die Marktrisiken waren wir uns schnell klar“, be-
richtet sie. „Dann haben wir in die Kristallkugel ge-
blickt und über die Entwicklung in den stärker be-
troffenen Ländern diskutiert.“ Ihr fällt es schwer,
das Risiko näher zu beziffern. „Es gibt da den kurz-
fristigen Marktschock. Der bereitet uns keine Kopf-
schmerzen, für so etwas sind wir gut gerüstet“, sagt
sie. „Und dann gibt es die möglichen mittelfristigen
Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Kreditrisi-
ken – da ist es für eine Einschätzung noch zu früh.
Und es hängt natürlich davon ab, wie lange diese
Entwicklung andauert.“
Paradoxerweise macht die neue Strategie von Se-
wing – die er Anfang 2018, wie es Vertraute erzäh-
len, auf dem Rückweg aus dem Skiurlaub auf der
Autobahn ausgearbeitet haben soll, während seine
Frau am Steuer saß – die Bank womöglich noch an-
fälliger für Konjunkturrisiken. Im Handelsgeschäft
lässt sich in vielen Marktphasen Geld verdienen,
auch und gerade in sehr volatilen Zeiten. Doch die
Bank setzt wieder stärker auf Kredite. „Wir müssen
bei unserem Kreditgeschäft mit der Spannung le-
ben, dass wir an der Seite unserer Kunden stehen
wollen, aber gleichzeitig unsere Risiken im Blick
behalten müssen“, beschreibt Riley das Dilemma.
Wenn sich die Deutsche Bank eines nicht mehr
leisten kann, dann sind es enttäuschte Kunden. Zu
viel Porzellan hat das Institut zerschlagen, als die
Investmentbanker nach der Jahrtausendwende das
Sagen hatten. „Nach dem Kauf von Bankers Trust
war nicht mehr der Kundenberater das Gesicht
zum Kunden, sondern alle möglichen Investment-
banker meldeten sich dort auch direkt“, erinnert
sich ein langjähriger Deutsche-Bank-Veteran. Unter
Jain hätten Teams oft gegeneinander gearbeitet, um
an Aufträge zu kommen, berichten ehemalige Ma-
nager über diese Zeit.
Genau das darf sich in den Augen von Stephan
Szukalski, dem Bundesvorsitzenden der Bankge-
werkschaft DBV, auf keinen Fall wiederholen. Er at-
testiert der Deutschen Bank zwar Fortschritte beim
Umbau. Aber es werde noch Jahre dauern, bis die
Bank wieder sicher auf beiden Füßen stehe – und
dabei dürfe nicht viel schiefgehen. „Ein Rückfall in
alte Verhaltensmuster wie Arroganz, Überheblich-
keit und zu stark auf schnelle Erfolge schielen wäre
dieses Mal tödlich“, warnt er.
Reputation ist ein teures Gut
Das alles hat Reputation gekostet, auch in der deut-
schen Industrie. Die Bank habe ihre Kunden von
oben herab behandelt, sagt der Vorstand eines
Dax-Konzerns. Ein anderer Vorstandsvorsitzender
eines global agierenden Unternehmens beschreibt
Sewing zwar als „nahbar“ und bescheinigt ihm, gut
zuzuhören. In den Ebenen unter dem Vorstand sei
aber noch immer zu viel von der alten Arroganz zu
spüren. Darüber können auch prestigeträchtige
Mandate wie der Beratungsauftrag für den milliar-
denschweren Verkauf der Aufzugssparte von Thys-
sen-Krupp nicht hinwegtäuschen.
Umso wichtiger ist eifriges Klinkenputzen, auch
bei Mittelständlern und städtischen Kämmerern.
Gerade bei Letzteren hat die Deutsche Bank bis
heute ein Glaubwürdigkeitsproblem, schwatzte sie
doch vielen Städten mit klammer Kasse vor der Fi-
nanzkrise komplexe Zinswetten auf, von denen
nicht wenige zu hohen Verlusten führten. Die Stadt
Pforzheim beispielsweise erstritt deshalb vor eini-
gen Jahren einen Vergleich – und ist bis heute nicht
gut zu sprechen auf Deutschlands größtes Geld-
haus. „Es gab seit dem Debakel mit den derivativen
Geschäften der Deutschen Bank keinen Geschäfts-
kontakt mehr zwischen der Stadt Pforzheim und
der Deutschen Bank“, gibt ein Sprecher der Stadt
kurz und knapp zu Protokoll.
Stefan Bender, Deutschlandchef der Bank, ist der
Mann, der heute wieder für ein besseres Verhältnis
sorgen muss „Viele Kunden im Mittelstand hatten
in der Vergangenheit das Gefühl, wir würden sie
vernachlässigen“, räumt er ein. Nach seiner Beob-
achtung kehrt das Vertrauen in die Bank aber all-
mählich wieder zurück. „Vor allem im Mittelstand
wachsen wir seit einigen Jahren kontinuierlich vier-
stellig bei der Kundenzahl.“ Im öffentlichen Sektor
- darunter fallen die Kämmerer – komme jährlich
eine knappe dreistellige Zahl neuer Geschäftsver-
bindungen hinzu.
Auch das Verhältnis zur Politik ist schwieriger als
früher. Es gab Zeiten, in denen die Chefs der Bank
den jeweiligen Bundeskanzler in Finanzfragen be-
rieten. Doch wenn Angela Merkel heutzutage Rat
benötigt, sucht die Kanzlerin diesen nicht mehr zu-
erst in der Chefetage der Deutschen Bank, sondern
anderswo, etwa ihrem früheren Wirtschaftsberater
und heutigen Bundesbank-Chef Jens Weidmann.
Auch zu EZB-Präsidentin Christine Lagarde und de-
ren Vorgänger Mario Draghi wird Merkel ein gutes
Verhältnis nachgesagt.
Das bedeutet nicht, dass die Kanzlerin die Lage
beim größten deutschen Kreditinstitut egal wäre.
Merkel wünsche sich eine starke Deutsche Bank,
heißt es von Vertrauten. Sie informiere sich nach
wie vor über die Entwicklung bei dem Institut und
lasse sich die Strategie vom jeweiligen Chef im per-
sönlichen Gespräch erläutern. Immerhin: Sewing
durfte unlängst mit auf die Chinareise. Doch seit
der umstrittenen Geburtstagsfeier für Ackermann
im Kanzleramt bleibt Merkel grundsätzlich auf Dis-
tanz zur Bank.
Die Finanzkrise und die unrühmliche Rolle von
Großbanken wie der Deutschen Bank war für das
politische Berlin eine Zäsur. Es gab Jahre, da ließ
sich auf dem traditionellen Neujahrsempfang des
Instituts in Berlin kaum ein Spitzenbeamter bli-
cken. Erst unter Bundesfinanzminister Olaf Scholz
lockert sich das Verhältnis langsam, auch inhaltlich
nähert man sich wieder an: Scholz‘ Vorgänger
Wolfgang Schäuble „musste man mit Deregulie-
rung gar nicht kommen“, sagt ein langjähriger Re-
gierungsbeamter. „Da gibt es bei Scholz schon
mehr Verständnis.“
Selbst einer Fusion von Deutscher Bank und
Commerzbank, an der der Bund immer noch 15
Prozent hält, hätte Scholz wohlwollend gegenüber-
gestanden. Aber so weit kam es nicht, die Gesprä-
che über einen „nationalen Champion“ wurden im
vergangenen Frühjahr nach wenigen Wochen wie-
der beendet. Nun kann es gut sein, dass die arg ge-
schrumpfte Commerzbank irgendwann von einem
europäischen Rivalen wie der französischen BNP
Paribas, der niederländischen ING oder der italie-
nischen Unicredit geschluckt wird – und die Deut-
sche Bank vor der Frage steht, ob sie bei der Bran-
chenkonsolidierung zusehen oder selbst mit ein-
steigen will. Und wenn ja: Mit welchem Partner?
Schon im Herbst 2018 schlüsselte der Vorstand
um Sewing in einer Strategiesitzung mit dem Auf-
sichtsrat im Detail auf, warum ein Zusammenge-
hen mit der Schweizer Großbank UBS für das Insti-
tut attraktiver sei als eine Fusion mit der Commerz-
bank. Kaum war im vergangenen Jahr die Fusion
mit den „Gelben“ geplatzt, sondierte man noch
einmal vorsichtig mit den Schweizern, was wohl
möglich wäre. Letztlich gelang es aber nicht ein-
mal, die beiden Vermögensverwaltungssparten zu-
sammenzubringen. Eine Fusion der werthaltigen
Fondstochter DWS mit der dazu passenden Sparte
der UBS hätte die Eigenkapitalquote der Deutschen
Bank zu stark belastet, sagen zwei Insider.
Die Deutsche Bank hält sich zu dem Thema be-
deckt. Potenzielle Wunschkandidaten werden öf-
fentlich natürlich nicht kommentiert. Auf Zusam-
menschlüsse angesprochen, macht Sewing aber
recht schnell klar, dass er über die Landesgrenzen
hinweg schaut. „Ich sage schon seit Langem, dass
in der europäischen Bankenbranche eine Konsoli-
dierung ansteht“, betont er. „Eine der wesentli-
chen Voraussetzungen wäre, dass ein potenzieller
Partner etwas Neues mitbringt – und das ist inter-
national eher möglich als national.“
Satisfaktionsfähig werden
Bis es so weit ist, gilt in den Doppeltürmen die De-
vise: allein weitermachen. Es wird aufgeräumt, um
bei der nächsten Fusionsgelegenheit aus einer star-
ken Position heraus handeln zu können. Jede Ab-
lenkung sei brandgefährlich, warnt einer der Top-
manager im Haus. „Es geht nun darum, die Bank
satisfaktionsfähig zu machen. Es muss weiter
schön geliefert werden, Quartal für Quartal – und
dann sehen wir weiter.”
Sewing hat der Bank neue Werte verordnet, das
Thema Nachhaltigkeit soll in den Mittelpunkt rü-
cken: „Wir wollen nachhaltiges Wirtschaftswachs-
tum und gesellschaftlichen Fortschritt fördern und
so in der Mitte der Gesellschaft stehen. Dafür arbei-
ten wir, dafür sind wir da“, beschreibt er das Leit-
bild.
Doch auch hier gab es zuletzt einen Rückschlag:
Das Mandat für die erste grüne Bundesanleihe ging
an die französische Crédit Agricole. Sie hat bereits
Erfahrung mit so einem Vorzeigeprodukt, schließ-
lich brachte sie für den französischen Staat eine
vergleichbare Anleihe auf den Weg. In den Frank-
furter Doppeltürmen reagiert man verschnupft,
wenn das Thema zur Sprache kommt. Die Enttäu-
schung ist groß, auch wegen der öffentlichen Wir-
kung der Entscheidung. In Frankreich hätte es so
etwas nie gegeben – einen Prestige-Auftrag nicht an
eine heimische Bank vergeben, heißt es hinter vor-
gehaltener Hand.
Wenn Sewing aber einen Erfolg ganz klar für sich
verbuchen kann, dann ist es das deutlich ent-
spanntere Verhältnis zu den Aufsehern. Die Kon-
trolleure loben, die Deutsche Bank habe die Zei-
chen der Zeit erkannt und endlich auch an ihren
internen Abläufen gearbeitet, um dubiose Ge-
schäftspartner und hochriskante Deals frühzeitig
Bloomberg [M] Getty Images News/Getty Images [M]
Der Vorstand
zieht an
einem Strang,
was in der
Vergangenheit
oft nicht der
Fall war.
Fabrizio Campelli
Transformationsvorstand
18
MILLIARDEN
Euro musste die
Deutsche Bank seit
der Finanzkrise 2008
für Strafzahlungen
aufbringen.
Quelle: Eigene Recherche
Für den
kurzfristigen
Marktschock
durch Corona
sind wir gut
gerüstet.
Christiana Riley
Amerika-Chefin
Die Zukunft der Deutschen Bank
1
WOCHENENDE 13./14./15. MÄRZ 2020, NR. 52
8
zu entlarven und auszuschließen. „Die Kontrollsys-
teme der Bank haben sich verbessert, auch wenn
das Institut noch nicht über den Berg ist“, heißt es
in europäischen Aufsichtskreisen. „Vor einigen Jah-
ren waren die Bankenaufseher noch sehr viel
beunruhigter über den Zustand der Treasury-Ab-
teilung und des Controllings“, sagt ein Insider.
Ein großes Problemfeld bleibt die veraltete IT.
Sie muss dringend modernisiert werden, wenn Se-
wings Ertragshoffnungen Realität werden sollen.
Den Aktienhandel musste die Bank nicht zuletzt
deshalb aufgeben, weil sie technologisch den An-
schluss an die Konkurrenz verloren hatte. Im ver-
bliebenen Kerngeschäft darf sich das nicht wieder-
holen. Das gilt zum Beispiel für den Anleihehandel,
der sich nun ebenfalls branchenweit automatisiert.
Und auch in der Unternehmensbank, dem neu-
en Herzstück des Konzerns, kann sich die Bank kei-
ne verkrusteten technischen Strukturen erlauben.
Der Bereich, der mit Produkten wie Cash Manage-
ment, Handelsfinanzierungen oder der Absiche-
rung von Zins- und Währungsrisiken für sich wirbt,
war lange das Aschenputtel der Bank. Nun sollen
bis 2022 Renditen von bis zu 15 Prozent her.
Gerade auf ihren Zahlungsverkehr ist die Bank
stolz. Investitionen flossen aber oft genug in andere
Bereiche. Das soll sich nun ändern. Denn um beim
Transfer von hohen Summen in alle Welt nicht ge-
gen Geldwäschevorschriften zu verstoßen, müssen
die Kontrollen in einwandfreiem Zustand sein. Al-
lerdings: Im vergangenen Jahr zwang die deutsche
Finanzaufsicht Bafin das Institut, die Identität von
20 000 Hochrisikokunden erneut zu prüfen. Bis
zum Sommer müssen Akten von Klienten mit mit-
telgroßem Risiko vervollständigt werden. Klassen-
bester ist die Deutsche Bank also nicht. „Topniveau
wäre aber notwendig, um im Transaction Banking
wirklich anzugreifen, ohne neue Skandale zu ris-
kieren“, sagt ein Kenner der Kontrollsysteme des
Instituts.
Die Konkurrenz ist stark. Selbst die US-Invest-
mentbank Goldman Sachs, seit Jahrzehnten Erzri-
valin der Deutschen Bank, interessiert sich inzwi-
schen für das einst als langweilig belächelte Ge-
schäft – und geht mit einer ganz neuen Plattform
an den Start, um Erträge einzusammeln.
„Ich bin manchmal froh, dass unsere Kunden
nicht so genau wissen, was die Systeme von einigen
unserer Konkurrenten so alles leisten“, merkt ein
Deutschbanker kritisch an.
„Mein anstrengendstes Jahr“
Was bedeutet das alles für Sewing selbst? Kann er
sich seines Jobs sicher sein? Jetzt, da er eine gewis-
se Annäherung an Politik und Aufseher geschafft
hat, das Investmentbanking stutzt, die IT-Probleme
in Angriff nimmt und 18 000 Jobs abbaut? Nicht un-
bedingt, sagt ein langjähriger Deutschbanker. Die
„Lehmschicht“ sei schwer zu durchdringen – also
die zweite und dritte Führungsebene, die Entschei-
dungen von ganz oben gern auch mal aussitze. An
diesem inneren Machtgefüge seien Sewings Vor-
gänger auch ein Stück weit gescheitert. Hier müsse
sich nun ebenfalls zeigen, dass endlich alle an ei-
nem Strang ziehen.
Auch ein großer institutioneller Investor, der na-
mentlich nicht genannt werden will, ist skeptisch:
„Sewing hat sich mit seinen bisherigen Erfolgen
Zeit erkauft. Doch er muss in diesem und im
nächsten Jahr beweisen, dass sein Geschäftsplan
wirklich aufgeht, sonst ist auch er weg.“ Die aktu-
elle Strategie sei die letzte Chance für die Bank zu
zeigen, dass sie es notfalls auch alleine schaffe.
„Das Jahr 2020 wird ein entscheidendes Jahr für
die Bank, und es gibt noch viele Herausforderun-
gen“, betont auch Bankenanalyst Graham. Corona
erscheint im Moment als die größte Bewährungs-
probe, da die Konsequenzen so schwer kalkulier-
bar sind. Aber auch die anhaltenden Niedrigzin-
sen, die von den Notenbanken rund um den Glo-
bus nun noch einmal zementiert werden, setzen
den Banken zu. Die Margen werden immer dün-
ner, der Konkurrenzdruck ist groß, neue alternati-
ve Anbieter aus dem Feld der vielen agilen Fin-
techs erobern sich Marktanteile und werben jünge-
re Kundschaft ab.
Wie groß der Druck ist, der auf ihm lastet, lässt
sich Sewing kaum anmerken. Er lacht demonstra-
tiv, wenn man ihn fragt, ob das Jubiläumsjahr auch
ein Schicksalsjahr für ihn ist. „Operativ zu liefern,
das ist leichter, als durch ein Jahr wie 2019 mit so
tief greifenden strategischen Entscheidungen zu
gehen – auch wenn das Umfeld natürlich schwieri-
ger geworden ist“, antwortet er. „2019 war das mit
Abstand anstrengendste Jahr meiner Karriere,
aber auch für unsere gesamte Bank eine besonde-
re Herausforderung.“
Es sei nicht immer leicht, die Mitarbeiter von
der neuen Strategie zu überzeugen, wenn die Ak-
tie immer wieder abrutscht. „Aber seit klar ist,
dass die Strategie greift, hat sich auch intern vie-
les verändert und es ist starker Teamgeist ent-
standen.“
An eben diesen appellierte Sewing auch, als er
Anfang März in einer E-Mail alle Führungskräfte
auf den diesjährigen Bonustag einschwor, der in
der Branche seit Jahren scherzhaft DOLF genannt
wird: „day of long faces“. Er sei sich bewusst, dass
die variable Vergütung viele Leute, auch Füh-
rungskräfte, enttäuschen werde, schrieb Sewing
in seiner Mail. „Ja, es ist ein schwieriger Tag. Aber
diese Tage zeigen und demonstrieren, wo Füh-
rungsstärke, Resilienz, Leidenschaft und die rich-
tige Kultur sitzen.“
Was immer Sewing an Protesten erwartet hat,
am Ende ging es offenbar glimpflich aus. „Ich habe
zumindest nicht gehört, dass mit Türen geschlagen
wurde“, sagt ein Mitarbeiter, der ungenannt blei-
ben will. „Das war früher anders. Da sind dann
auch schon Leute verschwunden und weggeblie-
ben nach dem DOLF.“
Die Konsequenz, mit der Sewing auch unbeque-
me Entscheidungen trifft und durchsetzt, hat den
49-Jährigen an Statur gewinnen lassen, auch in
den Augen seiner anfänglichen Kritiker. Von Auf-
sichtsratschef Paul Achleitner, der ihn vor zwei
Jahren für einige recht überraschend an die Spitze
der Bank beförderte, hat sich Sewing längst eman-
zipiert. Der Vorstandschef halte nicht mehr so viel
Rücksprache mit Achleitner wie früher, beobach-
ten Insider. Die Bank kennt er ohnehin in- und aus-
wendig. Fast 30 Jahre lang hat sich Sewing im Kon-
zern stetig nach oben gearbeitet, angefangen von
einer Ausbildung zum Bankkaufmann. „Einer von
uns“, sagen sie im Haus über ihn. Sewing sei die
beste Chance der Bank, zurück in die Erfolgsspur
zu kommen.
Nur die jüngste Sparmaßnahme kam nicht gut
an: Während die Commerzbank ihren Mitarbeitern
zum 150. Jahrestag einen freien Tag extra gönnte,
gab es bei der Deutschen Bank so gut wie nichts.
Deutschbanker konnten nur die Sonderedition ei-
nes Adidas-Sneakers ordern – auf eigene Kosten
selbstverständlich, für 89 Euro das Paar. Inzwi-
schen sind die weißen Turnschuhe mit dem golde-
nen Bank-Logo und den blauen Schnürsenkeln
vergriffen – ein vorsichtiges Zeichen der Loyalität
oder doch reine Symbolik?
Die Bank sei schon immer gut im Sprint gewe-
sen, berichtet ein Mitarbeiter, der schon viele Vor-
standschefs hat kommen und gehen sehen. Das
Muster war meist das gleiche: Schnell eine neue
Strategie anschieben, Aktionismus demonstrieren
- und dann auf halber Strecke stehen bleiben. „Im
Ausdauerlauf ging der Deutschen Bank immer die
Puste aus.“
dpa [M]
Weit weg von alter Stärke
Rang der Deutschen Bank unter den 20
größten Banken weltweit nach Bilanzsumme
Gesamtbezüge des Vorstandes im Vergleich zum Ergebnis und zur
Dividende
Gesamtbezüge des Vorstandes
pro Kopf in Euro
Ergebnis nach Steuern
in Mrd. Euro
9,0 Mio. €
unter CEO
Josef
Ackermann
5, 2
0 , 00 €
-6,
Rang
Rang 1
2011
Rang 19
1 2 3 4 5 6 7 8 9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
1980 1967
1977 2019*
2007 2018
2019
8 Mio. €
8 Mrd. €
5 4 3 2 1 0
4 Mrd. €
0
-4 Mrd. €
-8 Mrd. €
6 Mio. €
4 Mio. €
2 Mio. €
0
’95 ’00 2002 2019
HANDELSBLATT *Vorschlag • Quellen: Bloomberg, Alfred Slager: The internationalzation of Banks, Unternehmen
6,5 Mrd. €
Dividende je Aktie
in Euro
Ein potenzieller
Partner muss
etwas Neues
mitbringen – und
das ist international
eher möglich
als national.
Christian Sewing
Vorstandsvorsitzender
Die Zukunft der Deutschen Bank
1
WOCHENENDE 13./14./15. MÄRZ 2020, NR. 52
9