Frankfurter Allgemeine Zeitung - 06.03.2020

(sharon) #1

SEITE 20·FREITAG,6.MÄRZ 2020·NR.56 Wirtschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


hmk.BRÜSSEL.DieEUunddasVerei-
nigteKönigreichhaben sichinder ers-
tenRunde derPost-Brexit-Verhandlun-
gennicht aufeinander zubewegt.Es
gebeviele, ernsthafte Meinungsverschie-
denheiten, betonteder Chefunterhänd-
lerder EuropäischenUnion,Michel Bar-
nier,amDonnerstag zumAbschlussder
ersten Runde in Brüssel. Barnier zählte
insgesamt vier Konfliktpunkteauf.
Dazugehörtallen vorandie Frage, ob
die Britenkünftig dieStand ards der EU
für Arbeits-, Sozial- oderUmweltrecht
sowie dieRege ln für dieVergabe von
Subventionen beachten müssen.
Die EU sieht darin eineVorausset-
zung für einenfairen Wettbewerb. Nur
dann will sie den Briten zoll- undquo-
tenfreienZugang zu ihrem Marktgewäh-
ren. Der britische Premierminister Bo-
risJohnson hat hingegen zwar zugesi-
chert, die Briten würdenweiter hohe
Standards einhalten und insofernkein
„Dumping“ betreiben. Er will sichaber
nicht denRege ln der EU unterwerfen.

ZweiterStreitpunkt istder Zugang der
europäischen Fischer zu den britischen
Fanggründen. Die EUfordert, dassdie
Europäer wie bisher in britischen Ge-
wässernfischenkönnen. Johnson will
darüber alljährlichneu verhandeln, wie
es die EU mitNorwegen tut.Barnier be-
zeichnete das als unrealistisch, da es bei
den Verhandlungen mitNorwegen um
viel weniger Fischsortenund Fanggrün-
de gehe.
Umstritten istzudem, ob am Ende
der Verhandlungen ein einzigesAbkom-
men oder,wie es die Britenwollen, zahl-
reiche Einzelabkommen stehen.Und
wie eng beide Seitenkünftig bei der
Strafverfolgung und Terrorismusbe-
kämpfung kooperieren. Das wirdda-
durch erschwert, dassdie britischeRe-
gierung die europäische Menschen-
rechtskon vention nicht als Basis akzep-
tieren will.Barnier hob hervor, dass
eine Einigung trotzder kurz en Zeit mög-
lich, wenn auchschwierig zu erreichen
bleibe.

hmk.BRÜSSEL.Von der „Gleichheit
der Geschlechter“ istdie EU nachwie vor
weit entfernt.„Es bleibt viel, es bleibt zu
viel zu tun“, betonteVizepräsidentin
Vera JourováamDonnerstag bei derVor-
stellung der Geschlechterstrategie der Eu-
ropäischenKommission in Brüssel. Ein
Drittel derFrauen sei OpfervonGewalt,
Frauen verdienten 16 Prozentweniger als
Männer,sie erhielten 30 Prozent niedrige-
re Renten, und ihr Anteil an denToppos-
teninder Wirtschaf tliegeimmer nochun-
ter8Prozent.
Die Präsidentin derKommission,Ursu-
la vonder Le yen, hat die „Geschlechter-
gleichs tellung“ deshalbganz oben auf die
Agendagesetzt .Das begann mit dem –
wegender fehlenden Nominierungen
durch die EU-Staaten –verfehlten Ziel,
die Hälfte der Kommissionspostenmit

Frauen zu besetzen.Nunsind es zwölf
von27.
Bis 2024 soll zudem die Hälfealler Füh-
rungskräfte innerhalb derKommissions-
verwaltungFrauen sein. Momentan sind
es auchwegen dergezieltenFörderungen
unter derVorgänger kommission 41 Pro-
zent.Zudem sollen alle Gesetzesvorha-
ben derKommissionkünftig daraufhin
überprüftwerden, ob sie dem Ziel der
Gleichstellung der Geschlechter schaden
könnten. Dazu hat dieKommission ei-
gens eine Arbeitsgruppe eingerichtet.
Kurz vordem internationalenWeltfrauen-
tagam8.MärzkündigteJourovázudem
eine Reihe vonInitiativen an, um die Si-
tuationvonFrauen zuverbessern. ImZen-
trum steht dabei einVorschlag für Lohn-
transparenz, wie sie in Deutschland
schonexistier t. Das soll allen Beschäftig-

teninEuropa,vorallem aber denFrauen,
einen Anspruchverschaf fen, zu erfahren,
wasein Kollegeverdient.
GenaueVorschlägedazu will dieKom-
mission erst gegenEnde des Jahresvorle-
gen. Ob und inwieweit ihr Ansatz über
die deutsche Rechtslagehinausgehen
könnte, istdamit unklar.Politischwieder-
belebenwill dieKommission darüber hin-
aus dievonder damaligen EU-Justizkom-
missarinVivianeReding 2012vorgeschla-
gene „weicheFrauenquote“. Die sollUn-
ternehmen anregen, mindestens 40 Pro-
zent derAufsichtsratspostenoder in Län-
dern, diekeine Aufsichtsrätekennen, Vor-
standspostenmit Frauen zu besetzen.
Sanktionen sollten jedochnur anfallen,
wenn dieUnternehmenkeine Auswahl-
verfahren zurgezieltenFörderung von
Frauen eingeführthätten.

Das EuropäischeParlament hattesich
damals schnell hinter die Quote gestellt,
die ursprünglich2020 erreicht werden
sollte.Unterden Mitgliedstaaten warder
Vorschlag aber hochumstritten.Zuletzt
wareine Einigung 2015 auchamWider-
stand Deutschlandsgescheitert, obwohl
die Bundesregierung da schon selbsteine
Quote von30Prozent fürAufsichtsräte
beschlossen hatte, die als „gleichwertig“
anerkannt worden wäre.Der Widerstand
aus Nord -und Osteuroparichtete sich
teils grundsätzlichdagegen, dassdie EU
in diesemFeld tätig wird,teils gegendie
Quote selbst. Jourovábetonte, für die nöti-
ge Mehrheit müsstennoch eingroßer und
zwei kleineStaatengewonnenwerden.
Ob das nachjahrelangemStillstand gelin-
ge,sei of fen. „Wir geben aber nicht auf“,
sagtedie Tschechin.

loe. BERLIN.Der Unmut der Bauern
über dieAgrarpolitik der Bundesregie-
rung ebbt nicht ab. Mit HundertenTrak-
torenhaben Landwirte am Donnerstag
in mehreren deutschenStädten einwei-
teresMal gegenstrengereUmweltaufla-
genprot estier t. In Hamburgdemons-
trierten nachVerans talterangaben
mehr als 1000 Bauernfür mehrWert-
schätzung und höhereLebensmittelprei-
se. Vordem Umweltbundesamt in Des-
sau-Roßlauversammelten sichlaut der
Polizei 500 Menschen mit 300Trakto-
ren. WeitereAktionengabesetwain
Dresden und Mainz. Dazu aufgerufen
hattedie Initiative„LandschafftVerbin-
dung“, zu der sichinganz Deutschland
Bauernzusammengetan haben.
Hauptstreitpunkt istdie geplanteVer-
schärfung der Düngeverordnung von
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia
Klöckner (CDU), über die Anfang April
der Bundesratentscheiden soll. Die EU-

Kommission hatteDeutschlandwegen
zu hoher Nitratwerte verklagt und 2018
vordem Europäischen Gerichtshof
rechtbekommen. OhnestrengereDün-
geregeln drohen Deutschland Strafen
vonbis zu 850 000 EuroamTag. Auch
das InsektenschutzprogrammvonUm-
weltministerin Svenja Schulze (SPD)
stößt auf Kritik.Ende Januar hatten die
SpitzenvonCDU/CSU und SPD überra-
schendvereinbart, den Landwirten zu-
sätzlich zu den Subventionenaus Brüs-
sel eine MilliardeEurofür dieUmstel-
lung ihrer Betriebe zugeben.
Die ostdeutschenAgrarministerha-
ben in einem Brief an Bundesfinanzmi-
nisterOlaf Scholz (SPD) diekostenlose
Übertragung vonmehr als 100 000
HektarAgrarflächen an die Bundeslän-
der gefordert. Die ehemalsvolkseige-
nen Flächen sollten für den Natur-
schutz,aber auchfür die Produktion
vonLebensmitteln genutzt werden.

Kann die Buchung einerUrlaubsrei-
se rückgängiggemachtwerden?
Kundenkönnen alle Buchungenstornie-
ren. Pauschalreiseanbieterberechnen
meistaber Stornogebühren.Werseinenge-
buchten Sommerurlaub absagt, mussaktu-
ell 20 bis 40 Prozent des Preises zahlen.
Die Sätzesteigen, je näher derReiseter-
min rückt,teils über 80 Prozent.Kosten-
frei is tdie Stornierung,wenn „unvermeid-
bareund außergewöhnlicheUmstände“
auftr eten, die die Durchführung derReise
beeinträchtigen. Das istder Fall, wenn feh-
lende Flügeeine Anreise unmöglichma-
chen oder Länder wie Israel Ankommen-
de unter Quarantänestellen. BeiNeuver-
trägenverzichten viele Anbieter aufStor-
nogebühren–aber nicht unbegrenzt.TUI
erlaubtkostenfreie Stornos bis 14Tage vor
Anreise–spätestens bis Ende April, für
Fernost-Reisen bis 30.August.
Hilfteine Reiserücktrittspolice?
Nein, solcheine Versicherung springt ein,
wenn einUrlauberwegeneiner Erkran-
kung nicht aufbrechenkann, nicht aber,
wenn einKunde Angstvor einer mögli-
chen Erkrankung hat.Für die Behand-
lung unterwegs –eventuell einschließlich
einer besonderen Rück beförderung im

Krankheitsfall–sind andere Verträgenö-
tig. Ratsam istinjedemFall eineAus-
landskrankenversicherung.
Wasgilt für Flüge?
Wieviel Geld einPassagier,der seinen
Flug storniert, zurückbekommt, hängt
vomgewähltenTarifab. TeureStandardta-
rife enthalten meistkostenfreieStorno-
oder Umbuchungsmöglichkeiten. Bei
günstigen Sondertarifenist ofteine kos-
tenfreieAbsageausges chlossen. DerKun-
de kann nur Flughafen- und Sicherheitsge-
bühren zurückverlangen, nicht aber den
Preis für den Flug an sich.
Gibtesfür abgesagte Flüg eeineEnt-
schädigung nachEU-Fluggastrechten?
DieseFrageist umstritten. Grundsätzlich
steht Passagieren eine Entschädigungvon
250 Eurofür einen innereuropäischen
Flug zu, der mitweniger als zweiWochen
Vorlauf ohneNennung einer Alternative
abgesagtwird. In außergewöhnlichenUm-
ständen sind Airlinesvonder Entschädi-
gungspflicht befreit.Risiken durch das Co-
ronavirusgelten als außergewöhnlicher
Umstand, wirtschaftliche Erwägungen ei-
ner Airline, diewegender eingebroche-
nen Nachfrag eFlügestreicht, nicht.Der
Luftfahrtverband BDLrechtfertigt vor-

sorglichalle Stre ichungen mit außerge-
wöhnlichenUmständen. Bei Annullierun-
genmit weniger als zweiWochen Vorlauf
lohnt aber eine Prüfung des Einzelfalls.
Können sichVeranstalter wie die
Leipziger Buchmessegegen denAus-
fall absichern?
Im Markt sindAusfall versicherungenver-
breit et.Invielen Fällen isteine anstecken-
de Krankheit als eigener Baustein versi-
cherbar.Erdürfteallerdings in einigen
Fällen nicht mitgedecktworden sein. Ak-
tuell schließen Versicherer Deckungen
aus, weil sie das sogenannteKumulrisiko
scheuen, also dassdurch ein Ereignis vie-
le ihrerKunden ingleicherForm getrof-
fenwerden. HättenPolicen einen Bau-
stein für ansteckende Krankheiten,was
vonKunde zuKunde unterschiedlichist,
wäre dasCoronavirus in der Deckung ent-
halten, seit es Anfang des Monats in die
Liste ansteckenderKrankheiten im Infek-
tionsschutzgesetz aufgenommen wurde.
Wiesind Unternehmengegen Be-
triebsstilllegungengeschützt?
Gegen diese Risiken gibt es individuelle
Sonderlösungen, die ansteckende Krank-
heiten betreffen. Allerdingswirddiese we-
genhoher Kosten selten abgeschlossen,

heißt es beimVersicherungsmaklerFunk.
Die Prämie liegeimProzentbereichder
Deckungssumme,wasaußergewöhnlich
hochfür verg leichbareDeckungen ist. Üb-
licher weise werden in denPolicen Sach-
schäden alsUrsache desVersicherungs-
falls zugrunde gelegt.Das warzum Bei-
spiel für viele produzierende Betriebe
vonBedeutung, die nachdem Tsunami
2011 aufZulieferungen aus Japanoder
Thailandwartete n.
Wieviele Unternehmen schließen
den Pandemiefall ein?
Laut Auskunf tdes Rückversicherungs-
konzerns MunichRe wardie Nach frage
nacheinem Einschlussdes Pandemiefalls
vorAusbruchdes Coronavirus sehr einge-
schränkt.Eshabe sichnochnicht um ein
Massenproduktgehandelt.Die 2017ge-
gründete Einheit Epidemic Risk Solu-
tions istein Dienstleisterfür Spezialde-
ckungen. In denvergangenenWochen sei
die Nach frag erapide nachoben ge-
schnellt.Momentan agierenVersicherer
wie üblich, wenn ein Schadenereignis
schon eingetretenoder greifbar nah ist:
Sie deckenkeine neuen Risiken. Das
heißt,Unternehmen, die in denvergange-
nen Wochen nacheiner Deckung gefragt
haben, sind leer ausgegangen.

Vier schwereKonflikte


„Post-Brexit-Gespräche“gestalten sichschwierig


enn./itz. BERLIN. Das Klimaschutzpro-
gramm 2030 der Bundesregierunggreift
zwar ,es reicht aber nicht aus, um die
selbstgesteckten Ziele zu erreichen. Zu
diesem Ergebnis kommen zwei Gutach-
tenimAuftrag desWirtschafts- und des
Umweltministeriums. DiePapieresol-
len erstkommendeWocheveröf fent-
licht werden, dochkursierten die Ergeb-
nisse schon am Donnerstag in Berlin.
Demnachdürfteder Treibhausgasaus-
stoß in Deutschland im Jahr 2030 um 51
oder 52 Prozentgeringer ausfallen als


  1. Ohne Klimaschutzprogramm wä-
    renesnur 41 Prozentgewesen, doch
    strebt dieRegierung eigentlicheinen
    Rückgang um 55 Prozent an. Die Minis-
    terien sehen sichdennochbestätigt.
    „UnservorgelegterKohleausstiegspfad
    und dasgemeinsame Klimaschutzpaket
    wirken“, versicherte eine Sprecherin
    vonWirtschaftsministerPeter Altmaier
    (CDU). „Das Gutachten zeigt, dasswir
    nachheutigen Prognosen unser Klima-
    zielfür das Jahr 2030 zu 95 Prozenterrei-
    chen. Damit liegt Deutschland mit den
    abgeschätzten Emissionsminderungen
    imin ternationalenVergleichinder Spit-
    zengruppe.“
    Einen maßgeblichen Anteil hierzu
    leisteten die Energiewirtschaftund der
    Ausbau der erneuerbaren Energien,
    hießes. De rbis 203 8geplanteKohleaus-
    stieg werdeweitereImpulse bringen.
    Das Gutachten des Prognos-Instituts er-
    gab, dassdie Emissionen der Energie-
    wirtschaftbis 2030 auf 183 Millionen
    Tonnen sinken werden. Gegenüber
    2010 wäre das eine Halbierung,gegen-
    über 1990 einRückgang um 61 Prozent.
    Den Anteil der ErneuerbarenamBrut-
    tostromverbrauchsieht das Institut
    2030 bei 63statt der angestrebten 65
    Prozent.Das zweite,vomUmweltminis-
    terium in Auftraggegebene Gutachten


des Öko-Instituts hält das Ziel hingegen
für er reichbar.„Wirhaben in Deutsch-
land guteMaßnahmen, wissen, wie es
geht, brauchen insgesamt aber zu lan-
ge“, sagtedie Sprecherin.
Die Industrie wirdbeiden Gutachten
zufolge2030 vermutlich143 Millionen
Tonnen ausstoßen, drei Millionen mehr
als geplant.Die Gebäude dürften 78
statt der angestrebten 70 MillionenTon-
nen emittieren. Das Sorgenkind bleibt
der Verkehr mit 125statt 95 Millionen
Tonnen. Kritikkamvon der Opposition
und denUmweltverbänden. Der BUND
stelltevor allemVerkehrsminister An-
dreas Scheuer (CSU) ein schlechtes
Zeugnis aus: „Minister Scheuer,Leis-
tungsverweigerung, ungenügend!“
Der Gescholtene reagierteharsch:
„Situationsbeschreibungen“ und „Gut-
achteritis“ brächten ohnekonkreteMaß-
nahmen nichts. Erversprachaber auch,
die Klimaschutz-Maßnahmen imVer-
kehr zu beschleunigen und auszubauen.
„Schon jetzt zeichnetsichab, dasswir
nochdeutlichmehr Dynamik brau-
chen“, sagteScheuer.Klimaschutz sei
ein laufender Prozess, dieÜberlegun-
genseien mit dem Klimapaket nochlan-
ge nicht abgeschlossen.Nach dem Wil-
len des Ministerssoll HenningKager-
mann, Vorsitzender der „Nationalen
PlattformZukunftder Mobilität“, die
Gutachten mit Blickauf denVerkehrs-
sektor auswerten.
Scheuer sagte:„Aucheuropa weit müs-
sen wir das ThemastärkerinAngriff
nehmen. Dazu gehören Themen wie
eine verbindliche Beimischquote von
nachhaltigemKerosin in derLuftfahrt,
ein dichtes Lade- undTanknetz fürFahr-
zeugemit alternativen Antrieben und
der Ausbau des Bahnangebots zwischen
den europäischen Metropolen.“ Auch
Wasserstoffbiete enormePotentiale für
saubereMobilität.

Neue Pr oteste vonLandwirten


Abstimmung über die Düngeverordnung rückt näher


N


egativeBörsenstrompreise sind
ein absurdes Phänomen, in
Deutschlandaber längstkeine
Seltenheit mehr.Sie kommen
zustande, wenn Erzeuger einweit höheres
Angebotauf den Marktwerfen, alsNach-
frag edaist,sodassKraftwerksbetreiber
sogar dafür zahlen, dassHändler ihren
Stro mabnehmen und insAuslandver-
scherbeln. DasPhänomentritt immer häu-
figerauf. 2018warder Preis in 134Stun-
den und 2019 in 211Stunden negativ.Und

allein im Januar undFebruar dieses Jahres
warenesschon 87 Stunden, wie die Bun-
desnetzagentur auf Anfrage der F.A.Z. be-
stätigt.Davon entfallen84Stunden auf
den Februar–soviele wie nie zuvor in ei-
nem einzigen Monat.Wie hochdie daraus
resultierendenfinanziellenVerluste sind,
lässt sichnicht genau beziffern.Esdürfte
aber mindestens ein zweistelliger Millio-
nenbetrag sein.
Hauptgrund warenSturmtiefswie Sabi-
ne undVictoria. Sie ließen dieRotoren-
blätter derWindräder so kräftig drehen
wie selten imFebruar und sorgtenfürei-
nen Anteilvon rund 45 Prozent an der Er-
zeugung.„Windkraft-RekordimFebruar:
21 Milliarden KilowattstundenStro m“,ju-
beltendaraufhin der Energieverband
BDEWund dasForschungsinstitut ZSW
in einererstenHochrechnung. Die bisheri-
ge Monats-Höchstmarke von16,5 Milliar-
den Kilowattstunden sei damitgeknackt.
Fürdie vonStellenabbau und Ausbauein-
bruch gemarterteWindbranche wares
einewohltuende Erfolgsmeldung. Aufdie
Energiewende als Ganzes wirft der mit
dem Rekord einhergehendeStrompreisver-
fall, der am 16.Februar sogar für dieRe-
korddauervon22Stunden inFolgenega-
tiv war, jedoc hein weniger gutes Licht.

Denn er macht deutlich,dassdas Zu-
sammenspiel aus schwankenderÖko-
stromerzeugung und eher unflexiblem
konventionellem Kraftwerksparkimmer
schlechtergelingt .Ander Europäischen
Str ombörse Epexwerden die Erzeugungs-
mengen amTagvorher auf Stundenbasis
angeboten. FürBetreibe rvon Kohle- und
Atomkraftwerkenist die kurzfristig eHer-
unter regelungoft teurer als derWeiterbe-
trieb. Zudem erzeugenviele nebenStrom
auchWärme oderdürfenaus Gründen der
Versorgungssicherheitnicht vomNetzge-
hen. DieFolgeist eine Verschwendung
vonRessourcen, dievermeidbarwäre.
„Auf Erzeugerseite istmehr Flexibilität
vonnöten, um dieschw ankendeStr omer-
zeugung ausWind und Sonne mit demfos-
silen KraftwerksparkinEinklangzubrin-
gen“, sagtMalteKüper vomarbeit geberna-
hen Institut der deutschenWirtschaf tin
Köln.Die„Power-to-Heat“genannteUm-
wandlungvon erneuerbaremÜberschuss-
strominWärme sei eine Lösung.WasDä-
nemarkvormache, müsse auchinDeutsch-
land Anwendungfinden,forder tKüper.
Fabian Hunekevon der Beratungsgesell-
schaf tEnergy Brainpool hält die Integrati-
on vonElektroautos ins Stromnetz für
„dasgrößtePfund, Überschussmengenfle-

xibelabzunehmen“. Zwar dürftedie Zahl
an Stunden mit negativenStr ompreisen
mit demKernkraftausstieg er st einmalab-
nehmen,weil ein unflexibler Sockelweg-
falle. Mit zunehmendem Erneuerbaren-
Zubau werdeerdanach aber wohl wieder
steigen,sagt Huneke.
Den ohnehin mit Europas höchstem
Str ompreis belasteten Verbraucherkäme
ein besseres Energiemanagement zugute.
Vonden rund 30 Cent je Kilowattstunde
entfallen für Haushaltederzeit6,8 Cent
aufdie EEG-Umlagezur Ökostromförde-
rung –und je niedriger der Börsenstrom-
preis ,desto höher derAusgleichsbetrag,
damitWindkraftbetreiberauf ihr egaran-
tierteFixvergütungkommen. Mit Einfüh-
rung der sogenanntenDirektvermarktung
und der „Sechs-Stunden-Regel“ hat der
Gesetzgebermittler weile nachjustiert. So
vermarkten lautWirtschaftsministerium
63 Prozent der EEG-gefördertenAnlagen
ihrenStr om selbst, imFall vonWindrä-
dernsindesmehrals 90 Prozent.Für neue-
re Anlagen entfällt zudem derVergütungs-
anspruch,wenn der Strompreis für min-
destens sechsStunden inFolgenegativ
wird. AnstürmischenTagenwie im Febru-
ar hat ihresonstüppige Förderung daher
ausgesetzt–essei denn, der Preis wurde
bloß fünfStunden negativ.

Vorstoßfür „weiche Frauenquote“inder EU


EU-Kommission belebtaltesVorhaben zur Gleichstellung neu:„Wir geben nicht auf“


StürmischerFebruar


sibi.FRANKFURT.Die Beschäftigen
inden Banken sollen inZeiten des Coro-
navirus nicht nur durch eine geeignete
Infektionskontrollegeschütztwerden –
für denNotfall soll zudemsicher gestellt
werden, dassBankmitarbeiter ingröße-
remUmfang auchvon zu Hause oder an-
deren Standorten aus arbeitenkönnen.
Das fordertdie EuropäischeZentral-
bank (EZB)ine inem Brief an diegro-
ßen Finanzinstitutedes Euroraums. Die
entsprech endenNotfallplänesolltenun-
bedingt überprüft werden.
Unterdessen teiltedie spanische
GroßbankBBVA am Donnerstag mit,
bis zu 100 Beschäftigt eaus ihrem Han-
delsrauminMadrid würdenwegendes
Coronavirus an einem Ortaußerhalb
der spanischen Hauptstadt arbeiten. Da-
mit will BBVA sicherstell en, dass kriti-

scheFunktionen der Bankwegen der
Epidemie nicht unterbrochenwerden.
Auch andereBanke nbereiteten Pläne
vor, um imFall einerverschärften Vi-
rus-Krise das Bankgeschäf taufrechter-
halten zukönnen.Unter anderemüber-
prüfen die Geldhäuser,dassihreMitar-
beitertatsächlichinHeimarbeit arbei-
tenkönnenund nichtetwa an Technik-
problemen scheitern. Die brit ische
Bank HSBCevakuierte einenTeil ihres
Londoner Büros, nachdem ein Mitarbei-
terpositiv auf dasVirusgeteste twurde.
Die italienische BankUnicredit ermun-
terteMitarbeiter,von zu Hause aus zu ar-
beitenundunnötigeReisenzuunterlas-
sen. Die Deutsche Bankund die Credit
Suisse habenTeams aufverschiedene
Standorteverteilt, um sicherzustellen,
dasssie st etsweiterarbeitenkönnen.

DieRecht evon FluggästenundReisenden


DasCoronavirus wirftFragenzuEntschädigungen undVersiche rungen auf/Von Timo Kotowski und Philipp Krohn


Klimaschutzzielewerden bis


2030 nichtvoll er reicht


Gutachtenstellen RegierunggemischtesZeugnis aus


DasZusam menspiel aus


Ökostromerzeugung und


fossilen Kraftwerken


gelingt immer schlechter.


Das istteuer und

vergeudet Ressourcen.

VonNiklas Záboji,

Frankfurt
Banken fürNotfälle gerüstet?

EZB fordertdie Überprüfung der Infektionskontrolle

1.2.2.3.4.5.6.7.8.9.10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20 .21. 22 .23. 24 .25. 26 .27. 28 .29.

1.2.2.3.4.5.6.7.8.9.10. 11. 12. 13. 14. 15. 16 .17. 18 .19. 20 .21. 22 .23. 24 .25. 26. 27 .28. 29.

Deutscher Strommix im Februar 2020


Großhandelspreis


1) Z. B. Biomasseund
Wasserkraft.2)Z.B.
Pumpspeicher und Öl.
Quellen: Bundesnetzagentur;
F. A.Z.-Berechnungen;
F. A.Z.-Archiv /
F. A.Z.-GrafikBrocker

Erzeugung der Energieträger (StundenwerteinGigawattstunden)

in EurojeMegawattstunde

Stromerzeugung
der Energieträger:

Wind

Sonne

Sonstige
Konventionelle2)
Erdgas
Atom
Stein kohle
Braunkohle

Sonstige
Erneuerbare1)

0

10

20

30

40

50

60

70

80







0

15

30

45
Free download pdf