Süddeutsche Zeitung - 13.03.2020

(Elle) #1
von thomas fromm

München–Als der Wirtschaftsausschuss
von MAN am 10.Januar darüber infor-
miert wurde, dass bis zu 6000 Stellen bei
dem Lkw- und Bushersteller abgebaut wer-
den sollen, war das Coronavirus noch weit
weg. So weit weg wie die Schockwellen, die
in diesen Tagen durch Wirtschaft und Fi-
nanzmärkte jagen. 6000 von 36000 Mitar-
beitern, ein gutes Sechstel der Belegschaft
auf der Streichliste – es war schon ein Kri-
senplan, der es in sich hatte.
Für den radikalen Kürzungsplan gibt es
aus Sicht des Managements genug Grün-
de. Da ist die Nachfrage, die wegen der
schwachen Konjunktur sinkt. Konzern-
chef Joachim Drees rechnet mit einem
Rückgang um zehn bis 20 Prozent in die-
sem Jahr. Wenn die Konjunkturdaten
schlechter werden, sind es gerade die Lkw-
Bauer, die das früh zu spüren bekommen.
Weil ihre Kunden, die Speditionsfirmen,
den Kauf neuer Fahrzeuge verschieben. Da-
zu kommt, dass sich die Lkw-Bauer nach
immer strengeren CO2-Grenzen strecken
müssen, wenn sie saftige Geldstrafen von-
seiten der EU vermeiden wollen.


Der langsame Abschied vom Diesel kos-
tet viel Geld, die Investitionen in neue Tech-
nologien sind hoch – jetzt soll unter ande-
rem in der Verwaltung und den Entwick-
lungsabteilungen kräftig gespart werden.
Vor allem da, wo es nicht um moderne An-
triebe wie Wasserstoff geht. Aus Kreisen
des Unternehmens heißt es nun, es habe be-
reits „erste Gespräche“ mit der Arbeitneh-
merseite gegeben. Bis zum Sommer wolle
man sich auf einen gemeinsamen Plan eini-
gen. Zurzeit stehe allerdings vieles „auf
dem Prüfstand“.
Im Arbeitnehmerlager wird dagegen be-
tont: Erste Gespräche habe es gegeben, ja,
aber bestimmt noch „keine Verhandlun-
gen“. Auf beiden Seiten will man den ge-
samten Vorgang gegenwärtig nicht kom-
mentieren.
Die Frage ist nicht nur, ob sich die bei-
den Lager einigen werden. Die Frage ist
auch, ob es angesichts der massiven Proble-


me weltweit überhaupt dabei bleibt. Oder
ob wegen des Virus nicht alles noch schlim-
mer kommen könnte.
Die Sache ist auch deshalb nicht so ein-
fach, weil MAN längst kein unabhängiges
Unternehmen mehr ist. Die Münchner ge-
hören wie der schwedische Hersteller Sca-
nia zur VW-Lkw-Tochter Traton. Seit de-
ren Börsengang im vergangenen Sommer
ist der Druck auf die Hersteller, die unter
dem Traton-Dach arbeiten, noch einmal
gestiegen. Nicht so sehr auf die profitable-
re Marke Scania, sondern vor allem auf die
schwächere Konzerntochter MAN.
Es sei „bei der aktuellen Ertragslage
schwer, in neue Technologien zu investie-
ren“, heißt es in der Zentrale. Und es geht
weiter: MAN soll ganz von der Börse ge-
nommen, die letzten Minderheitsaktionä-
re abgefunden werden. Damit würde der
Traditionshersteller dann komplett in der
Muttergesellschaft Traton aufgehen.
Als Drees vor einigen Tagen seine Mitar-
beiter schließlich auf einen „signifikanten
Stellenabbau“ einschwor, war klar, was
das bedeutete: Bei dem Münchner Lkw-
Bauer wird es ungemütlicher, wenn der
Druck von oben steigt und viele Arbeiten,
die jahrelang MAN-intern erledigt wur-
den, nun zentral abgewickelt und organi-
siert werden sollen. „Wir wollen einzelne
Bereiche gezielt stärken, andere Aktivitä-
ten verringern oder ganz einstellen“, sagte
Drees. Es war eine klare Ansage.
Allerdings: Ohne den Schulterschluss
mit der Arbeitnehmerseite wird es schwie-
rig. Und die hat klare Vorstellungen davon,
wie die Dinge laufen müssen. Der Gesamt-
betriebsrat von MAN hatte am 18. Februar
einen Brief an die Vorstands- und Auf-
sichtsratsmitglieder des Lkw-Herstellers
und seiner Konzernmutter Traton ge-
schickt, der später auch an die Belegschaft
ging. Darin verweisen die Betriebsräte auf
eine bis Ende 2030 geltende Standort- und
Beschäftigungssicherung. Um Verhandlun-
gen aufzunehmen, müssten zunächst eini-
ge „Grundvoraussetzungen“ geschaffen
werden. So gelte der „Grundsatz, MAN
bleibt MAN und Scania bleibt Scania“; mög-
liche „Umstrukturierungsmaßnahmen“
seien „sozialverträglich durchzuführen“.
Es stehen also harte Verhandlungen be-
vor: über einen Plan, der aufgesetzt wurde,
Wochen bevor das Coronavirus die Wirt-
schaft durcheinanderwirbelte.

München–Der Glyphosat-Hersteller Mon-
santo, der inzwischen Teil von Bayer ist,
hat nicht nur in Deutschland, sondern
auch in Großbritannien wissenschaftliche
Studien verdeckt finanziert, in denen der
angebliche Nutzen des umstrittenen Un-
krautvernichters propagiert wurde. Dahin-
ter stand offenkundig der Versuch, die eu-
ropaweite, politische Debatte um die Wie-
derzulassung von Glyphosat im eigenen
Sinne zu beeinflussen.
Nach Recherchen der deutschen Nicht-
regierungsorganisation Lobbycontrol er-
schienen zwei von der Beratungsfirma
RSK Adas verfasste Studien in der Fachzeit-
schriftOutlooks on Pest Management, ohne
dass Monsanto als Auftraggeber und Fi-
nanzier genannt wurde. RSK Adas und die
Firma Bayer, die Monsanto zwischenzeit-
lich übernommen hat, bestätigten dies Lob-
bycontrol. Erst Anfang Dezember 2019 war
ein ähnlicher Fall in Deutschland aufgeflo-

gen. Dabei stellte sich heraus, dass der Gie-
ßener Agrarwissenschaftler Michael
Schmitz mit einigen Mitstreitern, im Auf-
trag und bezahlt von Monsanto, Studien
veröffentlicht hat, welche den Nutzen und
den Wert von Glyphosat herausgestellt hat-
ten. Zuvor hatte Schmitz, der jahrelang das
Bundeslandwirtschaftsministerium be-
riet, stets behauptet, die beiden Experti-
sen seien „ohne Förderung durch Dritte“
entstanden. Auch nachdem sich dies als
falsch herausgestellt hatte, beharrte der
emeritierte Professor darauf, die Studien
seien wissenschaftlich anspruchsvoll und
in „Unabhängigkeit gegenüber den Auf-
traggebern“ entstanden.
Die scheinbar neutralen Expertisen wur-
den im angesehenenJournal für Kultur-
pflanzenveröffentlicht, das vom Julius-
Kühn-Institut herausgegeben wird. Das
Fachblatt zog die Aufsätze inzwischen zu-
rück. Die Universität Gießen, an der Micha-

el Schmitz viele Jahre lehrte und forschte,
zog bislang noch keine erkennbaren Konse-
quenzen. Der Professor hatte die Glypho-
sat-Studien und andere Auftragsarbeiten


  • etwa auch im Auftrag der Geflügelwirt-
    schaft – über ein privates „Institut für Agri-
    business“ abgewickelt.


Die neuen Erkenntnisse aus Großbritan-
nien nähren den Verdacht, dass „Monsan-
to mit Fall-Studien aus mehreren Ländern
einen Pro-Glyphosat-Diskurs aufbauen
wollte“, wie der Politikwissenschaftler Ul-
rich Müller von Lobbycontrol sagt. „Seine
eigene Rolle hat der Konzern dabei ver-
steckt, um den Studien mehr Glaubwürdig-
keit zu verschaffen. Diese Lobbystrategie

war unsauber.“ Nach Müllers Angaben gibt
es in den von Monsanto finanzierten Stu-
dien „an mehreren Stellen Anzeichen da-
für, dass die Nutzung von Glyphosat und
mögliche Verluste bei einem Verbot über-
trieben dargestellt wurden“. Diese hohen
Zahlen und mögliche Verluste bei einem
Verbot von Glyphosat habe das US-Unter-
nehmen dann für seine Öffentlichkeitsar-
beit verwendet – mit dem Ziel, die politi-
sche Zulassungsdebatte zu beeinflussen.
Monsanto habe auf die Inhalte der Studie
massiv Einfluss genommen, mutmaßt Lob-
bycontrol.
Der Monsanto-Mutterkonzern Bayer
kündigte an, künftig die Finanzierung von
Studien offenzulegen. Die Firma hat inzwi-
schen neue sozioökonomische Studien bei
RSK Adas in Auftrag gegeben. Diese stehen
in Zusammenhang mit dem laufenden Ver-
fahren um eine weitere Zulassung von Gly-
phosat über 2022 hinaus. uwe ritzer

Der Konzern, der nun zu Bayer
gehört, habe massiv Einfluss
genommen, so Lobbycontrol

Ein Traktor bringt bei Göttingen Glyphosat aus: Studien von Monsanto sorgen jetzt für Ärger. FOTO: STEVEN LÜDTKE/PICTURE ALLIANCE

Es stehen harte Verhandlungen


bevor. Über einen Plan, der noch


vor Corona gemacht wurde


Vieles steht


auf dem Prüfstand


Beim Münchner Lkw-Bauer MAN sind 6000 Jobs akut
in Gefahr, weil die Nachfrage nach Lkw einbricht

Im Auftrag von Monsanto


Nicht nur in Deutschland, auch in Großbritannien finanzierte die Firma verdeckt Studien über Glyphosat


DEFGH Nr. 61, Freitag, 13. März 2020 (^) WIRTSCHAFT HF2 19
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