Die Zeit - 30.01.2020

(Tina Sui) #1

Von Tillmann Prüfer


Zurzeit sind sich etliche Luxus-Hersteller darin einig, dass der wahre
Luxus jener ist, der die Umwelt möglichst wenig belastet. Bei den
Männerschauen in Mailand beispielsweise ließ Giorgio Armani jetzt
männliche Models mit Kapuzenjacken auftreten, bei denen breit
auf dem Rücken zu lesen war: »I say yes to recycling«. Bei Prada stellte
man gleich vier neue Stoffe aus recycelten Materialien vor, darunter
Stretch nylon aus recycelten Nylonfasern und recyceltes Fleece. Und
Herno hat eine »Globe«- Kol lek tion im Programm: Jacken aus Bio-
Materialien, die innerhalb von fünf Jahren kompostierbar sind.
Nun mag man sich fragen, ob ausgerechnet Luxus-Jacken bislang
das größte Umweltproblem waren. Es ist jedenfalls nicht bekannt,
dass der Müllteppich, der im Pazifik schwimmt, zu großen Teilen
aus Jacken italienischer Markenhersteller bestünde. Eine solche Jacke
konnte man bislang sogar als vergleichsweise nachhaltiges Produkt
bezeichnen, schließlich hat jemand, der einen vierstelligen Betrag in
ein Kleidungsstück investiert, meist anderes im Sinn, als das gute Teil
gleich nächsten Monat im Müll eimer zu entsorgen. Und wahrschein-
lich pflegt man nicht einmal bei Prada den Glauben, die Kunden
könnten so viele Jacken konsumieren, dass daraus ein ernstes Ent-
sorgungsproblem entstünde. Vielmehr zeigt die neueste Entwicklung
nur deutlich, wie variabel der Begriff des Luxus ist.
Es ist noch nicht lange her, da galt als luxuriöses Material, was der
Natur unter größtem Aufwand entnommen worden war: exotische
Felle und Leder etwa oder feine Seiden. Ökologische Kleidung war
dagegen etwas, das man mit Leuten assoziierte, die nicht nur Pelze,
sondern auch Deos ablehnen. Die Umweltfolgen übersah man ge-
flissentlich. Karl Lagerfeld zum Beispiel drückte einmal sein Un-
verständnis für Pelzgegner aus, als er sagte, Nerze seien doch einfach
so etwas »wie bösartige Ratten«. Es spricht allerdings für Lagerfeld,
dass er später mit derselben Selbstverständlichkeit bei Chanel Kunst-
pelz einführte.
Dass sich die Luxus-Branche heute auf Öko-Produkte einschwört,
sollte aber nicht zynisch stimmen. Denn folgte die Mode nicht ihren
eigenen, unvernünftigen Gesetzen, wäre sie keine Mode. Außerdem
wird man umweltfreundliche Technologien nur weiterentwickeln,
wenn damit sehr viel Geld zu verdienen ist. Und nur dann werden
sie irgendwann einmal so günstig sein, dass sie auch den Massenmarkt
für Kleidung erreichen, der zurzeit große Umweltprobleme produ-
ziert. Ein gutes Gewissen kann man durch den Kauf einer organi-
schen Jacke allerdings kaum erwerben. Jedenfalls nicht, solange man
noch gleichzeitig zum Shoppen über den Atlantik fliegt.


Alles auf Grün


Stil

Es gibt Erfindungen, die sehen so toll aus, dass man sie sofort aus-
probieren möchte. Der Mal-Roboter Scribit gehört dazu: ein klei-
nes rundes Ding mit vier Stiften, das man mithilfe von Fäden an
der Wand befestigt, damit es dort herumfährt und die Wand mit
einer Zeichnung verschönert. Entwickelt wurde der Roboter von
einem MIT-Professor, mithilfe der Crowdfunding-Plattform Kick-
starter wurde er produziert.
Schaut man sich das Werbevideo an, kommt man als Gestalter so-
fort ins Träumen: Man kann sein Wohnzimmer mit großforma-
tigen Bildern, Schriftzügen oder sogar Kalender-Einträgen oder
Twitter-Nachrichten dekorieren, und man kann eigene Zeichnun-
gen in die App hochladen oder bereits programmierte Grafiken
benutzen. Hat man keine Lust mehr auf den Anblick, kann der
Roboter die Zeichnung wieder wegradieren.
So weit die Theorie.
Wir hatten uns im Büro alle auf diesen Wunderroboter gefreut und
eine große Grafik mit den Namen aller Mitarbeiter in schönen,
vierfarbigen Buchstaben entworfen. Als wir den Roboter befestigt
und in Marsch gesetzt hatten, fuhr er zwar hin und her, um un-
sere Zeichnung umzusetzen. Aber er malte nur mal hier und da
eine Linie, und das Ergebnis sah vor allem krakelig aus. Irritiert
dachten wir: Macht er einen Fehler – oder wir? Um diese Frage zu
beantworten, benutzten wir dann eine vorgeschlagene Grafik aus
der App. Das Ergebnis war etwas besser, aber trotzdem nicht über-
zeugend. Unsere Wand zieren nun dicke rote Striche. Wegradieren
kann man sie leider nicht wirklich. Manche Ideen sind vielleicht zu
gut, um Wirklichkeit zu werden.

Mirko Borsche lässt einen


Mal-Roboter für sich arbeiten


Unter Strom

Technische Daten
Größe: 2 0 x 9 x 7 cm; Gewicht: 1,1 kg; Preis: 499 Dollar

Mirko Borsche, Creative Director des ZEITmagazins,
schreibt jede Woche die Kolumne »Unter Strom«

Foto

Federico Morando

Foto Peter Langer


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