Kunstmarkt
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Christiane Fricke Düsseldorf
D
üsseldorf hat sich viel-
leicht zu früh gefreut.
Im nun vorgelegten
„Konzept für ein Bun-
desinstitut für Fotogra-
fie“ spricht sich ein vierköpfiges Ex-
pertengremium unter der Leitung
des Kurators Thomas Weski für den
Standort Essen aus – und damit gegen
die NRW-Landeshauptstadt. In Essen
hat das Sammeln von Fotografie eine
lange, bis in die Zwanzigerjahre zu-
rückreichende Tradition: Es gibt das
Museum Folkwang mit seiner umfas-
senden Kollektion, die Folkwang-Uni-
versität mit Deutschlands erstem
Lehrstuhl für Fotografie, die riesige
Bildersammlung auf Zeche Zollverein
und die Krupp-Stiftung.
„Essen hat die besten Chancen,
sich zu einem Leuchtturm für Foto-
grafie zu entwickeln“, heißt es in
dem von Kulturstaatsministerin Mo-
nika Grütters beauftragten Konzept.
Vor acht Monaten hatte die CDU-Poli-
tikerin die alte Idee eines nationalen
Fotozentrums in einer öffentlichen
Veranstaltung in Berlin auf die Tages-
ordnung gesetzt. Zunächst, um auslo-
ten zu lassen, in welcher Weise sich
Deutschlands fotografisches Kulturer-
be am effektivsten sichern lässt, be-
vor es der Kunstmarkt verwertet –
oder es auf dem Müll landet.
Klar ist, dass sich Düsseldorf mit
seinem parallelen Vorstoß für ein
„Deutsches Fotoinstitut“ keinen gu-
ten Dienst erwiesen hat. An Grütters
und dem Expertengremium vorbei
hatte sich die Stadt mit einem Kon-
zept des erst im Herbst 2019 gegrün-
deten „Vereins zur Gründung und
Förderung eines Deutschen Fotoinsti-
tuts e.V.“ 83 Millionen Euro Förder-
gelder gesichert, je zur Hälfte bewil-
ligt vom Bundestag und vom Land
Nordrhein-Westfalen. Hinter der Ini-
tiative steht Düsseldorfs prominenter
Fotokünstler Andreas Gursky. Sein
Mitstreiter Moritz Wegwerth möchte
sich auf Anfrage des Handelsblatts ak-
tuell zu Weskis Konzept noch nicht
äußern.
Grütters und das Expertengremi-
um reagierten damals irritiert. Die
Kulturstaatsministerin freute sich
zwar über die „unerwartet schnelle
Schützenhilfe“ durch den Bundestag,
monierte jedoch die voreilige Festle-
gung auf den Standort Düsseldorf.
„Erst mit dem nun vorliegenden Kon-
zept kann seriös über den Standort
entschieden werden.“ Und die Exper-
ten hätten sich im Ergebnis für Essen
ausgesprochen, betonte sie in Berlin.
Kurator Weski konstatiert, das „Deut-
sche Fotoinstitut, Düsseldorf “ bliebe
durch die Einschränkung auf die ak-
tuelle künstlerische Fotografie hinter
den Möglichkeiten einer umfassen-
den, kunst- und kulturhistorischen
Perspektive auf das fotografische Kul-
turerbe zurück.
Dass die von Grütters ins Auge ge-
fasste Institution kein neues Museum
werden sollte, war zumindest Ute Es-
kildsen von Anfang klar. Die Mitauto-
rin des Konzepts, die selbst jahrzehn-
telang die Fotosammlung am Muse-
um Folkwang aufbaute, sah keinen
Sinn in einer konkurrierenden Insti-
tution. Sie plädierte für eine Koope-
ration mit bereits bestehenden Häu-
sern, vergaß aber nicht, darauf hin-
zuweisen, dass diese mehrheitlich
ohne ausreichendes Personal und
obendrein ohne auskömmliche Fi-
nanzierung arbeiten.
Das neue Bundesinstitut für Foto-
grafie soll diese Mängel nicht kom-
pensieren. Es soll vor allem dafür da
sein, um Vor- und Nachlässe heraus-
ragender deutscher Fotografen zu si-
chern, aufzuarbeiten und der Öffent-
lichkeit zugänglich zu machen – auch
in Form von Ausstellungen. Beste-
hende Einrichtungen sollen vom
Know-how profitieren.
„Unser Umgang mit den histori-
schen und gegenwärtigen Beständen
fotografischer Bildproduktion wird
entscheidend mitbestimmen, was in
Zukunft vergessen oder aber in Erin-
nerung bleiben wird“, gab Weski in
Berlin zu bedenken. Wunschvorstel-
lung ist ein Institut, das der Fotogra-
fie als Medium „in der ganzen Band-
breite ihrer Anwendungen“, inklusive
der zeitgenössischen Fotografie,
dient. Befürchtungen, Weski und sei-
ne Mitstreiter, zu denen auch Tho-
mas W. Gaethgens, ehemaliger Leiter
des Getty Research Institute in Los
Angeles, und die Fotorestauratorin
Katrin Pietsch gehören, würden der
gegenwärtigen Fotokunst den Vorzug
geben, erweisen sich damit als unbe-
gründet.
Umstrittener Ansatz
Das von Weski umrissene Institut er-
scheint mit 54 avisierten Mitarbeiten
wie ein großer Wurf, ist im jetzigen
Stadium jedoch nur eine Wunschvor-
stellung. Über einen Etat kann der-
zeit nur spekuliert werden. Fest
steht, dass hier internationale Stan-
dards gesetzt werden sollen, auch
technologisch. Damit ist das Institut
vielleicht vergleichbar mit dem Zen-
trum für Kunst und Medien (ZKM) in
Karlsruhe, das vor einigen Jahren
vom Landesrechnungshof wegen sei-
ner hohen Jahresausgaben von fast
20 Millionen Euro kritisiert wurde.
Zwei Beispiele illustrieren, welch
immenser Arbeitsaufwand auf das
neue Bundesinstitut für Fotografie
zukommt. Ludger Derenthal, Leiter
der Sammlung Fotografie am Muse-
um für Fotografie in Berlin, bekam
den Nachlass von Leni Riefenstahl ge-
schenkt und hatte es anschließend
mit über 700 Umzugskisten Archiv-
gut zu tun. Und die private Alfred
Ehrhardt Stiftung in Berlin wird erst
2022 nach 20 Jahren den Nachlass
des Namensgebers inventarisiert und
digitalisiert haben.
Der Weg zum nationalen Fotozen-
trum ist lang und bleibt weiter um-
stritten. Jens Bove, Leiter der Deut-
schen Fotothek in Dresden, hätte
nach wie vor eine vernetzte Lösung
bevorzugt. Verteilt auf die schon vor-
handenen exzellenten Bildarchive –
mit einer Koordinierungs- und Bera-
tungsstelle im Zentrum.
Nationales Bilderbe
Der lange Weg zum
Fotozentrum
Auch wenn Düsseldorf vorgeprescht ist: Experten sehen Essen
als Topstandort für das geplante „Bundesinstitut für Fotografie“.
Treppe im Ruhr-Museum
Essen: Die Zeche Zollverein
könnte Standort für das
neue Fotoinstitut werden.
REUTERS
Besucher des Städel
in Frankfurt: Vor
Andreas Gurskys
„Montparnasse“ in
einer Ausstellung
aus dem Jahr 2017.
Hannelore Foerster/Getty Images, VG Bild-Kunst
Kunstmarkt
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Horst Wackerbarth: „Baobab Affenbrotbaum in der
VG Bild-Kunst 2020/Art Edition Fils GmbH Naehe von Diaba, auf dem Weg nach Bamako“.
Fotofestival
Neustart in Düsseldorf
D
ie Stadt Düsseldorf arbeitet
weiter an ihrem Image als
„Fotostadt“. Nun hat eine
fünfköpfige private Initiative binnen
eines halben Jahres auf das Ende des
„Photo Weekend“ reagiert und ein
neues Fotofestival mit über 60 Ausstel-
lungen und Veranstaltungen auf den
Weg gebracht. An der ersten Ausgabe,
die an diesem Freitag unter dem Titel
„düsseldorf photo+“ startet, beteiligen
sich so gut wie alle relevanten Gale-
rien, Museen und Stiftungen, soweit
sie nicht anders verplant waren.
Die Veranstalter, darunter der Gale-
rist Rupert Pfab und die Fotokünstle-
rin Pola Sieverding, sind ehrenamtlich
im Einsatz. Angaben Pfabs zufolge ist
die Gruppe aktiv geworden, als klar
wurde, dass das Geld für das abgesag-
te Photo Weekend noch zur Verfügung
stand. Insgesamt flossen 104 000
Euro, zuzüglich je 20 000 Euro für
Diskussionen und Gespräche sowie
die Vergabe des neuen „Bernd-und-
Hilla-Becher-Preises für Fotografie“,
der auch einen Förderpreis beinhaltet.
Das Konzept weist in die Zukunft. Es
geht nicht nur um eine Bestandsauf-
nahme der aktuellen Düsseldorfer Fo-
toszene. Ein zusätzlicher Schwerpunkt
liegt auf zeitbasierter Medienkunst
und verweist damit auf eine Biennale,
die 2022 unter der Bezeichnung „düs-
seldorf biennial for visual and sonic
media“ stattfinden soll. chf
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