Die Zeit - 30.01.2020

(Tina Sui) #1

DIE SEITE FÜR KINDER


UND WER BIST DU?

Nigelnagelneu


ZAHL DER WOCHE

120.000


Spiele-Erfindungen
sind noch bis zum Sonntag auf der Spielwaren-
messe in Nürnberg zu sehen. Neben Puppen,
Plüschtieren und Bausteinen zeigen
Firmen dort auch abgefahrene Sachen wie
winzige Drohnen, Hoverboards und Roboter.

Teamwork gegen die Viren


MOMENT MAL!

Gerade sprechen viele Menschen von Corona-
Viren – in den Nachrichten, auf der Straße,
vielleicht auch bei euch in der Schule oder zu
Hause. Vor einigen Wochen haben sich näm-
lich auf einen Schlag viele Menschen mit
solchen Viren angesteckt, die ersten in der
Stadt Wuhan in China. Sie bekamen Husten
und Fieber, manche eine Lungenentzün-
dung, inzwischen sind einige sogar gestorben.
Wenn so etwas passiert, werden Spezia-
listen auf der ganzen Welt sehr aufmerksam.
Sie fragen sich: Was ist das für ein Erreger,
der da so schnell so viele Menschen krank
macht? Wie gefährlich ist er? Und was kön-
nen wir dagegen unternehmen?
Bei Corona-Viren gucken die Fachleute
ganz genau hin. Es gibt nämlich verschiedene,
und es entstehen ständig neue. Corona-Viren
sind echte Verwandlungskünstler. Einige sind
nicht besonders bedrohlich – auch hier in
Deutschland stecken sich häufig Menschen
damit an und bekommen dann meist eine


harmlose Erkältung. Doch vor knapp 20 Jah-
ren hat einmal ein Corona-Virus eine schlim-
me Krankheit mit dem Namen Sars verursacht.
Daran starben fast tausend Menschen. Damit
das nicht wieder passiert, arbeiten Fachleute
heute schneller zusammen.
Einige Forscher untersuchen etwa das
Erbgut eines neuen Virus. So wollen sie he-
rausfinden, wo es ursprünglich herkommt.
Stammt es etwa von Tieren, mit denen die
kranken Menschen kurz zuvor Kontakt hat-
ten? Andere Wissenschaftler entwickeln
Tests, mit denen man prüfen kann, ob ein
Mensch das Virus in sich trägt. Bekommt je-
mand Husten, könnten Ärzte schnell heraus-
finden, ob der von dem neuen Virus kommt,
und sagen: Der darf erst mal nicht mehr un-
ter die Leute gehen, damit er niemanden an-
steckt. Wieder andere Forscher machen sich
daran, einen Impfstoff zu entwickeln – einen,
der vor dem neuen Virus schützt. Das dauert
am längsten.

ZEIT LEO gibt es
auch als Magazin:
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Die ganze
Kinderwelt im Netz:
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I


nmitten einer Wüste aus Eis sitzen fünf
Jungen auf einem großen Schlitten und
futtern Brote und Schokoriegel. Um sie
herum ist das Land flach und weiß. Nur
der eine oder andere Busch ragt durch
die Schneedecke, Bäume gibt es nicht.
Ein bisschen unheimlich ist es hier, als
sei die Welt verschwunden. Dazu ist es eisig kalt,
etwa 20 Grad unter null, und still – bis auf das
Gemampfe der Kinder und ihr Gequassel. Vier
reden über Fische und vergleichen Angelhaken.
Einer redet nicht. Er heißt Skylor und wickelt
gerade sorgfältig seine Angelschnur auf. Er wirkt
so konzentriert dabei, als würde er schon Fische
aus dem Wasser ziehen.
Die Jungen sind unterwegs, um in der Wildnis
das Eisfischen zu lernen. Ich begleite sie zusammen
mit zwei Kollegen, weil wir einen Dokumentarfilm
drehen: Darüber, wie die Menschen heute in der
Arktis leben – und wie es früher war.
Skylor und die anderen Jungen sind zwischen
10 und 14 Jahre alt und Inuit. So heißen die Ur-
einwohner der Arktis. Die zogen schon vor Jahr-
tausenden durchs Land, folgten den Fährten der
Rentierherden und wohnten in Iglus oder Zel-
ten. Heute leben Skylor und die anderen Jungen
in der kleinen Stadt Arviat, weit oben im Nor-
den Kanadas. Ein Inuit-Kind wie Skylor zockt
Videospiele, verkleidet sich an Halloween und
spielt nach der Schule zwischen den Häusern
auf der Straße. Wie ihre Vorfahren in der Wild-
nis überlebten, lernen Skylor und seine Freunde


in der Young Hunters’ Society, auf Deutsch:
dem Club der jungen Jäger.
Unter der Woche treffen sich die Young
Hunters nachmittags, so wie deutsche Kinder
zum Fußball oder zum Turnen gehen. Und von
Zeit zu Zeit ziehen sie los und zelten für ein paar
Tage in der Eiswüste. Früher kamen nur Jungen
zu den Treffen, inzwischen machen auch immer
mehr Mädchen mit. Zum Eisfischen aber sind
keine mitgekommen.
Skylor und die vier anderen ziehen ihre Rob-
benfellhandschuhe an und setzen sich auf dem
Schlitten zurecht. Jason startet den Motor eines
Schneemobils, mit dem er den Schlitten zieht. Jason
ist der Gruppenleiter und ein erfahrener Jäger, der
die karge Landschaft gut kennt. Sich in dem weißen
Nichts zu orientieren ist eine Kunst. Schon in
Arviat kann man bei einem Schneesturm verloren
gehen. Nicht mal die eigene Hand sieht man dann
noch. Da kann es leicht passieren, dass man aus
dem Ort hinausspaziert, ohne es zu merken.
Die Fahrt übers Eis ist holprig, immer wieder
fliegen die Kinder kurz in die Luft. Stundenlang
geht das so. Am nächsten Tag fühlt es sich ein biss-
chen an, als sei man eine Treppe heruntergefallen.
Auf einem gefrorenen See kommen das
Schneemobil und der Schlitten am Abend zum
Stehen. Auf dem See-Eis schlafe es sich wärmer
als auf gefrorenem Boden, erklärt Jason. Die
Jungen bauen ihre beiden knallgelben Zelte nah
am Ufer auf. Dort sind sie zusätzlich von der
Böschung gegen den Wind abgeschirmt.

Es ist ganz dunkel, als die Gruppe mit Later-
nen auf den See hinausstapft. An der tiefsten
Stelle hacken die Kinder mit Eisenstangen zwei
Löcher ins Eis. Jason führt ein Netz darunter
hindurch, von einem Loch zum anderen. Mor-
gen werden sie die Löcher wieder aufhacken
müssen, um zu sehen, ob Fische im Netz sind.

Zum Abendessen gibt es Eintopf, der steif gefro-
ren aus der Dose in den Topf fällt und über dem
Campingkocher auftauen muss.
Isomatten haben die Jungen aber nicht dabei.
Sie schlafen auf jeweils zwei Rentierfellen – das
erste liegt mit den Haaren nach unten, das zweite
mit den Haaren nach oben. Trotzdem ist es eisig
in der Nacht, und Skylor kuschelt sich an seinen

Nachbarn. Kalt sei ihm aber höchstens ein biss-
chen, sagt er.
Bisher sind die Jungs uns Fremden gegenüber
ein wenig schüchtern. Meistens lächeln sie uns
an, sagen aber nichts – und manchmal lachen sie
über uns, wenn wir nicht wissen, wie wir uns
verhalten sollen. Aber Skylor scheint uns zu mö-
gen und stellt nun ein paar Fragen: Wie kalt es
eigentlich in Deutschland sei. Ob man dort
auch Robben und Rentiere jage. Und ob es Ur-
einwohner gebe, vielleicht sogar Inuit.
Plötzlich dröhnt draußen der Motor eines
Schneemobils. Kurz darauf strecken zwei fremde
Gestalten ihre Köpfe ins Zelt. Es sind Wolfsjäger,
die sich kurz aufwärmen wollen und von ihrer Jagd
berichten. In der Arktis ist es ganz üblich, zu Frem-
den ins Zelt zu kommen, als wären es Freunde.
Wenn die Natur so feindselig ist, müssen die Men-
schen zusammenhalten und ihr Wissen teilen: An
welchen Wolkenformationen erkennt man, dass
ein Sturm aufzieht? Welches Eis trägt einen Men-
schen, und in welches bricht man ein?
Es gibt nicht mehr viele Inuit, die sich mit
diesen Dingen auskennen. In der Schule haben
die Kinder nur Fächer wie Englisch und Mathe,
und die meisten können so etwas auch von den
Eltern nicht mehr lernen. Denen hat es nämlich
niemand beigebracht. Jahre lang tat die kana-
dische Regierung viel dafür, dass die Inuit ihre
Traditionen vergessen. Die Kinder wurden von
ihren Familien getrennt und in Internate im
Süden des Landes geschickt. Dort durften sie

nur Englisch sprechen, nicht ihre eigene Sprache
Inuktitut. Der kanadische Staat hat sich inzwi-
schen dafür entschuldigt, aber viel Wissen ist
verloren gegangen. Was noch übrig ist, versu-
chen Menschen wie Jason mit seinen Young
Hunters zu bewahren.
Als die Kinder am nächsten Morgen das Netz
einholen, sind leider keine Fische drin. Sie
schauen zu Jason, doch der wirkt nicht über-
rascht. So ist das wohl in der Wildnis, manchmal
fängt man eben nichts. Also versuchen auch die
Kinder, sich keine Enttäuschung anmerken zu
lassen. Aber auf dem Rückweg hat Jason noch
eine Überraschung für sie. Er macht halt an einem
anderen See. Die Wolfsjäger haben den emp-
fohlen, weil es hier viel Fisch geben soll.
Wieder hacken die Jungen Löcher ins Eis,
dieses Mal lassen sie Schnüre mit Blinkern ins
Wasser hinab. Und tatsächlich, es dauert nicht
lange, da ziehen sie einen Fisch nach dem ande-
ren heraus. Besonders bei Skylor beißen sie. »Ich
hab sechs!«, ruft er und schaut sich triumphie-
rend um. Bald liegt neben seinem Eisloch ein
Berg Fische, einige schon steif gefroren, andere
zappeln noch.
Es wird bereits wieder dunkel, als die Lichter
von Arviat in Sicht kommen. Das Schneemobil
brummt gleichmäßig, die ganze Heimreise über
war Skylor wieder still. Aber er grinst vor sich
hin und schaut gelegentlich auf seine Tüte voller
Fische, die mit ihm in die Luft fliegt, jedes Mal
wenn der Schlitten über einen Stein donnert.

Unter Beobachtung:
Die Kinder angeln,
Philipp Schaeffer und
seine Kollegen filmen.
Insgesamt drei Mal ist
er mit seinem Team
nach Arviat gereist

Nachtlager: In solch
modernen Zelten
schlafen die Kinder,
drinnen aber liegen
sie auf Rentierfellen
wie ihre Vorfahren

Guter Fang: Loch ins
Eis hacken, Schnur mit
Köder ins Wasser
halten, und mit etwas
Glück zappelt ein Fisch
am Haken! Der Club der

jungen Jäger


So nennt sich eine Gruppe von Kindern, die im Norden Kanadas lebt.
Sie sind Inuit, Ureinwohner der Arktis, und lernen, wie ihre Vorfahren
in der Wildnis zu überleben. Der Dokumentarfilmer PHILIPP SCHAEFFER
hat sie bei einem Ausflug ins Eis begleitet

Vorname, Alter, Wohnort:

Glücklich macht mich:

Ich ärgere mich über:

Und das kann man abschaffen:

Die Erfindung wünsch ich mir:

Das würde ich meinen
Eltern gerne beibringen:

DE
UTS
CHLAND

RUSSLAND

KANADA

USA

GRÖN
LAND

Arviat NORDPOL

Polareis

ZE

IT


  • G
    RA


FIK

Arviat

DEUTSCHLAND

NORDPOL

ca

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(^80)
(^0) k
m
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  1. JANUAR 2020 DIE ZEIT No 6


Fotos (UZS): Fabian Klein (Ausschnitt); Jason Curley; Andrew Maguire aus dem Film »The Boys of Nunavut« / The Movemember Foundation; Infografik: Anne Gerdes für DIE ZEIT

Fotos: Hans Ringhofer/dpa; privat (u.r.)
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