt-
schaftspolitischen Herbstgutachtens. Die
Fünfstehen ansonsteninihren Universi-
tät en am Katheder.Sie werden auchnicht
vonjeder Regierung neu berufen, son-
dernhaben fünfjährigeAmtszeiten,Wie-

derberufungen sind möglich. Schon in die-
sen Strukturen drückt sichaus, dass–an-
dersals in denVereinigtenStaaten–Dis-
tanz zurPolitik gewollt is t.
Die regelmäßigeEinbindung neuer
Köpfeund damit mutmaßlichneuer Ide-
en geschieht langsamer.Ebensofehlt der
regelmäßigeZugang zu Entscheidungsträ-
gernan der Spitze. Letzteres istjedochge-
rade für führendeKöpfedas Spannende
an einer (vorübergehenden)Abwendung
vonder Forschung. Natürlichhat Politik-
ferneauchVorteile. In Deutschland ist
der Sachverständigenratgesetzlichabgesi-
chert. Die Politik kann sichihm, zumin-
destrechtlich, nicht entziehen. Trump
konntedagegen ohneweiteres dem CEA-
Vorsitzenden den Kabinettsrang neh-
men. Dennochstellt sichdie Frage, ob
nicht wegender Politikferne die deut-
schenWissenschaftler einfach weniger ge-
hörtwerden.
Eine zweiteSäule des deutschen Bera-
tungsmodells sind die Wissenschaftli-
chen Beirätebeim Bundeswirtschafts-
und Bundesfinanzministerium. Deren
Mitgliederwerden auf Lebenszeit beru-
fen. Auchsie treffensichnur ab und zu,
verfassen Gutachten und habenkeinen
ständigen Direktzugang zu Entschei-
dungsträgern. Ähnliches lässt sichauch
für die dritteSäule feststellen, dieFor-
schungsinstitute. IhrePräsidenten amtie-
rendefactooftauf Lebenszeit.Finanzwis-
senschaftler Hans-Werner Sinn etwa
stand dem Münchner Ifo-Institut fast
zwanzig Jahrevor und prägte mindestens
ebenso langedie wirtschaftspolitische
Diskussion in Deutschland.

Zentralbanken alsVorbild?
Wirhaben für diesen Beitrag informell
Kollegen ausKanada,Frankreich, Italien,
Großbritannien und Chile nachden Mo-
dellen wirtschaftspolitischer Beratung in
ihrer Heimat befragt.NahezuKonsens be-
steht darin, dassder Austausch zwischen
Ökonomen undZentralbanken amregs-
tenund fruchtbarsten is t. Viele derKolle-
genabsolvieren dortregelmäßigeKurz-

aufenthalte, halten Vorträgeund tau-
schen sichmit denZentralbankernvor
Ortaus. Gerade jungeeuropäischeKolle-
gen, die in denVereinigtenStaatentätig
sind, werden vonder EuropäischenZen-
tralbank in Beratungsaufgaben eingebun-
den. Sie habenZugang zu dengeldpoliti-
schen Entscheidungsträgern, deren Inter-
esse an aktuellem wissenschaftlichem In-
put hochist.Man trifft sichauf Konferen-
zen wie der in Sintra(Portugal) und Jack-
son Hole (VereinigteStaaten), um makro-
ökonomische undgeldpolitischeFragen
zu erörtern.
Das Bild in anderenFeldernist dage-
genheterogen. In Großbritannienund Ka-
nada istdie Lageähnlichder im Prä-
Trump-Amerika. Der Ökonomenrat wird
gernegehört, umgekehrthat die politi-
sche Arbeit auchein positivesFeedback
auf die eigeneForschung. So berichtete
uns etwa ein englischerKollegevon sei-
nen guten Erfahrungenwährend eines
längerenAufenthaltes im britischen Ge-
sundheitsministerium, die später auchzu
ranghohen Publikationen führten. In
Frankreich istder Conseil d’AnalyseEco-
nomique konzeptionell zwischen dem
Sachverständigenrat und dem CEA ange-
siedelt.Inseinen Anfangsjahrenwarer
nachMeinung vieler französischer Öko-
nomen ein ineffektives Gremium mit al-
len möglichen, auchheterodo xenDenk-
schulen. Inzwischen wurde er dahinge-
hend reformiert,dasszuspezifische nThe-
men vonSpezialistenunter den französi-
schen (Auslands-)ÖkonomenRateinge-
holt wird. Manche französischenKolle-
gengeben garPräsident Emmanuel Ma-
cron wirtschaftspolitischesFeedbackper
Textnachricht.Allerdings gibt es auchin
Frankreich Klagen über zugroßen Ein-
flussder Karrierebeamten.
Während in manchen Ländernwissen-
schaftlicheReputationkaum eineRolle
für denZugang zur wirtschaftspolitischen
Beratung spielt, wie uns italienischeKolle-
genbericht eten, is tesinChile seit dem
Ende der MilitärdiktaturinRegierungen
aller politischer Couleur üblich, dassder
Finanzministereinen wirtschaftswissen-

schaftlichenDoktor gradeinesamerikani-
schenTop-Programms vorweist. Natürlich
soll damitnicht gesagt sein, dassein Fi-
nanzministermit ökonomischemDoktor-
hut allein schon eine guteWirtschaftspoli-
tik oderhöheresWachstum garantiert.
Wenn man allerdingsdie wissenschaft-
lichführenden deutschen Ökonomen im
In- undAuslandfragt, fällt auf, wie viele
nochnie vonihren heimatlichen Institutio-
nen um wirtschaftspolitischenRatgebe-
tenwurden.Darunter sind absoluteSpit-
zenforscherinpolitikrelevanten Feldern
wie derFiskalpolitik,der Finanzwissen-
schaf toder der Arbeitsmarkt- und Migrati-
onsökonomik.Ausnahmslos allegeben
an, dasssie bereitwäre nmitzuwirken.
Es gibtAusnahmen,die vonsehr positi-
venErfahrungen im Beratungsprozessbe-
richten.Diese positivenStatements sind
umsostärker, je enger und häufiger die
Einbindungwar. Auch hier könnteesalso
eine positiveFeedbackschleifezwischen
wirtschaftspolitischer Beratung und wirt-
schaftswissenschaftlicherForschung ge-
ben, wie sie zentralbankberatende Ökono-
men fast alle berichten.Nurlahmt diese
Feedbackschleife, solangeDeutschland
sein wirtschaftswissenschaftlichesPoten-
tial nicht nutzt.
Natürlic hsind Spitzenforscher weder
notwendig nochhinreichend für guteund
effektive Politikberatung.InunsererUm-
frag ebetonen gerade die erfolgreichen Be-
raterunter denKollegen, dassesnoch an-
derer Fähigkeiten bedarf,etwa in de rKom-
munikation mit den Medien sowie im pra-
xisorientierten Denken. DieKenntnisder
institutionellen und politischen Bedingun-
gensind unabdingbare Voraussetzungen
für den Beratungserfolg. Zugleichbeto-
nen die Befragten, dassesaucheine der
Aufgaben des beratenden Ökonomensei,
Politikern aufzuzeigen,wenn Limitierun-
genwirtschaftspolitischer Maßnahmen
bloß wahrgenommenwerden.
Es wurden uns auchkonkre te Beispiele
genannt,wo die Forschernatur auf Spitzen-
niveau im Beratungsprozesswichtigwar:
Als dieObama-Administration Handelsab-
kommenverhandelte,standder schon er-

wähnte Maurice Obstfeld,eineKoryphäe
der Handelsökonomik,nicht nur Obama,
sondernder gesamten demokratischen
Führungsriegemit informellen Seminaren
zur Seiteund machtesod ie politischeDe-
batte faktenbasierter.Der MIT-Gesund-
heitsökonom Jonathan Gruberwarmaß-
geblich an der Entwicklungvon Obama-
carebeteiligt. In Deutschland hat man da-
gegenoft den Eindruck,dassstattwissen-
schaftlicher Qualifikation irgendein Pro-
fessorentitel und Medienpräsenz ausrei-
chen, um dieAufmerksamkeitvonPolitik
und Öffentlichkeit zu bekommen.
Um es klar zu sagen:Unser Plädoyerfür
Spitzenforscher in derwirtschaftspoliti-
schen Beratung istkeinPlädoyerfür ein
platonisches Philosophenkönigtum.Das
wäre nicht nur undemokratisch, sondern
auchangesi chts derkomplexenProzesse
unangemessen.Esist im Übrigenauch
kein Plädoyerfür einereine Fokussierung
auf die Spitzenforscherebene. Gerade im
Finanz- undWirtschaftsministerium wer-
den immer noch vieleStellen vonBewer-
bernbesetzt, dieeinen juristischen Studi-
enhintergrund haben.Ökonomen haben
jedoc heinenanderenBlickauf diesoziale
Welt, der die juristische Sichtweise sinn-
voll er gänzenkann.SoliegeninDeutsch-
land erhebliche administrative Datenres-
sourcenbrach, diemeist wegenjuristi-
scher Bedenkenweder für diesozialwissen-
schaftlicheForschung nochfür evidenzba-
sier te Politikgenutztwerdenkönnen.Wir
vermuten, Ökon omen würden hierdie
Schwerpunkteetwas ander ssetzen.

Reformen sind notwendig
Es stellt sichalso die Frage, ob die
gegenwärtig eStruktur und Organisation
der wirtschaftspolitischen Beratung in
Deutschland optimal ist. Sollten die
brachliegendenRessourcen nichtstärker
genutzt werden? Die Bundesbank hat das
geschaf ft.ImGefolg eder Berufung des in-
ternational angesehenen Finanzökono-
men Emanuel Mönchvon derFederal Re-
serve Bank ofNewYorkzur Bundesbank
als Leiter derForschungsabteilung hat
das wissenschaftliche Renommee der
Bundesbankökonomen enormzugenom-
men. Warumsollten sichdie guten Erfah-
rungen hier nicht auchauf anderePolitik-
felder,etwadie Fiskal-, Steuer-oder Ar-
beitsmarktpolitik übertragen lassen?
Ermutigend istauchdie Entwicklung an
einigen (wenn auchnicht allen) For-
schungsinstituten, die inzwischenstarke
TeamsinternationalausgewiesenerFor-
scherversammelt haben. BeimSachver-
ständigenrat istesähnlich.Wir wollen die-
seEntwicklungengestärkt undverstärktse-
hen. Eineganz neue Idee wurdevomLei-
terder GrundsatzabteilungimBundesfi-
nanzministerium, JakobvonWeizsäcker,
entwickelt:das Professorenpraktikum.
HierarbeitenÖkonomenvor Or tfür eine
begrenzteZeit an für dasFinanzministeri-
um interessanten Projekten.Der er ste
„Praktikant“ is tder Mannheimer Makro-
ökonomTomKrebs. Warumnicht mehr
davon? Warumnicht auchinanderenMi-
nisterien sowie imKanzleramt?
Darüber hinaus scheint uns dasflexible
Format regelmäßigerRoundtables in klei-
ner Runde mitPolitikernausbaufähig zu
sein. Eswäre auchfür Ökonomen, die
zeitintensivePositionen in derForschung
innehaben oder imAusland lehren, gut
geeignet. Bezüglichdes Sachverständigen-
rate skann man fragen, ob nicht diege-
wolltePolitikferne kritischen Stimmen
zwar mehr Platz einräumt, aber diese
eben auchleiser macht.Vielleichtwäre
ein direkt imKanzleramt angesiedeltes
Gremium und damit direktereKommuni-
kation mit den politischen Entscheidern
auchfür einenweiteren Kreisforschungs-
aktiver Ökonominnen, wieetwa Fuchs-
Schündeln, attraktivergewesen.
Wasdie Wissenschaftlichen Beirätein
den Ministerien sowie die Präsidenten
der Forschungsinstitute betrifft,stellt
sichdie Frage, ob Lebenszeitberufungen
sinnvoll sind.Wasimmer die höheren Le-
bensjahreanzusätzlicher Lebenserfah-
rung undUrteilskraftbringen mögen, Ex-
pertise wirdauchmit jeder Generation
jungerForscher ein bisschen entwertet.
Das führtuns diegerade laufende Saison
der „Job Market Flyouts“ deutlichvor Au-
gen, in der sichdie nächste Generation
junger Wirtschaftswissenschaftler um
Professorenstellen bewirbt.Das spricht
nicht unbedingt für mechanische Alters-
grenzen,wohl aber für eineStruktur,die
Berufungen nachdem Mottoerlaubt:Die
Mischung macht’s.Dem stehen Lebens-
zeitberufungen entgegen.
Die gegenwärtigen auf Dauer ausge-
richtetenStrukturen laufen aucheinem
anderenPolitikziel zuwider,dem der Di-
versität :Keines der wirtschaftswissen-
schaftlichenForschungsinstitute wirdder-
zeit voneiner Frau geleitet.Inden beiden
Ministeriumsbeiräten sind lediglichje
fünf vonrund 35 MitgliedernFrauen. Ge-
rade dievonuns befragten deutschen Aus-
landsökonominnengaben alle an, nahezu
keine Rolle in der wirtschaftspolitischen
Beratung in Deutschland zu spielen, ob-
wohl sie bereitwären, sic heinzubringen.
Fazit:Evidenzbasierte Wirtschaftspoli-
tik braucht Spitzenforscher.Die Bürgerin
Deutschland erwarten zu Rechteine ratio-
nale und auf den neuestenErkenntnissen
der WissenschaftbasierendeWirtschafts-
politik. Daher sollteessichdie deutsche
Politik nicht länger leisten, die beachtli-
chen, engagiertenund diversen wirt-
schaftswissenschaftlichenRessourcen im
In- undAusland brachliegen zu lassen.

FotosNYTNS/Laif; dpa

Ulrik eMalmendier(46)ist Finanzpro-
fessorin an der Haas School of Busi-
nessund Wirtschaftsprofessorin an
der UniversityofCalifornia in Berke-
ley. FürihreForschung wurdedie
deutsche Ökonomin und Juristin, die
in Bonn (Jura) und Harvard (BWL)
promoviertwurde, vielfach ausge-
zeichnet. Ihr Hauptintere ssegilt der
Unternehmensfinanzierung, Verhal-
tensökonomieund Vertragstheorie.
RüdigerBachmann(45) istseit 2014
Stepan FamilyAssociateProfessor an
der UniversityofNotre Dame in India-
na. Der in Mainz undYale ausgebilde-
te deutsch-amerikanischeMakroöko-
nombeteiligtsich, pointiertauchüber
Twitter ,ander wirtschaftspolitischen
DebatteinDeutschland und am Streit
übereine Neuausrichtungder Volks-
wirts chaftslehre. hig.

Wir tschaftspolitik


brauchtSpitzenforscher


Fotosprivat/Univ

.ofNotre Dame

Andersals in Deutschland lassen die erfolgreichs tenamerikanischenForscher alles

stehen und liegen,wenn der Präsident Berater sucht.Vorschlägefür eineReform

der ökonomischenPolitikberatung.

VonRüdiger Bachmann und UlrikeMalmendier

Die Autoren

Oben: Präsident Obama mit seinen
wichtigstenWirtschaftsberatern,
darunter linksChristinaRomer.
Unten: Kanzlerin Merkel undFinanz-
minister Scholz mit dem Sachverstän-
digenrat imNovember.
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