Frankfurter Allgemeine Zeitung - 06.03.2020

(sharon) #1

SEITE 22·FREITAG,6.MÄRZ 2020·NR.56 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


ppl./tko.LONDON/FRANKFURT. Die
seit längerem mitVerlustenkämpfende
britischeRegionalfluggesellschaftFlybe
hat Insolvenz angemeldet. „Alle vonFly-
be betriebenen Flügesind mit sofortiger
Wirkung gestrichen word en“, hieß es in
einer Mitteilung am Donnerstag.Die Ge-
sellschafthabe es nichtgeschafft,„erheb-
liche Finanzherausforderungen zu über-
winden“. Bis zur letzten Minutehatte
Flybe mit der britischenRegierung über
einenstaatlichenNotkreditvon100 Mil-
lionen Pfund (115 Millionen Euro)ver-
handelt–letztlichvergeblich. Zuletzt
hat wohl diegesunkeneZahl vonBu-
chungenwegender Coronavirus-Krise
der Airline denTodesstoß versetzt. Ver-
kehrsministerGrant Shapps äußerte sei-
ne Enttäuschung, betonteaber,das Un-
ternehmen sei nicht mehr lebensfähigge-
wesen. Die 2000 Mitarbeiter der Gesell-
schaf tmüssen nun bangen.
Die Nachfrageflautevor allemvonGe-
schäftsreisenden setzt allen Fluggesell-
schaf teninEuropa zu. Eine Blitzumfra-
ge des Geschäftsreiseverbands VDR er-
gab, das szahlreicheUnternehmen sämt-
liche Dienstreisen ausgesetzt haben. Ein
Viertelder 123 antwortendenReisever-
antwortlichen deutscher Unternehmen
berichtetedas. 85 Prozent derUnterneh-
men erlauben keine Geschäftsreisen
nachChina mehr,knapp 60 Prozent ha-
ben Italien auf derVerbotsliste.Reisen

zu Großveranstaltungen mit mehr als
100 Teilnehmernhaben 31 Prozent der
befragtenUnternehmen untersagt.
Die britische FluggesellschaftFlybe
stand schon im Januar auf der Kippe, da-
mals verschaffteihr dieRegierung eine
Gnadenfrist, indem sie ausstehende
Flugpassagiersteuer in knapp dreistelli-
gerMillionenhöhestundete.Gegen die-
se Hilfeerhob sic hein Sturmder Entrüs-
tung vonKonkurrenten.Willie Walsh,
Chef des British-Airways -Mutterkon-
zerns IAG, sprachvon „eklatantem Miss-
brauc höffentlicher Gelder“ und be-
schwerte sichineinem Brief an die EU-
KommissionwegenWettbewerbsverzer-
rung. Hinter Flybestehen durchaus ver-
mögende Eigentümer.Die Airline wurde
2019 voneinem Konsortium aus derVir-
gin-Atlantic-Gruppe des MilliardärsRi-
chardBranson, der irischenStobartAir
und derNewYorkerBeteiligungsgesell-
schaf tCyrus Capitalgekauft. Sie hatten
im Januarnochmals 30 Millionen Pfund
frisches Kapital zugesagt. Dasreichte
aber offensichtlichnicht aus.
Flybe beförderte im Jahr8Millionen
Passagierevor allem auf innerbritischen
Flügen zwischen knapp zwei Dutzend
Regionalflughäfen. Ohne die Einnah-
men vonFlybe könnteesfür einigeklei-
nereFlughäfen schwierigwerden. Der
BelfastCity Airport, der Cornwall Air-
portinNewquai, der SouthamptonAir-
portund andereäußertensichbesorgt.

wvp. WASHINGTON.Die zwölfgrößten
Pharmakonzerne der VereinigtenStaa-
tenhaben 2018 mehr Geld für Aktien-
rückkauf-Programme ausgegeben als für
Forschung und Entwicklung. Dasgeht
aus einer Auswertung des Informations-
dienstes Axios hervor. 2018 wardas Jahr,
in dem die amerikanischeSteuerreform
ihrevolle Wirkung entfaltete. In jenem
Jahr gaben dieUnternehmen 69 Milliar-
den Dollar für die Aktienrückkaufpro-
gramme aus und 66 Milliarden Dollar für
Forschung und Entwicklung. DasVolu-
men der Programmewardamit deutlich
höherals im Jahr davor, als dafür 25 Milli-
arden Dollarreserviertwordenwaren.
Am weitesten wichen dieAusgaben
fürsAktienrückkaufprogrammvonden
Forschungsausgaben beiAmgenab. Das
Unternehmen ausKalifornienreservier-
te 2018 fast18Milliarden Dollar fürs
Rückkaufprogramm,während es 3,5 Mil-
liarden Dollar fürForschung ausgab. Das
Bild änderte sichder Auswertung zufolge
im Jahr 2019: Hiergaben die zwölfUnter-
nehmen 49 Milliarden Dollar für eigene
Aktienaus, aber knapp 70 Milliardenflos-
sen in dieForschung und Entwicklung.
Über einenZeitraumvonvier Jahren
überstiegenForschungsinvestitionen die
Kaufprogramme. DieForschung bekam
in den zwölfUnte rnehmen zusammenge-
nommen 251 Milliarden Dollar,für die
Aktienkauf-Programmegaben dieUnter-

nehmen in derZeitspanne183 Milliar-
den Dollar aus. DieUnternehmen haben
sichdurch Aktionärsbeschlüsseweitere
47 Milliarden Dollar für den Erwerb eige-
ner Aktienreserviert. Die Ausnahmen
bilden die Pharmakonzerne Amgen und
Biogen:Sie gaben in dergesamtenVier-
jahresspanneweniger Geld für die Ent-
wicklungvonMedikamenten und Thera-
pienausalsfürAktienprogramme.Beim
kalifornischenKonzernAmgenwardas
Forschungsbudget nur halb so hoch. Al-
lerdingsverfolgt dasUnternehmen eine
besondereGeschäftsstrategie .Essiche rt
sichInnovationen durchden beständigen
Zukauf vonUnternehmen. Gegenüber
Axios begründete Amgen dasvergleichs-
weise große Aktienprogramm mit durch
die Steuerreform entstandenen Möglich-
keiten, im AuslandgeparkteErträgezu
repatriieren.
Der deutliche Anstieg desVolumens
vonAktienrückkaufprogrammen wird
vonKritiker nals Zeichengedeutet,dass
die amerikanischeSteuerreformihr Kern-
ziel, Investitionen zu beflügeln,verfehlt
hat.Aus SichtvonAktionären und Ma-
nagementkönnen dieRückkaufprogram-
me positivsein, weil sie den Aktienkurs
beflügeln und damit in derRegeldie Ver-
gütung des Spitzenpersonals erhöhen. In
den VereinigtenStaaten sind die hohen
Preise für Medikamenteund der lange
währendePatentschutz für viele Mittel
zu einemPolitikumgeworden.

Flybe istinsolv ent


Buchungsflautewegen Coronagabletzten Stoß


E


in Grund zum Anstoßen istTho-
mas Willms geblieben. Der Chef
der Steigenberger-Dachgesell-
schaf tDeutsche Hospitality hat
erstmals ein Hotelrestaurant mit zwei Mi-
chelin-Sternen imUnternehmen: das Oli-
vo im StuttgarterSteigenberger-Haus Graf
Zeppelin, wo Küchenchef Anton
Gschwendtner „Seeteufel vomkleinem
Boot“ und „ImperialWachtel“ mit Shiso-
Kräutern, Sellerie und Buchweizen auf
der Abendkarte hat.Zum 90-jährigen Be-
stehen der Hotelgesellschaftist das nach
dem Geschmackvon Willms.
Ansonsten sindwenig Feieranlässege-
blieben.Willms wolltemit JennyZhang,
der chinesischen Chefin des neuen Deut-
sche-Hospitality-EignersHuazhu, furiose
Expansionspläne präsentieren. Docherst
mussteZhang ihreReise nach Deutsch-
land absagen, dannfiel wegendes Corona-
virus auchdie Reisemesse ITBflach. An
den Wachstumsabsichten soll das nichts
ändern. „Mit unserem neuen Eigentümer
haben wir jetzt insbesondereinAsien eine
andereBasis undkönnen nochinternatio-
naler auftreten“, sagtWillms im Gespräch
mit derF.A.Z. „Das bislang angekündigte
Ziel von250 Häusernwollen wir in Euro-
pa und im Mittleren Osten erreichen.
Dazu sollen nun 250 Hotels inFernost–
vorallem in China–kommen. Bis 2026
wollen wir auf 500 Hotels wachsen.“
Furios klingt das,weil dieStei genber-
ger-Gesellschaftaktuellrund 120 Häuser
betreibt, 30weiteresind im Bau. Schon
dervorherig eEigner,der ägyptische Hotel-
unternehmer Hamed El-Chiaty,hat das
Unternehmen auf Wachstumskursge-
schickt.Dochdas erscheint wieTrippel-
schrittegegen dengeplanten Sprung der
Chinesen,die El-Chiaty 2019 dasUnter-
nehmen für 700 Millionen Euroabgekauft
haben. SorgenmachenWillms die hohen
Zielenicht .Wenn er über die Huazhu-Che-
finspricht, sagt er „Jenny“, alswäre sie
eine alteVertraute. „Es gibtkeine Schwie-

rigkeit,genügend attraktiveHotelstandor-
te zu finden.Wirbauen in derRege lunse-
re Häuser nicht selbst, sondernschließen
Pacht-, Franchise- oder Managementver-
träge. Solangedas Zinsniveau niedrig
bleibt, sindgenügend Projektentwickler
für Hotelimmobilien aktiv“, sagt er.
Langestand Steigenbergerfür gediege-
ne deutscheGastlichkeit, danebengabes
die Intercity-Hotels in bahnhofsnahen La-
gen. „Hotellerie imLuxussegment haben
wir schon immer angeboten. Es gibt aber
einenTrend zu mehrNachfrag eimunte-
renbis mittleren Preissegment“, sagt er.
„Umzuwachsen, müssen wir unterschied-
liche Kundengruppen ansprechen. Das ist
mit ein oder zwei Markenkomplizierter.
Neben Steigenbergerund Intercity-Hotels
haben wir jetzt auchJaz in the City für li-
festyleorientierteKunden sowie Maxxby
Steigenberger, um bestehende Hotels ein-
zugliedern.“ Auchder Wettbewerb um
preisbewusstereGeschäftsreisende mit
Ketten wie MotelOne wirderöffnet. Die
Expertise dafür hat er sichmit den Zleep-
Hotels er worben. „Im Economy-Segment
haben wir die dänische Zleep-Gruppege-
kauft. 2022 soll das erstedeutsche Zleep-
HotelinHamburgeröffnen“, kündigt
Willms an.
ZumNachteil für die Premium-Häuser
soll derWeginniedrigerePreissegmente
nicht sein. „ZuSteigenberger gehörenHäu-
ser mitgroßer Geschichte wie derFrank-
furter Hof inFrankfurtoder das Hotel auf
dem Petersbergbei Bonn. Diese Häuser
stechen in ihremUmfeld hervor, das wol-

len wirkünftig stärker be tonen.“ So wie
das KaDeWeinBerlin sichvon anderen
Warenhäusernabhebt, sollen ausgewählte
Hotels hervorstechen. „Unser Flughafen-
Hotelund derFrankfurterHof tragen
zwar beide denNamen Stei genberger. Das
eine istaber ein Airport-Hotel mitFokus
auf Geschäftsreisende, das andereein klas-
sisches Grandhotel. DiesenUnte rschied
wollen wir deutlicher herausstellen“, sagt
Willms. Geplant isteine Markenschär-
fung im Zusammenhang mit demTraditi-
onsnamen.
Dassdie fünf Hotelmarkenzusammen-
gehören, sollenKunden durchein neues
Bonuspunktesystem über alle Hotelkate-
gorien sehen. „Für uns isteswichtig, unse-
re Kunden zukennen.UndKunden freuen
sich, wenn sie entsprechend ihrenVorlie-
ben bedientwerden“, begründetWillms
den Schritt.„Wenn jemandgern Rotwein
trinkt und ein hartes Kissen wünscht, soll
sichdas Hotel daraufvorbereitenkönnen.
Es darfnicht passieren, dassein Stamm-
gast einmal ein anderes Haus einer unse-
rerMarkenbucht und dortniemand er-
kennt, welchein guterKunde er für das
Unternehmen ist.“
In demUnternehmen, das 1930 Albert
Steigenbergerschuf, scheint neuerKampf-
geist geweckt. Vorallem inFrankfurt, dem
Sitz der Deutschen Hospitality,soll sich
das zeigen. „InFrankfurt wollen wir die
Nummer eins sein.Wenn wir nichtexpan-
dieren würden, hätten es anderege-
macht“, erklärtWillms,warumimStadt-
teil Gateway Gardens am Flughafen ein

besonderes Projektwächst.„Der Neubau
am Flughafen wirdunser größter Hotel-
komplexund der einzigedortmit einem
Kongres ssaal für 3000Teilnehmer.Ine i-
nem Radius vondreiKilometernkönnen
wir dann in drei Häusernknapp 1500 Zim-
mer anbieten–inzentraler Lagemitten in
Deutschland.“Das Sheraton-Hotel am
Flughafen hatrund 1000 Zimmer.
Zunächs tsoll derPakt mit Huazhu hel-
fen, den Chinesen den Sprung nachEuro-
pa zu erleichternund in Fernosteine dort
geschätztedeutsche Marke zu etablieren.
Fürdie weitereZukunftkann Willms sich
mehrvorstellen. „Als wir alsDeutsche
Hospitalitynochnicht Teil einesglobalen
Hotelunternehmenswaren, hätteich mich
nicht in den umkämpften amerikanischen
Marktgetraut“, sagt er.„Fürdie Zukunft
könntedas nun eine Option sein. Aktuell
istaber nochnichts Konkretes geplant.“
Kurzfristigstellen dieFolgen des Coro-
navirusSteigenbergervor Herausforderun-
gen. „Ic hrechne damit, dasseswegen des
Coronavirus in der Hotellerie in den
nächsten 100Tageneinen Umsatzrück-
gang um 10 bis 15 Prozentgeben wird“,
sagt Willms. Fürsein Unte rnehmen hofft
er auf einenglimpflichenVerlauf. „Wir ha-
be nein starkesGeschäftmit Kunden aus
Deutschland.Daher trifft uns derRück-
gang bei Gästen aus dem Auslandnicht
ganz so hart“, sagt er.Zudemgebe es gro-
ße Unterschiede in der Geschäftsentwick-
lung je nachStandort. „UnsereIntercity-
Hotels in Bahnhofsnähe sindweiter sehr
gut gebucht, Einbußen haben wir inStei-
genberger-Hotels in Flughafennähe. Als
Trend zeigt sichgerade, dassdie Men-
schen auf den Zug umsteigen,während
die Nach frag enachFlügen sinkt.“ EinAuf-
holen im Jahr 2020 wirdschwierig. „Die
AbsagenvonMessen treffendie Branche.
Viele Veranstaltungen, die ausfallen, las-
sen sichschwerind er zweiten Jahreshälf-
te nachholen, denn dann sindTagungs-
und Messeortestärker ausgelastet.“

TreffpunktFrankfurterHof:ThomasWillms, Chef derSteigenberger-DachgesellschaftDeutsche Hospitality FotoFrank Röth

Steigenbergers großer Hunger


Aktien statt Forschung


Pharmakonzerne setzen aufRückkaufprogramme


500Häuse rsinddas Ziel: Hotelchef ThomasWillms


spricht überPläne mitdem Eigner ausChina,


Economy-Häuser undCorona-Folgen.


VonTimo Kotowski, Frankfurt


BRIEFE AN DIE HERAUSGEBER


DieKritikvonHeikeGöbel („Wirt-
schaf timtoten Winkel“,F.A.Z. vom



  1. Februar) an der politischen Anbin-
    dungund LenkungdeutscherUnter-
    nehmen zu Lastenihrer Marktorientie-
    rung undWettbewerbsfähigkeit istbe-
    rechtigt. Frau Merkel ha teine Artvon
    Spinnennetz überdiedeutscheWirt-
    schaf tgeworfen, diese in ihrer kreati-
    venBewegungsfreiheit zumindest be-
    einflusstund ihreeigenen Visionen
    durchgesetzt, zum Beispiel in derEner-
    giepolitik.
    Die Wirtschaf twirdlangebrauchen,
    um sichvonder genuinzuFrauMerkel
    passendenLenkungsmentalität zu be-
    freien und dabei auch einem europäi-
    schenTrend zu widerstehen. DerStaat
    solltesichwiederdarauf beschränken,
    elastische Rahmenbedingungenzuset-
    zen zugunstendes Marktes, dernichts
    anderesist als die Gesamtheit der Men-
    schen und Bürger. Der Staat ruht auf
    derselben Basis wieder Markt, der de-
    mokratischeStaat lebtvompolitischen


Wettbewerb der Ideen, Meinungen und
Lösungen.WopolitischerWettbewerb
zum Beispieldurch Parolen, imaginäre
Wunschvorstellun genoderrealitätsfer-
ne Verheißungen geschwächt wird,
kommteszueiner Infragestellungdes
Staates. In der Migrationsfrage zeigt
sichdies inder Erpressbarkeit durch
dentürkischen Präsidenten, es warkei-
ne wirkliche Lösungdes Problems. Die
Quintessenz politischenWettbewerbs
besteht darin, bei begrenztenSteuer-
einnahmenundverantwortbarerSchul-
denlastmaximalenNutzen für dieBür-
gerzuerreichen.
Ähnli ch wie in derWirtschaf tmüs-
sendie Strukturenüberschaubarund
prüfbar sein, damit sichkeine utopi-
schen odertaktischenVersp rechungen
oder verdeckt eTäuschungsmanöver
einschleichenkönnen. DerNachfolger
vonFrau Merkelmussein überzeugen-
derKämpfer für politischenLeistungs-
wettbewerb sein.

BERNDBEAUCAMP,AACHEN

Zu dem vonChristian Geyerinder
F.A.ZverfasstenArtikel „Grenzen der
Übergriffigkeit“vom27. Februar ,der
sichauf die Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts vom26. Februar
2020 zumVerbotder geschäftsmäßigen
Förderung der Selbsttötung bezieht,
möchteich folgende Anmerkungen ma-
chen: Mit seinemUrteil vom26. Febru-
ar 2020 hat das Bundesverfassungsge-
richtentschieden, dassjedermann–
auchgeschäftsmäßig –Beihilfezur
Selbsttötung leistenkann, ohne dasses
darauf ankommt,welches Motiv der be-
trof fene Menschfür seinen Sterbe-
wunschhat.Krankheit oder Qualen
beim betroffenen Menschen sind, wie
das Gericht ausdrücklichausführt,kei-
ne Voraussetzung für einerechtmäßige
Assis tenz zur Selbsttötung. Insbesonde-
re Ärzt emachen sichbei einer Hilfezur
Selbsttötung danach nicht strafbar,
auchwenn sieständig undgeschäftsmä-
ßig diese Leistung erbringen.
Es stellt sic hnun dieFrage, wasnach
dem verfassungsgerichtlichen Urteil
aus demStraftatbestand desPara gra-
phen 216StGB wird, der die„Tötung
auf Verlangen“verbietet. Strafrechtlich
gesehen, sind die erlaubte Beihilfezur
Selbsttötung und diestrafbareTötung
auf Verlangen (Paragraph 216StGB)
unterschiedliche Dinge.Nachheutiger
Rechtslageist das bloßeZurverfügung-
stellen einertödlichen Substanz, die
der betroffene Menschdann selbstein-
nimmt,straflos, eine aufVerlangen des


Betroffenen vomTäter durchgeführte
Injektion dagegen iststrafbar.Die Ab-
grenzungkann im Einzelfall schwierig
sein und juristische Laienkönnen diese
im deutschenStrafrecht angelegteUn-
terscheidung, insbesonderewenn sie
sichineiner Ausnahmesituation befin-
den, wohl häufig nicht nachvollziehen.
Es mussdeshalb damitgerechnet wer-
den, dassüber kurz oder lang aucheine
Abschaffung des Verbots derTötung
auf Verlangen (Paragraph 216 StGB)ge-
fordertwerden wird.
Das Bundesverfassungsgericht dürf-
te sicheiner solchenForderung vor
dem Hintergrund seiner im aktuellen
Urteil dar gelegten Erwägungenkaum
entgegenstellen. Denn das nachdiesem
Urteil entscheidende Argument, wo-
nachdie selbstbestimmteEntscheidung
des betroffenen Menschen ohneRück-
sicht auf die demSterbewunschzugrun-
deliegenden MotiveVorrang vor„pater-
nalistischen“ Schutzüberlegungen hat,
gilt auchfür dasVerbotder Tötung auf
Verlangen.Warumsoll die durch einen
Arzt verabreichtetödlicheInjektion
weiterhin stra fbar sein,wenn ein
Mensch diese aufgrund seinesnun-
mehrverfassungsrechtlichverbrieften,
unein geschränkten Selbstbestimmungs-
rechts ausdrücklichverlangt?Aber wo-
hin führtdiese vonvielenbegrüßte„Li-
beralisierung“? Dakann einemangst
undbange werden.

MATHIASGOPPELT,MINISTERIALRATA.D.,
BERLIN

Der Kommentar „Falle Ladestrom“ in
der F.A.Z. vom4.FebruarvonHolger
Appel beginnt mit dem Satz:„AmElek-
troautoführtkein Wegmehr vorbei“.
Aber ohne mich undhoffentlic hnoch
für eineganzeGeneration.Ich fahre
mitmeinem Dieselquattro(185 PS,
zwölf Jahrealt)häufig langeStrec ken
in Frankreichund denBenelux-Staa-
ten, haltemichandas Tempo-Limit
und habe dabei einen Durchschnittsver-
brauchvon6,5 Liter.Warum die Auto-
bauer Europasmit Unte rstützungder
EuropäischenKommission nicht einen


Dieselmotormit vier LiterVerbrauch,
150 PS und zusätzlichem Harnstoff-
Tank entwickeln wollen,ist für mich
nichtnachvollziehbar. Dies wäre ein
Export-Schlager undwürde den ökolo-
gischenIrrsinnder Lithium-Batterien-
Produktion und der„Falle Ladestrom“,
mit allendamit verbundenenKollate-
ralschäden,vermeiden.
Ichhabe ein gutes Öko-Gewissen
und hoffe, das smeinDiesel nochweite-
re 100 000 Kilometer weiter rollt.

DR.ULRICHWETTMANN,FREIBURG

ZumBeitrag„KulturelleVerwandlung“
(F.A.Z.vom22. Februar):ImEntset-
zen überden MassenmordinHanau
plädiert Rainer Matthias Holm-Hadul-
la dafür,„geeigneteBewältigungsfor-
men dasHasses“ zufinden.Ausder
Sicht der Theologie alsreflektierterBe-
sinnungaufden Christus-Glauben der
Person halteich diesesPlädoyerfür
ebenso hilflos wi edie meisten Debat-
tenund wiedie an sichberechtigten
Demos, die „einZeichensetzen“wol-
len. Warum?
Ichverstehe das HassenimUnter-
schied zumZürnen undzum sponta-
nen Ausbrucheiner Wutals einelang
andauerndeaggressiveEmotion, die
sichimVerhältnisvon Feindschaft
bildet. SolcheFeindschaftbildetsich in
den privaten Beziehungenzwischen
Vertrauten oderBekannten,wennwir
eine Szeneals ein eschwere Schmach
oder als eineniederträchtigeBeleidi-
gungunseres Liebens empfinden,
die unsereSelbstachtungzutiefst er-
schüttert. Wenn sichdie aggressive
Emotion des Hasses in solchen Szenen
gewaltsam entlädt, sprechen wir daher
mit Rechtvon „Beziehungskonflik-
ten“.
Andersverhält es sichmit sol chen
Ausbrüchen des Hasses, die sichampu-
renDasein einerGruppe beziehungs-
weise einer Klasse „Fremder“ entzün-
den.Hier steht imVordergrund das Ge-
fühl, vonihr in den eigenen Lebens-
grundlagen bedroht zu sein. Neuere
Forschungen machenesjedochplausi-
bel, dass Hassund Bereitschaftzur Ag-
gressiongegen„Fremde“ ein autoritär
geprägtes und deshalb schwaches


Selbstwertgefühl offenbart.„Extrem“
istjemand, der eine unerwartet neue
unddeshal bverstörendeSituation
nichtverkraftetund deshalb auf die
scheinbare Sicherheitdes primärVer-
trau tenregrediert.In solcherRegressi-
on offenbar tsichtiefeLebensangst.
Wessen Selbstbild vondiesemMotiv
beherrscht wird, mussmit de rkonse-
quentenStrengedes Rechtsbestraft
werden. Wirwären abernaiv,wenn wir
meinten, wirwürden dieses Motiv da-
durch bewältigen, dass wir mit Herrn
Holm-Hadulla zu „Selbstreflexionund
Empathie“aufrufen.Denn es istgera-
de die entscheidendeFrage,wie das
Motiv der angsterfüllten autoritären
Aggressivität durch „liebevolle Natur-
undKulturbegeisterung“verwandelt
werden kann.
Der Christus-Glaube hat zu einer be-
friedi genden Antwort Entscheidendes
beizutragen. Die Entwicklung eines
realistischenSelbstbilds istangewiesen
aufdie Liebe undAnerkennung derbe-
deutungsvollenanderninden primä-
renBildungsinstitutionen und insbe-
sondereinder Familie. Heranwachsen-
de brauchen Impulse, die ihnendas
starke Gefühlder begrenzten Selbstver-
antwortunggeben.Dazu gehörenalle
die Impulse, die dasradikale Grundver-
trauen eines Menschenauf da sgöttli-
cheWese nweitergebenwollen,das
eben nicht–wie etwa das„Volk“ –et-
wasZufälliges und Begrenztes ist, son-
dern allumfassendesSein.Zusolchem
Grundvertrauenanzuleiten,ist die je-
weilsältere Generation der jeweilsjün-
gerenGeneration schuldig.

PROFESSOR EM.DR. KONRAD STOCK,
GIESSEN

MaximalerNutzen für die Bürger


Da kann einem angst und bange werden


Mit gutem Gewissen


Zu Grundvertrauen anleiten

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