Die Zeit - 30.01.2020

(Tina Sui) #1

E


inen »Jahrhundert-Deal« hatte Donald
Trump versprochen, und tatsächlich hat
der Präsident in gewissem Sinne etwas
Epochales produziert. Der Vorschlag zur Beile-
gung des Nahostkonflikts, den der US-Präsident
gemeinsam mit Israels Premierminister Benja-
min Netanjahu am Dienstag in Washington
präsentierte, bricht nämlich mit der westlichen
Nahostpolitik der vergangenen Jahrzehnte.
Israel würden demnach sowohl sämtliche
völkerrechtswidrig gebauten Siedlungen als
auch das strategisch wichtige Jordantal an der
Grenze zu Jordanien zugeschlagen. Die Palästi-
nenser sollen sich künftig auf dem verbliebe-
nen Gebiet selbst verwalten – dem Vernehmen
nach jedoch, ohne Kontrolle über die eigenen
Grenzen zu haben. Trump sprach in Washing-
ton von einem »Staat« für die Palästinenser mit
seiner Hauptstadt in den Vororten Ostjerusa-
lems. Tatsächlich würde sein Deal eher einen
Flickenteppich aus Territorien ohne staatliche
Souveränität hervorbringen.
Für die Palästinenser ist dieser Plan natür-
lich unannehmbar. Aus ihrer Sicht hatte Trump
schon zu Beginn seiner Amtszeit einseitig für
Israel Partei ergriffen, mit seiner Entscheidung,
die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem
zu verlegen. Auch hatte der Präsident sämtliche
Hilfszahlungen an die Palästinenser gestrichen
und die palästinensische diplomatische Vertre-
tung in Washington geschlossen. Direkte Kon-
takte zwischen Washington und Ramallah gab
es seither keine mehr. Von palästinensischer
Seite hieß es schon vorab, jedweder Trumpsche
Deal sei eine Totgeburt.
Trump jedoch hat die Ablehnung der Paläs-
tinenser bereits einkalkuliert; für die Umset-
zung seines Plans ist ihr Votum nicht relevant.
Zwar erklärte der Präsident, man gebe den Pa-
lästinensern vier Jahre Bedenkzeit. Doch eröff-
nete Netanjahu in seiner Dankesrede, dass sie
sich ihre Überlegungen eigentlich sparen könn-


ten: Der Deal erlaube es Israel, die betreffen-
den Gebiete unverzüglich zu israelischem
Staatsgebiet zu erklären, auch gegen den Wil-
len der Palästinenser. Das würde nichts anderes
als eine einseitige Annexion bedeuten – und
damit einen Völkerrechtsbruch mit Washing-
tons Segen.
Im Westjordanland ist freilich die Selbstver-
waltung der Palästinenser unter der Oberhoheit
Israels de facto längst Realität. Palästinensische
Polizisten patrouillieren in jenen Städten, in
denen die meisten Palästinenser leben; Israel
kontrolliert den Grenzverkehr, die Wasservor-
kommen und die weniger dicht besiedelten Re-
gionen. Wer sich in den vergangenen Monaten
im Westjordanland umhörte, konnte feststel-
len: Damit, dass dies über kurz oder lang in
eine Annexion münden wird, rechneten viele
Palästinenser längst. Die Stimmung ist resigniert,
die palästinensische Führung gespalten und
ideenlos. Man muss deshalb auch kaum damit
rechnen, dass nun schnell eine neue Intifada,
ein Massenaufstand folgt.
Die eigentliche Erschütterung trifft vielmehr
Amerikas und Israels traditionelle Verbündete,
im Nahen Osten wie in Europa. Der Nahost-
konflikt könne nur mit der Zweistaatenlösung
beigelegt werden – und nur unter amerikani-
scher Führung: Das war bislang Konsens, sosehr
die Tatsachen ihn auch fragwürdig machten.
Trump und Netanjahu haben diesen Konsens
aufgekündigt. Sie bringen ihre Verbündeten da-
durch in eine unmögliche Lage. Sollen sie etwa
Israel im Falle einer Annexion sanktionieren, so
wie Russland nach der Annexion der Krim?
Trumps erklärtes Ziel war es, den Palästina-
Konflikt abzuräumen, um ein noch größeres
Ziel zu erreichen: eine Allianz Israels, der ara-
bischen Staaten und der USA gegen den Erz-
feind Iran. Mit der Unterstützung für eine An-
nexion könnte er einen entscheidenden Schritt

zu weit gegangen sein. (^) LEA FREHSE
D
ass sich der chinesische Telekommuni-
kationskonzern Huawei am Ausbau
des schnellen Mobilfunknetzes (5G) in
Großbritannien beteiligen darf, ist in mehrfacher
Hinsicht bemerkenswert. Die Entscheidung von
Premierminister Boris Johnson zeigt, wie sich die
Briten international zu positionieren versuchen.
Sie verdeutlicht die Grenzen des amerikanischen
Einflusses in Europa. Und sie hat Folgen für die
Debatte in Deutschland, wo demnächst ebenfalls
über die Zulassung von Huawei entschieden wer-
den muss.
Geostrategisch ist Boris Johnson ins Risiko ge-
gangen. Die amerikanische Regierung hatte ihre
britischen Verbündeten wiederholt aufgefordert,
nicht mit dem chinesischen Konzern zusammen-
zuarbeiten. Sie fürchtet, dass China den Zugang zu
den europäischen Kommunikationsnetzen nutzen
könnte, um sensible Daten auszuspionieren, und
hat deshalb sogar damit gedroht, sicherheitsrele-
vante Informationen nicht mehr mit den Briten zu
teilen. Huawei ist kein Staatskonzern, allerdings hat
die Staatsführung etwa durch die Vergabe vergüns-
tigter Kredite immer wieder auf das Unternehmen
Einfluss genommen.
Ein Konflikt mit den Amerikanern wäre für
Johnson ein Problem, weil er auf die Zusam-
menarbeit mit den US-Geheimdiensten etwa bei
der Terrorbekämpfung angewiesen ist – vor al-
lem aber, weil er nach dem Brexit einen Handels-
vertrag mit Donald Trump abschließen will. Auf
der anderen Seite drohten die Chinesen mit Ge-
genmaßnahmen, falls Huawei der Marktzugang
verwehrt wird.
In gewisser Weise hat sich der britische Pre-
mierminister für einen eigenständigen Weg ent-
schieden. Huawei darf Masten und Antennen
mitbauen, nicht jedoch das sicherheitsrelevante
Kernnetz, in dem die Daten transportiert wer-
den. Johnson setzt darauf, dass der Kompromiss
die Amerikaner besänftigen wird, ohne die Chi-
nesen zu verärgern. Er hat zudem die Interessen
der britischen Wirtschaft (vor allem der Tele-
kommunikationskonzerne) im Blick, die für den
Fall des Ausschlusses von Huawei vor Wett-
bewerbsnachteilen gewarnt hatte. Die Chinesen
sind schließlich als zuverlässige und günstige
Lieferanten bekannt.
Die verbleibenden Sicherheitsrisiken sind
nach Einschätzung der britischen Nachrichten-
dienste beherrschbar. Das aber ist unter Experten
umstritten. Skeptiker wie der konservative Un-
terhausabgeordnete Tom Tugendhat zweifeln
daran. Wahrscheinlich lässt sich ein Restrisiko
nie komplett ausschließen. Schließlich soll 5G
zur zentralen Infrastruktur des digitalen Zeital-
ters werden, über die Kraftwerke, Fahrzeuge,
Produktionsmaschinen vernetzt werden. Es geht
also nicht nur um Spionage, sondern möglicher-
weise auch um Sabotage.
In Deutschland dürfte sich Kanzlerin Angela
Merkel durch die Entscheidung von Johnson be-
stätigt sehen. Merkel hatte sich gegen einen Aus-
schluss von Huawei ausgesprochen und dies un-
ter anderem mit drohenden chinesischen Gegen-
maßnahmen begründet. In der Unionsfraktion
ist das umstritten. Die Kritiker um Norbert
Röttgen, den Vorsitzenden des Auswärtigen Aus-
schusses, wollen den Chinesen den Zugang zum
deutschen Netz verweigern. In einem Kompro-
misspapier der Fraktionsspitze heißt es, es müsse
sichergestellt werden, dass die 5G-Infrastruktur
»nicht dem Zugriff anderer Staaten« unterliege.
Diese Formulierung würde eine Beteiligung von
Huawei beim Ausbau der weniger kritischen Kom-
ponenten nach dem Vorbild der Briten wohl zu-
lassen – auch wenn die Details in den kommenden
Woche noch geklärt werden müssten.
Im Rest Europas könnte es ähnlich laufen. Die
Europäische Kommission nimmt die Sicherheits-
bedenken zwar ernst, ist aber ebenfalls gegen einen
grundsätzlichen Ausschluss einzelner Unternehmen.
In dieser Frage sind sich London und Brüssel aus-
nahmsweise einig. MARK SCHIERITZ
Nahost: M ac ht Tr u mps
Deal alles nur schlimmer?
Mobilfunk: Darf Huawei
nach Deutschland?
WAS HINTER DEN NACHRICHTEN STECKT
VON KATJA BERLIN
Torten der Warheit
Wer in Deutschland Witze
über Dörfler macht
Dörfler
Städter
Dörfler, die in der Stadt leben
Great
Britain
Das Vereinigte Königreich
nach dem Brexit
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  1. JANUAR 2020 DIE ZEIT No 6 POLITIK 7


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