Ein Boot in der Hafenstadt Portsmouth, dem Wohnort des AutorsAlle Staaten der USA haben ihr Motto, und jenes von
New York ist mir das zweitliebste: »The Em pire State«,
kraftvoll wie ein Filmtitel. New Hamp shire aber war
schon immer mein unangefochtener Sieger: »Live free or
die« – mindestens seit damals, seit der Lektüre von John
Irvings Hotel New Hamp shire, Lieblingsroman meiner Ju
gend, die Geschichte von Franny (in die ich verliebt war,
was mir beim Lesen auch nicht ständig passiert) und den
anderen Kindern der Familie Berry, die in Derry, New
Hamp shire, ein Hotel eröffnet, in getrennten Flugzeugen
nach Wien reist (die Mutter und Egg, der kleine Bru
der, kommen nicht an), dort Susie, den Bären, trifft und
Freud wiedersieht, den Bärentrainer.
Und nun sind wir hier, ein Jahr lang wollen wir bleiben,
in Portsmouth, New Hamp shire. Eingetragene Einwohner.
Die Freiheit von Elternzeit und Bücherschreiben hat uns
an diesen abgelegenen Ort geführt, in diesem Januar liegen
zwölf Monate in New Hamp shire vor uns, die Gewissheit
auch, dass sich nach sechs stillen Monaten hier ein Zentrum
der amerikanischen Politik formen wird. Alle Kandidaten
werden kommen, ständig und in jedes Kaff, weil hier und in
Iowa die ersten Vorwahlen 2020 stattfinden, die den Trend
für die Präsidentschaftswahl vorgeben, so ist das alle vier
Jahre: In allen amerikanischen Bundesstaaten dürfen die
Bürger die Kandidaten wählen (und je nach Größe des Staa
tes wird eine Anzahl von Delegierten zum Nominierungs
parteitag entsandt), und da seit Jahrzehnten Iowa und New
Hamp shire den Anfang machen, konzentrieren sich Geld
und Aufmerksamkeit monatelang dort. Und hier.
New Hampshire mit seinen 1,3 Millionen Menschen ist
ein unterschätzter Staat. Er ist klein, geometrisch betrach
tet eine Art viereckiger Keil, 14 Meilen nur ist seine Küste
lang; darum hat New Hamp shire bloß diese eine Stadt am
Atlantik zu bieten: Portsmouth, 20.000 Einwohner.
Jedoch: Viele Nationalparks gibt es, die White Moun tains
und in den Bergen die Seen sowie Steinbrüche, »The Gra
nite State« wird der Keil auch genannt. Im Norden grenzt
New Hamp shire ans kanadische Quebec, im Westen ans
grüne, berühmte Vermont, im Nordosten an Maine, diesen
glitzernden Urlauberstaat, wo ein Strand und ein Sommer
haus neben dem nächsten liegen, und im Süden thront
Massachusetts mit seinen EliteUniversitäten, Harvard vor
allem, und dort ist Boston, dort sind die großen Sport
mannschaften, die Celtics, Patriots, Red Sox, Bruins.
New Hampshire hätte auch gern ein ruhmreiches Team,
stattdessen hat es ein schönes Wort erfunden: »Mass-hole«