Handelsblatt - 13.03.2020

(backadmin) #1
zember war so etwas wie der Wende-
punkt, verstärkt noch von den Zahlen,
die wir Ende Januar vorgelegt haben.
Jetzt wird erstmals wirklich wahrge-
nommen, welche Fortschritte wir ma-
chen, dass wir eine glaubwürdige Stra-
tegie haben und diese auch konse-
quent und schnell umsetzen – so wie
wir es versprochen haben.

Warum war gerade der Investoren-
tag so wichtig?
Bei einer Transformation wie der un-
seren versuchen Investoren abzuschät-
zen, ob es noch weitere Abwärtsrisi-
ken gibt, die sich im Aktienkurs noch
nicht widerspiegeln, ob der Tiefpunkt
erreicht ist. Mein Eindruck ist, dass die
Investoren mittlerweile viel zuversicht-
licher sind und uns glauben, dass wir
es aus eigener Kraft schaffen. Im Som-
mer noch haben Investoren bezwei-
felt, dass uns der Umbau ohne eine
weitere Kapitalerhöhung gelingt. Spä-
testens mit dem Investorentag richtete
sich der Blick darauf, ob wir unsere Er-
träge steigern können. Deshalb war es
wichtig, dass die Leiter unserer Ge-
schäftsfelder auf dem Investorentag ih-
re Pläne vorgestellt haben.

Das Coronavirus könnte nun aber
wieder alles zunichtemachen. Öko-
nomen warnen vor Belastungen
für die Weltwirtschaft, die Volks-
wirte in Ihrem eigenen Haus sehen
eine Rezession in Deutschland und
Europa heraufziehen. Wie groß ist
die Gefahr, dass die Deutsche Bank
ihre Ziele erneut verfehlt, etwa das
Ziel, in diesem Jahr vor Steuern ei-
ne schwarze Null zu schaffen?
Noch lässt sich nicht genau sagen, wel-
che konkreten Auswirkungen Corona
für die Wirtschaft haben wird. Wir be-
obachten die Lage natürlich sehr ge-
nau. Kurzfristig sehe ich für unser
Haus keine dramatischen Auswirkun-
gen. Die Situation entwickelt sich gera-
de allerdings sehr dynamisch, und
welche Auswirkungen unser Haus
dann tatsächlich treffen werden, hängt
natürlich davon ab, wie sich Staaten,
Unternehmen und Verbraucher ver-
halten. Wenn sich die Wirtschaft nach
einem scharfen Einbruch schnell wie-
der erholt, sehe ich bislang keinen
Grund dafür, unser Ziel für dieses Jahr
zu relativieren. Aber ehrlich gesagt
liegt unser Fokus im Moment vor al-
lem darauf, unsere Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter zu schützen und für
unsere Kunden da zu sein.

Haben Sie angesichts Ihrer Kosten-
disziplin überhaupt genug Geld,
um notwendige Investitionen für
das Geschäft zu stemmen?
Ja, absolut – weil wir uns mit unserer
neuen Strategie fokussiert haben. Ein
Grund für unseren Ausstieg aus dem
Aktienhandel war doch, dass wir in
diesen Bereich noch mehr hätten in-
vestieren müssen, um unsere Markt-
position zu verbessern. So haben wir
jetzt mehr Budget für die verbleiben-
den Geschäftsfelder geschaffen. Wir
investieren verstärkt in die Unterneh-
mensbank. Außerdem weiten wir un-
sere Devisenhandelsplattform Auto-
bahn auf den Anleihehandel aus. Die
Digitalisierung des Anleihehandels
wird wiederum dazu führen, dass wir
auch hier weniger Personal brauchen.

James von Moltke


„Es hat länger


gedauert als


gedacht“


Der Finanzchef der Deutschen Bank spricht


über die langwierigen Aufräumarbeiten,


den Risikofaktor Corona und die


beginnende Fusionswelle in Europa.


E


s ist sehr früh an diesem
Morgen und draußen bit-
terkalt. James von Moltke
hat trotzdem gute Laune,
als er durch die Drehtür
im Foyer des rechten Zwillingsturms
schlüpft. Ein fröhliches „Guten Mor-
gen!“, ein energischer Handschlag und
schon geht es hoch in die 34. Etage,
die einen Panoramablick über das
noch immer verschlafene Frankfurt
freigibt.
Von Moltke wirkt unprätentiös in
seinem dunklen Mantel, seine Akten-
tasche ist schlicht, er kommt ohne Si-
cherheitspersonal zur Arbeit. Dabei ist
von Moltke nicht irgendein Mitarbeiter
des größten deutschen Finanzinstituts,
er ist der Finanzchef der Deutschen
Bank. Ein gut bezahlter Job, aber auch
einer, um den ihn nicht jeder in der
Branche beneiden dürfte. Gerade erst
wurde sein Vertrag um drei Jahre ver-
längert. Der Deutsch-Australier muss
also vieles richtig machen beim Geld-
haus, das die letzten Jahre etliche Top-
manager verschlissen hat.

Herr von Moltke, was hat Sie am
meisten erschreckt, als Sie vor
knapp drei Jahren das erste Mal in
die Bücher der Deutschen Bank
blickten?
Da gab es eigentlich keine bö-
sen Überraschungen. Die
Bank hatte ab 2015 wirk-
lich gründlich aufge-
räumt. Diese Arbeit dau-
ert zwar noch immer an,
aber die größten Bro-
cken sind beiseitege-
räumt.

Es hat dennoch lange ge-
dauert, bis die Investoren
wieder mehr Vertrauen in die
Bank gefasst haben. War Ihnen be-
wusst, wie schwer das wird?
Als ich 2017 kurz nach der Kapitaler-
höhung bei der Deutschen Bank an-
fing, war mir klar, dass sich das Institut
in einer Restrukturierungsphase befin-
det. Und mir war auch klar, dass so ein
Umbau nie geradlinig zurück zum Er-
folg führt. Es gibt immer Rückschläge,
bei allen Unternehmen, die so eine
Phase durchleben. Das kannte ich ja
aus meiner Zeit bei der Citigroup.
Richtig ist aber, dass wir bei der Deut-
schen Bank länger brauchen, uns aus
dieser Phase der Unsicherheit gänzlich
herauszuarbeiten, als ich zu Beginn ge-
dacht hatte.

Was war der härteste Rückschlag?
Was das Vertrauen angeht, waren die
Rating-Herabstufung von S&P im Juni
2018 und die Durchsuchung Ende No-
vember des gleichen Jahres die
schwierigsten Ereignisse für uns. Sie
haben Investoren und Kunden unse-
rer Bank ganz besonders beunruhigt.
Und damit auch uns. Finanzinstitute
leben vom Vertrauen, es ist essenziell.
Und da geht es nicht allein um das Ver-
trauen der Kapitalmärkte, sondern vor
allem auch der Kunden, der Mitarbei-
ter, der Bankenaufseher oder der Öf-
fentlichkeit.

Würden Sie heute sagen, Sie haben
dieses Vertrauen zurückgewonnen?
Es hat zumindest wieder deutlich zu-
genommen. Der Investorentag im De-

Ich sehe bislang


keinen Grund dafür,


unser Ziel


für dieses Jahr zu


relativieren.


Bernd Roselieb für Handelsblatt (3)

Die Zukunft der Deutschen Bank
WOCHENENDE 13./14./15. MÄRZ 2020, NR. 52
10

Außerdem macht sich ein weiterer po-
sitiver Effekt gerade jetzt sehr bemerk-
bar: Ohne den Aktienhandel – ein-
schließlich des Prime-Brokerage-Ge-
schäfts – sind wir Schwankungen der
Märkte weniger ausgesetzt. Und noch
etwas anderes ist wichtig: In einigen
Bereichen, etwa bei den Kontrollsyste-
men, haben die notwendigen Investi-
tionen ihren Höhepunkt mittlerweile
überschritten, die Automatisierung
schreitet voran. Das schafft neuen
Spielraum für Investitionen in andere
Bereiche.

Das Verhältnis zu den Bankenauf-
sehern ist also ebenfalls gekittet?
Die Bankenaufseher haben den wohl
tiefsten Einblick in unser Geschäft, un-
sere Zahlen und in unsere Pläne. Es
war deshalb ein starkes Signal, als die
Bankenaufsicht uns im vergangenen
Sommer grünes Licht für unsere Stra-
tegie gegeben hat und im Dezember
unsere aufsichtsrechtliche Mindest-
Kernkapitalquote abgesenkt hat. Das
hätte die Europäische Zentralbank
nicht gemacht, wenn wir nicht unsere
internen Kontrollen deutlich verbes-
sert und unser Risikoprofil deutlich
verändert hätten. Wir sehen das als ei-
nen Vertrauensbeweis für das Manage-
ment, den wir aber auch als Verpflich-
tung sehen, nicht nachzulassen.

Das Vertrauen der Bundesregie-
rung in die Fähigkeiten der Bank
scheint dagegen noch nicht so aus-
geprägt zu sein. Für die Strukturie-
rung der ersten grünen Bundesan-
leihe wurde unlängst mit Crédit
Agricole ein französisches Institut
mandatiert.
Das ist enttäuschend, es war ein
knappes Rennen. Aber wir arbeiten
hart daran, bei der nächsten Aus-
schreibung das Mandat zu gewinnen.
Insgesamt kann sich unser Engage-
ment im Bereich grüner Investments
absolut sehen lassen. Im vergange-
nen Jahr haben wir zum Beispiel Un-
ternehmen bei der Emission von
ESG-Anleihen über mehr als 20 Milli-
arden Euro begleitet, zweieinhalb -
mal so viel wie 2018. Und für 2020
planen wir eine weitere Verdoppe-
lung. Das ist nur eine von vielen Ini-
tiativen.

Es gibt Investoren und Wettbewer-
ber, die überzeugt sind, dass die
Deutsche Bank früher oder später

einen Partner braucht. Stimmen
Sie dem zu?
Weder Christian Sewing noch ich ha-
ben je einen Hehl daraus gemacht,
dass wir von einer europäischen Kon-
solidierung ausgehen und dass die
Deutsche Bank einen aktiven, einen
gestaltenden Part dabei spielen will.
Wann das geschieht, ist aber völlig
ungewiss. Und auch, welche Konstel-
lationen dann wahrscheinlich sind.
Klar ist nur, dass der europäische
Markt eine Konsolidierung benötigt.
Fortschritte bei der Banken- und der
Kapitalmarktunion wären dafür si-
cher hilfreich. Europas Banken könn-
ten dann global eine ganz andere
Rolle spielen. Bis es so weit ist, haben
wir noch Zeit, unsere Hausaufgaben
zu machen.

Wie sähe Ihr Traumpartner aus?
Finden Sie ihn eher in Deutschland
oder anderswo in Europa?
Wir haben uns im vergangenen Jahr ei-
ne mögliche innerdeutsche Konsoli-
dierung sehr genau angesehen. Und
wir haben uns dann aus vielen sehr
guten, genau geprüften und nach wie
vor gültigen Gründen dagegen ent-
schieden. Insofern halten wir grenz-
überschreitende Zusammenschlüsse
für wahrscheinlicher. Konsolidierun-
gen kommen häufig in Wellen. Denn
wenn einer damit anfängt, sehen sich
auch viele andere dazu gezwungen zu
reagieren, weil das die eigene strategi-
sche Position verändert. So lief das zu-
mindest in den USA. Ich bin gespannt,
ob das in Europa genauso sein wird.
Und wenn es losgeht, wollen wir da-
rauf vorbereitet sein.

Herr von Moltke, vielen Dank für das
Gespräch.

Die Fragen stellten Kathrin Jones,
Michael Maisch und Yasmin
Osman.

Der Manager Vor seinem Wechsel
zur Deutschen Bank zum 1. Juli
2017 war der Finanzexperte Trea-
surer bei der amerikanischen Citi-
group. Zuvor leitete er dort die
konzerninterne Abteilung für
Fusionen & Übernahmen (M&A).
Von Moltke blickt auch auf Statio-
nen bei Credit Suisse, JP Morgan
und Morgan Stanley zurück.

Der Privatmann Von Moltke, Jahr-
gang 1969, hat die australische und
deutsche Staatsbürgerschaft. Er
trägt einen berühmten Namen:
Sein Großvater war der Jurist Hel-
muth James Graf von Moltke, der
während des Nationalsozialismus
in Deutschland die Widerstands-
gruppe „Kreisauer Kreis“ gegrün-
det hat und deswegen 1945 hinge-
richtet wurde. Von Moltke wuchs in
Kanada auf und studierte in
Oxford. Die Verbindung zu
Deutschland hielt er stets aufrecht


  • bei Familienbesuchen, als Aus-
    tauschschüler und während seines
    Studiums.


Vita
James von Moltke

Paul Achleitner

Angezählte


Eminenz


E


s gab Zeiten, da war Paul
Achleitner der wohl umstrit-
tenste Aufsichtsratschef in
der Dax-30-Riege. Kritiker geben
dem Chefkontrolleur bis heute eine
Mitschuld daran, dass die Deutsche
Bank viel zu spät erkannt hat, dass
sie sich ihr teures Kapitalmarktge-
schäft nicht mehr in der bisherigen
Form leisten kann. Und Achleitner
tat in der Vergangenheit bei öffent-
lichen Auftritten auch alles, um die-
se Kritik zu befeuern – wenn er pro-
vokativ seinen Lieblingssatz vor-
trug: „Das Wort ‚gesundschrump-
fen‘ gibt es nur auf Deutsch, sonst
nirgendwo.“
Mit dem strategischen Hin und
Her ging ein permanentes Stühle -
rücken im Vorstand einher: Unter
Achleitner, angetreten im Juni
2012, brauchte es bis heute vier
Vorstandschefs, um die Deutsche
Bank wieder richtig aufzugleisen.
Auf das Duo Anshu Jain und Jürgen
Fitschen – installiert noch vom Vor-
gänger Josef Ackermann – folgte
2015 John Cryan. Seit 2018 soll es
nun Christian Sewing richten. Ob
ihm die Wende gelingt, muss sich
erst noch zeigen.
Um Achleitner selbst ist es die
letzten Monate ruhig geworden.
Früher wurde er intern als Schat-
tenchef beschrieben, trat auch
nach außen oft als Gesicht der
Deutschen Bank auf. Das ist immer
seltener der Fall.
Achleitner hat andere Prioritä-
ten, wie Insider berichten: Längst
suche der Österreicher nach einem
Nachfolger, den er in Ruhe einar-
beiten könne, bevor er spätestens
mit Ende seiner zweiten Amtszeit
2022 von der Bühne abtrete. Ach-
leitner wolle den Wechsel lieber
mitgestalten, als sich von den In-
vestoren treiben zu lassen.
Im Aufsichtsrat selbst drängt sich
kein aktuelles Mitglied für den Vor-
sitz auf. Die nötige fachliche Exper-
tise für den Posten – und die not-
wendigen Deutschkenntnisse –
brächte wohl nur der frühere
Deutschlandchef von PwC, Norbert
Winkeljohann, mit. Er gilt intern
aber eher als „Ziegelstein“-Kandi-
dat, der das Gremium für eine
Übergangszeit leiten könnte, sollte
Achleitner selbst etwas zustoßen.
Achleitner suche deshalb extern
nach einem Kandidaten, ist im Um-
feld der Bank zu hören. Verstär-
kung ist ohnehin notwendig. Ka-
therine Garrett-Cox wird das Kon-
trollgremium in absehbarer Zeit
verlassen, wie Insider berichten.
Die Bank selbst äußert sich nicht
dazu. Wann genau es zu einem
Wechsel kommt, ist offen. Auch
konkrete Namen kursieren noch
nicht. Es gilt aber als wahrschein-
lich, dass der Nominierungsaus-
schuss versuchen wird, eine Per-
son zu finden, die tendenziell auch
für die Achleitner-Nachfolge infra-
ge kommt. K. Jones, Y. Osman

Im Krisenmodus
Preise für die Kreditausfallversicherungen
(CDS) in Basispunkten

Prozentuale Veränderung
seit Jahresbeginn

Deutsche Bank
Aktienkurs in Euro

Amtsantritt
Christian Sewing

Deutsche Bank

12.3.2019 12.3.

1.1.2020 12.3.
HANDELSBLATT Quelle: Bloomberg, Markit

4,96 €

111121

137

180

150

120

90

60

30

12

10

8

6

4

Credit Suisse
Vergleichsindex:
iTraxx Europe Senior Financials

Aktienkurs
Deutsche
Bank

Vergleichsindex:
Stoxx Europe
600 Banken

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9.4.2018 12.3.

Die Zukunft der Deutschen Bank
WOCHENENDE 13./14./15. MÄRZ 2020, NR. 52
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